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11.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132921

Landgericht Bonn: Beschluss vom 03.06.2013 – 5 S 64/13



Die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen einer gemischten Krankenanstalt im Sinne der Krankenhaustagegeldversicherung ist ausschließend nach dem äußeren Erscheinungsbild der Klinik und unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur zu beantworten.



Tenor:

Die Kammer weist nach Beratung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

G r ü n d e

I.

Die Berufung der Klägerin hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zahlung von Krankenhaustagegeld aus Anlass ihres Aufenthalts in den Q T/B, noch ist die Beklagte verpflichtet, die der Klägerin durch die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten zu erstatten.

1. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Q T/B um eine gemischte Krankenanstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (RB/KK 2009) handelt.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen einer gemischten Krankenanstalt ist die Beklagte (vgl. AG Bad Segeberg, NJW-RR 2013, 279 (280)). Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund aus dem Internetauftritt der Q T/B zitiert. Die Klägerin ist diesem Vorbringen nicht durchgreifend entgegengetreten, sondern hat lediglich unter Hinweis darauf, die Heilbehandlungsleistungen einerseits und Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen andererseits (vgl. zur Abgrenzung der unterschiedlichen Behandlungen ausführlich BGH, NJW 1995, 3057 (3058)) würden in jeweils unterschiedlichen Häusern durchgeführt, von der Auffassung der Klägerin abweichende rechtliche Schlüsse gezogen. Soweit sie die Behauptung, die Klinik biete die in dem Schriftsatz der Klägerin vom 14.12.2012 auf Seite 2 aufgeführten Leistungen an, mit Nichtwissen bestritten hat, ist das unbeachtlich. Die Klägerin hat durch ihren Aufenthalt in der Klinik eigene Wahrnehmungen, die sie in die Lage versetzt hätten, substantiiert zu dem Vorbringen der Beklagten Stellung zu nehmen und die es ihr verwehren, sich auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zu beschränken, § 138 Abs. 4 ZPO. Im Übrigen wäre es selbst im Falle eines beachtlichen Bestreitens zulässig, die Frage, ob es sich um eine gemischte Anstalt handelt, auf der Basis der im Internet von der Klinik zur Verfügung gestellten Informationen ohne weitere Beweisaufnahme zu beantworten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.01.2012 – I-20 148/11 – BeckRS 2012, 07610; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.01.2011 – 10 U 1120/10BeckRS 2011, 17471). Dies hätte kein anderes Ergebnis zur Folge. Die ausweislich des Internetauftritts angebotenen Leistungen, die die Beklagte zutreffend wiedergegeben hat, rechtfertigen den Schluss, dass es sich um eine gemischte Krankenanstalt handelt. Ob die unterschiedlichen Behandlungen in baulich voneinander getrennten Gebäuden durchgeführt werden, ist ebenso unerheblich wie die Frage, welche Behandlungen die Klägerin tatsächlich erfahren hat (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 28.01.2011 – 10 U 1120/10BeckRS 2011, 17471). Es kommt allein darauf an, dass die Q T/B sowohl stationäre Heilbehandlungen als auch Kur- und Sanatoriumsbehandlungen anbieten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.01.2012 – I-20 148/11 – BeckRS 2012, 07610).

2. Im Falle der Behandlung in einer gemischten Krankenanstalt macht § 4 Abs. 5 AVB die Zahlung des Krankenhaustagegeldes davon abhängig, dass dies vor Beginn der Behandlung schriftlich von der Beklagten zugesagt worden ist. Unstreitig wurde eine schriftliche Zusage weder erteilt noch auch nur vor Beginn der Behandlung beantragt. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren erstmals am 20.06.2012 telefonisch an die Beklagte gewandt, nachdem sie bereits einen Tag zuvor in der Klinik aufgenommen worden war.

§ 4 Abs. 5 AVB ist nicht unwirksam. Es handelt sich weder um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB noch bewirkt sie eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 307 BGB (st. Rspr.; vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.01.2012 – I-20 148/11 – BeckRS 2012, 07610; OLG Köln, r+s 1990, 213 (214) [anders dort nur für Krankentagegeld]; LG Hannover, NJOZ 2012, 1924 (1925); LG Berlin, NVersZ 2001, 414; AG Bad Segeberg, NJW-RR 2013, 279 (281); Schlemmer, r+s 1991, 109 (110)).

