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  • 19.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239250

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 27.09.2023 – 20 U 22/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird ‒ unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen ‒ das am 12.01.2023 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster (115 O 1421/21) abgeändert.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als hätte dieser die Kapitallebensversicherung vom 20.06.2000 zur Versicherungs-Nr.: N01 (mittlerweile aufgrund EDV-Umstellung geändert zu N02) nicht mit Wirkung zum 31.10.2018 gekündigt, und zwar mit der Maßgabe, dass der Kläger nicht besser zu stellen ist, als er im Falle des Fortbestehens des vorgenannten Vertrages stünde.

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der L. mbB in Höhe von 1.375,88 € freizustellen.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20 % und die Beklagte 80 %.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweilige Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    1
    Gründe:

    2
    I.

    3
    Der Kläger, von Beruf (..), begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines von ihm im Jahr 2018 gekündigten Kapitallebensversicherungsvertrags aus dem Jahr 2000, weil er die Wirksamkeit seiner Kündigung aufgrund Anfechtung und Beratungspflichtverletzungen in Abrede stellt.

    4
    Der Kläger hatte bei mit der Beklagten ‒ damals noch firmierend unter E. Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft ‒ im Jahre 2000 unter der Versicherungs-Nr.: N01 (mittlerweile aufgrund EDV-Umstellung geändert zu N02) eine (erlebensfallorientierte) Kapitallebensversicherung abgeschlossen (Versicherungsschein und Begleitschreiben eGA-I 12 ff. [eGA-I für die elektronische Gerichtsakte erster Instanz und eGA-II für die elektronische Gerichtsakte zweiter Instanz]) (nachfolgend auch: „Altvertrag“). Der monatliche Beitrag belief sich auf 54,00 DM/27,61 €. Die Versicherungsbeiträge wurden vom Vater des Klägers, dem Zeugen O., geleistet, der auch als Bezugsberechtigter für den Todesfall eingesetzt war.

    5
    Im Jahr 2007 hatte der Kläger zudem bei der Beklagten eine Rentenversicherung (nachfolgend auch: RV 2007) nebst Berufungsunfähigkeitszusatzversicherung (nachfolgend auch: BUZ 2007) abgeschlossen mit Versicherungsbeginn zum 01.01.2007 und einer garantierten monatlichen Rentenzahlung von 1.474,88 € (REN N03 ‒ Versicherungsschein Bl. 252 ff. eGA-I). Der auf die BUZ entfallende Beitragsteil betrug 155,73 € + 4,08 € für die Beitragsbefreiung; der auf die Rentenversicherung entfallende 40,01 € (siehe Versicherungsschein Bl. 252 f. eGA-I).

    6
    Im Juni, September und Oktober 2018 fanden mehrere Beratungsgespräche zwischen dem Kläger und dem Vermittler der Beklagten, dem Zeugen Z., statt. Bei diesen Gesprächen war jedenfalls auch der Vater des Klägers, der Zeuge O., anwesend.

    7
    Nach erfolgter Beratung wurde der Monatsbeitrag für die BUZ 2007 mit Wirkung ab dem 01.011.2018 aus zwischen den Parteien streitigen Gründen (der Kläger behauptet eigenmächtige Herabsetzung durch den Zeugen Z.; die Beklagte einen entsprechenden Antrag) auf 96,75 € (95,47 € Beitrag + 1,28 € für die Beitragsbefreiung) herabgesetzt, mit der Folge, dass sich die monatliche BU-Rente auf 1.000,00 € reduzierte (Versicherungsschein Bl. 256 ff. eGA-I).

    8
    Ferner beantragte der Kläger den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die unter der Versicherungsnummer N04 zum Abschluss kam (eGA-I 34 ff; eGA-I 153ff.; nachfolgend auch „Neuvertrag“). Der monatliche Beitrag belief sich auf 100,21 €. Als bezugsberechtigte Person im Erlebensfall setzte der Kläger sich persönlich und für den Todesfall seine Eltern ein. Auch für den Neuvertrag zahlte der Zeuge O. für den Kläger die monatlichen Beiträge.

    9
    Zugleich kündigte der Kläger den Altvertrag aus dem Jahr 2000 zum 31.10.2018. Die Beklagte bestätigte die Kündigung am 16.10.2018. Den Rückkaufswert von 6.540,30 € zahlte die Beklagte zunächst auf das Konto der Mutter des Klägers aus. Von diesem Betrag ließ der Kläger, ggf. über seinen Vater, 5.000 € in einen Bausparvertrag einzahlen, den der Kläger zum Zwecke der Finanzierung einer eigengenutzten Immobilie abgeschlossen hatte. Durch die Zuzahlung sollte eine frühere Zuteilungsreife und ein früherer Übergang in die Darlehensphase herbeigeführt werden. Von dem Restbetrag wollte der Vater des Klägers eine Urlaubsreise unternehmen.

    10
    Der Zeuge Z. klärte im Zuge der Beratung weder den Kläger noch dessen Eltern über die Unterschiede des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag auf, namentlich nicht darüber, dass es sich bei dem Altvertrag um einen steuerprivilegierten Vertrag handelte, was bei dem Neuvertrag nicht der Fall war, der Neuvertrag im Gegensatz zum Altvertrag keine Mindest-Todesfallleistung enthielt und bei dem Neuvertrag im Gegensatz zum Altvertrag kein Garantiezins in Höhe von 4 % gewährleistet war.

    11
    Über die Beratung wurden zwei Protokolle errichtet. Über die Kündigung des Altvertrags verhält sich das vom Kläger unterschriebene Formular „Änderung des Versicherungsvertrags mit Beratungsprotokoll“ (Bl. 52 ff. eGA-I/Bl. 122 ff. eGA-I). Dieses ist nur rudimentär ausgefüllt; unter anderem fehlt es an einem Eintrag zum beabsichtigten Änderungsbeginn (Bl. 52 eGA-I) und zum Anlegertyp (Bl. 53 eGA-I). Auf S. 4 unten des Formulars findet sich eine umrandete Zeile mit dem (elektronisch angekreuzten) Eintrag „Beratungsverzicht“ in der es heißt:

    12
    „Hiermit bestätige ich, dass ich die in diesem Formular vermerkte(n) Vertragsänderung(en) wünsche. Auf eine Beratung und Dokumentation verzichte ich. Ich nehme zur Kenntnis, dass der Beratungsverzicht sich nachteilig auf die Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflichten geltend zu machen.“

    13
    Diese Erklärung ist vom Kläger gesondert unterschrieben.

    14
    Über den Abschluss des „Neuvertrags“ wurde das „Beratungsprotokoll für eine Lebens-, Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherung“ errichtet (Bl. 58 ff. eGA-I). Dort wurden als „Wünsche und Bedürfnisse“ nur die Vorsorge für das Alter angekreuzt. Hinsichtlich der Risikobereitschaft des Klägers wurde Risikotyp 5 (höchste Risikostufe) angekreuzt. Betreffend die Risikobereitschaft bei Fondsanlagen ist die zweithöchste Risikostufe („gewinnorientiert“) angekreuzt. Nicht angekreuzt ist der folgende Passus:

    15
    „Der Kunde wünscht eine bestehende Lebensversicherung zu kündigen oder beitragsfrei zu stellen und stattdessen eine neue Versicherung abzuschließen. Besonders im Bereich der Lebensversicherung kann dies oft mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Der Kunde wurde hierüber aufgeklärt. Dies wurde im beigefügten Formular dokumentiert.“

    16
    Das erwähnte „beigefügte Formular“ ist nicht errichtet worden.

    17
    Unter dem 14.01.2019 forderte der Kläger die Beklagte zur Übersendung der Vertragsunterlagen betreffend den Altvertrag auf (Bl. 131 eGA-I). Dem kam die Beklagte mit Schreiben vom 01.03.2019 nach (Bl. 132 eGA-I).

    18
    Mit Schreiben vom 12.03.2019 legte der Kläger Beschwerde beim Vorstand der Beklagten unter Hinweis auf vermeintliche Beratungsfehler des Zeugen Z. ein und trat von der fondsgebundenen Rentenversicherung zurück (eGA-I 188 ff.). In der Beschwerde heißt es auszugsweise:

    19
    „Dementsprechend sehe ich mich angehalten diesen Neuvertrag rückabwickeln zu wollen und die entsprechend bereits gezahlten Beträge zurückerstattet zu bekommen. (...) All dieses ist für mich nach eingehender Prüfung nicht akzeptabel. Ich wünsche eine detaillierte Stellungnahme und die Rückabwicklung des Neuvertrages und die Wiederinkraftsetzung des alten Vertrages zu den alten Bedingungen“

    20
    Mit Schreiben vom 17.04.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für sie kein Beratungsfehler ersichtlich sei (Bl. 191 eGA-I).

    21
    Unter dem 29.07.2019 kündigte der Kläger sodann die fondsgebundene Rentenversicherung (eGA-I 192), woraufhin die Beklagte dem Kläger die Kündigung bestätigte. Der Rückkaufswert von 680,03 € wurde nicht ausgezahlt, weil der Kläger keine Bankverbindung angegeben hatte. Mittlerweile weist die Beklagte hinsichtlich des Rückkaufswertes auf Verjährung hin.

    22
    Der Kläger ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 29.07.2021 (eGA-I 208 ff.) unter Hinweis auf eine Falschberatung die Anfechtung seiner Kündigung des Altvertrags und des im 2018 erfolgten Abschlusses des Rentenversicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung erklären. Die Beklagte wies unter dem 04.08.2021 Ansprüche zurück.

    23
    Der Kläger meint, die Kündigung des Altvertrags sei aufgrund der Schadensersatzpflicht der Beklagten aus § 6 Abs. 5 VVG i.V.m. § 6 Abs. 1, Abs. 2 VVG (und § 63 VVG) unwirksam. Die Beratungspflichtverletzung des Zeugen Z. sei der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Darüber hinaus habe er in seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 12.03.2019 konkludent „eine Anfechtung wegen Täuschung“ erklärt.

