· Fachbeitrag · QM-Refresher (Teil 1)
QM in Zahnarztpraxen ‒ Jahresbericht 2021 veröffentlicht
von Jutta Oischinger, Dachau, qm-oischinger.de
| Qualitätsmanagement (QM) ist in Deutschlands Zahnarztpraxen breit etabliert. So das Ergebnis des kürzlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) veröffentlichten Jahresberichts 2021 der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), online unter iww.de/s7328 . |
Internes QM-System ist Pflicht
Gemäß § 135a Abs. 2 Nr. 2 SGB V sind alle Leistungserbringer der vertragszahnärztlichen Versorgung zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet. Explizit besteht die Verpflichtung, ein internes QM-System einzuführen und weiterzuentwickeln. Die Anforderungen werden in der Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA definiert. Obwohl Praxisneugründungen eine Übergangszeit von drei Jahren eingeräumt wird, zeigt der Jahresbericht eines ganz deutlich: Das Thema QM und Praxisentwicklung wird bei Gründern nicht auf die lange Bank geschoben, sondern ist ein fester Bestandteil des Praxisalltags ‒ von Beginn an!
Vier Prozent aller Praxen wurden befragt
Aus insgesamt 40.132 Vertragszahnarztpraxen haben die KZVen bundesweit eine Stichprobe von 1.622 Praxen gezogen und diese zum Thema QM befragt. Das entspricht 4,04 Prozent. Der Rücklauf lag bei 97,1 Prozent. Damit liegen Antworten von 1.575 Praxen vor, die im Folgenden nach deren Bestehen dargestellt werden. 1.452 Praxen existieren länger als drei Jahre und 123 Praxen weniger als drei Jahre. Letztere werden im Beitrag kursiv dargestellt.
Die Ergebnisse im Detail
Die Auswertung zeigt sehr deutlich, dass nahezu alle Praxen regelmäßig praxisinterne Qualitätsziele zur Patientenversorgung oder Praxisorganisation definieren (97 Prozent bzw. 94 Prozent). 93 Prozent (85 Prozent) der Praxen überprüfen im Rahmen einer Selbstbewertung, ob die Ziele erreicht wurden. Spannend zu sehen ist, für welche Fragestellungen konkrete Kennzahlen erhoben werden. Die Bandbreite ist hierbei hoch. Es existieren Kennzahlen zur
- Patientenzufriedenheit bzw. deren Mitwirkung bei der Behandlung
- Prüfung und Optimierung von Prozessabläufen
- Erhaltung und Steigerung der Behandlungsqualität
- Mitarbeiterzufriedenheit und deren Gesunderhaltung
- Entwicklung von Umsatz und Kosten in der Praxis
- Digitalisierung bzw. Telematik
- stetigen Verbesserung der internen und externen Praxiskommunikation
- Verkürzung der Wartezeiten in der Praxis
- Reduzierung von nicht abgesagten Terminen
Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten werden in den meisten Fällen sowohl schriftlich als auch mündlich festgelegt (69 Prozent bzw. 68 Prozent). Nur schriftlich festgelegt in 26 Prozent (bzw. 27 Prozent) der Fälle. Ausschließlich mündlich festgelegte Zuständigkeiten finden wir in 5 Prozent der Praxen. Wesentliche Prozesse sind in einem sehr hohen Maße schriftlich fixiert (99 Prozent bzw. 92 Prozent). Zu den mehrheitlich schriftlich festgelegten Prozessen gehören z. B.
- die häufigsten Behandlungen (87 Prozent bzw. 79 Prozent),
- die Notfallversorgung / Erste Hilfe (86 Prozent bzw. 76 Prozent)
- sowie der Umgang mit personenbezogenen Daten (81 bzw. 72 Prozent).
PRAXISTIPP | Meine Praxiserfahrung zeigt, dass Verantwortliche häufig unsicher sind, ob die Ablaufbeschreibung „so richtig“ sei. Viele greifen dann auf Musterdokumente zurück, um sich das Leben zu erleichtern. Allerdings werden Abläufe im Regelfall zu kompliziert beschrieben oder gehen an der Praxisrealität vorbei, sobald diese im Einsatz sind. Der Zweck ist damit krachend verfehlt! Meine Empfehlung: Weniger ist oft mehr. Nutzen Sie auch Medien wie Filme oder Fotos, um vermeintlich komplizierte Abläufe verständlich zu dokumentieren. Flussdiagramme sind keine Pflicht. |
Auch die Regelungen zum Hygienemanagement werden in hohem Maße umgesetzt, so z. B.
- das Bereithalten eines Hygieneplans (98 Prozent bzw. 88 Prozent)
- oder ein Reinigungs- und Desinfektionsplan für die Räumlichkeiten und Ausstattung (97 Prozent bzw. 92 Prozent).
- 95 Prozent (86 Prozent) der Praxen geben an, Checklisten im Bereich des Hygienemanagements einzusetzen.
Checklisten sind ein einfaches und probates Mittel, um Routinen zu etablieren und Sicherheit in den Alltag zu bringen. So werden von 85 Prozent (79 Prozent) Checklisten für Tätigkeiten ohne unmittelbaren Patientenbezug eingesetzt. 81 Prozent (76 Prozent) setzen Patientenanamnesebögen ein. Was maßgeblich zur Patientensicherheit beiträgt.
