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30.11.2017 · IWW-Abrufnummer 198019

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.08.2017 – 19 Sa 69/16


In der Rechtssache
- Beklagte/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Kläger/Berufungsbeklagter -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 19.
Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Meyer, den ehrenamtlichen Richter Michalski und den ehrenamtlichen Richter Seez auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 2017
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 5.10.2016 - 3 Ca 139/16 - abgeändert:


Die Klage wird abgewiesen.


2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Zuschlagspflicht beim Abbau von Mehrarbeitsstunden an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und/oder in der Nacht.



Der Kläger ist seit dem 1. April 1998 für das beklagte Flugsicherungsunternehmen als Fluglotse tätig (Arbeitsvertrag = Bl. 9 ff. der Akte des Arbeitsgerichts). Er ist Mitglied des Betriebsrats und bezog im Jahr 2012 einen Stundenlohn in Höhe von 58,33 Euro brutto, ab Mai 2013 59,29 Euro brutto und ab Januar 2014 60,57 Euro brutto.



Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (MTV) vom 19. November 2004, soweit vorliegend von Belang in der Fassung vom 16. Mai 2012 (Bl. 12 bis 23 der Akte des Arbeitsgerichts).



Im Rahmen der sogenannten flexiblen Schichtplanung finden außerdem die Sonderregelungen 2012 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste) vom 23. März 2012 in der Fassung vom 31. August 2012 Anwendung (Abl. 87 bis 116 der Akte des Arbeitsgerichts); diese werden ergänzt durch den Spruch der Einigungsstelle vom 16. Februar 2009 in der Fassung vom 30. Oktober 2012 (Blatt 117 bis 134 der Akte des Arbeitsgerichts).



Nach § 9 Abs. 1 MTV beträgt die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden wöchentlich. Diese ist nach § 10 Abs. 1, Abs. 2 MTV grundsätzlich auf die Arbeitstage Montag bis Freitag der Woche zu verteilen, es ist aber auch eine Verteilung auf Samstage, Sonntage und Feiertage zulässig.



Nach § 11 Abs. 2 MTV werden Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit durch Schichtpläne geregelt.



Entsprechende Regelungen finden sich in "Unterabschnitt 4. flexible Schichtplanung" der SR FS-Dienste 2012 betreffend "Ablauf der Schichtplanung, Jahresplan, Arbeitstageplan, Schichtplan" (dort §§ 19, 20, 22, 23). § 21 Abs. 2 SR FS-Dienste 2012 regelt als Toleranzbereich für die flexible Schichtplanung:



Im Rahmen von plus/minus 80 Stunden kann Mehr- oder Minderarbeit angeordnet werden.



In diesem Zusammenhang regelt § 14 MTV auszugsweise:



Monatliche Abrechnung und Übertragung von Arbeitsstunden



(1) Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird die Zahl der monatlichen Sollstunden ermittelt, indem die wöchentliche Arbeitszeit gleichmäßig auf die fünf Werktage Montag bis Freitag verteilt und über den betreffenden Monat addiert wird, wobei gesetzliche Feiertage, die auf die Tage Montag bis Freitag fallen (Wochenfeiertage), nicht mitgerechnet werden.



(2) ....



(3) Die monatlichen Sollstunden werden zum Monatsende der tatsächlichen Arbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit zuzüglich der - soweit zutreffend - Stundengutschriften für Urlaub, Krankheit, Rufbereitschaft, Arbeitsbefreiung für Überstunden und für sonstige Arbeitsbefreiungen gegenüber gestellt. Die Differenz sind Mehr- oder Minderarbeitsstunden.



(4) Mehrarbeit ergibt sich auch durch ...



(5) ...



Ab einem Zeitkontostand von 30 Mehrarbeitsstunden kann die Mitarbeiterin beziehungsweise der Mitarbeiter, mit einer Ankündigungsfrist von mindestens 15 Tagen, einen Mehrarbeitsstundenabbau in einer Größenordnung von bis zu drei Tagen verlangen. ... Stehen zwingende betriebliche Gründe (zum Beispiel Unterbesetzung eines Arbeitsbereichs beziehungsweise einer EBG) einem Stundenabbau nicht entgegen, ist dem Verlangen der Mitarbeiterin beziehungsweise des Mitarbeiters stattzugeben. ... Liegen betriebliche Gründe vor (zum Beispiel Überbesetzung eines Arbeitsbereichs beziehungsweise einer EBG), kann der jeweilige Vorgesetzte von den Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeitern mit einem Mehrarbeitsstundenkonto von mehr als 30 Stunden einen Stundenabbau verlangen.



Der Abbau kann nur in ganzen Tagen und im Zusammenhang mit anderen Freizeitblöcken erfolgen. Die Mitarbeiterin beziehungsweise der Mitarbeiter kann diesem Abbau nur dann widersprechen, wenn dringende persönliche Gründe vorliegen. ...



