11.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193783
Landgericht Dortmund: Beschluss vom 13.01.2017 – 34 Qs 70/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
34 Qs-112 Js 398/16-70/16 Landgericht Dortmund
762 Ls 51/16 Amtsgericht Dortmund
Beschluss
In der Strafsache
gegen L,
geboren am ### #### #### in V, arbeitslos,
zuletzt unbekannten Aufenthaltes,
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt E,
türkischer Staatsangehöriger, ledig
Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. C,
P-Weg, E
hat die 34. große Strafkammer des Landgerichts Dortmund
durch den Richter X
am 13.01.2017 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Dortmund wird der
Beschluss des Amtsgerichts Dortmund – Az. 726 Ls-112 Js 398/16-113/16 – vom
01.12.2016 abgeändert:
Die Erinnerung vom 04.11.2016 wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte gegen den Verurteilen L, teilweise
gemeinsam mit dem ursprünglich Mitangeklagten T, eine Vielzahl von Anklagen
sowohl zum Schöffengericht als auch zum Strafrichter bei dem Amtsgericht
Dortmund erhoben. Diese Anklagen wurden jeweils eröffnet und zu dem führenden
Verfahren 762 Ls-112 398/16-51/16 hinzuverbunden. Durch Beschluss vom
10.08.2016 wurde dem Verurteilten Rechtsanwalt Dr. C als Pflichtverteidiger
beigeordnet. In der Sache 762 Ls-112 398/16-51/16 fand am 26.09.2016 ein
Hauptverhandlungstermin statt. In diesem teilte der Vorsitzende mit, dass u.a.
hinsichtlich einer weiteren Anklage (111 Js 615/16) die Einlassungs- und
Ladungsfristen zu diesem Termin am 26.09.2016 nicht gewahrt werden könnten und
insoweit die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden könne. Der Verurteilte
L erklärte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, auf Einlassungs- und
Ladungsfristen zum Hauptverhandlungstermin in dieser Sache zu verzichten. Zur
Zustellung wurden ihm und seinem Verteidiger Abschriften genannter Anklageschrift
übergeben. Sodann wurde das Verfahren 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 durch
Beschluss des Amtsgerichts ebenfalls zum führenden Verfahren 762 Ls-112
398/16-51/16 hinzuverbunden, die Anklage sodann zur Hauptverhandlung zugelassen
und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - eröffnet. Durch
Beschluss in der Hauptverhandlung am 26.09.2016 wurde ebenfalls klargestellt,
dass sich die Pflichtverteidigerbestellung des Verteidigers Dr. C auf sämtliche
verbundenen Verfahren bezog.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Verteidiger mit Schreiben vom
27.09.2016 die Festsetzung der Gebühren auf 2.268,50 €.
Darin enthalten war hinsichtlich des Verfahrens 762 Ls-111 Js 615/16-111/16
eine Terminsgebühr für die Teilnahme an dem Hauptverhandlungstermin am
26.09.2016 - VV 4109 - in Höhe von 268,00 € nebst Mehrwertsteuer. U.a. unter
Abzug dieses Betrags setzte das Amtsgericht Dortmund am 27.10.2016, dem
Verteidiger am 03.11.2016 zugestellt, die zu erstattenden Gebühren und Auslagen
auf 1.925,78 € fest. Zur Begründung führte es aus, dass im genannten Verfahren
kein separater Aufruf erfolgt und deshalb keine Terminsgebühr entstanden sei.
Gegen die Festsetzung legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 04.11.2016,
eingegangen beim Amtsgericht am 07.11.2016, hinsichtlich der nicht gewährten
Terminsgebühr Erinnerung ein. Zur Begründung führte er mit Verweis auf eine
Entscheidung des LG Düsseldorf aus, dass für das Entstehen der Terminsgebühr
kein förmlicher Aufruf der Sache notwendig sei, vielmehr könne der Verteidiger
auch dann eine Terminsgebühr verlangen, wenn der Vorsitzende - wie hier - durch
Ankündigung der Verbindung zu erkennen gegeben habe, die Hauptverhandlung auch
in dem zu verbindenden Verfahren durchführen zu wollen und der Angeklagte und
der Verteidiger auf die Einhaltung der Fristen der §§ 216, 217 StPO verzichtet
haben. Die Bezirskrevisorin bei dem Amtsgericht Dortmund beantragte in ihrer
Stellungnahme vom 24.11.2016, die Erinnerung als unbegründet zu verwerfen und
begründete dies damit, dass eine Terminsgebühr mangels Hauptverhandlung im
Verfahren 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 nicht angefallen sei. Die Zulassung der
Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens seien nämlich erst nach
Verfahrensverbindung erfolgt. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung am
29.11.2016 nicht abgeholfen und diese dem Amtsgericht Dortmund zur Entscheidung
vorgelegt.
