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31.08.2017 · IWW-Abrufnummer 196269

Amtsgericht Heidelberg: Beschluss vom 26.07.2017 – 16 OWi 432/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


AG Heidelberg

Beschluss vom 26.07.2017

16 OWi 432/17

Auf den Antrag des Verteidigers wird die Bußgeldbehörde ver­pflich­tet, dem Betroffenen bzw. sei­nem Verteidiger Einsicht in die Unterlagen zu ge­wäh­ren, aus de­nen sich durch­ge­führ­te Wartungs- und/oder Reparaturarbeiten so­wie Eichungen (Wartungsbuch, Lebensakte o.a.) er­ge­ben. Die Einsicht kann auch durch Übersendung ei­ner Kopie der­sel­ben er­fol­gen.

Die Verwaltungsbehörde wird fer­ner ver­pflich­tet, dem Betroffenen bzw. des­sen Verteidiger Einsicht in die Unterlagen zu ge­wäh­ren, aus de­nen sich die ver­kehrs­recht­li­che Anordnung der Geschwindigkeitsbegrenzung am Tattag am Tatort er­ge­ben.

Die Verwaltungsbehörde wird fer­ner ver­pflich­tet, ei­nem vom Betroffenen oder des­sen Verteidiger be­auf­trag­ten, öf­fent­lich be­stellt und ver­ei­dig­ten Sachverständigen für Verkehrsmesstechnik den ge­sam­ten Datensatz der Messreihe nebst Token und Passwort zur Verfügung zu stel­len.

Die Verwaltungsbehörde wird fer­ner ver­pflich­tet, dem Verteidiger die Statistikdatei für die Messreihe am Tattag - so­fern vor­han­den - zur Verfügung zu stel­len.

Im Übrigen wird der Antrag zu­rück­ge­wie­sen.

Kosten des Verfahrens wer­den in­so­weit der Staatskasse auf­er­legt.

Gründe:

Der Betroffene bzw. sein Anwalt be­an­trag­ten u.a. Einsicht in das Wartungshandbuch bzw. die Lebensakte.

Nach Mitteilung der Bußgeldbehörde be­stehe kei­ne ge­setz­li­che Verpflichtung zum Führen ei­ner Lebensakte und die Polizei in Baden-Württemberg füh­re auch kei­ne Lebensakte. Vom Grundsatz her ist die­se Mitteilung zwar zu­tref­fend; gleich­wohl muß der Betroffene in die Lage ver­setzt wer­den, die Zuverlässigkeit des ein­ge­setz­ten Gerätes zu über­prü­fen bzw. über­prü­fen zu las­sen. Insbesondere Reparaturen kurz nach der vor­lie­gen­den Messung kön­nen dar­auf hin­deu­ten, dass ein Gerätedefekt be­reits bei der Messung vor­lag und die­ser Einfluß auf das Messergebnis ge­nom­men ha­ben kann.

Gerade im Ordnungswidrigkeitenrecht wird das Akteneinsichtsrecht im­mer um­fas­sen­der und groß­zü­gi­ger ge­hand­habt, um den Betroffenen und sei­nen Verteidiger in die Lage zu ver­set­zen, die Ordnungsgemäßheit von Messungen be­reits im Vorverfahren über­prü­fen zu kön­nen. Dazu ge­hört eben auch, die Fehler- und Reparaturanfälligkeit ei­nes ein­ge­setz­ten Messgerätes zu über­prü­fen, um so die Erfolgsaussichten ei­nes Rechtsmittels ab­schät­zen zu kön­nen.

Entsprechendes gilt für ei­ne Statistikdatei, aus der sich ent­neh­men läßt, wie zu­ver­läs­sig das ein­ge­setz­te Messgerät ar­bei­tet.

Daher be­stehen kei­ne Bedenken, ei­nem Verteidiger - als Organ der Rechtspflege - Einsicht in der­ar­ti­ge Unterlagen zu ge­wäh­ren.