Nur 63 Prozent (69 Prozent) geben an, Teambesprechungen regelmäßig durchzuführen. „Mindestens unregelmäßige“ Teamsitzungen finden in 34 Prozent (30 Prozent) der Fälle statt. Dabei trägt gerade der regelmäßige Austausch im Team maßgeblich dazu bei, die Praxis weiterzuentwickeln und die Zufriedenheit und Compliance im Team durch die Teilhabe am Praxisgeschehen immens zu verbessern.
92 Prozent (93 Prozent) der Praxen bilden ihre Mitarbeiter regelmäßig zu Themen mit unmittelbarem Tätigkeitsbezug fort. Wer sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren und seinen Mitarbeitern langfristig etwas Gutes tun möchte, dessen Fortbildungsangebote sollten aber darüber hinaus gehen: Ganz unter dem Motto „Fortbildung mal anders“ könnte z. B. auch Finanzwissen dazugehören. Ein Beispiel wäre „Altersvorsorge mit ETFs“ (die Abkürzung ETF steht für „Exchange Traded Fund“. ETFs sind also Fonds, die an der Börse gehandelt werden). Oder eine Schulung zu ergonomischem Arbeiten. Der geschulte Mitarbeiter bringt sein Wissen dann in der nächsten Besprechung ins Team. So lernen alle und Inselwissen wird zu hilfreichem Praxiswissen.
PRAXISTIPP | Wenn Sie Wert auf wirtschaftliches Arbeiten legen, ist eine jährliche Dokumentationsschulung für alle Mitarbeiter sinnvoll. Zu viel Geld und wertvolle Zeit werden täglich verschenkt. Warum? Statt sich in der Dokumentation kurz und knapp auf die wichtigen Fakten zu beschränken, verliert sich das Team in viel zu ausführlichen und dabei unnötigen Details. Da werden täglich Stunden mit Dokumentation zugebracht, und was am Ende fehlt, sind nicht dokumentierte, aber erbrachte Leistungen. Die Leistungen trotzdem abzurechnen, wäre schlichtweg Betrug. „Aber wir machen das doch jedes Mal automatisch mit!“ zählt nicht. Was nicht dokumentiert ist, findet nicht statt. Was hilft, sind Dokumentationsvorlagen, um effizient und rechtssicher zu dokumentieren. Ein jährlicher Auffrischungskurs ist daher meine absolute Empfehlung. |
Schwachpunkt „Fehlermanagement“
Ein weiteres probates Mittel, um gemeinsam zu lernen, ist ein strukturierter Umgang mit Patientenbeschwerden. In 83 Prozent (78 Prozent) der Praxen gibt es Regelungen hierzu. Allerdings werden Fehler oder kritische Ereignisse hauptsächlich anlassbezogen besprochen (90 Prozent bzw. 92 Prozent). Nur in knapp der Hälfte aller befragten Zahnarztpraxen hat das Thema einen so hohen Stellenwert, dass Fehler und kritische Ereignisse regelmäßig in Teambesprechungen Platz finden (41 Prozent bzw. 50 Prozent). Eher selten nutzen Zahnarztpraxen Fehlermeldesysteme. 52 Prozent (61 Prozent) wenden sie bislang noch gar nicht an. 24 Prozent (18 Prozent) nutzen das System „CIRS dent ‒ Jeder Zahn zählt“ (Details unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 48455857). Eine kluge Entscheidung. Schließlich müssen Sie nicht jeden Fehler selber machen.
Die meisten Praxen geben an, Regelungen für medizinische Notfallsituationen getroffen zu haben. Der Hauptfokus mit 90 Prozent (81 Prozent) liegt auf der Überprüfung der Notfallausstattung auf Vollständigkeit und Aktualität. Legen Sie Ihr Augenmerk unbedingt auf individuelle Regelungen. Ein Musteralarmplan, der ausgedruckt und an die Wand gehängt wird, hat noch niemandem das Leben gerettet. Notfälle sind selten. Sobald sie auftreten aber hoch kritisch. Daher sollten Zuständigkeiten klar geregelt sein und das Rettungsszenario inkl. Evakuierung etc. individuell durchdacht und dann regelmäßig geübt werden.
PRAXISTIPP | Wer Räume schafft für die Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen, der fördert die Selbstwirksamkeit jedes Einzelnen. Die Eigenverantwortung wird gestärkt und die Praxisleitung entlastet. Die hier investierte Zeit erspart Fehler, Doppelarbeiten und kann die Produktivität und Zufriedenheit des Teams maßgeblich steigern. |
Schriftliche Patienteninformationen, die eine große Bandbreite von Themen abdecken, werden sowohl in bestehenden als auch in Neupraxen flächendeckend ausgegeben (98 Prozent).
FAZIT | QM ist in der Breite der Zahnarztlandschaft angekommen und kein exotischer Vogel mehr. Auch Gründer haben Interesse am QM und sehen die Notwendigkeit. Um sich im Dschungel der Anforderungen nicht zu verlieren, ist ein pragmatisches Vorgehen hilfreich. Zunächst geht es zweifelsfrei um die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen. Dennoch: Nur wer seine Abläufe gemeinsam im Team weiterentwickelt und konsequent auf seine Wunschpatienten ausrichtet, wird im Alltag spürbar entlastet und kann sich als attraktive Zahnarztpraxis positionieren. |