    24
    Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, der Zeuge Z. habe den Neuvertrag als den gegenüber dem Altvertrag besseren und zeitgemäßeren empfohlen. Der Zeuge Z. habe den Beitrag bei der BUZ 2007 ohne Wissen des Klägers herabgesetzt, um zu verschleiern, dass auf den Neuvertrag gegenüber dem Altvertrag tatsächlich höhere Prämien zu entrichten gewesen seien.

    25
    Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestandes des Altvertrags gerichtete Klage abgewiesen. Zwar liege eine Beratungspflichtverletzung nach dem unstreitigen Vortrag vor, weil der Zeuge Z. nicht die Vor- und Nachteile zwischen Alt- und Neuvertrag gegenübergestellt habe. Die Ursächlichkeit der Falschberatung für die Kündigung sei allerdings auf Grundlage des unstreitigen Sachverhalts widerlegt. Soweit der Kläger auf die im Rahmen der fondsgebundenen Rentenversicherung nicht enthaltene Mindesttodesfallleistung abgestellt und betont habe, dass es ihm hierauf im Hinblick auf den Unterhalt seiner Familie angekommen sei, sei dieser Gesichtspunkt angesichts der unstreitigen Gesprächsinhalte für seine Entscheidung nicht maßgeblich und nur vorgeschoben gewesen. Dass der ‒ vom Kläger bei den Beratungsgesprächen unstreitig nicht geäußerte ‒ Versorgungsgedanke etwaiger Hinterbliebener des Klägers im Falle eines Todes bei Kündigung der Lebensversicherung und Abschluss der Rentenversicherung ersichtlich nicht im Vordergrund gestanden habe, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass nicht seine Ehefrau und Kinder, sondern vielmehr seine Eltern als Bezugsberechtigte im Todesfall bestimmt worden seien. Unstreitig hätte zudem der Vater des Klägers, der die Versicherungsbeiträge zur Kapitallebensversicherung zuvor geleistet habe, ausdrücklich den Wunsch geäußert, Beiträge einsparen zu wollen. Diese Umstände hätten bei der Entscheidung zur Kündigung der Kapitallebensversicherung im Vordergrund gestanden, zumal die Eltern auf die Versicherungsleistung im Todesfall ihres Sohnes angesichts ihrer eigenen finanziellen Verhältnisse nicht angewiesen gewesen seien. Vor diesem Hintergrund habe sich der der Kündigung und dem Neuabschluss zugrundeliegende Gedanke, die Chancen aus einer fondsgebundenen Rentenversicherung für den Erlebensfall des Klägers zu nutzen und die Lebensversicherung zu kündigen, weil ein Bedarf für einer Mindest-Todesfallleistung nicht bestehe, als zweckmäßig erwiesen. Dem im Vordergrund stehenden Wunsch des Klägers bzw. seines Vaters, Versicherungsprämien zu sparen, gleichzeitig aber dennoch einen neuen zweckmäßigen, auch Beitragsbefreiung bei Berufsfähigkeit und Rentenzahlung beinhaltenden Versicherungsschutz zu erhalten, sei mit der Kündigung des Kapitallebensversicherungsvertrages und des gleichzeitigen Abschlusses des Rentenversicherungsvertrages angemessen Rechnung getragen worden. Nach alledem seien die Chancen des Klägers, aufgrund der fondsgebundenen Rentenversicherung einen höheren Betrag im Erlebensfall zu erzielen und die hierfür erforderliche monatliche Beitragszahlung durch den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit abzusichern, im Sinne eines Gesamtvermögensvergleiches höher zu gewichten als die von ihm angeführten Nachteile (steuerfreie Auszahlung sowie Garantiezins von 4 %).

    26
    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz, der Anträge und der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen (Bl. 4 ff. eGA-II).

    27
    Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt, vertieft und teils ergänzt. Die Beratungspflichtverletzung sei, wie seine bei den Beratungsgesprächen anwesenden Eltern bekunden könnten, kausal für die Kündigung des Altvertrages gewesen. Seine Eltern hätten ihm bei pflichtgemäßer Beratung nicht zur Umdeckung geraten und dem Rat seiner Eltern wäre er gefolgt.

    28
    Erstmals mit der Berufung behauptet er, er habe den Altvertrag nur deswegen gekündigt, weil der Zeuge Z. ihm ausdrücklich zugesichert habe, dass der neue Vertrag genauso sicher sei und genau die gleichen Vorteile habe wie der alte Vertrag und noch darüber hinaus eine bessere Verzinsung. Zuvor hätten er und seine Eltern dem Zeugen mitgeteilt, dass es überhaupt keinen Grund zur Kündigung des Altvertrags gäbe. Sie hätten sich nur durch die vorgenannte Auskunft von der Kündigung überzeugen lassen.

    29
    Der Kläger beantragt wörtlich:

    30
    1. Das Urteil des Landgerichts Münster vom 12.01.2023 zum Az. 115 O 1421/22 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die bei der Beklagten geführten Lebensversicherung vom 20.06.2000 (Versicherungs-Nr. N02; Versicherungsbeginn: 01.06.2000) zu den im Versicherungsschein genannten Bedingungen weiter fortbesteht;

    31
    2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der L. mbB in Höhe von 1.375,88 € freizustellen.

    32
    Die Beklagte beantragt:

    33
    Die Berufung wird zurückgewiesen.

    34
    Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen (eGA-II 66 ff.). Vorsorglich beruft sie sich darauf, dass sich der Kläger die aufgrund der Kündigung erlangten Vorteile (Rückkaufswert und Beitragsersparnis) anrechnen lassen müsse.

    35
    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

    36
    Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und hat den Zeugen Z. sowie die Zeugen O., die Eltern des Klägers, vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen (Bl. 131 ff. eGA-II).

    37
    II.

    38
    Die Berufung des Klägers ist zulässig und überwiegend begründet.

    39
    A. Die Berufung ist zulässig.

    40
    Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung. Soweit das Landgericht die Klage in Höhe von 6.540,30 € als unschlüssig angesehen und sich der Kläger hiermit mit der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt hat, fehlt es gleichwohl nicht an einem das Urteil insgesamt erfassenden Berufungsangriff. Denn das Landgericht hat die Klage nicht aufgrund des vom Kläger unberücksichtigt gelassenen Rückkaufswertes selbstständig tragend als insgesamt, sondern nur als teilweise unschlüssig angesehen (vgl. „insoweit“, S. 10 des angefochtenen Urteils unter I.). Selbst wenn hieraus folgte, dass das landgerichtliche Urteil nur insoweit angefochten sei, als das Landgericht die Klage als schlüssig angesehen hat, wäre eine dahingehende Beschränkung der Berufung unwirksam, weil die Frage, wie mit dem Rückkaufswert umzugehen ist, integraler Bestandteil der Schadensbetrachtung ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2001 ‒ VIII ZR 294/99 ‒, juris Rn. 11, für den Fall einer wirksamen Beschränkung).

    41
    B. Die Klage ist zulässig.

    42
    I. Der auf die Feststellung des Fortbestehens des Altvertrags gerichtete Feststellungsantrag zu 1) ist für den Fall, dass ‒ wie hier der Fall (siehe unten C. I.) ‒ die vorrangige Anfechtung nicht durchgreift, nach Maßgabe des Klägervortrags im Sinne eines unechten Hilfsantrags mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt auszulegen.

    43
    Der Senat hat im Senatstermin darauf hingewiesen, dass vorliegend ein auf die Feststellung einer sog. „Quasi-Deckung“ gerichtetes Feststellungsbegehren unter Anrechnung erlangter Vorteile sachdienlich ist und sich der klägerische Feststellungsantrag in diesem Sinne auslegen lässt. Einer Feststellung auf Fortbestehen des Versicherungsvertrages bzw. auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, den Versicherungsvertrag im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) wiederzubegründen, steht entgegen, dass in diesem Fall eine Verrechnung mit den erlangten Vorteilen nicht möglich wäre und eine alternative Feststellung des Inhalts, dass das Fortbestehen bzw. die Wiederbegründung des Altvertrages nur Zug-um-Zug gegen die Herausgabe erlangter Vorteile Wirkung entfaltet, nicht umsetzbar ist (siehe zu den praktischen Problemen noch näher unten bei C. II. 7. b) und c)). Hiergegen haben die Parteien Einwendungen nicht erhoben.

    44
    II. Der Kläger muss sich auch nicht vorrangig auf eine auf Wiederbegründung des Altvertrages gerichtete Leistungsklage verweisen lassen. Von der Beklagten als einem großen Versicherungsunternehmen kann erwartet werden, dass sie auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren Verpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren ‒ auf Abgabe einer Willenserklärung bzw. auf Zahlung gerichteten ‒ Vollstreckungstitels gegen die Beklagte bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2004 ‒ VI ZR 439/02 ‒, juris Rn. 6).

    45
    III. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Kläger auch ein Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung hat.

    46
    C. Die Berufung ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

    47
    Die Unwirksamkeit der Kündigung des Altvertrags durch den Kläger ergibt sich zwar nicht aus einer Anfechtung (I.). Indes ist die Beklagte nach § 6 Abs. 5 VVG im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Altvertrag nicht gekündigt (II.). Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu (III.).

    48
    I. Der Kläger kann seine den Altvertrag betreffende Kündigungserklärung allerdings nicht anfechten.

    49
    1. Zwar mag bei laiengünstiger Auslegung in dem mit Schreiben vom 12.03.2019 formulierten Begehren, der Kläger verlange eine „Rückabwicklung des Neuvertrages und Wiederinkraftsetzung des alten Vertrages zu den alten Bedingungen“, (noch) eine (konkludente) Anfechtungserklärung der Kündigungserklärung zu erblicken sein.

    50
    2. Es fehlt indes an einem Anfechtungsgrund.

    51
    a) Eine Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB scheidet aus.

