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  • · Fachbeitrag · Praxisentwicklung

    So erweitern Sie Ihren Patientenkreis

    von Yvonne Willibald, Medienbüro Medizin, Hamburg, www.mbmed.de

    | Behindertenparkplatz, stufenfreier Zugang oder Orientierungshilfen für Sehbehinderte - diese und andere Kriterien erfüllen etwa 11.400 Zahnarztpraxen. Das hat die gemeinnützige Stiftung Gesundheit (Hamburg) in einer Erhebung ermittelt. Selbst wenn Ihre Praxis rollstuhlgerecht ist - ist sie auch barrierefrei? Wie Sie mit einem entsprechenden Angebot Ihren Patientenkreis erweitern können, erfahren Sie im folgenden Beitrag. |

     

    Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland zurzeit etwa 7,3 Millionen schwerbehinderte Menschen. Davon sind 62 Prozent körperlich behindert und 5 Prozent blind oder sehbehindert. Weitere 4 Prozent sind schwerhörig oder leiden unter Gleichgewichts- oder Sprachstörungen. Hinzu kommen solche Menschen, die nur vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, zum Beispiel durch ein Gipsbein.

     

    Verschärft wird diese Situation durch den demografischen Wandel: In 20 Jahren wird etwa jeder dritte Bundesbürger 65 Jahre oder älter sein. Barrierefreie Angebote werden zukünftig also weiter an Bedeutung zunehmen.

    Termine per E-Mail oder SMS vereinbaren

    Patienten rufen zumeist in der Praxis an, um einen Termin zu vereinbaren. Gehörlosen Menschen ist dies nicht möglich. Bieten Sie Ihnen daher an, über E-Mail oder einen Online-Terminkalender auf Ihrer Praxis-Website mit Ihnen in Kontakt zu treten. Auch SMS sind eine optimale Kommunikationsform, um Patienten zu gewinnen - zum Beispiel für kurzfristige Terminänderungen. Mit einem solchen zusätzlichen Service heben Sie sich von anderen Zahnarztpraxen ab und zeigen auch, dass Sie „up to date“ sind.

     

    Stufenfreier Zugang zur Praxis

    Parkplätze für schwerbehinderte Menschen erleichtern Ihren Patienten den Weg zu Ihrer Praxis. Befinden sich entsprechende Parkplätze in der Nähe, halten Sie diese Information auf Ihrer Website fest. Der Zugang zur Praxis kann die nächste Hürde für ältere oder behinderte Menschen darstellen. Daher sollte sie stufenfrei zugänglich sein, möglichst über den Haupteingang der Praxis oder - wenn dies nicht möglich ist - über einen Nebeneingang.

     

    Elektronische Türöffner

    Der Nebeneingang sollte dann aber auch ansprechend gestaltet und nicht ein „Lieferanteneingang“ sein. Mit einem elektronischen Türöffner oder einer Schließverzögerung gelangen Menschen mit Behinderung leichter ins Gebäude. Befinden sich vor der Haustür einige Stufen, können Sie hier einen Treppenlift einbauen. Als kostengünstigere Alternative bietet sich an, eine Rampe anzulegen. Diese darf höchstens sechs Prozent Steigung aufweisen, um als barrierefrei zu gelten, und sollte 120 cm breit sein.

    Fahrstuhl für Rollstuhlfahrer und Blinde einrichten

    Liegt Ihre Praxis nicht im Erdgeschoss, stehen sowohl Rollstuhlfahrer als auch sehbehinderte Menschen vor einer Herausforderung. Dieser können Sie mit einem Fahrstuhl begegnen. Er sollte über eine Fläche von 110 mal 140 cm verfügen, die Tür muss 90 cm breit sein. Für Rollstuhlfahrer sind aber nicht nur die Maße des Fahrstuhls wichtig: Befinden sich seine Bedientasten außerhalb der Reichweite von Rollstuhlfahrern, schaffen sie es dennoch nicht in Ihre Praxis. Die Tasten müssen vom Rollstuhl aus erreichbar und deshalb in einer Höhe von 85 cm bis maximal 105 cm angebracht sein.

     

    Andere Probleme haben blinde Menschen: Selbst wenn die Tasten mit Brailleschrift, der gängigen Blindenschrift, versehen sind, fehlt meist eine Lautsprecheransage, die das aktuelle Stockwerk mitteilt. So wissen blinde Menschen oft nicht, auf welcher Etage sie sich befinden. Sobald sie das richtige Stockwerk erreicht haben, helfen Schilder mit Brailleschrift oder ein Bodenleitsystem, das mit dem Langstock oder den Schuhsohlen ertastet werden kann, sehbehinderten Patienten dabei, den Weg in Ihre Praxis zu finden.

