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· Fachbeitrag · Provisionsrückforderungen

Provisionsrückforderungen vom Vertreter x- hohe Hürden für Vertriebsgesellschaft

von Rechtsanwältin Michaela Ferling, Ferling Retsch Rechtsanwälte, München

| Will der Versicherer nach Beendigung des Vertretervertragsverhältnisses von Ihnen nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen zurückfordern, muss er Ihnen die konkret stornierten Verträge und seine Nachbearbeitungsmaßnahmen nennen. Die Hürden sind hoch. Das zeigen aktuell zwei Entscheidungen aus München. |

Schuldanerkenntnis und Ratenzahlungsvereinbarung

Eine Vertriebsgesellschaft verlangte von einem ehemals für sie tätigen Handelsvertreter, dass er nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen zurückzahlt.

 

Im Zuge der Beendigung des Vertragsverhältnisses unterzeichnete der Handelsvertreter ein Schuldanerkenntnis bzgl. des zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Debetsaldos. Kommt er mit einer Rate in Verzug, sollte die Vertriebsgesellschaft den dann noch bestehenden Saldo in einem Betrag fordern können. Der Handelsvertreter zahlte stets mit dem Vermerk auf die geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung - wenn auch nicht fristgerecht - den einst anerkannten und unstreitigen Betrag vollständig zurück.

Weitere Provisionsrückforderungen eingeklagt

Nach Abschluss der Vereinbarung belastete die Vertriebsgesellschaft das Provisionskonto des Handelsvertreters mit weiteren Rückforderungen wegen angeblich nicht ins Verdienen gebrachter Provision. Die Stornierung des zugrunde liegenden Vertrags legte sie nicht dar. Und sie wies auch keine qualifizierte Nachbearbeitung nach.

 

Der Vertreter zahlte nicht. Daraufhin klagte die Vertriebsgesellschaft. Sie konkretisierte jedoch ihre Klageforderung nicht und legte auch keine einzelnen Buchungen offen.

 

In der Klageerwiderung monierte der Vertreter die Schlüssigkeit der Klage. Er wies darauf hin, dass die Klage nicht auf das Schuldanerkenntnis gestützt werden könne, da dieses im Rahmen der Ratenzahlungsvereinbarung erledigt sei. Im Übrigen sei die Klageforderung unsubstantiiert, weil die widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen nicht zu einem negativen Schuldanerkenntnis führen würde und weder zu Stornierungen noch zu qualifizierten Nachbearbeitungsmaßnahmen vorgetragen sei. Diese würden vorsorglich mit Nichtwissen bestritten.

 

In der Folgezeit mühte sich die Vertriebsgesellschaft mit konkreterem Sachvortrag zu den Stornierungen und Nachbearbeitungen, indem sie vortragen ließ, welche Zahlungen an den Handelsvertreter geflossen sind. Sie machte außerdem geltend, das Schuldanerkenntnis sei nicht erledigt, weil der Handelsvertreter nicht pünktlich bezahlt habe und die Zahlungen auf den Debetsaldo verrechnet worden seien.

 

Dem widersprach der Vertreter. Die Zahlung sei mit einer Tilgungsbestimmung versehen worden, die die Vertriebsgesellschaft nicht ignorieren dürfe.

 

LG München II: Stornierungen und Nachbearbeitungen unschlüssig

Das LG München II wies die zulässige Klage als unbegründet ab (LG München  II, Urteil vom 9.12.2015, Az. 11 O 5406/14, Abruf-Nr. 187635).

 

  • Die Vertriebsgesellschaft sei verpflichtet, die von ihr geltend gemachte Forderung im Einzelnen hinsichtlich Entstehungsgrund und Zusammensetzung darzutun. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe Sie den bestehenden Anforderungen nicht Genüge getan. Weiterhin sei unklar, wie sich der Forderungsbetrag zusammensetze, mithin aus welchem Versicherungsfall welcher Vorschuss in jeweils welcher Höhe einen Bestandteil der Klageforderung bilde.

 

  • Eine Vertriebsgesellschaft dürfe sich nicht auf die Vorlage der Provisionsabrechnungen beschränken, weil ein einfaches Kontokorrentverhältnis nicht bestehe. Auch die widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen entbinde die Vertriebsgesellschaft nicht, substantiiert vorzutragen. Denn eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter, nach welcher Provisionsabrechnungen als anerkannt gelten, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprochen wird, sei wegen Verstoßes gegen § 87c HGB unwirksam.