    52
    Sollte der Kläger ‒ seinem Berufungsvortrag entsprechend ‒ aufgrund der behaupteten Erklärungen des Zeugen Z. davon ausgegangen sein, dass der Neuvertrag dem Altvertrag in jeder Hinsicht entspreche oder diesen gar übertreffe, handelte es sich um einen für die Abgabe der Kündigungserklärung unbeachtlichen Motivirrtum und nicht um einen Irrtum betreffend eine verkehrswesentliche Eigenschaft. Ob dies im Hinblick auf den Neuvertrag, dessen Abschluss unstreitig auf den Erklärungen des Zeugen beruht, anders zu betrachten ist, kann dahinstehen. Denn die Frage, ob sich der Kläger im Wege der Anfechtung auch von dem (zwischenzeitlich bereits gekündigten) Neuvertrag lösen könnte, hat der Kläger nicht zum Gegenstand seines Feststellungsbegehrens gemacht.

    53
    b) Der Kläger kann sich auch nicht aufgrund arglistiger Täuschung von seiner Kündigungserklärung lösen, § 123 Abs. 1 BGB. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer Täuschung durch aktives Tun (aa) als auch durch Unterlassen (bb).

    54
    aa) Eine Täuschung durch aktives Tun ist nicht dargelegt bzw. erwiesen.

    55
    (1) Die erstinstanzlich (allein) aufgestellte Behauptung des Klägers, der Zeuge Z. habe den Neuvertrag als „zeitgemäßes Produkt zum Zwecke der Altersvorsorge“, der gegenüber dem Altvertrag „das bessere Produkt“ sei, angepriesen, begründet bereits nicht die erforderliche Täuschung über „Tatsachen“. In solchen Aussagen ‒ sollten sie gefallen sein ‒ liegt ein bloß subjektives Werturteil mit der Tendenz zur „marktschreierischen Anpreisung“, dem nicht die Qualität einer Täuschung über Tatsachen zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2006 ‒ XI ZR 204/04 ‒, juris Rn. 26).

    56
    (2) Soweit der Kläger nunmehr (erstmals) in der Berufungsinstanz unter Beweisantritt behauptet, der Zeuge Z. habe ihm ausdrücklich zugesichert, der Neuvertrag sei genauso sicher und biete die gleichen Vorteile wie der Altvertrag und habe darüber hinaus noch eine bessere Verzinsung, läge zwar ‒ weil der Neuvertrag unstreitig nicht dieselben Vorteile wie der Altvertrag hat ‒eine Täuschung vor.

    57
    (a) Dieses ‒ von der Beklagten bestrittene ‒ Vorbringen ist indes neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO und als solches nicht zulässig. Neu ist ein erstmals in der Berufungsinstanz aufgestelltes Vorbringen, wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert, nicht jedoch, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, Urt. v. 21. Dezember 2006, VII ZR 279/05, NJW 2007, 1531, 1532; BGH, Beschluss vom 2. April 2009 ‒ V ZR 177/08 ‒, juris Rn. 9).

    58
    Damit liegt neuer Vortrag vor. Bei der Behauptung, der Zeuge Z. habe die genannten Erklärungen über die (mindestens) Gleichwertigkeit von Neu- und Altvertrag abgegeben, handelt es sich gegenüber den in erster Instanz behaupteten werblichen Anpreisungen um einen gänzlich neuen Ansatz für eine Täuschung durch aktives Tun.

    59
    Dieser Vortrag ist nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berücksichtigungsfähig, weil weder dargetan noch erkennbar ist, dass der Vortrag infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) oder die Nichtgeltendmachung nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) beruht.

    60
    (b) Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass sich diese klägerische Behauptung, selbst wenn sie zulassungsfähig sein sollte, aufgrund des Ergebnisses der informatorischen Anhörung des Klägers sowie der Beweisaufnahme nicht mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Grad der Gewissheit wahrhalten ließe. Insoweit hat die ‒ auf die Kausalität einer Beratungspflichtverletzung für die Abgabe der Kündigungserklärung bezogene ‒ Beweisaufnahme für die Frage der Täuschung folgendes ergeben:

    61
    Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, der Zeuge Z. habe erklärt, dass die Vorteile des alten Vertrags im neuen Vertrag enthalten seien; so habe der Kläger ihn jedenfalls verstanden.

    62
    Der Senat ist aber nicht mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Grad der Gewissheit davon überzeugt, dass der Zeuge derartiges erklärte. Zweifel ergeben sich schon deshalb, weil der Kläger diesen ‒ für den Erfolg seiner Rechtsverfolgung durchaus substantiellen ‒ Vortrag erstmals in zweiter Instanz nach dem landgerichtlichen klageabweisenden Urteil gehalten hat, in dem es ‒ nach dem damaligen Sachstand zutreffend ‒ heißt, dass keine konkreten Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung bestünden. Dies mag nachvollziehbarer Anlass für den Kläger gewesen sein, seinen Vortrag hinsichtlich der Konkretheit einer Täuschung ‒ ohne hinreichende Tatsachengrundlage ‒ „nachzuschärfen“. Hinzu kommt, dass der Kläger in seiner vor- und außergerichtlichen Korrespondenz, insbesondere auch in jener vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, nichts von einer derartigen Aussage des Zeugen Z. berichtet hatte, obwohl derartiges aufgrund der damaligen zeitlichen Nähe zum Beratungsgespräch noch besonders in Erinnerung hätte sein müssen. Berichtet hat der Kläger lediglich von der ‒ oben als unerheblich erachteten ‒ werblichen Anpreisung (Bl. 64 eGA-I).

    63
    Der Senat kann sich die notwendige Überzeugung auch nicht unter Berücksichtigung des Inhalts der Beweisaufnahme bilden.

    64
    Der Zeuge Z. hat bekundet, nicht mehr sicher zu wissen, ob über Vor- und Nachteile betreffend Neu- und Altvertrag gesprochen worden sei. Nach seiner Erinnerung habe damals die Befüllung des Bausparvertrags durch den Rückkaufswert der alten Lebensversicherung im Vordergrund gestanden. Damit hat der Zeuge Z. den klägerischen Vortrag bereits nicht bestätigt. Gleiches gilt für den Zeugen O., der allein (rudimentäre) Angaben dazu gemacht hat, worüber der Zeuge Z. nicht aufgeklärt habe, aber zu den vom Kläger behaupteten Falschangaben nichts berichtet hat. Die Zeugin Z. hat sich als Mutter des Klägers insgesamt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen.

    65
    bb) Der Kläger kann eine Anfechtung auch nicht auf eine Täuschung durch Unterlassen (wegen Nichtaufklärung über die Nachteile des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag trotz bestehender Aufklärungspflicht) stützen (vgl. Langheid/Wandt/Armbrüster, VVG, 3. Aufl. 2022, § 6 Rn. 341 zur insoweit bestehenden Konkurrenz zu einem Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 5 VVG).

    66
    Der Senat kann bereits nicht mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Grad der Überzeugung feststellen, dass der Zeuge Z., dessen Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsste, den Kläger arglistig durch Unterlassen getäuscht hat (1). Überdies kann der Senat für die Anfechtung auch nicht feststellen (anders im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 6 Abs. 5 VVG; siehe dazu unten), dass die Kündigung auf einer Täuschung durch Unterlassen ‒ wird eine solche unterstellt ‒ beruhte, der Kläger also bei gehöriger Aufklärung von einer Kündigung des Altvertrages abgesehen hätte (2).

    67
    (1) Auch wenn man unterstellt, dass der Zeuge Z. eine Täuschung dadurch begangen hat, dass er den Kläger trotz bestehender Aufklärungspflicht nicht über die Vor- und Nachteile zwischen Neu- und Altvertrag aufgeklärt hat (siehe unten), lässt sich jedenfalls die Arglist des Zeugen Z. nicht mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Grad an Überzeugung feststellen.

    68
    Im Falle einer Offenbarungspflicht ist ein Verschweigen dann arglistig, wenn der Aufklärungspflichtige seine Aufklärungspflicht mindestens für möglich hält und gleichzeitig damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass dem Vertragspartner die aufklärungsbedürftigen Umstände unbekannt sind und bei Kenntnis die Willenserklärung nicht wie geschehen abgegeben hätte (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2015 ‒ VIII ZR 80/14 ‒, juris Rn. 16).

    69
    (a) Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus Anhaltspunkte für ein arglistiges Verschweigen im vorstehenden Sinne gibt. Wie noch näher auszuführen sein wird, spricht Überwiegendes dafür, dass es sich dem Zeugen schon aufgrund des ‒ von ihm nicht angekreuzten ‒ „Umdeckungshinweises“ im Beratungsprotokoll für den Neuvertrag aufdrängen musste und sich ihm auch aufgedrängt hat, dass er die Vorteile des Neuvertrages den mit einer Kündigung des Altvertrages verbundenen Nachteile hätte gegenüberstellen müssen.

    70
    Es bestehen weiter auch gewisse Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Grund zu der Annahme hatte, dass der Kläger im Falle einer solchen Aufklärung den Altvertrag nicht gekündigt (und den Neuvertrag nicht abgeschlossen) hätte. Dies wird insbesondere dadurch nahegelegt, dass sich der Zeuge Z. von dem Kläger ‒ trotz tatsächlich erfolgter Beratung ‒ einen Beratungsverzicht hat unterzeichnen lassen. Dies legt zumindest nahe, dass der Zeuge Z. befürchtet hatte, dass der Kläger in Kenntnis der mit der Kündigung des Altvertrages verbundenen Nachteile, die Umdeckung als letztlich wirtschaftlich nachteilig ansehen könnte, weswegen sich der Zeuge durch den Beratungs- (und daraus folgenden Haftungsverzicht) freizeichnen wollte.

