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  • · Arbeitsrecht

    Kurzarbeit als Handlungsoption für Zahnärzte zu Zeiten der Coronakrise

    Bild: ©Bennet Steiner - adobe.stock.com

    von RA, FA ArbR Daniel Renger, pwk & Partner Rechtsanwälte, Dortmund, pwk-partner.de

    | Die Coronapandemie stellt Zahnarztpraxen vor große Herausforderungen und führt zu erheblichen Arbeitsausfällen mit Umsatzverlusten. In dieser Lage hilft Praxisinhabern das arbeitsrechtliche Instrument der Kurzarbeit, um angemessen auf diese Ausnahmesituation reagieren zu können. Durch die im Eilverfahren umgesetzten Neuregelungen der Bundesregierung ist der Zugang zum Kurzarbeitergeld wesentlich erleichtert worden. Dieser vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld gilt rückwirkend zum 01.03.2020 und ‒ bis auf Weiteres ‒ befristet bis zum 31.12.2020. |

    Die gesetzliche Neuregelung der Kurzarbeit

    Zielsetzung der Bundesregierung ist, dass durch die aktuelle Krise keine qualifizierten und eingearbeiteten Fachkräfte aus wirtschaftlichen Gründen freigesetzt werden müssen, die nach Beruhigung der Gesamtsituation von den Praxen wieder gebraucht werden. Mit ihrer Verordnung im März 2020 hat die Bundesregierung den im „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ enthaltenen Rahmen für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld voll ausgeschöpft (Eckpunkte der Soforthilfe vom BMWi und BMF: iww.de/s3479). Die rückwirkend zum 01.03.2020 erleichterten Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld stellen sich im Überblick wie folgt dar:

     

    • Kurzarbeitergeld 2020: die Erleichterungen im Überblick
    • Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einer Praxis einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben.
    • Anfallende Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden werden vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.
    • Kurzarbeitergeld kann für zwölf Monate bezogen werden.
    • Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitkonten wird verzichtet.
     

    Die Folgen der Kurzarbeit

    Kurzarbeit ist die vorübergehende Verkürzung bzw. Einstellung der praxisüblichen normalen Arbeitszeit, die sich auf die gesamte Praxis oder bestimmte organisatorisch abgrenzbare Teile der Praxis erstreckt. Kurzarbeit bewirkt das ‒ ggf. anteilige ‒ Ruhen der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis, also der Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Die jeweiligen Nebenpflichten bleiben bestehen. Der Vorteil für die Praxis besteht darin, dass in der derzeitigen Krisenlage die Personalkosten reduziert und Kündigungen vermieden werden können. Der für die Angestellten durch die Arbeitszeitreduzierung entstehende Verdienstausfall wird durch den Bezug von Kurzarbeitergeld größtenteils ausgeglichen.

    Die Vereinbarung von Kurzarbeit

    Der Praxisinhaber kann Kurzarbeit im Prinzip jedoch nur anordnen, wenn der bestehende Arbeitsvertrag bereits eine Kurzarbeitsklausel enthält. Dies ist selten der Fall. Enthält der Arbeitsvertrag keine Kurzarbeitsklausel, gibt es für den Praxisinhaber drei Handlungsoptionen:

     

    • 1. Die Rechtsgrundlage für Kurzarbeit wird überwiegend durch einzelvertragliche Vereinbarung als Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag geschaffen. In diesem Fall müssen die betroffenen Praxisangestellten der Kurzarbeit zustimmen.
    • 2. Wenn die Praxismitarbeiter nach der Weisung des Praxisinhabers widerspruchslos Kurzarbeit leisten, wird von der stillschweigenden Vereinbarung von Kurzarbeit ausgegangen.
    • 3. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann zur Umsetzung der Kurzarbeit eine ordentliche fristgerechte, ggf. sogar eine außerordentliche fristlose, betriebsbedingte Änderungskündigung ausgesprochen werden.

    Die Voraussetzungen von Kurzarbeit

    Die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sind in den §§ 95 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) III geregelt. Arbeitnehmer haben hiernach einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt wurde.

