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· Fachbeitrag · Provisionsrückforderungen

LG nennt Voraussetzungen für Provisionsrückforderungen und Hemmung der Verjährung

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, RAe Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München

| Das LG Meiningen hat sich mit den notwendigen Voraussetzungen von Provisionsrückforderungsansprüchen des Versicherers gegen den Vertreter befasst und diese konkretisiert. Außerdem hat es klargestellt, wie konkret ein solcher Anspruch in einem Mahnbescheid bezeichnet sein muss, damit ihm auch verjährungshemmende Wirkung zukommt. |

Streit um Rückforderungsansprüche

Der Versicherer hatte zunächst mit einem Mahnbescheid Ende des Jahres 2013 einen Betrag von gut 7.000 Euro gegen den Versicherungsvertreter beantragt. Darin wurde die Forderung mit folgendem Text begründet: „Rückforderung von Handelsvertreterprovisionen gemäß § 87a Abs. 2 HGB gemäß Kontoauszug Buchungsnoten vom 20.12.2012: 7.046,82 €“.

 

Dieser Kontoauszug lag dem Mahnbescheid jedoch nicht bei und wurde auch im Verfahren nicht vorgelegt. Der Versicherer versuchte im Verfahren mehrfach nachzubessern, um seine Rückforderungsansprüche schlüssig darzulegen. Er hatte aber keinen Erfolg (LG Meiningen, Urteil vom 23.3.2016, Az. ((378) 1 O 936/14, Abruf-Nr. 186332, rechtskräftig).

Vortrag für schlüssigen Rückforderungsanspruch

Das LG schloss sich der Meinung des Versicherungsvertreters an: Danach muss der Versicherer folgende acht Punkte für jeden einzelnen Provisionsrückforderungsfall schlüssig vortragen, um zu einem berechtigten Anspruch zu kommen:

 

8-Punkte-Checkliste / Prüfung des Provisionsrückforderungsanspruchs

1.

Wann hat der Vertreter welche konkrete Versicherung vermittelt?

2.

Wann wurde dem Versicherungsvertreter in welcher Höhe und in welcher Provisionsabrechnung hierfür eine Provision gutgeschrieben und in welcher Höhe wann ausbezahlt?

3.

Wie lange läuft die Provisionshaftungszeit und wann und wo wurde diese zwischen den Parteien vertraglich vereinbart?

4.

Wie hoch ist eine einbehaltene Stornoreserve?

5.

Wann und warum wurde ein Versicherungsvertrag storniert?

6.

Wann erlangte der Versicherer hiervon Kenntnis?

7.

Welche konkreten Nachbearbeitungen hat der Versicherer selbst durchgeführt oder von Dritten für die Erhaltung des Versicherungsvertrags durchführen lassen?

8.

Wie errechnet sich konkret die anteilig zurückzufordernde Provision und in welcher Höhe ist die Provision bis zum Datum der Stornierung bereits verdient?

 

 

Diese Informationen fanden sich jedoch weder im Vortrag des Versicherers noch in umfangreichen Tabellen, die der Versicherer im Verfahren vorlegte. Insbesondere bemängelt das Gericht,

  • dass die exemplarische Erläuterung einzelner Fälle durch den Versicherer nicht reiche, sondern ein konkreter Vortrag für jeden einzelnen Fall gebracht werden müsse;
  • dass der Versicherer in keinem einzigen Fall einen konkreten Sachvortrag zu Nachbearbeitungsmaßnahmen gebracht habe.

 

Wichtig | Auch wenn es im konkreten Fall darauf nicht mehr ankam, stellt das LG klar, dass etwaige Ansprüche aus dem Jahr 2011 auch verjährt seien. Denn mit dem Mahnbescheid habe der Versicherer eine Mehrheit von Forderungen geltend gemacht, diese aber nicht hinreichend individualisiert, was für eine Hemmung der Verjährung notwendig gewesen wäre. Im Mahnbescheid selbst fand sich nur der Gesamtforderungsbetrag. Der in Bezug genommene Kontoauszug, aus dem sich eine Einzelaufstellung der Forderungen vielleicht hätte ergeben können, war jedoch nicht beigefügt.

Große Bedeutung für Provisionsrückforderungsprozesse

Es ist zu begrüßen, dass das LG die notwendigen Informationspunkte für die Schlüssigkeit eines Provisionsrückforderungsanspruchs in aller Deutlichkeit nennt und auch klar macht, dass diese Punkte für jeden einzelnen Rückforderungsfall vom Versicherer dargelegt und bewiesen werden müssen. Andernfalls fehlt es an der Schlüssigkeit der Klage - und diese ist abzuweisen.

 

Provisionsrückforderungsprozesse haben meist einen erheblichen Umfang, weil die Versicherer große Anlagenkonvolute mit Provisionsabrechnungen, tabellarischen Auflistungen und Ähnlichem vorlegen. Die notwendigen Informationspunkte werden jedoch in den meisten Fällen gar nicht oder nur für einige wenige Fälle geliefert, insbesondere wenn es um die konkrete Darlegung von Nachbearbeitungsmaßnahmen geht.

 

Leider verfallen aber einige Gerichte in Anbetracht des umfangreichen Vortrags auf die Taktik, in vielen Einzelterminen die einzelnen Vorgänge mündlich zu erörtern oder sogar dutzende benannter Zeugen einzuvernehmen in der Hoffnung, die Prozessparteien werden sich vor dem Hintergrund dieses Aufwands schon irgendwann einigen. Das ist nicht notwendig, wenn der Vortrag des Versicherers zunächst einmal darauf untersucht wird, ob die acht Informationspunkte überhaupt vorhanden sind und, wenn ja, ob hierzu hinreichend konkreter Vortrag erfolgt. Dann bleiben recht schnell nur noch wenige relevante Fälle übrig bzw. erweist sich die Klage sehr schnell als unbegründet, mag sie noch so umfangreich sein.

 

FAZIT | Es bleibt zu hoffen, dass auch andere Gerichte durch eine klare Orientierung an diesen notwendigen Schlüssigkeitsvoraussetzungen Struktur in die Fälle bekommen. So kann schnell die Spreu vom Weizen getrennt werden. Und in einem frühen Verfahrensstadium können vernünftige Vergleichsvorschläge unterbreitet bzw. nur die Einzelfälle weiterverfolgt werden, die auch Aussicht auf Erfolg haben.

 
Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 5 | ID 44088296