    71
    Der Zeuge Z. selbst wollte seine diesbezüglichen Beweggründe nicht offenbaren. Der Zeuge, der zuvor noch ausgeführt hatte, dass er über eine 15-jährige Erfahrung als Versicherungsvermittler verfüge und diesen „Job“ nach eigener Einschätzung „auch sehr gut mache“, vermochte ‒ mit dem Beratungsverzicht konfrontiert ‒ nicht zu erklären, weshalb ein kompetenter Berater wie er trotz tatsächlich durchgeführter Beratung einen Beratungs- und Haftungsverzicht einfordern sollte. Der Zeuge, dem diese Frage erkennbares Unbehagen bereitete, führte insoweit lediglich aus, dass er „jetzt leider“ weder etwas zu den Beweggründen des konkreten Beratungsverzichts noch etwas dazu sagen könne, in welchen Situationen sich ein kompetenter Berater wie er generell einen faktischen Haftungsverzicht unterzeichnen lassen würde.

    72
    Der Senat schenkt der Aussage des Zeugen insoweit keinen Glauben, sondern geht davon aus, dass der Zeuge die Motive, die ihn zur Einforderung eines Beratungs- und damit (faktisch) Haftungsverzichts bewogen habe, nicht aufdecken wollte. Eine nicht fernliegende Erklärung hierfür ist, dass er wusste, pflichtwidrig beraten zu haben, und im eigenen Provisionsinteresse ‒ um den Neuabschluss nicht zu gefährden ‒ zu einer pflichtgemäßen Beratung nicht bereit war.

    73
    (b) Indes gibt es für das Verhalten des Zeugen Z. auch andere Erklärungsansätze, weshalb es dem Senat nicht möglich ist, mit der für ein positives Beweisergebnis erforderlichen, für das praktische Leben brauchbaren Gewissheit Arglist festzustellen.

    74
    So kommt ernsthaft, nicht nur theoretisch, auch in Betracht, dass der Zeuge Z. letztlich aus Bequemlichkeit von einer näheren Aufklärung abgesehen hat und glaube, hiervon auch absehen zu dürfen, weil er von der Überlegenheit des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag überzeugt war und deshalb ernstlich glaubte, dass der Kläger auch bei gehöriger Aufklärung nicht anders als geschehen entscheiden würde.

    75
    Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der durchgeführten Beweisaufnahme. Der Zeuge Z. hat bekundet, dem Kläger den Neuvertrag empfohlen, ihm aber auch die Alternative einer indexgebundenen Lebensversicherung vorgestellt zu haben. Letztere sei die sicherere, aber ggf. auch weniger ertragreiche Variante, weil man dort ‒ anders als bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ‒ zwar nie weniger als das, was eingezahlt wurde, zurückerhalte aber auch Überschüsse gekappt würden.

    76
    Der Senat hält diese Aussage für glaubhaft. Auch der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung bestätigt, dass „über Depots und Fonds wohl gesprochen“ worden sei und auch darüber, dass es sich bei dem Neuvertrag um eine fondsgebundene Lebensversicherung handele.

    77
    Der Senat hält es deswegen für möglich, dass der Zeuge Z. selbst davon ausging, dass die Vorteile des von ihm empfohlenen Vorgehens ‒ Einsatz des Rückkaufswertes des Altvertrages für die Baufinanzierung sowie höhere Renditechancen durch eine fondsgebundene Lebensversicherung ‒ die Nachteile, die aus der Aufgabe der Vorteile des Altvertrags erwachsen würden, überstiegen. Auf Nachfrage hat der Zeuge Z. zudem ‒ zur Überzeugung des Gerichts gleichfalls glaubhaft ‒ bekundet, dass alternative Wege, etwa eine Beleihung des Altvertrags, um dessen Kündigung zu vermeiden, theoretisch möglich gewesen wären, er aber noch nie einen Fall gesehen habe, wo die Beleihung einer Lebensversicherung rechnerisch Sinn gemacht hätte und vorteilhafter als der von ihm gewählte Weg gewesen wäre.

    78
    Es gibt deshalb insgesamt Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Z. von seinem Vorgehen überzeugt war und darauf vertraute, sich aus diesem Grund eine nähere Aufklärung des Klägers deswegen ersparen zu können, weil dieser letztlich ohnehin zustimmen würde. Dann hätte der Zeuge nicht billigend in Kauf genommen, dass der Kläger bei Kenntnis der in Rede stehenden Umstände die Willenserklärung nicht wie geschehen abgegeben hätte.

    79
    (2) Selbst wenn von Arglist auszugehen wäre, kann der Senat nicht feststellen, dass eine ‒ unterstellt  ‒ Täuschung ursächlich für die Abgabe der Kündigungserklärung geworden wäre.

    80
    Im Rahmen der Anfechtung trägt der Anfechtende die volle Beweislast für die Kausalität zwischen Täuschung (hier: durch Unterlassen) und Abgabe der Willenserklärung (hier: der Kündigung; zum abweichenden Kausalitätsmaßstab im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 6 Abs. 5 VVG siehe unten). Dieser Beweis ist nicht geführt.

    81
    (a) Zwar kann es für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügen, dass der Getäuschte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung einen Einfluss auf die Entschließung des Getäuschten ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 ‒ IV ZR 179/10 ‒, juris Rn. 31 m.w.N.). Jedenfalls dann, wenn die einer Willenserklärung zugrundeliegende Willensentschließung von den individuellen Umständen des Einzelfalles abhängig ist, also nicht aufgrund der Art des Rechtsgeschäfts oder besonderer Umstände der allgemeinen Lebenserfahrung eine ausreichende Typizität bejaht werden kann, lässt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen Täuschung und Willenserklärung aber nicht mittels Anscheinsbeweises feststellen (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1995 ‒ II ZR 209/94 ‒, juris Rn. 10 m.w.N.).

    82
    Danach spricht kein Anscheinsbeweis für einen Kausalzusammenhang zwischen einer ‒ zu unterstellenden ‒ arglistigen Täuschung durch Unterlassen und der Kündigung des Altvertrags. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls lässt sich nicht feststellen, dass die Interessenlage des Klägers bzw. ‒ soweit es auf diese ankommen sollte ‒ die seiner Eltern so beschaffen war, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei gehöriger Aufklärung typischerweise keine Kündigung des Altvertrages ausgesprochen worden wäre.

    83
    Zwar hat der Kläger der Sache nach behauptet, seine Interessenlage sei dahin gegangen, sich aller Vorteile des Altvertrages ‒ die er im Neuvertrag enthalten geglaubt habe ‒ zu erhalten. Ob, wenn dies zuträfe, ein Anscheinsbeweis dafür spräche, dass der Kläger im Falle einer Aufklärung über die ‒ tatsächlich vorhandenen ‒ Nachteile des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag von dessen Kündigung abgesehen hätte, kann jedoch dahinstehen. Denn der Senat hat nicht feststellen können, dass der Kläger tatsächlich eine solche Interessenlage hatte.

    84
    Der Senat kann zum einen nicht feststellen, dass der Kläger tatsächlich das behauptete maßgebliche Interesse an sämtlichen Merkmalen des Altvertrages, namentlich der Mindesttodesfallleistung, hatte (aa). Zum anderen richtete sich das klägerische Interesse feststellbar noch auf weitere Umstände, die einem Interesse an der Beibehaltung des Altvertrages durchaus entgegenstehen hätten können (bb). Vor diesem Hintergrund ist es zwar durchaus möglich, aber keinesfalls gewiss, dass der Kläger im Falle der Aufklärung der Vorteile des Altvertrages gegenüber dem Neuvertrag von einer Kündigung abgesehen hätte (cc).

    85
    (aa) Zunächst kann der Senat nicht feststellen, dass der Kläger tatsächlich an sämtlichen Merkmalen des Altvertrages, namentlich der Mindesttodesfallleistung, ein gewichtiges Interesse hatte.

    86
    Soweit der Kläger sein Interesse an der Beibehaltung des Altvertrages damit begründet hat, dass die darin enthaltene Mindesttodesfallleistung seinem Interesse an der Versorgung seiner Kinder entsprochen habe, folgt der Senat dem nicht. Zwar hat der Kläger erklärt, die Absicherung seiner drei Kinder sei ihm wichtig gewesen.

    87
    Aber auch bei dem Altvertrag handelte es sich ‒ wie auch bei dem Neuvertrag ‒ um eine erlebensfallorientierte Rentenversicherung. Gegen ein im Jahr 2018 fortbestehendes, gewichtiges Versorgungsinteresse spricht ferner, dass der Kläger hinsichtlich des Neuvertrages seine Eltern (und nicht etwa seine Ehefrau oder seine Kinder) als Bezugsberechtigte einsetzte. Auch konnte der Kläger auf Nachfrage des Senats keine plausible Antwort auf die Frage geben, weshalb er trotz des vorgeblichen Interesses an einer Todesfallleistung zur Absicherung seiner Familie den Neuvertrag gekündigt und bis zum heutigen Tag keine adäquate Risikolebensversicherung zur Absicherung seiner Ehefrau und seiner Kinder abgeschlossen haben will. Soweit der Zeuge Z. angegeben hat, der Kläger habe nach seiner Erinnerung im Jahr 2018 diverse Risikolebensversicherungen bei der V. Versicherung bereits abgeschlossen gehabt, hat der Kläger dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in Abrede gestellt.

    88
    (bb) Zudem hatte der Kläger bzw. sein ihn in Versicherungsfragen beratender Vater zur Überzeugung des Senats auch Interessen im Blick, die sich im Falle einer Beibehaltung des Altvertrages nicht, zumindest nicht vollständig, hätten verwirklichen lassen:

    89
    (α) Zunächst hat der Senat ‒ wie bereits ausgeführt ‒ davon auszugehen, dass der Zeuge Z. dem Kläger erläutert hatte, dass mit dem Neuvertrag eine Chance auf eine höhere Rendite einherging. Dem Kläger war zur Überzeugung des Senats auch bewusst, dass der sicherheitsorientierte Altvertrag solche Renditechancen nicht aufwies. Dass der Kläger auch ein Interesse an Renditechancen hatte, ergibt sich auch daraus, dass der Kläger auf Nachfrage des Senats, ob eine Prämienreduzierung Grund für die Kündigung gewesen sein könnte, angegeben, es sei „ja nicht schlecht, wenn man für dieselbe Leistung mehr bekommt.“

    90
    (β) Der Senat hat ferner davon auszugehen, dass es dem Kläger bzw. dessen Vater, dem Beklagtenvortrag entsprechend, auch darum ging, den Rückkaufswert des Altvertrags in Höhe von 5.000 € für den im Jahr 2018 abgeschlossenen Bausparvertrag einzusetzen, um eine frühere Zuteilungsreife zu erwirken.