Die Beklagte berücksichtigt bei der Feststellung der tatsächlichen Arbeitszeiten des Klägers auch dessen Tätigkeit als Betriebsrat. Die Regelungen des § 14 Abs. 5 MTV werden jedenfalls bei einem arbeitnehmerseitig initiierten Abbau von Mehrarbeit von der Beklagten entsprechend angewandt, wenn ein Zeitkontostand von 30 Mehrarbeitsstunden nicht erreicht beziehungsweise unterschritten wird. Anträge auf Freistellung kann der Mitarbeiter im Büro des integrierten Zeitmanagements stellen, kurzfristigere Wünsche auch im Büro für elektronische Personaleinsatzplanung. "Ad-hoc-Wünsche" am gleichen Tag richtet der Mitarbeiter an seine anwesende Führungskraft im Kontrollraum. Daraufhin wird eine entsprechende und gegebenenfalls auch nachträgliche Änderung in der elektronischen Personaleinsatzplanung vorgenommen.



In der Zeit vom 25. Februar 2012 bis 25. April 2014 beantragte und erhielt der Kläger in insgesamt 24 Fällen zwischen 0,75 und 8,15 Stunden Abbau von Mehrarbeit, wie sich das im Einzelnen auf Seite fünf der Klageschrift vom 4. April 2016 (Bl. 5 der Akte des Arbeitsgerichts) beziehungsweise aus Seite 4 der Berufungsbegründung vom 24. Januar 2017 (Abl. 55) ergibt. In mehreren Fällen wies das Zeitkonto des Klägers weniger als 30 Mehrarbeitsstunden auf und der Antrag wurde "ad-hoc" gestellt. In allen Fällen betraf der Stundenabbau einen Samstag, Sonntag, Feiertag und/oder die Nacht.



Hinsichtlich der Vergütung regelt § 18 Abs. 1 MTV den Anspruch auf Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag und gegebenenfalls nach dem Zulagentarifvertrag. Daneben bestimmt § 20 MTV auszugsweise:



Zeitzuschläge



(1) Zeitzuschläge werden gezahlt für geleistete



a) Überstunden(§ 12 Abs. 1 Unterabsatz 1) in Höhe von 25 vom 100 der Stundenvergütung,



b) Samstagsarbeit in Höhe von 5 vom 100 der Stundenvergütung,



c) Sonntagsarbeit und Arbeit am ... in Höhe von 50 vom 100 der Stundenvergütung,



d) Feiertagsarbeit in Höhe der vollen Stundenvergütgung,



e) Nachtarbeit in Höhe von 9,00 Euro je Stunde.



Treffen mehrere Gründe für die Zahlung eines Zuschlages zusammen, so ist in den Fällen der Buchstaben b), c) und d) jeweils der höhere Zuschlag zu zahlen. Die Zuschläge für Überstunden und für Nachtarbeit werden zusätzlich gezahlt.



(2) Für die Berechnung der Zeitzuschläge ...



(3) ...



Die Beklagte bezahlte an den Kläger für Zeiten des Abbaus von Mehrarbeit nur die Vergütung nach § 18 MTV.



Deswegen erhob der Kläger nach außergerichtlicher Geltendmachung am 4. April 2016 Klage vor dem Arbeitsgericht.



Der Kläger hat vorgetragen und die Ansicht vertreten, die Beklagte schulde die Zahlung von Zuschlägen auch für Zeiten der Arbeitsbefreiung zum Abbau von Mehrarbeit. Es gelte das sogenannte Lohnausfallprinzip. Der Kläger hätte gearbeitet, wäre er nicht von der Arbeit freigestellt worden. Die Entscheidung über die Freistellung treffe letztlich die Beklagte. Damit verzichte sie gleichzeitig auf ein Angebot der Arbeitskraft und gerate in Annahmeverzug. Der Tarifvertrag enthalte keine abweichenden Regelungen zur Vergütung und schränke lediglich die Beklagte bei der Freistellungsentscheidung ein.



Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zuschläge in Höhe von € 1.205,59 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus € 4,19 brutto seit dem 01.04.2012, aus weiteren € 2,09 brutto seit dem 01.05.2012, aus weiteren € 116,66 brutto seit dem 01.05.2012, aus weiteren € 23,83 brutto seit dem 01.06.2012, aus weiteren € 36,00 brutto seit dem 01.09.2012, aus weiteren € 18,00 brutto seit dem 01.10.2012, aus weiteren € 6,75 brutto seit dem 01.12.2012, aus weiteren € 133,58 brutto seit dem 01.12.2012, aus weiteren € 5,83 brutto seit dem 01.12.2012, aus weiteren € 32,10 brutto seit dem 01.02.2013, aus weiteren € 115,58 brutto seit dem 01.02.2013, aus weiteren € 9,00 brutto seit dem 01.03.2013, aus weiteren € 7,29 brutto seit dem 01.04.2013, aus weiteren € 65,62 brutto seit dem 01.04.2013, aus weiteren € 15,02 brutto seit dem 01.04.2013, aus weiteren € 483,21 brutto seit dem 01.07.2013, aus weiteren € 8,37 brutto seit dem 01.11.2013, aus weiteren € 5,93 brutto seit dem 01.11.2013, aus weiteren € 13,50 brutto seit dem 01.01.2014, aus weiteren € 33,67 brutto seit dem 01.01.2014, aus weiteren € 15,27 brutto seit dem 01.02.2014, aus weiteren € 9,09 brutto seit dem 01.03.2014, aus weiteren € 18,00 brutto seit dem 01.06.2014, aus weiteren € 27,00 brutto seit dem 01.06.2014, zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen und die Ansicht vertreten, dass Lohnausfallprinzip finde keine Anwendung. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges seien nicht gegeben. Weder habe der Kläger seine Arbeitskraft angeboten, noch habe die Beklagte ein solches Angebot abgelehnt oder darauf verzichtet. Dem Kläger fehle schon der erforderliche Leistungswille. Vielmehr sei die Beklagte bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zum Freizeitausgleich nach dem Tarifvertrag verpflichtet, der ein in sich geschlossenes Regelungswerk beinhalte. § 14 MTV enthalte keine Regelung zur Vergütung beim Abbau von Mehrarbeit. Diese ergebe sich unmittelbar aus § 20 MTV. Danach seien Zeitzuschläge ausdrücklich nur für "geleistete" Arbeit zu zahlen. Bei der Auslegung sei auf die tarifvertraglichen Regelungen zu Überstunden, Urlaub und Krankheit zurückzugreifen.



Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. Oktober 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es schließe sich der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juli 2015 - 12 Sa 11/15 - vollumfänglich an. Danach befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug, § 293 BGB, zu dessen Begründung es eines Arbeitsangebots des Klägers nicht bedürfe. Denn mit der Freistellungserklärung habe die Beklagte die Arbeitspflicht des Klägers aufgehoben und auf ein Angebot der Arbeitsleistung verzichtet. Der Arbeitgeber sei gemäß § 615 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Vergütung zu zahlen, die für die nicht geleistete Arbeit unter Einschluss der Zuschläge vereinbart sei. Es gelte das Lohnausfallprinzip. Der Manteltarifvertrag enthalte keine eigenständigen Regelungen zum Annahmeverzug. Der Zweck des Zuschlags, Erschwernisse besonders zu honorieren, sei nicht entscheidend.



Auch die antragsgemäße sei eine arbeitgeberseitige Freistellung und Ausdruck des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts. Daran änderten die tarifvertraglichen Regelungen nichts, mit denen dieses Recht beschränkt werde. Die Beklagte habe mit Abschluss der tarifvertraglichen Vereinbarungen ihr Direktionsrecht "ex ante" ausgeübt.



Die systematische Auslegung des MTV führe nicht dazu, dass Zuschläge nur zu zahlen seien, wenn dies ausdrücklich geregelt sei. Umgekehrt bedürfe es entsprechender Regelungen, um vom gesetzlich angeordneten Lohnausfallprinzip abzuweichen.



Gegen das der Beklagten am 24. Oktober 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. November 2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingereichte Berufung, die nach Fristverlängerung am 24. Januar 2017 begründet wurde.



Die Beklagte ergänzt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht entsprochen. Die Regelungen über den Annahmeverzug seien im Fall der Freistellung nach dem Tarifvertrag nicht anwendbar, weil keine Arbeitspflicht bestehe. Außerdem seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Annahmeverzugs nicht erfüllt. Der arbeitnehmerseitige Freistellungsantrag beinhalte gerade kein Angebot der Arbeitsleistung und der Arbeitnehmer sei auch nicht leistungswillig. Die Beklagte habe ferner nicht auf ein Angebot verzichtet, sondern ihrer Pflicht zur Freistellung nach dem Tarifvertrag entsprochen.



Nach dem Tarifvertrag sei ein Zuschlag indessen nur zu zahlen, wenn die zuschlagspflichtige Arbeit auch tatsächlich geleistet werde. Denn nach Sinn und Zweck des Tarifvertrages seien besondere Erschwernisse zu honorieren. Die Zahlung von Zuschlägen beim Abbau von Mehrarbeit, der in an sich zuschlagspflichtige Arbeitszeit falle, verfehle den Zweck. Es würden Anreize für Arbeitnehmer entstehen, Mehrarbeit gezielt in diesen Zeiten abzubauen.



Außerdem entstünden Anreize zur an sich nach den §§ 17 Abs. 3, 23 Abs. 2 SR FS-Dienste 2012 zulässigen Schichtübernahme durch Arbeitskollegen. Im Ergebnis würde die Beklagte die Arbeitsleistung nur einmal empfangen, müsste aber Zuschläge sowohl an den Schichtübernehmer bezahlen als auch an den Arbeitnehmer, der zeitgleich Mehrarbeit abbaue.



Mit der Wahl der Tage, für die der Kläger eine Freistellung beantrage, verhalte er sich rechtsmissbräuchlich.



Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Der Kläger ergänzt und vertieft sein Vorbringen in erster Instanz und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Unerheblich sei, ob der Arbeitgeber den Zeitausgleich anordne oder einem Antrag des Arbeitnehmers entspreche. In beiden Fällen liege eine Entscheidung zur Freistellung vor, die zum Annahmeverzug führe. Unerheblich sei auch die Ermessensbindung der Beklagten nach dem MTV bei ihrer Freistellungsentscheidung. Ein Angebot der Arbeitsleistung durch den Kläger sei entbehrlich. Sein Leistungswille sei nach wie vor vorhanden; ohne die Freistellung hätte er schichtplanmäßig gearbeitet.



Das Lohnausfallprinzip gelte aber auch dann, wenn kein Annahmeverzug vorliege. Denn der Tarifvertrag enthalte keine abweichenden und insbesondere keine ausdrücklichen Regelungen hierzu, deren Zulässigkeit ohnehin fraglich sei.



Dem Kläger sei auch kein Rechtsmissbrauch anzulasten. Er unterliege der verbindlichen Schichtplanung durch die Beklagte, die letztlich auch über eine Freistellung entscheide. Das gelte auch für die Schichtübernahme beziehungsweise den Schichttausch; verfehlte Anreize seien deswegen nicht zu befürchten.



Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe auf den Seiten fünf bis elf des Urteils vom 5. Oktober 2016 Bezug genommen (Bl. 169 bis 171 der Akte des Arbeitsgerichts). Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteien, die bezeichneten Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16. August 2017 (Abl. 124, 125) Bezug genommen, §§ 64 Abs. 6, 69 Abs. 3 ArbGG iVm. §§ 525 Satz 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.



Entscheidungsgründe



A



Die Berufung ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b ArbGG. Sie ist frist- und formgerecht durch Schriftsatz eines Rechtsanwalts eingelegt und nach entsprechender Verlängerung der Frist bis 24. Januar 2017 (die Verfügung vom 24. November 2016 enthält insofern einen offensichtlichen Schreibfehler) fristgemäß begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 520 Abs. 1, Abs. 3, 513 Abs. 1 ZPO.



B



Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Zeitzuschläge nach § 20 MTV für die Zeiten, in denen ihm ein Mehrarbeitsstundenabbau nach § 14 Abs. 5 MTV gewährt wurde. Der Anspruch ergibt sich nicht aus den §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB iVm. § 20 MTV (I.). Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG iVm. § 20 MTV (II.). Schließlich ergibt sich der Anspruch auch nicht unmittelbar aus § 611 BGB iVm. § 20 MTV (III.).



I.



Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergibt sich der Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen für die Zeiten, für die dem Kläger antragsgemäß Mehrarbeitsstundenabbau an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und/oder nachts gewährt wurde, nicht aus § 615 Satz 1 iVm. den §§ 293 ff. BGB.



1. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienst in Verzug kommt. Zur vereinbarten Vergütung gehören alle Leistungen mit Entgeltcharakter. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich so zu vergüten, als ob er gearbeitet hätte. Es gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip (statt vieler: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl./Preis § 615 Rndziff. 76 ff. mwN).



Der Arbeitgeber gerät nach § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Gemäß § 294 BGB muss die Leistung dem Gläubiger grundsätzlich so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Der Arbeitnehmer muss sich zur vertraglich vereinbarten Zeit an den vereinbarten Arbeitsort begeben und die nach dem Vertrag geschuldete Arbeitsleistung anbieten. Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werden, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist (BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 19/05 - Rndziff. 16, [...]).



2. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 293 ff. BGB sind vorliegend nicht erfüllt.



a) Der Kläger war in allen auf Seite 5 der Klagschrift im Einzelnen angeführten und auf Seiten 4 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 27. September 2016 näher erläuterten Fällen schichtplanmäßig zur Arbeit eingeteilt. In allen Fällen hat er eigeninitiativ um einen Mehrarbeitsstundenabbau nachgesucht.



Der Kläger hat damit weder die zu bewirkende Leistung tatsächlich angeboten (§§ 293, 294 BGB) noch wörtlich im Sinne des § 295 Satz 1 BGB. Ohnehin würde ein wörtliches Angebot nach dieser Vorschrift nur genügen, wenn der Gläubiger bereits zuvor erklärt hätte, dass er die Leistung nicht annehmen werde, wie sich aus Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt. Eine solche Erklärung der Beklagten lag in keinem der Fälle vor. Insbesondere lag keiner der einzelnen Arbeitsbefreiungen eine Arbeitgeberinitiative im Sinne des § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 6 MTV zugrunde.



Der Antrag auf Mehrarbeitsstundenabbau zielt gerade nicht auf Bewirkung der nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer begehrt damit vielmehr die Entbindung von der Arbeitspflicht und macht seinen tarifvertraglich durch § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 bis 5 MTV verbrieften Freistellungsanspruch geltend.



