Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

Kündigungshilfe eines Maklers gegenüber (Neu-)Kunden ‒ Wann ist sie erlaubt, wann unlauter?

| Immer wieder stellt sich die Frage, ob vorformulierte Kündigungsschreiben erlaubt sind, die ein Versicherungsmakler einem (Neu-)Kunden zur Verfügung stellt, um sein altes Maklermandat zu kündigen. Im Grundsatz hat der BGH die Kündigungshilfe in mehreren Entscheidungen erlaubt. Dies sei eine zulässige Dienstleistung unter Mitbewerbern. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen. |

OLG sieht unzulässige Dienstleistung unter Mitbewerbern

Folgenden Kündigungshilfe-Fall hat das OLG Dresden entschieden: Eine Krankenkasse stellte im Internet ein vorformuliertes Schreiben bereit. Damit sollten Mitglieder anderer Krankenkassen ihre Mitgliedschaft kündigen und zur Krankenkasse wechseln können. Dieses Schreiben enthielt u. a. den Passus:

 

  • Passus

Sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruferlaubnisse widerrufe ich hiermit mit sofortiger Wirkung; dies umfasst auch Rückwerbeversuche.

 

Insbesondere wegen dieses Passus verurteilte das OLG Dresden die Krankenkasse, es zu unterlassen, das Schreiben weiter zur Verfügung zu stellen (OLG Dresden, Urteil vom 17.07.2015, Az. 14 U 584/15, Abruf-Nr. 199504).

 

Grundsatz: Kündigungshilfe ist erlaubt

Einleitend verweist das OLG auf die bisherige BGH-Rechtsprechung:

 

  • Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind (BGH, Urteil vom 05.10.1966, Az. Ib ZR 136/64).

 

  • Deshalb ist die Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung wettbewerbskonform (BGH, Urteil vom 08.11.2001, Az. I ZR 124/99, Abruf-Nr. 060224).

 

  • Entsprechendes gilt, wenn einem vertraglich noch anderweitig gebundenen Kunden ein vorbereitetes Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt wird, das nach Einfügung des Kündigungstermins nur noch zu unterschreiben ist. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird allein durch eine solche Dienstleistung nicht unsachlich zum Abschluss eines Vertrags mit einem Mitbewerber veranlasst (BGH, Urteil vom 07.04.2005, Az. I ZR 140/02, Abruf-Nr. 051501).

 

PRAXISTIPP | Es ist auch zulässig, sich zur Übersendung des Kündigungsschreibens bevollmächtigen zu lassen. Daher bestehen nach Ansicht des OLG keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken, dass sich die Krankenkasse in dem Formular eine Vollmacht für den Empfang der Kündigungsbestätigung hat erteilen lassen.

 

Ausnahme: Unlauteres Mittel macht Kündigungshilfe wettbewerbswidrig

Werden unlautere Mittel bei der ansonsten erlaubten Kündigungshilfe eingesetzt, ist die Abwerbung von Kunden wettbewerbswidrig. So ist es unlauter, wenn Mitbewerber nach den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG gezielt behindert werden. Und zwar unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit einer Kündigungshilfe geschieht oder mit einer Kundenabwerbung verbunden ist.

 

Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann,

  • wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder

 

Mangelnde Aufklärung beeinträchtigt Verbraucherinteressen

Nach dem vorformulierten Schreiben widerruft der Versicherte sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe- und Anruf-Erlaubnisse mit sofortiger Wirkung. Ebenso untersagt er Rückwerbeversuche. Das führt dazu, so das OLG, dass der bisherigen Kranken- bzw. Betriebskrankenkasse jegliche telefonische Kontaktaufnahme mit ihrem kündigenden Mitglied untersagt wird. Und zwar sogar noch, bevor die Kündigung gegenüber ihrem derzeitigen Versicherten wirksam wird.

