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  • · Fachbeitrag · Datenschutz

    Bei Anfragen von Versicherung und Angehörigen: Vorsicht bei der Weitergabe von Patientendaten!

    von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anna Brix, Kanzlei Ulsenheimer und Friederich, München, www.uls-frie.de 

    | Patientendaten sind ein besonders sensibles Gut in der Zahnarztpraxis. Trotz dieses Bewusstseins sind viele Zahnärzte und Mitarbeiterinnen unsicher: Wem darf ich welche Informationen weitergeben - und wann habe ich sogar eine Weitergabepflicht? Die Anfragen derer, die Auskunft begehren, sind oft so formuliert, als gäbe es keinen Zweifel an einem Anspruch auf Mitteilung. Gerade Private Krankenversicherungen (PKV) geben vor, ein umfassendes Informationsrecht zu haben. Doch Vorsicht: Die zahnärztliche Schweigepflicht macht auch gegenüber Versicherungen nicht halt! |

    Große Reichweite der Verschwiegenheitspflicht

    Die zahnärztliche Schweigepflicht gilt gemäß § 203 Strafgesetzbuch (StGB) sowie § 7 Musterberufsordnung der Zahnärzte (MBO-Z).

     

    • § 7 MBO-Z: Verschwiegenheit

    (1) Der Zahnarzt hat die Pflicht, über alles, was ihm in seiner Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut und bekannt geworden ist, gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu wahren.

     

    (2) Der Zahnarzt ist zur Offenbarung befugt, soweit er von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter von der Schweigepflicht entbunden wurde oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höheren Rechtsgutes erforderlich ist. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bleiben davon unberührt.

     

    (3) Der Zahnarzt hat alle in der Praxis tätigen Personen über die gesetzliche Pflicht zur Verschwiegenheit zu belehren und dies zu dokumentieren.

     

    Zahnärzte müssen also über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut oder bekannt wird, schweigen - auch über den Tod des Patienten hinaus. Wer als Zahnarzt Patientendaten unerlaubt offenbart, macht sich sogar strafbar. Von der Schweigepflicht umfasst sind alle Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Patient ein verständliches, schutzwürdiges Interesse hat.

     

    Selbst der Name eines Patienten und die Tatsache seiner Behandlung fallen unter die Schweigepflicht, ebenso die Art der Krankheit, deren Verlauf und Therapie, psychische und körperliche Auffälligkeiten, Untersuchungsmaterial und -ergebnisse sowie sämtliche Angaben über persönliche, familiäre, berufliche und finanzielle Verhältnisse. Die Schweigepflicht ist grundsätzlich auch gegenüber anderen (Zahn-) Ärzten, Familienangehörigen des Patienten sowie den eigenen Familienangehörigen des Zahnarztes zu beachten.

     

    Patientendaten dürfen nur dann preisgegeben werden, wenn gesetzliche Vorschriften dem Zahnarzt eine Pflicht bzw. ein Recht zur Offenbarung einräumen oder der Patient seine Einwilligung ausdrücklich, hilfsweise stillschweigend erteilt hat. Eine stillschweigende Einwilligung kann angenommen werden, wenn der Patient aufgrund der Umstände von einer Informationsweitergabe durch den Zahnarzt an Dritte ausgehen muss.

    Auskunftspflicht gegenüber der PKV

    Die PKV beruft sich bei Auskunftsbegehren gegenüber dem Zahnarzt gerne auf die Obliegenheitspflicht des Patienten, die in den aktuell gültigen Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009) festgelegt sind. Dort heißt es:

     

    • § 9 Abs. 2 MB/KK 2009

    „Der Versicherungsnehmer und die als empfangsberechtigt benannte ver-
sicherte Person (...) haben auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu
erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungs-
pflicht des Versicherers und ihres Umfanges erforderlich ist.“

     

    Diese Regelung gilt aber allein im Verhältnis Patient-Versicherung. Ein direktes Einsichtsrecht gegenüber dem Zahnarzt ergibt sich hieraus nicht. Zwingende Voraussetzung für eine Weitergabe von Informationen durch den Zahnarzt ist eine schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht durch den Patienten! Zudem ist in den Versicherungsbedingungen lediglich von „Auskunft“ die Rede - nicht aber von einem „Einblick“ in die Behandlungsakte.