In keinem Fall hat die Beklagte folglich eine ihr angebotene Leistung nicht angenommen, § 293 BGB. Die Beklagte hat vielmehr in allen Fällen dem Verlangen des Klägers entsprochen. Die Parteien haben damit in Umsetzung und Konkretisierung der tariflichen Vorgaben eine Abrede im Sinne der §§ 311 Abs. 1 Altern. 2, 145 ff. BGB geschlossen, kraft derer der Kläger berechtigt war, der Arbeit fernzubleiben.



b) Auch die Auslegung von § 14 Abs. 5 MTV ergibt, dass der Mehrarbeitsstundenabbau nicht zum Annahmeverzug des Arbeitgebers führt.



aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelung und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BAG 26. April 2017 - 10 AZR 589/15 - Rndziffn. 13, 14, [...]).



bb) Zur Durchführung des Mehrarbeitsstundenabbaus nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 MTV bedarf es schon nach dem Wortlaut der Regelungen einer entsprechenden Abrede der Arbeitsvertragsparteien. Denn danach kann die Mitarbeiterin beziehungsweise der Mitarbeiter einen Mehrarbeitsstundenabbau "verlangen", dem der Arbeitgeber vorbehaltlich entgegenstehender zwingender betrieblicher Gründe "stattzugeben" hat (§ 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1, Satz 3 MTV).



Unter den tarifvertraglichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Abgabe einer Willenserklärung. Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, den Mehrarbeitsstundenabbau ohne Billigung des Arbeitgebers durchzuführen. Der Arbeitgeber handelt auch nicht einseitig in Ausübung seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, wenn er einem arbeitnehmerseitigen Antrag auf Freistellung entspricht.



Die Tarifvertragsparteien haben unterhalb eines Zeitkontostandes von 30 Mehrarbeitsstunden dem Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf einen Mehrarbeitsstundenabbau in einer Größenordnung von bis zu drei Tagen eingeräumt. Es bleibt indessen den Arbeitsvertragsparteien unbenommen, auch insofern Vereinbarungen über einen Mehrarbeitsstundenabbau zu treffen. Davon haben die Parteien des vorliegenden Verfahrens umfangreich Gebrauch gemacht, wie die Ausführungen auf Seite 4 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 27. September 2016 belegen.



Mit diesem Verständnis haben die Tarifvertragsparteien eine vernünftige, sachgerechte, zweckorientierte und praktisch brauchbare Regelung getroffen, die gewisse Parallelen zur Urlaubsgewährung nach § 7 Abs. 1 BUrlG aufweist und deren Umsetzung im Einzelfall einer rechtlichen Überprüfung zugänglich ist.



cc) Von diesem Verständnis des Tarifvertrages gehen offensichtlich auch die Parteien aus. Denn in der Regel ist eine Antragstellung des Mitarbeiters im Büro des integrierten Zeitmanagements vorgesehen. Bei kurzfristigen Wünschen ist der Antrag im Büro für elektronische Personaleinsatzplanung zu stellen. Ad-hoc-Wünsche sind an die anwesende Führungskraft im Kontrollraum zu richten. Über diese Anträge wird dann gegebenenfalls nach Rücksprache mit anderen Kollegen und/oder der Führungskraft entschieden. Erst Recht beruht der Mehrarbeitsstundenabbau in den von der Beklagten auf Seiten 4 ff. des Schriftsatzes vom 27. September 2016 geschilderten Fällen auf einer individuellen Vereinbarung der Parteien, in denen die tarifvertragliche Anspruchsvoraussetzung nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 MTV nicht gegeben war, weil der Zeitkontostand des Klägers weniger als 30 Mehrarbeitsstunden aufwies.



c) Annahmeverzug setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber noch eine Arbeitsleistung schuldet. Fehlt es daran, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt, kommen Ansprüche aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Im Übrigen ist ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung im Gesetz nicht vorgesehen. Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers erlischt nur durch den Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB oder durch den Abschluss eines Änderungsvertrages. Liegt eine vertraglich vereinbarte Freistellung vor, scheidet eine Anwendung von § 615 BGB aus. Da mangels Arbeitspflicht des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber die Gläubigerstellung fehlt, kann ein Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB nicht begründet werden (BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - Rndziffn. 29, 30, [...] mwN; dagegen wohl BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rndziff. 13, [...]: Die Aufhebung der Arbeitspflicht in einem Prozessvergleich bedeute einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung, mit kritischer Anmerkung: Ziemann, [...] PR-ArbR 22/2008 Anm. 4).



d) Es kann offen bleiben, ob anderes für den arbeitgeberinitiierten Mehrarbeitsstundenabbau nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 6, Unterabs. 3 MTV gilt (die Anwendbarkeit der §§ 293 ff., 615 Satz 1 BGB bejahend: LAG Baden-Württemberg 24. Juli 2015 - 12 Sa 11/15 - n.v.). Jedenfalls tritt ein Wille der Tarifvertragsparteien nicht ohne weiteres erkennbar zu Tage, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlichen Rechtsfolgen zu unterwerfen.



II.



Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung der Zeitzuschläge nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG iVm. § 20 MTV.



1. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat das Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Das Betriebsratsmitglied erhält also nicht die Zeit für die außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit vergütet, vielmehr hat es einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Fortzuzahlen ist das Arbeitsentgelt, dass das Betriebsratsmitglied verdient haben würde, wenn es während der Zeit der Arbeitsbefreiung gearbeitet hätte (LAG Hamburg 15. Juli 2015 - 6 Sa 15/15 - Rndziff. 35, [...]; Fitting u. a. im Betriebsverfassungsgesetz 28. Aufl. § 37 Rndziff. 102).



2. Der Kläger hat nicht dargetan, dass der Mehrarbeitsstundenabbau gemäß § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 MTV einen Ausgleich für Betriebsratstätigkeit darstellt, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen war.



Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sämtliche Mehrarbeit undifferenziert bei der Ermittlung der tatsächlichen Arbeitszeit im Sinne von § 14 Abs. 3, Abs. 4 MTV in Ansatz gebracht wird, also unter Einschluss der Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit. Die an sich mögliche Zuordnung wird von den Parteien nicht vorgenommen. Die Beklagte trägt dem Schlechterstellungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG dadurch Rechnung, dass für Zeiten der Betriebsratstätigkeit Zeitzuschläge nach Durchschnittswerten vergütet werden. Dem entspricht es, dass der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht näher nach Maßgabe des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG begründet.



III.



Der Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen ergibt sich nicht aus § 611 BGB iVm. den §§ 20, 14 Abs. 5 MTV.



1. § 14 Abs. 5 MTV ist nach seinem Regelungsgehalt auf die Voraussetzungen und die Bedingungen des Mehrarbeitsstundenabbaus beschränkt. § 14 Abs. 5 MTV enthält keine eigenständige Regelung hinsichtlich der Frage der Vergütung der Stunden, die abgebaut werden.



2. Unter Anwendung der bereits oben unter I. 2. b) aa) dargestellten Auslegungsgrundsätze ergibt sich aus § 20 MTV kein Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen für Zeiten des Mehrstundenabbaus nach § 14 Abs. 5 MTV.



a) Dagegen spricht bereits der Wortlaut von § 20 Abs. 1 MTV. Danach werden Zeitzuschläge gezahlt für "geleistete" Arbeit an den genannten Tagen beziehungsweise Zeiten. Im Fall des Zeitausgleichs für Mehrarbeit wird aber gerade keine Arbeit geleistet, sondern gegebenenfalls antragsgemäß eine Befreiung von der Leistungspflicht gewährt.



b) Das entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Handelt es sich doch bei den "Zeitzuschlägen" um solche, die der besonders beschwerlichen und/oder unangenehmen Arbeit insbesondere am Sonntag und am Feiertag Rechnung tragen sollen. Das ergibt sich u. a. aus der unterschiedlichen Zuschlagshöhe von nur 5 % der Stundenvergütung für Samstagsarbeit, deren 50 % für Sonntagsarbeit und deren 100 % für Feiertagsarbeit.



Die Zuschläge sind zusätzliche Gegenleistungen für die an Sonn- und Feiertagen zu leistende besonders lästige bzw. belastende Arbeit (BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 89/08 - Rn. 12, [...]).



Der Arbeitnehmer, der an diesen Tagen nicht arbeiten muss, unterliegt nicht der von den Tarifvertragsparteien angenommenen besonderen Erschwernis.



Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Kläger in den meisten der streitgegenständlichen Fälle ohnehin schon der Beschwernis zum Beispiel der Sonntagsarbeit unterlag. Denn der Kläger hat sich selbst für einen nur stundenweisen Mehrarbeitsstundenabbau entschieden.



Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien gestattet § 14 Abs. 5 MTV ein solches Vorgehen, wohingegen der arbeitgeberseitig initiierte Mehrarbeitsstundenabbau den Beschränkungen des § 14 Abs. 5 Unterabs. 3 MTV unterliege und nur in ganzen Tagen und nur im Zusammenhang mit anderen Freizeitblöcken erfolgen kann.



c) Auch aus systematischen Erwägungen ergibt sich, dass Zeitzuschläge im Fall von Mehrarbeitsstundenabbau nicht geschuldet sind.



aa) Nach § 20 Abs. 1 a) MTV werden Zeitzuschläge gezahlt für geleistete Überstunden (§ 12 Abs. 1 Unterabs. 1 MTV) in Höhe von 25 vom 100 der Stundenvergütung. Hierzu enthält § 12 Abs. 5 MTV die Regelung, dass Überstunden grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen sind und im Falle des Zeitausgleiches außerdem die Zeitzuschläge für Überstunden gezahlt werden, wobei der Zeitausgleich fristgebunden ist.



Darüber hinaus werden Zeitzuschläge zum Beispiel für tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, auch wenn sich diese als Mehrarbeit im Sinne von § 14 Abs. 3 MTV darstellt, nach § 22 MTV zusammen mit der Vergütung des Folgemonats bezahlt.



