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19.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193986

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 06.04.2017 – 11 U 65/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


11 U 65/15
17 O 312/14 LG Kiel          

Verkündet am 06.04.2017
   
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.  <leer>, den Richter am Oberlandesgericht Dr.  <leer> und den Richter am Oberlandesgericht  <leer> auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2017 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.05.2015 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 77.381,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte erbte im Jahr 2007 ein im Jahr 1906 gebautes Mietshaus in  K1. In den Gehweg vor der Haustür war seit Jahrzehnten ein Fußabtreter in Gestalt eines metallenen Gitterrosts eingelassen. Dieses Gitterrost wies rautenförmige Öffnungen von 4 cm x 7,3 cm auf; seine genaue Gestaltung und seine Lage ergibt sich aus den als Anlagen K 1 – 8 eingereichten Fotos (Bl.25-34). Bis zum 28.10.2011 kam es nicht zu Unfällen beim Betreten des Gitterosts. Die Hausverwaltung oblag durchgehend der Firma  G1  K1 Hausverwaltung GmbH.
Mieterin einer der Wohnungen war die Tochter der Klägerin.

Die Klägerin hat behauptet, das Gitterrost sei gefährlich und im Dunkeln nicht erkennbar gewesen. Deshalb sei sie am Morgen des 28.10.2011, als sie nach einem Besuch bei ihrer Tochter um 07.30 Uhr, also vor Beginn der Dämmerung, das Haus verlassen habe, mit dem Absatz ihres rechten Schuhs dort hängen geblieben und gestürzt. Hierdurch habe sie sich erheblich verletzt und sei viele Monate arbeitsunfähig gewesen. Mit dieser Begründung hat die Klägerin der Beklagten vorgeworfen, schuldhaft ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben, und hat von ihr Schmerzensgeld und Sachschadensersatz in Höhe von insgesamt 77.381,38 € nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte hat den Vorwurf einer Pflichtverletzung zurückgewiesen und auch den behaupteten Unfall bestritten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Nach Beweisaufnahme über den Unfallhergang hat das Landgericht mit dem angefochtenen Grundurteil die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin den durch den Sturz entstandenen Schaden zu ersetzen. In den Gründen heißt es, die Klägerin habe den behaupteten Sturz bewiesen. Ferner sei die Gestaltung des Gitterrosts in der Tat als verkehrswidrig anzusehen, denn solche Gitterroste seien so zu gestalten, dass ein Hängenbleiben ausgeschlossen sei. Für die Beklagte sei die Gefahr auch erkennbar gewesen, nicht aber für die Klägerin, der deshalb auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden vorzuwerfen sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie geltend macht, dass ihr die besondere Gestaltung des Gitterrosts keineswegs vorzuwerfen sei.

Die Beklagte beantragt, wie folgt zu erkennen:

Unter Abänderung des am 15.05.2015 verkündeten Grundurteils wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Grundurteil.

II.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO wird die Abänderung der angefochtenen Entscheidung kurz begründet.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen dem angefochtenen Grundurteil ist die Beklagte der Klägerin nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Auch wenn man den von der Klägerin behaupteten Unfallhergang mit dem Landgericht für erwiesen hält, ist nicht festzustellen, dass die Beklagte schuldhaft Pflichten verletzt hätte, die ihr als Hauseigentümerin oder auch - möglicherweise mit Schutzwirkung auch für die Klägerin – als Vermieterin oblagen.

Zwar weicht die Gestaltung des beanstandeten Gitterrosts mit den verhältnismäßig großen Öffnungen zwischen den einzelnen Gitterstäben von der Gestaltung üblicher, insbesondere neuerer Gitterroste ab. Durch diese Abweichung wurde aber die Gefahr, dass ein Damenschuh mit hohem Absatz hängen blieb, nicht wesentlich erhöht. Jedes Gitterost begründet die Gefahr, mit Damenschuhen der von der Klägerin seinerzeit getragenen Art hängen zu bleiben. Die Absätze dieser Schuhe, die auch dem Senat vorgelegen haben und in den Anlagen K 90 – K 92 (Bl.153-155) abgebildet sind, messen in Querrichtung 2,5 cm und in Längsrichtung 1,5 cm. Bei handelsüblichen Fußabtreter-Gitterrosten mit quadratischen Öffnungen von etwa 3 cm Breite ist zwar die Wahrscheinlichkeit, mit dem Absatz gerade zwischen zwei Stege zu geraten, etwas geringer. Wenn dies aber dennoch einmal geschieht, ist hier die Gefahr, dass der Absatz zwischen den Stegen hängen bleibt, sogar eher noch größer.