    Gute Beleuchtung für Sehbehinderte und Gehörlose

    Haben Ihre Patienten die Praxis erreicht, empfangen Sie sie am Empfangstresen. Dieser ist für Rollstuhlfahrer oft zu hoch, sodass ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist. Senken Sie daher den Tresen an einer Stelle ab. Als besonderen Service für hörgeschädigte Patienten empfiehlt sich im Anmeldebereich eine sogenannte Induktionsschleife. Sie funktioniert ähnlich wie ein Mikrofon und sendet über Magnetfelder direkt an das Hörgerät des Empfängers. Fast alle modernen Hörgeräte können diese Signale empfangen. So nehmen Schwerhörige Ihre Stimme und die Ihrer Mitarbeiter ohne lästige Störgeräusche wahr.

     

    Punktstrahler vermeiden

    Sorgen Sie in Ihren Praxisräumen stets für eine gute Beleuchtung, also mindestens 300 Lux. Vermeiden Sie Punktstrahler - sie können Patienten blenden und Schatten bilden, die besonders sehbehinderten Patienten falsche Seheindrücke vermitteln. Auch gehörlosen Menschen erleichtert eine gute Beleuchtung das Lippenlesen.

     

    PRAXISHINWEIS | Spezialisierte Praxisberater helfen Ihnen als Zahnarzt bei der Umgestaltung der Räumlichkeiten. Gerade im Bereich der Lichtgestaltung werden Sie und vor allem Ihre Patienten den Unterschied rasch bemerken.

    Gehörlose benötigen einen Gebärdendolmetscher

    Nur rund 510 Ärzte, Zahnärzte und Psychologische Psychotherapeuten bieten Gebärdensprache für Gehörlose an. Oftmals kommt daher ein Gebärdensprachdolmetscher zum Einsatz. Für die Organisation des Übersetzers ist zwar der Arzt verantwortlich, manche Patienten bringen aber einen Dolmetscher mit. Klären Sie daher vorher mit Ihren Patienten, wer sich um den Dolmetscher kümmert, sofern dieser notwendig ist.

    Höhenverstellbare Untersuchungsmöbel in der Praxis

    Auch bei der Inneneinrichtung können Sie für Barrierefreiheit sorgen: Verzichten Sie auf unnötige Einrichtungsgegenstände, damit sich sowohl Rollstuhlfahrer als auch ältere Menschen mit Rollator problemlos durch die Praxisräume bewegen können. Dabei sollten die Türen eine Mindestdurchgangsbreite von 90 cm aufweisen, die Türschwelle darf nicht höher als 2 cm sein. Vorsicht bei Glastüren: Sie sehen zwar schön aus, Sehbehinderte können sie aber nur schwer wahrnehmen. Deutliche Markierungen auf 80 cm und 160 cm Höhe verhindern Unfälle und Scherben. Zudem finden sich sehbehinderte Menschen in Ihrer Praxis besser zurecht, wenn Sie die Einrichtung, wie Stühle oder Handläufe, farbig und kontrastreich gestalten.

     

    Damit sich Rollstuhlfahrer problemlos in den Zahnarztstuhl setzen können, sollte dieser höhenverstellbar und seine Armlehnen wegklappbar sein. Falls es für Patienten nicht möglich ist, sich umzusetzen, sollte eine ausreichende Bewegungsfläche für einen Rollstuhl vorhanden sein.

     

    Barrierefreies WC: Manövrierfläche für Rollstuhlfahrer einplanen

    Für barrierefreie Toilettenräume gelten besondere Vorschriften: Türen müssen mindestens 90 cm breit sein und sich nach außen öffnen lassen. Rollstuhlfahrer brauchen eine Fläche von 150 mal 150 cm zum Manövrieren. Zudem sollte es möglich sein, die Toilette von mindestens einer Seite aus anzufahren. Haltegriffe unterstützen Ihre Patienten beim Umsetzen. Auch die Spülung und das Toilettenpapier sollten sie vom Sitz aus erreichen können.

    Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Konkurrenten

    Hindernisse sind je nach Handicap für Patienten unterschiedlich schwer zu meistern. Vieles lässt sich einfach realisieren, wie Schilder mit Brailleschrift und eine gute Beleuchtung. Andere Maßnahmen wie barrierefreie Toilettenräume oder Fahrstühle erfordern kostenintensive Umbaumaßnahmen. Internetseiten wie www.nullbarriere.de informieren über Bauordnungen und Fördermöglichkeiten. Auch das gerade angelaufene Projekt „Praxis-Tool Barrierefreiheit“ der Stiftung Gesundheit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird umbauwilligen Zahnärzten helfen, den barrierefreien Ausbau ihrer Praxis zu planen und umzusetzen.

     

    FAZIT | Die beschriebenen Verbesserungen kommen nicht nur Patienten mit Handicap zugute. Eltern mit Kinderwagen profitieren etwa von Rampen, Fahrstühlen und einem großzügigen Platzangebot in Ihrer Praxis. Und eine neue Lichtgestaltung wird auch Ihre Mitarbeiter erfreuen. Werben Sie mit Ihren Maßnahmen, sobald sie umgesetzt sind - es ist Ihr Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Konkurrenten.

    Weiterführender Hinweis:

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 20 | ID 38418510