Eine Klausel ist überraschend, wenn sie objektiv ungewöhnlich ist und der Vertragspartner mit einer solchen Klausel nicht zu rechnen braucht. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist als allgemein bekannt vorauszusetzen, dass in den Krankenversicherungen zwischen Heilbehandlungen und sonstigen Behandlungen differenziert wird, und es liegt deshalb nahe, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Regeln dazu enthalten. Es ist auch konsequent, die hier konkret in Rede stehende Klausel in den Abschnitt „Umfang der Leistungspflicht“ zu verorten. Für durch Kur- und Heilbehandlungen entstehende Kosten hat die Beklagte grundsätzlich nicht aufzukommen, § 5 Abs. 1 b) AVB. Insofern bewirkt § 4 Abs. 2 AVB keine Einschränkung der Leistungspflicht, sondern vielmehr eine – wenn auch vom Willen der Beklagten und der vorherigen Einholung einer Leistungszusage abhängige – Ausdehnung der Leistungspflicht.

Die Klausel ist auch nicht unangemessen benachteiligend. Während die aus der Klausel resultierenden Anforderungen an den Versicherungsnehmer – Einholung einer Zahlungszusage im Vorfeld der Behandlung – verhältnismäßig geringfügig sind, ist es der Beklagten häufig nur vor Beginn der Behandlung in der gemischten Anstalt möglich, zu entscheiden, ob es sich bei den anstehenden, aus dem Heilbehandlungsplan ersichtlichen Maßnahmen um solche einer notwendigen Heilbehandlung oder um Kur- und Sanatoriumsbehandlungen, deren Kosten grundsätzlich nicht zu übernehmen sind (§ 5 Abs. 1 d) ABB) und bei deren Durchführung ein Krankenhaustagegeld nicht zu zahlen ist, handelt.

Es verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte eine Einstandspflicht zumindest primär unter Hinweis auf eine fehlende vorherige Zusage der Zahlung des Krankenhaustagegeldes verneint.

Ob die Versicherung eine Zahlungszusage im Sinne des § 4 Abs. 5 AVB erteilt, ist in deren Ermessen gestellt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.01.2012 – I-20 148/11 – BeckRS 2012, 07610). Treuwidrig ist die Verweigerung einer Zusage allenfalls dann, wenn die Beklagte suggeriert hätte, sie werde Krankenhaustagegeld unabhängig von einer schriftlichen Zusage zahlen und die Beklagte hinsichtlich eines daraufhin gebildeten Vertrauens schutzwürdig wäre (vgl. OLG Köln, r+s 1990, 213 (214)). Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin erst sehr kurzfristig Kenntnis davon erlangt hat, dass eine stationäre Aufnahme nicht erst im Februar 2013, sondern bereits ab dem 19.06.2012 erfolgen könne. Zwar sind in der Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt worden, bei denen das Ermessen der Versicherung in gewisser Weise gebunden ist (vgl. LG Berlin, NVersZ 2001, 414 (415)). Danach ist im Rahmen der Ermessensausübung etwa zu berücksichtigen, wenn eine besondere Notlage besteht oder es dem Versicherungsnehmer aus anderen Gründen nicht möglich ist, eine vorherige Leistungszusage einzuholen. Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Klägerin wusste bereits einige Monate zuvor, dass eine stationäre Aufnahme in den Q T/B bevorsteht. Sie hatte hinreichend Gelegenheit, die Beklagte rechtzeitig vor der Aufnahme um eine Zahlungszusage zu ersuchen. Es kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn die Klägerin die Einholung einer solchen Zusage zunächst zurückstellt und ihr dann schließlich nicht mehr hinreichend Zeit verbleibt, um die Beklagte in die Lage zu versetzen, die notwendige Prüfung vorzunehmen (vgl. Schlemmer, r+s 1991, 109 (111 f.)).

Ob die Behandlung überhaupt medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 AVB war, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

3. Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr durch die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten.

II.

Der Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege stehen § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung der Kammer zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch obergerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung des Einzelfalls. Auch ein sonstiger Anlass zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung besteht nicht.

III.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtskosten reduzieren, wenn durch Rücknahme der Berufung eine förmliche Entscheidung vermieden wird, Ziff. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG.

Rechtsgebietgemischte KrankenanstaltVorschriftenMB/KT §4