Damit ist in jedem Fall sichergestellt, dass die Zeitzuschläge für tatsächlich geleistete Stunden zur Auszahlung gelangen.



bb) Demgegenüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien die Vergütungsfrage in weiteren Fällen geregelt, in denen dem Zahlungsanspruch keine tatsächliche Arbeitsleistung gegenüber steht.



So regelt § 23 Abs. 1 MTV, dass ab dem vierten Krankheitstag Zuschläge (§ 20) als Durchschnitt der tatsächlichen Werte gezahlt werden, die in den zwölf vorangegangenen Kalendermonaten ... abgerechnet wurden. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine nach § 4 Abs. 4 EfZG zulässige, abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt, das sich im Übrigen nach § 4 Abs. 1, Abs. 1a EfZG richtet (zum Lohnausfallprinzip nach § 4 Abs. 1 EfZG unter Einschluss von Zuschlägen für die an Sonn- und Feiertagen zu leistende Arbeit: BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 89/08 - Rndziff. 11, 12, [...]).



Entsprechend sind nach § 30 Abs. 7 MTV während des Erholungsurlaubes Zuschläge (§ 20) als Durchschnitt der tatsächlichen Werte zu zahlen, die in den zwölf vorangegangenen Kalendermonaten ... abgerechnet wurden. Auch dabei handelt es sich um eine nach § 13 Abs. 1 BUrlG zulässige Abweichung von § 11 Abs. 1 BUrlG.



cc) Damit haben die Tarifvertragsparteien ein in sich geschlossenes und abgestimmtes System geschaffen, wie hinsichtlich der Zahlung von Zuschlägen bei tatsächlich geleisteter Arbeit und im Falle der Arbeitsbefreiung durch Urlaub oder Krankheit zu verfahren ist. Hätten sie im Falle des Mehrarbeitsstundenabbaus, der in die nach § 20 MTV zuschlagspflichtige Zeit fällt, ebenfalls eine Zuschlagspflicht begründen wollen, hätte dies deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen oder mindestens als Willensäußerung seinen Niederschlag finden müssen.



d) Schließlich führt das Auslegungsergebnis zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung.



Die Beklagte hat eine Missbrauchsgefahr im Einzelnen dargelegt. Zum einen könnten Mitarbeiter ein Mehrarbeitsstundenguthaben gezielt zur Arbeitsbefreiung an zuschlagspflichtigen Zeiten einsetzen. Dem könnte die Beklagte nur entgegen treten, wenn zwingende betriebliche Gründe dem Stundenabbau entgegenstünden, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 3 MTV. Zum anderen bestünde die Gefahr der gezielten Schichtübernahme nach § 17 Abs. 3, 23 Abs. 2 SR FS-Dienste 2012. Das hätte zur Folge, dass die Zeitzuschläge sowohl an den Schichtübernehmer zu zahlen wären als auch an den Arbeitnehmer, bei welchem dann ein Mehrarbeitsstundenabbau vorliege.



Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien mit den Regelungen zum Mehrarbeitsstundenabbau und zu Zeitzuschlägen entsprechende Anreize setzen wollten.



Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass den Tarifvertragsparteien in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung, jedoch vorbehaltlich § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, bei der näheren Gestaltung des Zeitausgleichs für Mehrarbeitsstunden ein weiter Regelungsspielraum zusteht. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn nach dem Willen der Tarifvertragsparteien das Lohnausfallprinzip im Fall von Mehrarbeitsstundenabbau nicht zur Anwendung gelangt.



3. Allerdings sieht der Kläger in der Auffassung der Beklagten und der Kammer einen Widerspruch zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. August 2009 (- 7 AZR 218/08 -).



a) Die dortige Klägerin war Mitglied des örtlichen Betriebsrats und erhielt für Reisezeiten, durch die die Grundarbeitszeit überschritten wurde, nach der betrieblichen Regelung keine Zuschläge. Sie erhielt hierfür Freizeitausgleich, für welchen die dortige Beklagte keine Zeitzuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bezahlte, die nach dem Tarifvertrag an den Tagen des Freizeitausgleichs angefallen wären, wenn die Klägerin schichtplanmäßig gearbeitet hätte. Der Tarifvertrag sah für die an Sonntagen beziehungsweise gesetzlichen Feiertagen "tatsächlich geleistete" Arbeitszeit beziehungsweise Arbeit Zuschläge vor.



Das Bundesarbeitsgericht entschied, die Klägerin habe für die Dauer des von der Beklagten gewährten Freizeitausgleichs wegen außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit aufgewandter Reisezeiten im Zusammenhang mit erforderlicher Betriebsratstätigkeit einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts, das sie erhalten hätte, wenn sie gearbeitet hätte. Hierzu gehörten auch die Zeitzuschläge nach § 23 MTV, wenn der Freizeitausgleich während zuschlagspflichtiger Zeiten gewährt werde. Das ergebe sich aus § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und der im Betrieb der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung über Dienstreisen und Lehrgangsbesuche (BAG 12. August 2009 - 7 AZR 218/08 - Rndziff. 13, [...]).



b) Damit hat sich das Bundesarbeitsgericht auf die hier nicht gegebene Anspruchsgrundlage des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bezogen.