     

    Ein erheblicher Arbeitsausfall liegt u. a. vor, wenn er auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Ein unabwendbares Ereignis ist bei behördlichen Verboten oder behördlichen Maßnahmen anzunehmen, die der Praxisinhaber nicht zu vertreten hat. In den aktuellen behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus, die ihre Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz finden, liegen grundsätzlich die Voraussetzungen eines erheblichen und vorübergehenden Arbeitsausfalls begründet. Dieser Arbeitsausfall ist auch unvermeidbar, wenn er nicht durch (Rest-)Urlaub oder Abbau von Überstundenkonten ganz oder teilweise verhindert werden kann. D. h., dass etwaiger Resturlaub aus dem Vorjahr und bereits entstandener Urlaub aus dem aktuellen Jahr sowie Überstundenkonten eigentlich eingebracht werden müssten. Bereits die Länge der ‒ bisher ‒ aktuell angeordneten behördlichen Maßnahmen spricht jedoch für die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls.

     

    Die grundsätzliche Bedingung für Kurzarbeitergeld, dass mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem Entgeltausfall betroffen sein muss, ist ausgesetzt. Um für einen oder mehrere Beschäftigte Kurzarbeitergeld zu beantragen, reicht ab sofort der Nachweis eines Entgeltausfalls von mehr als 10 Prozent für mindestens 10 Prozent der Praxisangestellten aus. Dieser Ausfall kann praxis- oder praxisabteilungsbezogen festgestellt werden.

     

    MERKE | Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ist unabhängig von der Größe der Praxis oder der Zahl der Angestellten. Für jede Praxis mit mindestens einem Angestellten kann demnach Kurzarbeitergeld beantragt werden.

     

    Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Praxismitarbeiter nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, das Arbeitsverhältnis mithin nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und der Praxismitarbeiter nicht vom Kurzarbeitergeld ausgeschlossen ist (z. B. bei Bezug von Krankengeld). Die persönlichen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor bei Praxismitarbeitern, die z. B. im Krankengeldbezug oder in Elternzeit sind.

    Der Antrag auf Kurzarbeitergeld

    Kurzarbeit kann bei Vorliegen der Voraussetzungen in der Praxis sehr kurzfristig eingeführt werden, sodass schnell eine wirtschaftliche Entlastung erzielt werden kann. Nur Arbeitgeber können Kurzarbeitergeld beantragen.

     

    • Die Schritte des Antragsverfahrens
    • 1. Der Praxisinhaber schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Abschluss von individuellen Ergänzungsvereinbarungen etc. zur Anordnung von Kurzarbeit.
    • 2. Der Praxisinhaber zeigt den Arbeitsausfall bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit in dem Kalendermonat an, in dem die Kurzarbeit beginnt. Hierfür verwendet er das entsprechende ‒ online abrufbare ‒ Formular.
    • 3. Die Agentur für Arbeit muss unverzüglich entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld vorliegen.
    • 4. Der Praxisinhaber errechnet das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die betroffenen Angestellten aus (Online-Berechnungstools sind verfügbar).
    • 5. Der Praxisinhaber beantragt bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit die Erstattung des von ihm verauslagten Kurzarbeitergelds mittels des hierfür online abrufbaren Formulars innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des beantragten Kalendermonats. Diese erstattet ihm dann seine entsprechenden Auslagen.
     

    Bezugsdauer und Höhe des Kurzarbeitergeldes

    Der Bezug von Kurzarbeitergeld ist aktuell auf zwölf Monate begrenzt. Die Bundesregierung hat jedoch bereits Vorsorge getroffen, dass der Bezugszeitraum im Bedarfsfall auch auf 24 Monate ausgedehnt werden kann. Kurzarbeitergeld wird unter Vorbehalt ausbezahlt, d. h. die Agentur für Arbeit überprüft die Berechtigung nach Ende des Arbeitsausfalls.