Im Grundsatz ist auch der Hinweis der Verwaltungsbehörde zu­tref­fend, dass Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung un­ab­hän­gig von der ver­kehrs­recht­li­chen Anordnung Außenwirkung ha­ben und von Kraftfahrern zu be­ach­ten sind. Gleichwohl ist na­tür­lich auch hier bei der Festsetzung des Bußgeldes zu be­rück­sich­ti­gen, ob die auf­ge­stell­ten Verkehrsschilder der ver­kehrs­recht­li­chen Anordnung ent­spre­chen und da­mit die Verkehrsreglung den ört­li­chen Gegebenheiten im Sinne ei­ner Gefahrenabwehr ent­spre­chen. Um dem Verteidiger ei­ne ent­spre­chen­de Argumentation zu er­mög­li­chen, ist er auf Einsicht in die ver­kehrs­recht­li­che Anordnung an­ge­wie­sen.

Zuletzt ist dem Betroffenen bzw. dem Verteidiger auch die Möglichkeit ein­zu­räu­men, die kon­kre­te Messung zu über­prü­fen. Dies wie­der­um ist nur an­hand der ge­sam­ten Messreihe mög­lich, um even­tu­el­le Unregelmäßigkeiten fest­stei­len zu kön­nen. Allerdings sind re­gel­mä­ßig we­der der Betroffene, noch der Verteidiger in der Lage, selbst Einsicht in die Messreihe zu neh­men, da zu­min­dest die not­wen­di­gen Softwareprogramme re­gel­mä­ßig nicht vor­han­den sind, ge­schwie­ge denn das er­for­der­li­che Fachwissen vor­han­den ist, um die ein­zel­nen Messungen zu in­ter­pre­tie­ren und mit­ein­an­der zu ver­glei­chen. Hierfür wird in der Regel ein Sachverständiger be­nö­tigt.

Diesem ist da­her - oh­ne den Umweg über Betroffenen oder Verteidiger - Einsicht in die ge­sam­te Messreihe zu ge­wäh­ren. Auf ent­spre­chen­de Anforderung hin ist ei­nem Sachverständigen, so­fern er für die­ses Sachgebiet öf­fent­lich be­stellt und ver­ei­digt ist, auf die Messreihe nebst den Zugangsdaten zu über­sen­den.

Datenschutzrechtliche Bedenken grei­fen dem­ge­gen­über nicht durch. Als Erfüllungsgehilfe ei­nes Verteidigers ist auch ein Sachverständiger zur Verschwiegenheit ver­pflich­tet. Worauf er bei Übersendung der Daten noch­mals hin­zu­wei­sen wä­re. Zudem ist auch nicht er­sicht­lich, in­wie­weit hier schutz­wür­di­ge Interessen Dritter in ei­nem sol­chen Maße tan­giert wä­re, dass Einsicht bzw. Versendung der Daten ver­wei­gert wer­den könn­ten.

Zunächst ha­ben sich die Dritten de­ren Daten in die Messreihe ge­langt sind, sich die­sem Umstand selbst zu­zu­schrei­ben. Jeder Verkehrsteilnehmer weiß, dass im Falle ei­nes Verkehrsverstoßes sei­ne Daten fest­ge­hal­ten wer­den. Will er dies ver­mei­den, braucht er sich nur ge­set­zes­kon­form zu ver­hal­ten. Ferner ist nicht er­sicht­lich, wie hier in die Rechte Dritter ein­ge­grif­fen wer­den könn­te. Die Fahrzeugdeuten, die in der Messreihe er­sicht­lich sind - al­so die Fahrzeugkennzeichen - sind nur für die Verwaltungsbehörde aus­wert­bar, da nur sie Zugriff auf die­se Daten hat. Weder der Betroffene, noch der Verteidiger, noch der Sachverständige ha­ben die Möglichkeit, über das Kennzeichen die Halterdaten zu er­mit­teln. Noch viel we­ni­ger be­steht dann die Möglichkeit, über das Fahrerbild die je­wei­li­gen Betroffenen aus­fin­dig zu ma­chen.

Daher ist für das Gericht nicht nach­voll­zieh­bar, dass per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten Dritter da­durch ge­schützt wer­den könn­ten, dass die Übersendung der Messdaten an ei­nen öf­fent­lich be­stellt und ver­ei­dig­ten Sachverständigen ver­wei­gert wür­de.

Der Antrag auf ge­richt­li­che Entscheidung ist nach §§ 62, 108 Abs. 1 Nr. 3 OWiG zu­läs­sig und auch über­wie­gend be­grün­det.

Diese Entscheidung ist nicht an­fecht­bar.

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