    91
    Dieser Behauptung der Beklagten ist der Kläger schriftsätzlich nicht entgegengetreten. Das Ergebnis seiner Anhörung führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger ‒ der bestätigt hat, dass der Rückkaufswert aus der Kündigung des Altvertrages in den Bausparvertrag geflossen ist ‒ hat zwar erklärt, dass er und seine Eltern auf den Rückkaufswert finanziell nicht angewiesen gewesen seien, weil er als einziges Kind ja auch das Haus seiner Eltern bekommen sollte (und zwischenzeitlich auch erhalten hat).

    92
    Auf Nachfrage, ob die Verwendung des Rückkaufswertes Gegenstand der Beratungsgespräche gewesen sei, hat der Kläger zunächst ‒ erkennbar ausweichend ‒ geantwortet, er könne jetzt nicht beantworten, ob darüber gesprochen worden sei, „was das in Heller und Cent“ bedeute. Auf nochmalige Nachfrage hat der Kläger dann eingeräumt, dass (erhebliche) Vorteile für die Baufinanzierung Gegenstand der Beratungsgespräche gewesen seien, auch wenn er nicht erinnern könne, dass ihm diese vorgerechnet worden seien. Unabhängig von dieser Frage ist aber jedenfalls festzustellen, dass Vorteile für die Baufinanzierung zentraler Gegenstand der Beratung waren. Dies hat letztlich auch der Zeuge O. bestätigt, der auf Nachfrage unumwunden bekundet hat, dass er 1.650 € aus dem Rückkaufswert habe behalten können und „5.000 € in den Bausparvertrag“ fließen sollten.

    93
    Auch der Zeuge Z. hat insoweit glaubhaft bekundet, dass nach seiner Erinnerung die Befüllung des Bausparvertrags durch den Rückkaufswert der alten Lebensversicherung im Vordergrund der Beratung gestanden habe. Er habe zwar keine konkrete Erinnerung mehr an die Inhalte der Beratung, könne aber allgemein schildern, wie er in solchen Beratungssituationen vorgehe: Die Garantiezinsen der alten Lebensversicherungen würden ggf. durch Kostenanteile weitgehend aufgezehrt, was er in der Beratung mittels eines Programms berechnen und den Vorteilen, die sich durch eine Einzahlung des Rückkaufswertes in den Bausparvertrag und eine frühere Zuteilungsreife ergäben, gegenüberstellen könne.

    94
    (γ) Auch mag sich der Kläger ein gewisses Interesse seines Vaters, Beiträge zu sparen, zu eigen gemacht haben.

    95
    Der schriftsätzliche Vortrag der Beklagten, es sei (zumindest: auch) um Beitragsersparnis gegangen, ist als solcher unbestritten geblieben. Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung zwar angegeben, der Zeuge Z. habe darauf hingewiesen „dass die Prämie irgendwie weniger würde“, was aber keine große Rolle gespielt habe. Der Senat hat so den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein ‒ vorhandenes und ihm auch bewusstes ‒ Interesse seines Vaters, Beiträge zu sparen, aus letztlich prozesstaktischen Gründen nicht freiheraus hat einräumen wollen.

    96
    Zudem hat der Zeuge Z. insoweit glaubhaft bekundet, dass er von dem früheren Berater des Klägers, Q., den „Tipp“ bekommen habe, dass der Kläger bzw. dessen Vater Prämien sparen wolle und deshalb ein „Versicherungscheck“ durchgeführt werden solle. Der Senat folgt diesen Angaben des Zeugen.

    97
    Für ein Interesse an der Ersparnis von Beiträgen spricht auch, dass der Zeuge Z. ‒ sei es auf Wunsch des Klägers (so der Zeuge), sei es eigenmächtig (so der Kläger  ‒ Anlass gesehen hatte, den Beitrag für die BUZ 2007 herabzusetzen. (Nur) auf diese Weise konnte sich überhaupt eine ‒ allerdings nur sehr geringfügige ‒ Gesamtentlastung von 13,12 € ergeben, wie die nachfolgende Aufstellung zeigt:

    98
    vor der Beratung  nach der Beratung
    LebensV 2000 bzw. 2018  27,61 €  85,00 €
    RV 2007  40,91 €  18,25 €
    BUZ 2007  159,81 €  96,57 €
    BUZ 2018  0,00 €  15,21 €
    Gesamt  228,33 €  215,21 €

    99
    Dafür, dass an den Zeugen Z. der Wunsch nach einer Beitragsreduzierung herangetragen worden war, spricht auch, dass der Zeuge glaubhaft bekundet hat, dass es „eigentlich auch gar nicht zu [s]einem Beratungsstil passe, eine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zu reduzieren“. Daraus, dass er dies ‒ gegen seinen (ggf. auch nur vorgegebenen) „Beratungsstil“ ‒ gleichwohl empfohlen oder gar ohne Wissen des Klägers durchgeführt hat, schließt der Senat, dass der Zeuge deswegen eine (geringfügig) geringere Gesamtbelastung darstellen wollte, weil es dem Kläger bzw. seinem Vater hierauf ankam.

    100
    Die Aussage des Zeugen O. steht dem nicht entgegen. Der Zeuge, der im Wesentlichen darum bemüht war, die Kernargumentation der Klageschrift zu bestätigen, hat insoweit nichts Entgegenstehendes bekundet.

    101
    (cc) All dies zusammengenommen spricht zwar viel dafür, dass der Kläger bei gehöriger Aufklärung der Nachteile des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag von dessen Kündigung abgesehen hätte. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist indes nicht mit der für ein positives Beweisergebnis erforderlichen Gewissheit auszuschließen, dass der Kläger auch bei einer entsprechenden Aufklärung bereit gewesen wäre, die Vorteile des Altvertrages für die Finanzierungsvorteile, die sich aus der Verwendung des Rückkaufswertes für den Bausparvertrag ergaben, und die mit dem Neuvertrag einhergehenden Renditechancen zu opfern.

    102
    (b) Im Rahmen der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann der Senat auch nicht unabhängig von Beweiserleichterungen die volle Überzeugung von der Kausalität der unterlassenen Aufklärung für die Kündigung des Altvertrags gewinnen.

    103
    Hierfür spricht zwar neben den oben genannten Punkten, dass der Kläger ‒ wie die von ihm selbst geführte vorgerichtliche Korrespondenz mit der Beklagten zur Überzeugung des Senats belegt ‒ keinen Überblick über den Inhalt seiner Versicherungsverträge hatte und ‒ wie seine persönliche Anhörung vor dem Senat ergeben hat ‒ erst nach Aufklärung durch einen befreundeten Versicherungsvertreter auf die Unterschiede zwischen Neu- und Altvertrag aufmerksam gemacht worden war. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang hat sich der Kläger sodann u.a. um die Wiederherstellung des alten Vertragsstandes bemüht (siehe seine Schreiben vom 12.03.2019 ‒ Bl. 64 ff. eGA-I, vom 29.07.2019 ‒ Bl. 67 ff. eGA-I), was sein Interesse am Altvertrag deutlich belegt. Dabei geht der Senat aufgrund des Duktus dieser Schreiben zwar davon aus, dass der Kläger hierbei durch den oben genannten Freund fachkundig unterstützt wurde, nicht aber davon, dass der Inhalt der Schreiben die Interessenlage des Klägers unrichtig wiedergab.

    104
    Aus den oben zum Nichteingreifen eines Anscheinsbeweises genannten Gründen kann der Senat aber gleichwohl nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich der Kläger auch bei gehöriger Aufklärung für den ihm vom Zeugen Z. angeratenen Weg entschieden hätte.

    105
    II. Indes hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger wegen der Empfehlung des Zeugen Z., den Altvertrag zu kündigen, nach § 6 Abs. 5 VVG mit der Folge schadensersatzpflichtig gemacht, dass die Beklagte schadensrechtlich verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als hätte dieser die Kündigung des Altvertrages nicht erklärt.

    106
    1. Ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 5 VVG ist zunächst nicht wegen eines Beratungs- und Dokumentationsverzichts nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG ausgeschlossen.

    107
    Zwar hat der Kläger einen solchen Verzicht in dem auf die Kündigung des Altvertrages bezogenen Beratungsprotokollformular „Änderung des Versicherungsvertrags mit Beratungsprotokoll“ erklärt (Bl. 52 ff. eGA-I/Bl. 122 ff. eGA-I). Auf die vielfältigen (Streit-)Fragen rund um die Auslegung und Europarechtskonformität des § 6 Abs. 3 VVG (Langheid/Wandt/Armbrüster, VVG, 3. Aufl. 2022, § 6 Rn. 162 ff.) kommt es hier indes nicht an. Denn erfolgt trotz eines ‒ unterstellt wirksamen ‒ Verzichts Beratung (und Dokumentation), so muss pflichtgemäß beraten (und dokumentiert) werden (vgl. BeckOK VVG/Filthuth, 19. Ed. 1.5.2023, § 6 Rn. 35).