     

    Während der Kurzarbeit erhalten die Angestellten die entsprechend ihrer tatsächlich geleisteten Arbeitszeit reduzierte Vergütung. Daneben beziehen die in Kurzarbeit tätigen Praxismitarbeiter für die Ausfallzeit Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent der ausgefallenen Nettovergütung. Wenn mindestens ein unterhaltspflichtiges Kind mit im Haushalt lebt, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent der ausgefallenen Nettovergütung. Anmerkung der Redaktion am 22.04.2020: Das Kurzarbeitergeld wird bis zum 31.12.2020 erhöht. Ab dem vierten Monat des Bezugs wird nun das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, auf 70 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 Prozent des Lohnausfalls erhöht. Bei Beschäftigten mit Kindern, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, beläuft sich die Erhöhung ab dem vierten Monat des Bezugs auf 77 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 87 Prozent.

     

    • Beispiel: Kurzarbeit aufgrund einer 70-prozentigen Arbeitsreduzierung

    Wird das Arbeitsvolumen um 70 Prozent reduziert, erhält der Mitarbeiter 30 Prozent der üblichen Bruttovergütung vom Praxisinhaber netto ausgezahlt. Von den entfallenden 70 Prozent übernimmt die Agentur für Arbeit entweder 60 Prozent oder sogar 67 Prozent der verbleibenden Nettovergütung. Mit dem Kurzarbeitergeld erhält der Mitarbeiter also einen Teil seines Vergütungsausfalls ersetzt.

     

     

    MERKE | Bisher wurden Hinzuverdienste, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld erzielt wurden, auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Doch noch am 27.03.2020 verabschiedete die Bundesregierung unter Berücksichtigung der aktuellen Krise ergänzend das sog. Sozialschutz-Paket. Damit wird den in Kurzarbeit befindlichen Praxisangestellten die Möglichkeit eröffnet, ihre freie Arbeitszeit vorübergehend in systemrelevanten Bereichen wie dem Gesundheitssystem oder der Landwirtschaft einzusetzen, ohne dass die hieraus erzielte Vergütung auf das Kurzarbeitergeld angerechnet wird.

     

    Umfang der Kurzarbeit und Kurzarbeit „Null“

    Die Arbeitszeit muss nicht für die gesamte Praxis und auch nicht für alle Praxismitarbeiter gleichermaßen reduziert werden. Sie kann individuell unter Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsanfalls erfolgen. Ob dieser Stunden, Tage, Wochen oder Monate umfasst, richtet sich nach der aktuellen Lage und der mit den Praxisangestellten getroffenen Vereinbarungen. Bei der Kurzarbeit „Null“ beträgt der Arbeitsausfall 100 Prozent ‒ die Arbeit in der Praxis wird dann für eine vorübergehende Zeit vollständig eingestellt.

    Auswirkungen der Kurzarbeit auf die Sozialversicherung

    Den Praxismitarbeitern in Kurzarbeit entstehen keine Nachteile im Sozialversicherungsschutz. Sowohl Kranken-, Pflege-, Renten- als auch Unfallversicherungsbeiträge werden weitergezahlt, sodass die Angestellten keine Ansprüche verlieren. Für die Zeit, in der die Mitarbeiter tatsächlich beschäftigt sind, müssen sie die Sozialversicherungsbeiträge wie bisher anteilig tragen.

     

    Für die Ausfallzeiten musste der Praxisinhaber als Arbeitgeber bisher die Sozialversicherungsbeiträge allein tragen. Mit den Neuregelungen der Bundesregierung betreffend die Coronapandemie werden dem Praxisinhaber nunmehr die von ihm allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge (Beitrag für Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung) auf Antrag in voller Höhe erstattet.

    Arbeitgeberbruttozuschuss während der Kurzarbeit

    Um die für die Praxismitarbeiter finanziell nachteiligen Auswirkungen der Kurzarbeit abzumildern, kann der Praxisinhaber einen (freiwilligen) Bruttozuschuss zum Kurzarbeitergeld zahlen. Dieser Zuschuss ist beitragsfrei, soweit er zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des ausgefallenen Arbeitsentgelts nicht übersteigt.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 10 | ID 46483604