Da Fußabtreter-Gitteroste vor Wohnhäusern der in Rede stehenden, älteren Art gerichtsbekannt üblich sind, darf der Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen, dass Bewohner und Besucher dort damit rechnen (vgl. für Gummimatten vor dem Eingang eines Theaters: OLG Hamm, Beschluss vom 13.04.2016, 11 U 127/15). Deshalb darf der Verkehrssicherungspflichtige auch darauf vertrauen, dass Trägerinnen von Schuhen mit hohen Absätzen angemessen auf diese erkennbare Gefahr reagieren, indem sie auf Gitterroste solcher Art besonders achten und entweder seitlich daran vorbei gehen, wie es ausweislich der Fotos (insbesondere Anlage K 2, Bl.26) auch für die Klägerin ohne Schwierigkeit möglich war, oder aber den Schritt auf das Gitterrost nicht mit dem Absatz, sondern mit dem Ballen setzen. Mit einem Gitterrost vor der Haustür musste die Klägerin auch dann rechnen, wenn es dort, wie sie behauptet, dunkel war. Der Bereich vor einer Haustür muss nicht stets aus Sicherheitsgründen ausgeleuchtet sein. Auch in anderen nicht beleuchteten Bereichen etwa auf öffentlichen Gehwegen ist stets mit Gullys und ähnlichen Öffnungen zu rechnen, die mit hohen Absätzen nicht gefahrlos betreten werden können. Überdies kann angesichts der Hausflurbeleuchtung sowie des Umstandes, dass es sich um eine dicht bebaute Wohngegend handelt, auch außerhalb der Haustür keine vollständige Dunkelheit geherrscht haben.

Auch in dem von der Klägerin ins Feld geführten und von der Beklagten als Anlage B2 (Bl.141ff) eingereichten „Merkblatt für Metallroste“ wird zwar für Gitterroste eine lichte Weite von nur höchstens einem Zentimeter empfohlen, dies aber nur für öffentliche Verkehrswege, z.B. vor Eingängen von allgemein zugänglichen Gebäuden oder vor Schaufenstern (Nr.2.5.2). Für den Eingangsbereich eines privaten Wohnhauses gelten auch dann, wenn das Haus vermietet ist, nicht gleich strenge Sicherheitsanforderungen wie für öffentliche Verkehrswege. Für rechteckige Öffnungen in Gitterrosten, die für Schüttgut durchlässig sein, aber auch begangen werden sollen, werden in dem erwähnten Merkblatt deutlich größere Höchstmaße genannt (12 cm x 4 cm). Zwar erscheint zweifelhaft, ob dasjenige, was ein Fußabtreter von den Schuhen entfernen soll, als Schüttgut bezeichnet werden kann, wie die Beklagte meint. Jedenfalls aber ist dem technischen Regelwerk insgesamt keine hinreichend deutliche Aussage zu entnehmen, gegen die die Gestaltung des Fußabtreters verstoßen hätte.

Auch die von der Klägerin und dann auch vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 15.06.1998 (16 U 6/98), wonach quadratische Öffnungen mit Seitenlängen von 3 cm zu groß sind, stellt maßgeblich auf die Besonderheiten in öffentlichen Bereichen ab (Juris-Rn.8) sowie auf die erhöhten Sicherungspflichten eines Gastwirts, der nämlich mit alkoholisierten und besonders abgelenkten Gästen rechnen müsse (Juris-Rn.6). Auch die dort entwickelten Grundsätze lassen sich deshalb nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse vor dem Eingang eines privaten Wohnhauses übertragen.

Letztlich spricht auch der Umstand, dass die Klägerin die Verwaltung des geerbten Hauses in professionellen Händen beließ und der Fußabtreter jahrzehntelang unfallfrei benutzt und – soweit ersichtlich – auch nie beanstandet wurde, eher gegen die Annahme, dass gegen die Beklagte ein Verschuldensvorwurf zu erheben wäre.

Dem Antrag der Klägerin, die Revision zuzulassen, war nicht nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zu entsprechen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Von der von der Klägerin ins Feld geführten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm weicht der Senat – wie dargestellt – nicht ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren entspricht dem Wert der bezifferten Klage (vgl. Schneider u.a., Streitwertkommentar, Rn.4716).

RechtsgebietBGBVorschriften§ 823 BGB

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