    108
    So liegt es hier. Das vorgenannte Protokoll bezieht sich auf die Kündigung des Altvertrags. Diese steht mit dem Abschluss des Neuvertrags in einem untrennbaren Zusammenhang. Insoweit ist ‒ wie auch das auf den Neuvertrag bezogene und hierfür errichtete „Beratungsprotokoll für eine Lebens-, Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherung“ belegt ‒ eine Beratung mindestens in Form einer Empfehlung nebst kursorischer Begründung (so der Kläger) bzw. sogar einer vorhergehenden Bedarfsermittlung und eingehenderer Begründung (so der Beklagtenvortrag) erfolgt. Auch wenn der entsprechende Passus in diesem Beratungsprotokoll nicht angekreuzt ist, lag damit offensichtlich der Fall einer sog. „Umdeckung“ in Form der Kündigung einer bestehenden Lebensversicherung und Abschluss einer neuen vor (siehe dazu noch sogleich), hinsichtlich derer der Kläger nicht „teilweise“ ‒ nämlich nur die Kündigung betreffend ‒ auf Beratung (und Protokollierung) sinnvoll verzichten konnte. Im Übrigen liegt eine unmittelbar auf die Kündigung des Altvertrags bezogene Beratung auch bereits deswegen vor, weil ohne die Kündigung der Rückkaufswert nicht erlangt worden wäre und dies Voraussetzung für die Einzahlung in den Bausparvertrag war.

    109
    2. Eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung durch den Zeugen Z. liegt vor.

    110
    Gemäß § 6 Abs. 1 VVG ist der Versicherungsinteressent nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu fragen (Pflicht zur Bedarfsermittlung) und sodann der für diesen Bedarf passende Versicherungsschutz zu empfehlen (Pflicht zur Beratung). Das Verhalten des Zeugen Z. ist der Beklagten gemäß § 278 S. 1. BGB zuzurechnen.

    111
    Es kann dahinstehen, ob der Zeuge Z. seiner Pflicht zur Bedarfsermittlung nachgekommen ist (a), weil er jedenfalls seine Pflicht, von diesem Bedarf ausgehend über den passenden Versicherungsschutz ordnungsgemäß zu beraten, verletzt hat (b).

    112
    a) Ob eine Verletzung der Pflicht zur Bedarfsermittlung vorliegt, kann dahinstehen. Der Vortrag der Beklagten, der Zeuge Z. habe über einen Zeitraum von mehreren Wochen den Bedarf des Klägers und seiner Familie in mehreren Gesprächen ermittelt, ist vom Kläger nicht bestritten worden. Soweit der Zeuge Z. bei seiner Beratung davon ausgegangen ist, dass der Kläger ‒ von diesem bestritten ‒ bereits mehrere Risikolebensversicherungen bei der V. Versicherung unterhalte und deswegen ein hinreichender Todesfallschutz bestehe, hat der Zeuge zwar ggf. ohne hinreichende Aufklärung einen bestehenden Bedarf ‒ womöglich unzutreffend ‒ als bereits gedeckt angesehen. Dem muss aus den nachfolgenden Gründen aber nicht weiter nachgegangen werden.

    113
    b) Denn der Zeuge Z. hat mit seiner Empfehlung, den Altvertrag zu kündigen und den Neuvertrag abzuschließen, ohne über die Vor- und Nachteile zwischen Alt- und Neuvertrag aufzuklären, jedenfalls seine Beratungspflichten verletzt (aa). Im Übrigen fehlt es auch an jeder anlagebezogenen Beratung hinsichtlich des durch die Kündigung des Altvertrages vorbereiteten Abschlusses des Neuvertrages (bb).

    114
    aa) Den Zeugen Z. trafen vorliegend die Beratungspflichten, die im Falle der Empfehlung einer sog. Umdeckung zu erfüllen sind (1). Diesen hat er nicht genügt (2).

    115
    (1) Bei einer Kapitallebensversicherung handelt es sich regelmäßig ‒ so auch hier ‒ um einen komplizierten und damit auch besonders beratungsbedürftigen Versicherungsvertrag. Insbesondere ist der Kunde auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2014 ‒ III ZR 544/13 ‒, juris Rn. 12 m.w.N.). Bei einer solchen sog. Umdeckung besteht ein besonderer Anlass, den Kunden im Hinblick auf etwaige Unterschiede des Deckungsschutzes und sonstiger Konditionen (vgl. OLG Koblenz VersR 2007, 482; OLG München VersR 2012, 1292) sowie den Verlust von erworbenen Rechtspositionen (LG Berlin r+s 2014, 7, 8) zu beraten (Prölss/Martin/Rudy, 31. Aufl. 2021, VVG § 6 Rn. 14).

    116
    Diese Beratungspflichten sind hier auch einschlägig, weil zweifelsfrei eine Umdeckung empfohlen wurde. Dies entspricht im Übrigen auch dem Text des Beratungsformulars anlässlich des Abschlusses des Neuvertrages, wo es ‒ zutreffend ‒ heißt, dass in dem Fall, dass der „Kunde […] eine bestehende Lebensversicherung zu kündigen oder beitragsfrei zu stellen und stattdessen eine neue Versicherung abzuschließen“ wünscht, dies insbesondere „im Bereich der Lebensversicherung […] oft mit erheblichen Nachteilen verbunden sein [kann]“ und der Kunde hierüber (dokumentiert) aufzuklären sei.“ Eben dies war hier Gegenstand der Beratung.

    117
    Soweit der Zeuge Z. auf die Frage, weshalb er diesen Passus nicht angekreuzt und die entsprechende Begleitdokumentation nicht errichtet habe, bekundet hat, er „interpretiere diesen Passus so, dass er sich auf den 1:1-Tausch“ beziehe, „also die Auswechslung einer alten Lebensversicherung durch eine neue“, ist hier eben dies im Kern geschehen. Der Zeuge hat selbst eingeräumt, dass vorliegend „eine bestehende Altersvorsorge für den Bausparvertrag zweckentfremdet“ werden sollte und deshalb „für die Altersvorsorge eine neue Lebensversicherung empfohlen“ worden sei.

    118
    Dass ‒ worauf der Zeuge abgehoben hat ‒ Motiv für die Kündigung des Altvertrages (auch) die Vergünstigung der Baufinanzierung gewesen sein mag, ist ersichtlich unerheblich, denn die Gefahren einer Umdeckung liegen in den hierdurch möglichen Rechtsverlusten, die ganz unabhängig vom Motiv der Umdeckung eintreten können. Dass sich die Beklagte ‒ nach Einholung einer Stellungnahme des Zeugen Z. (siehe Schreiben der Beklagten vom 17.04.2019, Bl. 191 eGA-I) ‒ in ihrem außergerichtlichen Schreiben vom 05.09.2019 (Bl. 201 eGA-I) diese (vermeintliche) Interpretation ihres im Beratungsprotokoll enthaltenen „Umdeckungshinweises“ zu eigen gemacht hat, ändert nichts an der Unvertretbarkeit dieser Interpretation.

    119
    (2) Diesen umdeckungsbezogenen Beratungspflichten hat der Zeuge Z. nicht genügt.

    120
    Die Beweislast für die Verletzung der Beratungspflichten trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf eine Beratungspflichtverletzung beruft, hier der Kläger. Bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation kann sich die Beweislast umkehren, so dass dem Versicherer bzw. dem Versicherungsvertreter die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung zukommt (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2015 ‒ I-20 U 116/13 ‒, juris Rn. 75 m.w.N.).

    121
    (a) Hier steht die Pflichtverletzung bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts fest. Der Vortrag des Klägers, über die Nachteile der Neu- gegenüber der Altversicherung sei nicht aufgeklärt worden, ist unbestritten geblieben. Überdies hat der Zeuge Z. selbst bekundet, dass die Befüllung des Bausparvertrages im Vordergrund gestanden habe und im Übrigen angegeben, sich an Genaueres nicht zu erinnern.

    122
    (b) Daneben kommt es nicht mehr darauf an, dass eine entsprechende Pflichtverletzung mangels ordnungsgemäßer Beratungsdokumentation auch zu vermuten wäre. Denn aus der Beratungsdokumentation geht weder hervor, dass der Abschluss des Neuvertrages im Rahmen einer Umdeckung erfolgte, obwohl die Beratungsdokumentation ein entsprechendes Feld vorsah (siehe oben), noch, dass die Absenkung der Beitragslast für den Vater des Klägers sowie die Optimierung der Baufinanzierung maßgebliche Wünsche gewesen seien. Das Protokoll verfehlt damit bereits im Ansatz Beratungsanlass und Beratungsinhalt, so dass von einer ordnungsgemäßen Errichtung keine Rede sein kann.

    123
    bb) Ferner hätte der Zeuge Z. bei einem anlageorientierten Lebensversicherungsvertrag ‒ wie er mit der vorliegenden fondsgebundenen, erlebensfallorientierten Kapitallebensversicherung empfohlen wurde ‒ auch unabhängig von der Umdeckung über die anlagespezifischen Risiken zu belehren gehabt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 ‒ IV ZR 164/11 ‒, juris Rn. 53 sowie ‒ terminologisch anders, aber in der Sache richtig ‒ OLG Köln, Urteil vom 31. Januar 2014 ‒ I-20 U 156/13 ‒, juris Rn. 3; näher: Prölss/Martin/Rudy, VVG, 31. Aufl. 2021, § 6 Rn. 24a). Auch dass eine solche anlagebezogene Beratung erfolgt wäre, ist von keiner Seite vorgetragen.

    124
    Auffällig ist im Übrigen insoweit ‒ abermals ‒ die Beratungsdokumentation, in der der Kläger in hohen und höchsten Risikoklassen eingeordnet ist, ohne dass der Zeuge Z. hätte erläutern können, welche (vermeintlichen) konkreten Anlageerfahrungen des Klägers eine solche Eingruppierung hätten rechtfertigen können. Auf die Frage des Senats nach den Gründen der Risikoeinstufung hat der Zeuge ‒ erkennbar gereizt ‒ entgegnet, dass der Kläger das Protokoll mit dieser angekreuzten Einordnung „nunmal unterschrieben“ habe und er ‒ der Zeuge ‒ den Antrag ohne Eintragung in diesem Feld „auch gar nicht abschließen“ dürfe.

    125
    Der Senat ist angesichts all dessen davon überzeugt, dass die Beratungsdokumentation ohne Rücksicht auf die tatsächliche Anlageerfahrung des Klägers allein im Abschlussinteresse des Zeugen Z. errichtet wurde.