Es hat allerdings weiter zur Frage der gegebenenfalls unzulässigen Begünstigung nach § 78 Satz 2 BetrVG festgestellt, allen Arbeitnehmern stehe für die Dauer des Freizeitausgleichs die Vergütung zu, die sie erhalten würden, wenn sie dienstplanmäßig gearbeitet hätten. Das ergebe sich daraus, dass der Arbeitnehmer bei Freizeitausgleich von der an sich bestehenden Arbeitspflicht suspendiert werde, der Anspruch auf die Gegenleistung aber erhalten bleibe. Gegenteiliges regele die Betriebsvereinbarung für den Freizeitausgleich nicht (BAG - aaO). Soweit die Regelung bestimme, dass Reisezeiten keine Zuschläge auslösen, gelte dies nur für die Reisezeit selbst. Dies besage nichts darüber, wie die möglicherweise zu einer anderen Zeit als die Reise zu leistende Arbeit an dem betreffenden Tag zu vergüten wäre (BAG - aaO - Rndziff. 17).



Auch der Manteltarifvertrag regele lediglich für den Freizeitausgleich wegen geleisteter Überarbeit in § 9 Abs. 3 MTV, dass für die Dauer des Freizeitausgleichs die Grundvergütung fortgezahlt werde. Dies könne jedoch nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass auch bei Freizeitausgleich aus anderen Anlässen nur die Grundvergütung geschuldet werde. § 9 Abs. 3 MTV sei eine spezielle Regelung für Überarbeit. Für die Vergütung von Freizeitausgleich aus anderen Gründen treffe § 9 MTV keine Regelung. Mangels einer anders lautenden Bestimmung sei deshalb für die Berechnung der Vergütung während des Freizeitausgleichs für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit aufgewandte Reisezeiten auch nach der Betriebsvereinbarung das Lohnausfallprinzip maßgeblich (BAG - aaO - Rndziffn. 18, 19).



c) Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem Fall, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde lag, zwar dadurch, dass § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt (hierzu auch Landesarbeitsgericht Hamburg 15. Juli 2015 - 6 Sa 15/15 -, [...]). Er unterscheidet sich ferner dadurch, dass hinsichtlich der Überarbeit beziehungsweise Überstunden unterschiedliche Regelungen vorliegen, auch betreffend die Zuschlagspflicht der geleisteten Überstunden.



Hinsichtlich der Zeitzuschläge für "geleistete Arbeit" beziehungsweise "tatsächlich geleistete Arbeit" liegen indessen vergleichbare Regelungen vor. Das Bundesarbeitsgericht hat die tatsächliche Arbeitsleistung entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht jenseits des Anwendungsbereichs von § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG als Anspruchsvoraussetzung beziehungsweise als anders lautende Bestimmung des Tarifvertrages angesehen. Während der dortigen Klägerin folglich die streitigen Zeitzuschläge nach dem Lohnausfallprinzip zugesprochen wurden, ist das hier - aus den dargelegten Gründen - nicht der Fall.



Die angefochtene Entscheidung war deshalb auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.



C



Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Revision war zuzulassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG.

Meyer
Michalski
Seez

Verkündet am 16.08.2017

Vorschriften§ 9 Abs. 1 MTV, § 10 Abs. 1, Abs. 2 MTV, § 11 Abs. 2 MTV, § 14 MTV, § 14 Abs. 5 MTV, § 18 Abs. 1 MTV, § 20 MTV, § 18 MTV, § 293 BGB, § 615 Satz 1 BGB, §§ 64 Abs. 6, 69 Abs. 3 ArbGG, §§ 525 Satz 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 520 Abs. 1, Abs. 3, 513 Abs. 1 ZPO, §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB, § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, § 611 BGB, §§ 293 ff. BGB, § 294 BGB, § 295 BGB, §§ 293, 294 BGB, § 295 Satz 1 BGB, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 6 MTV, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 bis 5 MTV, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 MTV, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1, Satz 3 MTV, § 106 Satz 1 GewO, § 7 Abs. 1 BUrlG, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 MTV, § 397 BGB, § 615 BGB, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 6, Unterabs. 3 MTV, §§ 293 ff., 615 Satz 1 BGB, § 14 Abs. 3, Abs. 4 MTV, § 78 Satz 2 BetrVG, §§ 20, 14 Abs. 5 MTV, § 20 Abs. 1 MTV, § 14 Abs. 5 Unterabs. 3 MTV, § 20 Abs. 1 a) MTV, § 12 Abs. 1 Unterabs. 1 MTV, § 12 Abs. 5 MTV, § 14 Abs. 3 MTV, § 22 MTV, § 23 Abs. 1 MTV, § 30 Abs. 7 MTV, § 13 Abs. 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 BUrlG, § 14 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 3 MTV, § 23 MTV, § 9 Abs. 3 MTV, § 9 MTV, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG

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