 

Die neue Krankenkasse verhindert jegliche Nachfragen der bisherigen Krankenkasse. Sie beeinträchtigt so die Interessen der Mitglieder (Verbraucher). Denn wäre ein Mitglied über die Anlässe für eine Kontaktaufnahme informiert, würde es möglicherweise von einem solchen telefonischen Kontaktverbot absehen. Denn nach einer Kündigung können noch Fragen zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses klärungsbedürftig sein, z. B. hinsichtlich folgender Punkte:

 

  • Leistungsansprüche und Beitragsrückstände
  • Weiterversicherung bei Arbeitgeberwechsel oder Arbeitslosigkeit
  • Rückwirkende Beitragseinstufung von Selbstständigen
  • Beitragsbescheinigungen für die einkommenssteuerliche Veranlagung
  • Rückforderung der elektronischen Gesundheitskarte

 

Verhinderung zulässigen Wettbewerbs ist wettbewerbswidrig

Mit ihrem Verhalten errichtet die Krankenkasse eine Marktverhaltensschranke für Mitbewerber. Eigene schutzwürdige Interessen hat sie dafür nicht angeführt. Vielmehr schottet sie sich mit ihren abgeworbenen Versicherten ab und verhindert zulässige, den Wettbewerb fördernde Anstrengungen des Mitbewerbers, die abgeworbenen Versicherten noch bei sich zu halten.

 

Damit gesteht die Krankenkasse ihren Mitbewerbern das nicht zu, was sie bei der Kündigungshilfe für sich in Anspruch nimmt: die im Grundsatz zulässige Abwerbung von Kunden.

 

PRAXISTIPP | Das OLG stellt in dem Urteil klar:

  • Die bisherige Krankenkasse braucht eine solche Abschottung eines Wettbewerbers nicht hinzunehmen.
  • Die neue Krankenkasse kann gegenüber der bisherigen Krankenkasse nicht geltend machen, mit einem Noch-Kunden nicht mehr telefonieren zu dürfen, um jedenfalls das Versicherungsverhältnis abzuwickeln.
 

Handlungsempfehlungen für Sie als Makler

Zwar handelt es sich bei der Krankenkasse um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt. Aber die Werbemaßnahme stellt ‒ unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/29/EG ‒ eine geschäftliche Handlung in Sinne des UWG dar. Deshalb hat die Krankenkasse wie eine Gewerbetreibende unternehmerisch gehandelt. Folglich unterfällt sie den wettbewerbsrechtlichen Normen.

 

Das bedeutet für die private Versicherungsbranche: Die im Urteil des OLG Dresden aufgestellten Grundsätze können entsprechend herangezogen werden, insbesondere für Versicherungsvermittler.

 

PRAXISTIPP | Für Sie als Makler heißt das:

  • Im Rahmen des zulässigen Abwerbens können Sie Kündigungshilfe leisten: durch Hinweise auf die Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung und durch ein vorbereitetes Kündigungsschreiben für den Kunden.
  • Werden Sie einmal selbst mit einem Kündigungsschreiben eines Mitbewerbers in Bezug auf Ihren Maklervertrag konfrontiert, müssen Sie beachten: Das Maklervertragsverhältnis nach § 627 Abs. 1 BGB endet grundsätzlich mit sofortiger Wirkung. Ihren ehemaligen Kunden dürfen Sie ausnahmsweise nur noch dann telefonisch kontaktieren, z. B. bei Gefahr im Verzug, um etwaige Schäden von ihm abzuwenden. Sie dürfen ihn jedoch nicht befragen, was Ursache des Maklerwechsels war. Denn eine telefonische Kontaktaufnahme ist, wenn der (ehemalige) Kunde sich eine solche mit seiner Kündigung verbeten hat, eine unlautere Belästigung (LG Nürnberg-Fürth, Urteile vom 29.10.2008, Az. 3 O 7797/08 und 3 O 7790/08, Abruf-Nrn. 090208 und 090328).
 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag 0„Ein Aufklärungsanruf des Maklers beim ehemaligen Kunden ist unzulässig“, WVM 4/2009, Seite 11
  • Beitrag „Zulässigkeit der Kündigungshilfe durch Makler erneut durch BGH bestätigt“, WVM 3/2006, Seite 5
Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 6 | ID 45159710