    126
    3. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung des Zeugen Z. auch zu vertreten. Der Zeuge Z. war als Versicherungsvermittler Erfüllungsgehilfe der Beklagten, dessen Verschulden sie sich nach § 278 BGB zurechnen lassen muss (vgl. Prölss/Martin/Rudy, 31. Aufl. 2021, VVG § 6 Rn. 58). Steht die objektive Pflichtverletzung fest, wird das Verschulden (wie bei § 280 Abs. 1 S. 2 BGB) vermutet (für den Versicherer vgl. Prölss/Martin/Rudy, a.a.O.; für den Versicherungsvermittler vgl. Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 63 Rn. 13). Entschuldigungsgründe sind von der Beklagten nicht dargetan.

    127
    4. Die Falschberatung des Zeugen Z. war für die Kündigung des Altvertrags (und den Abschluss des Neuvertrags) auch ursächlich.

    128
    a) Der Kläger hat insoweit ‒ von der Beklagten bestritten ‒ behauptet, er hätte den Altvertrag in Kenntnis der Vorteile gegenüber dem Neuvertrag nicht gekündigt (und letzteren nicht abgeschlossen).

    129
    b) Diesen Vortrag hätte die Beklagte widerlegen müssen, denn sie trägt vorliegend im Rahmen des § 6 Abs. 5 VVG ‒ anders als im Rahmen der Arglistanfechtung ‒ die Beweislast für das Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

    130
    Jedenfalls bei Versicherungsverträgen mit Anlagecharakter ‒ wie es bei einer erlebensfallorientierten fondsgebundenen Kapitallebensversicherung wie dem Neuvertrag zweifelsohne der Fall ist ‒ gilt die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 ‒ IV ZR 164/11 ‒, juris Rn. 66; BGH, Beschluss vom 26. August 2013 ‒ IV ZR 166/11 ‒, juris Rn. 6 m.w.N.) im Sinne einer zur echten Beweislastumkehr führenden widerleglichen Vermutung (BGHZ 193, 159 = VersR 2013, 628, 630; zu deren Widerlegung vgl. BGH VersR 2014, 861).

    131
    Es gibt keinen Grund, hier anders zu entscheiden als im (reinen) Kapitalanlagerecht, etwa nach einer Bankberatung. Es kommt für die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht darauf an, ob sich der Kunde in einem Entscheidungskonflikt befunden hat, also ob vernünftigerweise nur eine Entscheidungsalternative in Betracht kam (so auch Prölss/Martin/Rudy, VVG, 31. Aufl. 2021, § 6 Rn. 67 f.; vgl. zur Rechtsprechungsänderung des XI. ZS: BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 ‒ XI ZR 262/10 ‒, BGHZ 193, 159-183, juris Rn. 33, in Bezug genommen von BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 ‒ IV ZR 164/11 ‒, juris Rn. 66; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Dezember 2011 ‒ 1 BvR 2514/11 ‒, BVerfGK 19, 254-261; ohne tragfähige Begründung anders ‒ im Versicherungsrecht bei Entscheidungskonflikt keine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ‒ Seyfarth, r+s 2016, 166/168; BeckOK VVG/Filthuth, VVG, 19. Ed. 1.5.2023, § 6 Rn. 70; siehe zur Problematik jüngst Dallwig, r+s 2023, 773/774 f.).

    132
    Es wird deshalb ‒ wovon letztlich auch das Landgericht ausgegangen ist ‒ vermutet, dass sich der Kläger bei der geschuldeten Aufklärung über die Vorteile des Altvertrages gegenüber dem Neuvertrag gegen die Kündigung des Altvertrages (und den Abschluss des Neuvertrages) entschieden hätte, so dass die vorstehend dargelegten Nachteile entfallen wären.

    133
    Weil es bei all dem auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Entscheidungskonflikts nicht ankommt, ist es nicht von Belang, dass das vom Kläger feststellbar verfolgte Anliegen, einen Vorteil für die Baufinanzierung zu erlangen und sich ggf. höhere Renditechancen zu sichern, durch die Kündigung des Altvertrags, die Einspeisung des Rückkaufswertes in die Baufinanzierung und den Abschluss des Neuvertrags durchaus erreicht werden konnte und dieses Anliegen dem gleichfalls feststellbaren Interesse, sich der Vorteile des Altvertrages zu erhalten, widersprach.

    134
    c) Den damit ihr obliegenden Beweis vermag die Beklagte nicht zu führen. Die gegenläufige Würdigung des Landgerichts ist für den Senat nicht bindend (aa). Die erforderliche Neufeststellung der Kausalitätsfrage ergibt, dass die Beklagte die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens nicht widerlegt hat (bb).

    135
    aa) Das Landgericht hat angenommen, dass der Kläger sich auch bei pflichtgemäßer Beratung für die Kündigung des Alt- und den Abschluss des Neuvertrags entschieden hätte, weil auf diese Weise das vordringliche Ziel des Vaters, Beitrage zu sparen, erreicht werden konnte. Die Chancen des Klägers, aufgrund der fondsgebundenen Rentenversicherung einen höheren Betrag im Erlebensfall zu erzielen und die hierfür erforderliche monatliche Beitragszahlung durch den Abschluss einer BUZ für den Fall der Berufsunfähigkeit abzusichern, seien im Sinne eines „Gesamtvermögensvergleiches“ höher zu gewichten als die von ihm angeführten Nachteile des Neuvertrages (keine steuerfreie Auszahlung und kein Garantiezins von 4 %). Es sei dem Kläger auf den Versorgungscharakter des Altvertrags nicht angekommen sei, wie auch die Einsetzung seiner Eltern als Bezugsberechtigte beim Neuvertrag zeige.

    136
    Diese Feststellung ist nicht bindend, weil Vollständigkeits- und Richtigkeitszweifel bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

    137
    Soweit es das Ziel der Beitragsersparnis betrifft, hat das Landgericht außer Acht gelassen, dass nach dem Neuvertrag ein erheblich höherer Monatsbeitrag als nach dem Altvertrag geschuldet war und eine (eher geringfügige) Reduktion der monatlichen Gesamtbelastung nur dadurch erzielt wurde, dass infolge der Beratung auch der Beitrag für die BUZ 2007 heruntergesetzt wurde (siehe die Tabelle oben).

    138
    Soweit das Landgericht gemeint hat, der Kläger habe durch den Abschluss des Neuvertrages sein Interesse an der Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos befriedigen können, hat das Landgericht offenbar unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger aufgrund der BUZ 2007 bereits gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit versichert war (und sich der Versicherungsschutz in Form der zu erwartenden BU-Rente durch die Herabsetzung der Prämie im Zuge der Beratung sogar verschlechtert hatte).

    139
    bb) Die erneute Prüfung der Kausalität durch den Senat führt zu dem Ergebnis, dass die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens nicht widerlegt ist.

    140
    Wie bereits oben zur Kausalität im Rahmen der Arglistanfechtung ausgeführt ‒ auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen ‒ ist es zwar durchaus möglich, dass der Kläger sich auch in Kenntnis der Nachteile des Neuvertrages gegenüber dem Altvertrag für die Kündigung des Altvertrages (und den Abschluss des Neuvertrags) entschieden hätte. Mit dem zur Widerlegung der Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens erforderlichen, für das praktische Leben brauchbaren Grad der Gewissheit lässt sich dies indes nicht feststellen.

    141
    5. Dem Kläger ist durch die Kündigung des Altvertrages und den Abschluss des Neuvertrages auch ein Schaden entstanden.

    142
    a) Der Schaden ist zunächst darin zu erblicken, dass der Kläger mit dem Neuvertrag belastet wurde, der in für den Kläger relevanten Beziehungen hinter dem Altvertrag zurückblieb.

    143
    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Information eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, in der Regel bereits durch deren Erwerb geschädigt. Zwar setzt der auf Rückabwicklung des Vertrages aufgrund einer Verletzung von Aufklärungspflichten gerichtete Schadensersatzanspruch einen Vermögensschaden voraus. Hierfür genügt aber jeder wirtschaftliche Nachteil, der für den Gläubiger mit dem aufgrund der Aufklärungspflichtverletzung eingegangenen Vertrag verbunden ist. Wer durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages verleitet wird, den er ohne dieses Verhalten nicht geschlossen hätte, kann auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden dadurch erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 ‒ IV ZR 151/11 ‒, juris Rn. 59 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2018 ‒ IV ZR 243/17 ‒, juris Rn. 23 sowie Langheid/Wandt/Armbrüster, VVG, 3. Aufl. 2022, § 6 Rn. 310). Ein Schaden setzt danach also voraus, dass dem auf der Empfehlung beruhenden Vertrag Merkmale anhaften, die aus der subjektiven Sicht des Anspruchstellers seinen Zwecken nicht voll entsprechen. Dies erfordert indes nicht, dass diese Merkmale von solcher Bedeutung sind, dass der Anspruchsteller bei gehöriger Aufklärung vom Vertragsschluss abgesehen hätte. Denn in diesem Fall bedürfte es auf der Ebene des Schadens einer Feststellung der Kausalität, was der Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens, die nach der neueren Rechtsprechung auch im Falle eines Entscheidungskonflikts eingreift (siehe oben), zuwiderliefe. Vielmehr ist es für die Annahme eines ‒ subjektiv geprägten ‒ Schadens ausreichend, aber auch erforderlich, dass dem empfohlenen Vertrag anhaftende Merkmale aus Sicht des Anspruchstellers von so hinreichendem Gewicht sind, dass sie geeignet sind, ihn bei gehöriger Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt zu führen, nicht aber feststehen muss, wie dieser Entscheidungskonflikt aufgelöst worden wäre.

