10.06.2010 | Strafrecht
Neue strafrechtliche Risiken - der Zahnarzt als „Beauftragter der Krankenkassen“?
von RA Dr. Patrick Teubner, FA für Strafrecht, Berlin, und RA Michael Tsambikakis, FA für Strafrecht und für Medizinrecht, Köln
In der letzten Ausgabe des „Zahnärzte Wirtschaftsdienst“ haben wir über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig (Beschluss vom 23.02.2010, Az: Ws 17/10, Abruf-Nr. 101418) berichtet, wonach ein Vertragsarzt „Beauftragter der Krankenkasse“ ist und sich als solcher strafbar machen kann. Die konkrete Entscheidung betraf einen Apotheker, der einem Vertragsarzt für die Praxiseinrichtung in seiner Nähe erhebliche Zuschüsse zum Praxisumbau sowie regelmäßige monatliche Zahlungen gewährte. Im Gegenzug bevorzugte der Arzt den Apotheker bei der Verschreibung hochpreisiger Medikamente, wie zum Beispiel Zytostatika. Es stellte sich die Frage, ob dieses Vorgehen strafrechtlich relevant ist - und zwar im Hinblick auf Korruptionsdelikte. Auch Zahnärzte fragen sich nun, welche Konsequenzen diese Rechtsauffassung des Gerichts für Sie haben kann.
Hintergrund
Bislang konnten sich niedergelassene (Zahn-)Ärzte relativ sicher sein: Eine Strafbarkeit wegen einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) drohte ihnen nicht. Nach allgemeiner Ansicht war ein Vertragsarzt kein „tauglicher“ Täter der sogenannten Angestelltenbestechung. Ermittlungen der Staatsanwaltschaften oder Verurteilungen von Strafgerichten gab es daher nicht. Das wird sich jetzt ggf. ändern. So sprach die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig in dem o.g. Fall von einer „bahnbrechenden“ Entscheidung mit „bundesweiter Bedeutung“. Andere Staatsanwaltschaften kündigten an, ebenfalls aktiv zu werden.
Zwar lässt sich dieser Fall nicht „eins zu eins“ auf Zahnärzte übertragen, aber „Kooperationsmodelle“ im weitesten Sinne finden sich auch hier. So verschreiben Zahnärzte zwar kaum Medikamente, sie sind aber - anders als Vertragsärzte - zu einem großen Anteil auf die Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen angewiesen. Solche Konstellationen können in einem hart umkämpften Markt zu Absprachen der Beteiligten führen, die bisher fast ausschließlich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Berufs- oder Wettbewerbsrecht geprüft wurden.
Die Grundproblematik der Entscheidung lässt sich also ohne weiteres auf das Verhältnis des Vertragszahnarztes zu Medizinprodukteherstellern, Dentaldepots usw. übertragen. Dort hat der Zahnarzt eine bedeutende Stellung im Abrechnungssystem, was gerade bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen deutlich wird. Dass Zuschüsse, Rabatte oder Rückzahlungen („Kick-backs“) auch bei Zahnärzten vorkommen, zeigen bereits verschiedene Gerichtsentscheidungen, die sich mit dieser Thematik befasst haben. So haben Verwaltungsgerichte wiederholt entschieden, dass Rabatte für Implantate bzw. Implantatteile an Patienten weitergegeben werden müssen. In Fällen von „Kick-back“-Zahlungen kam es sogar schon zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen Betrugs - mit der Folge eines Schadenersatzanspruches der Krankenkassen (siehe hierzu „Zahnärzte Wirtschaftsdienst“ Nr. 5/2009, S. 2).
OLG Braunschweig: Vertragsarzt ist Kassenbeauftragter
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