    Im Zweifel sollte Patient bei Versicherung nachhaken

    Der Patient sollte sich anstelle einer voreiligen Übermittlung von Unterlagen zunächst von der Versicherung darlegen lassen, aus welchen Gründen die angeforderten Auskünfte und Unterlagen benötigt werden. Erst wenn dies geklärt ist und die schriftliche Schweigepflichtentbindung des Patienten vorliegt, sollte der Zahnarzt der PKV die benötigten Informationen mitteilen.

     

    Dabei wird es in der Regel ausreichen, wenn der Zahnarzt der Versicherung Auskunft erteilt; zusätzliche Kopien aus der Krankenakte werden nur in Ausnahmefällen notwendig sein. Der Zahnarzt sollte sie sowieso nur direkt an den Patienten und nicht an die PKV herausgeben.

    Auskünfte an Angehörige und Arbeitgeber

    Informationen über den Gesundheitszustand dürfen grundsätzlich nicht aktiv durch den Zahnarzt herausgegeben werden. Insbesondere darf nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient mit derart weitgehenden Auskünften gegenüber Dritten rechnet und diese billigt. Angehörige und vor allem auch Arbeitgeber sollten deshalb mit ihren Fragen an den Patienten verwiesen werden. Lediglich in absoluten Ausnahmesituationen - also wenn der Patient selbst keine Auskunft mehr erteilen kann - wird man die Einwilligung für zurückhaltende Auskünfte gegenüber nahen Angehörigen annehmen dürfen, sofern nicht ein entgegenstehender Patientenwille erkennbar ist.

     

    Mitteilungen an Eltern minderjähriger Patienten

    Bei der Behandlung von Minderjährigen stellt sich die Frage, ab wann die zahnärztliche Geheimhaltungspflicht gegenüber den Eltern einsetzt. Eine feste Altersgrenze gibt das Gesetz nicht vor. Entscheidend ist die Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen, die dann vorliegt, wenn der Minderjährige das Für und Wider seiner Entscheidung nach umfassender Abwägung erfassen kann. Ab einem Alter über 14 Jahren sollte das Geheimhaltungsinteresse des Minderjährigen ernst genommen und beachtet werden.

     

    Hinzuziehung von Hilfspersonal

    Dass an der Behandlung im Regelfall noch anderes nichtzahnärztliches Hilfspersonal als die ZFA mitwirkt, weiß und wünscht der Patient. Es ist daher von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten zur Datenweitergabe auszugehen. Auf an der Behandlung nicht unmittelbar beteiligte Mitarbeiter wie Reinigungskräfte oder Servicemitarbeiter erstreckt sich die stillschweigende Einwilligung hingegen nicht.

    Gibt es eine Schweigepflicht über den Tod hinaus?

    Die zahnärztliche Schweigepflicht besteht grundsätzlich auch über den Tod des Patienten hinaus fort. Durch das kürzlich in Kraft getretene Patientenrechtegesetz regelt § 630g Absatz 3 BGB nun ausdrücklich ein Einsichtsrecht der Erben und nächsten Angehörigen in die Patientenakte nach dem Tod des Patienten. Die Erben müssen dazu vermögensrechtliche Interessen, die Angehörigen materielle Interessen geltend machen.

     

    Nach dem Tod des Patienten steht den Erben bzw. den Angehörigen grundsätzlich ein Einsichtsrecht zu, wenn sie Schadensersatzansprüche geltend machen wollen und ein besonderes Interesse darlegen können. Dies ist allerdings nicht neu, sondern entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Ist jedoch bekannt, dass der verstorbene Patient hiermit nicht einverstanden war, muss dieser entgegenstehende Wille berücksichtigt werden - auch hieran hat sich seit der Geltung des Patientenrechtegesetzes nichts verändert.

     

    Wenn - wie so häufig - keine ausdrückliche Willenserklärung des Patienten vorliegt, muss der Zahnarzt den mutmaßlichen Patientenwillen ermitteln. Liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Patient die Weitergabe der Unterlagen abgelehnt hat, muss der Zahnarzt den Erben bzw. den Angehörigen Einsicht in die Patientenakte gewähren.

     

    FAZIT |  Bei der zahnärztlichen Schweigepflicht sollten Sie kein Risiko eingehen, da Verstöße das Vertrauen des Patienten gefährden und sogar strafrechtliche Folgen haben können. Verweigern Sie in Zweifelsfällen daher lieber zunächst die Auskunftserteilung - anstatt voreilig Informationen herauszugeben!

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 13 | ID 42223913