 

  • Im Übrigen sei die Abrechnung der Vertriebsgesellschaft unrichtig, weil sie die Zahlungen auf die Ratenzahlungsvereinbarungen des Handelsvertreters außer Acht gelassen habe. Zum einen gehe diese Vereinbarung dem Vertriebspartnervertrag als speziellere Regelung vor, zum anderen habe der Handelsvertreter Tilgungsbestimmungen getroffen, die nicht zu vernachlässigen gewesen seien. Selbst wenn der Handelsvertreter mit der Zahlung einer oder auch mehrerer Raten im Verzug gewesen sei, führe dies nicht zu einer Verrechnung auf den später entstandenen Debetsaldo.

 

Gegen das Urteil hat die Vertriebsgesellschaft Berufung zum OLG München eingelegt und diese umfänglich begründet. Das OLG München hat in einem Hinweis erläutert, dass es der Auffassung sei, die Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg (OLG München, Hinweisbeschluss vom 28.6.2016, Az. 23 U 4803/15, Abruf-Nr. 187634).

 

Hinweisbeschluss des OLG München: Klage unzulässig und unbegründet

  • Die Klage sei bereits unzulässig. Im Hinblick auf die materielle Rechtskraft müsse hinreichend klar sein, welche konkreten Forderungen streitgegenständlich seien. Dies sei schlichtweg nicht der Fall. Nach dem Vortrag der Vertriebsgesellschaft seien mehrere Möglichkeiten denkbar. Nämlich, die Vertriebsgesellschaft stütze ihren Anspruch
    • auf ein abstraktes Schuldanerkenntnis aus der zuletzt dem Handelsvertreter erteilten Abrechnung und den dort ausgewiesenen Saldo oder
    • auf die Einzelforderungen.

 

  • Das OLG erteilte im Übrigen auch der Begründetheit der Klage eine Absage:

 

    • Im Wesentlichen fehlte es für den Rückforderungsanspruch am näheren Vortrag zur Stornierung und zu den Nachbearbeitungsmaßnahmen.

 

    • Soweit die Vertriebsgesellschaft darauf verwiesen hatte, die Stornogefahrmitteilung sei an den Bestandsnachfolger erfolgt, wies das OLG darauf hin, dass dies alleine für eine qualifizierte Nachbearbeitung nicht genüge. Auch die pauschale Behauptung, eine Nachbearbeitung wäre ohnehin nicht erfolgversprechend gewesen, genüge nicht. Zwar sei zutreffend, dass eine Nachbearbeitung ausnahmsweise dann entbehrlich sei, wenn feststehe, dass die Nachbearbeitung aussichtslos sei. Dies setze aber Anhaltspunkte voraus, die auf eine Erfolglosigkeit schließen lassen. Derart konkrete Anhaltspunkte könnten dem Vortrag der Vertriebsgesellschaft nicht entnommen werden.
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  • PRAXISHINWEIS | Nach Auffassung des BGH genügt die Versendung einer Stornogefahrmitteilung als qualifizierte Nachbearbeitungsmaßnahme alleine nicht. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen. Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten (BGH, Urteil vom 28.6.2012, Az. VII ZR 130/11, Abruf-Nr. 122324).

     
    • Auch das Verlangen eines Kunden nach Beitragsreduzierung lasse eine Nachbearbeitung nicht entfallen. Zwar sei eine Beitragsreduzierung ein Mittel der Nachbearbeitung, wenn der Kunde gekündigt habe oder die Beitragsfreistellung wünsche. Wünscht aber der Kunde von sich aus eine Beitragsreduzierung, so dürfe sich das Unternehmen nicht ohne einen Versuch der Nachbearbeitung hierauf einlassen.

 

FAZIT | Die Beendigung des Vertretervertrags ist oft der Beginn eines Streits über angeblich nicht ins Verdienen gebrachte Provisionen. Zwar haben Sie bei Beendigung des Vertretervertrags keinen Anspruch mehr darauf, dass Ihnen der Versicherer eine Stornogefahrmitteilung zukommen lässt. Die Nachbearbeitung schuldet er dennoch. Ob sie erbracht wurde und ob die Maßnahmen auch ausreichend sind, ist dabei eine der zentralen Fragen. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, sind die Hürden einer begründeten Provisionsrückforderung hoch und wurden durch die Obergerichte und den BGH in den vergangenen Jahren weiter konkretisiert. Vielfach erschöpfen sich die Maßnahmen in einfachen Mahnschreiben an den Kunden oder in Stornogefahrmitteilungen an den Bestandsnachfolger. Diese Maßnahmen sind aber nicht ausreichend, und so besteht keine Rückzahlungspflicht des Vertreters.

 
Quelle: Ausgabe 09 / 2016 | Seite 5 | ID 44206101