    144
    Dies bedeutet für den Streitfall: Weil die Auszahlungsleistung im Erlebensfall bei dem Neuvertrag ‒ anders als bei dem Altvertrag ‒ der Einkommensteuer unterliegt, da letzterer nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurde (siehe § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ‒ dazu eingehender Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl. 2023, § 20 Rn. 102), der Altvertrag ‒ anders als der Neuvertra  ‒ eine Mindesttodesfallleistung in Höhe von bis 23.071,02 € zuzüglich einer Überschussbeteiligung (siehe Bl. 16 eGA-I) vorsah und der Altvertrag einen Garantiezins von 4 % aufwies, wohingegen bei dem Neuvertrag bei vorzeitigem Ableben das Risiko des Totalverlustes (siehe Bl. 51 eGA-I) bestand und ein Garantieguthaben nur im Erlebensfall garantiert war (siehe Versicherungsschein Bl. 153 eGA-I), war der Neuvertrag insoweit gegenüber dem Altvertrag wirtschaftlich nachteilig. Dass sich der Kläger angesichts der durchaus vorhandenen Vorteile des vom Zeugen Z. empfohlenen Vorgehens ‒ Vorteile in der Baufinanzierung, höhere Renditechancen des Neuvertrags, geringfügig niedrigere Prämie ‒ bei gehöriger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, steht angesichts der genannten Nachteile der Annahme eines Schadens nicht entgegen.

    145
    Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung auch überzeugend erläutert, dass er auf diese Vorteile des Altvertrags Wert gelegt hat, was auch ‒ siehe oben ‒ sein zeitnahes und energisches Einschreiten nach der Aufdeckung der Nachteile mittels einer Vorstandsbeschwerde belegt. Der Umstand, dass der Kläger nach dem Eindruck des Senats aus prozesstaktischen Gründen sein Interesse an dem Altvertrag auch damit begründet hat, dass er damit seine Familie habe absichern wollen (was der Senat aus den oben genannten Gründen für vorgeschoben hält), ändert nichts daran, dass der Kläger ein nachvollziehbares Interesse an den Vorteilen des Altvertrages hatte und zur Überzeugung des Senats auch nach wie vor hat.

    146
    b) Des Weiteren liegt ein Schaden ‒ ohne dass es auf den Abschluss des Neuvertrages ankäme ‒ auch bereits darin, dass dem Kläger aufgrund der Kündigung die vorgenannten Vorteile aus dem Altvertrag entgangen sind bzw. künftig entgehen werden. Hierin liegt zugleich eine Vermögensgefährdung, die sich bei nachteiliger Entwicklung auch in einem konkreten Vermögensschaden niedergeschlagen hätten, etwa im Hinblick auf die entgangene Todesfallleistung im Falle eines frühzeitigen Versterbens des Klägers.

    147
    6. Ein anspruchskürzendes Mitverschulden des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann dem Versicherungsnehmer das Unterlassen eigener Erkundigungen grundsätzlich nicht als Mitverschulden angelastet werden, da dies einer Beratungspflicht des Versicherers widerspräche (Prölss/Martin/Rudy § 6 Rn. 64; HK-VVG/Münkel, 4. Aufl. 2020, VVG § 6 Rn. 55; OLG Hamm, Urteil vom 10. Juni 2010 ‒ 18 U 154/09 ‒, juris Rn. 13).

    148
    7. Dem Kläger ist damit aus § 6 Abs. 5 VVG ein Anspruch auf Schadensersatz in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erwachsen.

    149
    a) Verletzt der Versicherer schuldhaft seine Aufklärungspflicht, so ist er dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet. Er hat den Versicherungsnehmer im Schadensfall so zu stellen, wie wenn er ihn ordnungsgemäß beraten hätte. Allerdings muss sich der Versicherungsnehmer infolge der unterlassenen Belehrung etwa erzielte Vorteile (z.B. ersparte höhere Prämien) anrechnen lassen (siehe nur BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 ‒ IV ZR 171/09 ‒, juris Rn. 10 m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4. Februar 1998 ‒ 5 U 490/97 - 49 ‒, juris Rn. 27 f.). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass ein Versicherungsnehmer aufgrund eines Beratungsfehlers zur Kündigung eines bestehenden und zum Abschluss eines neuen Vertrages veranlasst wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 ‒ III ZR 228/05 ‒, juris Rn. 8 ff.; Senatsurteil vom 24. Juni 2015 ‒ I-20 U 116/13 ‒, juris Rn. 96 ff.).

    150
    b) Hiernach ist festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Altvertrag nicht gekündigt. Dieser Ausspruch unterliegt den nachfolgenden Begrenzungen:

    151
    aa) Zunächst beschränkt sich das klägerische Feststellungsbegehren auf die ihm aufgrund der Kündigung entgangenen versicherungsvertraglichen Rechte und Pflichten aus dem Altvertrag. Nicht hingegen hat der Kläger begehrt, hinsichtlich sonstiger Schäden, etwa eingetretener Steuernachteile oder frustrierter Aufwendungen betreffend den zwischenzeitlich bereits wieder gekündigten Neuvertrag, so gestellt zu werden, als hätte er den Altvertrag nicht gekündigt. Hieran ist der Senat gebunden (§ 308 ZPO).

    152
    bb) Aus dem gleichen Grund ist der Kläger auch nicht besser zu stellen, als er im Falle des Fortbestehens des Altvertrages stünde. Zudem hat er sich die Vorteile anrechnen zu lassen, die ihm aus der Kündigung des Altvertrages erwachsen sind.

    153
    (1) Eine unrichtige versicherungsvertragliche Beratung zieht häufig nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile nach sich. Sind diese Vorteile unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses, handelt es sich also um Vorteile, die zwangsläufig ‒ sozusagen spiegelbildlich ‒ mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, sind sie Teil des Gesamtvermögensvergleichs und sind unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehen. Demgegenüber können Vorteile, die sich nicht unmittelbar aus dem schädigenden Ereignis ergeben, sondern auf einen zusätzlich, vielleicht gar zeitlich versetzt hinzutretenden Umstand zurückzuführen sind, im Wege der ‒ von Amts wegen zu prüfenden ‒ Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden. Dem Geschädigten sind diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Die vorteilhaften Umstände müssen mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Geschädigte unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet wird (vgl. zusammenfassend zum Ganzen für die Steuerberaterhaftung: BGH, Urteil vom 21. Oktober 2021 ‒ IX ZR 9/21 ‒, juris Rn. 16 m.w.N.).

    154
    (2) Hieran gemessen gilt:

    155
    (a) Zunächst muss sich der Kläger die nachfolgenden Vorteile unmittelbar im Wege des vorzunehmenden Gesamtvermögensvergleichs entgegenhalten lassen: erstens den erlangten Rückkaufswert in Höhe von 6.540,30 € und zweitens die Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung in Höhe von 27,61 € monatlich ab dem 01.11.2018.

    156
    (b) Im Wege des Vorteilsausgleichs muss sich der Kläger jene ‒ bislang gänzlich unbezifferten ‒ Vorteile der Baufinanzierung anrechnen lassen, die ihm dadurch entstanden sind, dass er den erlangten Rückkaufswert in Höhe von 5.000 € in seine Baufinanzierung einzahlen und hierdurch eine frühere Zuteilungsreife erwirken konnte. Diese Vorteile beruhen nicht unmittelbar auf der Kündigung, stehen aber mit der Beratung durch den Zeugen Z. in adäquat kausalem Zusammenhang und ihre Berücksichtigung belastet den Kläger auch nicht unbillig. Vielmehr entspricht ihre Berücksichtigung dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot. Dass der Kläger auch ohne den erlangten Rückkaufswert den Bausparvertrag zu selben Zeit durch eine Einzahlung in Höhe von 5.000 € zur Zuteilungsreife geführt hätte, ist nicht geltend gemacht.

    157
    Der Senat weist für die weitere Umsetzung dieses Urteils vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte zwar für den Umfang dieser Vorteile darlegungs- und beweisbelastet ist, den Kläger aber eine sekundäre Darlegungslast trifft und er deswegen gehalten sein wird, der Beklagten die notwendigen Grundlagen seiner Baufinanzierung ‒ soweit der Beklagten noch nicht bekannt ‒ offenzulegen, damit diese das Ausmaß des anzurechnenden Vorteils im Zuge der der Umsetzung des vorliegenden Urteils bestimmen kann.

    158
    (c) Nicht zu berücksichtigen sind jene Prämienvorteile, die dem Kläger aufgrund der Prämienreduzierung der BUZ 2007 zugewachsen sind. Erstens beruht dieser Vorteil nicht adäquat kausal auf dem Rat zur Kündigung des Altvertrages. Zweitens wird insoweit der Vermögensvorteil in Form der ersparten Prämien durch den Anspruch auf eine geringere BU-Rente ausgeglichen.

    159
    cc) Weil der Kläger die vorgenannten Begrenzungen in seinem Klageantrag nicht berücksichtigt hat, kommt es zu einem (geringfügigen) Teilunterliegen.

    160
    c) Dem Senat ist ‒ wie bereits im Senatstermin erörtert ‒ bewusst, dass die Umsetzung dieser getroffenen Feststellung die Parteien vor einige Aufwände stellen wird und sich letztlich in zufriedenstellender Weise nur einvernehmlich wird bewerkstelligen lassen, soll nicht auf Grundlage des Feststellungstenors nach dessen Rechtskraft ein weiterer Rechtsstreit geführt werden. Dabei bleibt es den Parteien überlassen, ob die mit diesem Urteil festgestellte Verpflichtung im Wege des Schadensersatzes in Geld erfüllt werden soll oder sich die Parteien vergleichsweise auf die Wiederbegründung des Altvertrages gegen eine vom Kläger zu erbringende Zahlung einigen.

    161
    III. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, von denen der Kläger Freistellung begehrt, ergeben sich gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Sie sind auf Grundlage eines (auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zum Teilunterliegen angemessenen) Gegenstandswerts von 23.071,02 € zutreffend berechnet.

    162
    D. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO. Das Unterliegen des Klägers ist mit 20 % zu bewerten.

    163
    III.

    164
    Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Senat hat unter Anwendung der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung in einem Einzelfall entschieden.

    165
    Berufungsstreitwert: bis 30.000 €