Das Amtsgericht hat auf die Erinnerung die Festsetzung vom 27.10.2016 mit
Beschluss vom 01.12.2016 dahingehend abgeändert, dass dem Verteidiger weitere
268,00 € nebst Mehrwertsteuer zu erstatten sind und dies damit begründet, dass
der Gegenstand des Verfahrens 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 im Rahmen der
Hauptverhandlung erörtert worden sei und der Angeklagte auf Einlassungs- und
Ladungsfristen verzichtet habe, wodurch ein weiterer, höhere Kosten für die
Staatskasse auslösender, Termin entbehrlich geworden sei.
Gegen diesen, ihr am 08.12.2016 zugestellten, Beschluss hat die
Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Dortmund mit Schreiben vom 08.12.2016 (bei
dem auf den 08.12.2009 datierten Beschwerdeschreiben handelt es sich um ein
offensichtliches Schreibversehen) Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde ging
beim Landgericht Dortmund am 16.12.2016 ein. Zur Begründung hat die
Bezirksrevisorin zunächst auf ihre Stellungnahme vom 24.11.2016 verwiesen und
ergänzend ausgeführt, dass das Entstehen der Terminsgebühr nicht nur den Beginn
der Hauptverhandlung, sondern auch eine – hier zum Zeitpunkt der Erörterungen
über den Verfahrensgegenstand fehlende – Eröffnungsentscheidung voraussetze.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde der Bezirksrevisorin nicht abgeholfen und
ergänzend mitgeteilt, dass es darauf angewiesen sei, dass die Verteidiger zu
unkomplizierten Lösungen bereit seien und unnötiger Formalismus vermieden
werden solle.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der
Sache Erfolg, da das Amtsgericht der Erinnerung des Verteidigers zu Unrecht
stattgegeben hat. Dem Verteidiger steht keine Terminsgebühr i.H.v. 268,00 € für
das in der Hauptverhandlung hinzuverbundene und sodann eröffnete Verfahren 762
Ls- 111 Js 615/16-111/16 zu.
Nach Vorbemerkung 4 (3) VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme an
gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nr. 4109 VV RVG
weist als Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in Verfahren des ersten
Rechtszuges vor dem Amtsgericht für den gerichtlich bestellten oder
beigeordneten Verteidiger eine Gebühr in Höhe von 268,00 € aus, wenn sich der
Angeklagte – wie vorliegend – nicht auf freiem Fuß befindet (Vorbemerkung 4 (4)
VV RVG).
Für die Entstehung einer Terminsgebühr bei Verfahren, die erst in der
Hauptverhandlung verbunden werden, kommt es darauf an, dass in allen Verfahren
eine Hauptverhandlung stattgefunden hat (OLG Dresden, NStZ-RR 2009, 128; OLG
Bremen, NStZ-RR 2013, 128; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Auflage
2015, Nr. 4108–411 VV Rn 12).
Vorliegend hat vor der Verbindung des Verfahrens 762 Ls – 111 Js 615/16 –
111/16 zum führenden Verfahren keine eigenständige Hauptverhandlung in dieser
Sache stattgefunden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass in der später
hinzuverbundenen Sache kein Termin anberaumt war. Eine Terminsgebühr entsteht
nämlich nicht nur, wenn eine Hauptverhandlung anberaumt war
(Gerold/Schmidt/Burhoff, ebd), eine solche kann vielmehr auch dann stattfinden,
wenn der Angeklagte und der Verteidiger auf die dispositiven Förmlichkeiten und
Fristen verzichten. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass kein
ausdrücklicher Aufruf des hinzuverbundenen Verfahrens erfolgt ist. Denn der
Aufruf der Sache ist keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens. Unterbleibt
er, so ist der Beginn der Hauptverhandlung deshalb von dem Zeitpunkt an
anzunehmen, in welchem der Vorsitzende kundgibt, die Verhandlung durchführen zu
wollen (OLG Dresden, a.a.O.). In der Mitteilung des Vorsitzenden, dass
hinsichtlich der Anklage in dem Verfahren 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 die
Einlassungs- und Ladungsfristen nicht eingehalten werden könnten und insoweit
die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden könne, ist jedoch noch kein
Beginn der Hauptverhandlung zu sehen. Denn die Durchführung der
Hauptverhandlung war noch nicht möglich, weil es an der Prozessvoraussetzung
eines Eröffnungsbeschlusses (§§ 203, 207 StPO), im Unterschied zu der vom
Verteidiger zitierten Entscheidung des LG Düsseldorf (Beschluss vom 07.08.2015
- Az. 10 KLs 1/14, beck-online), fehlte und dem Amtsgericht dadurch die
Durchführung der Hauptverhandlung verboten war (vgl. BGH, NStZ-RR 2011, 150;
OLG Hamm, Beschluss vom 06.09.2016 – Az. II-1 Ws 348/16; OLG Dresden, a.a.O.;
OLG Bremen, a.a.O.). Aus demselben Grund liegt auch in der Erklärung des
Angeklagten, dass er mit der Verhandlung in dieser Sache einverstanden sei und
auf die Einhaltung der Einlassungs- und Ladungsfristen verzichte, noch keine
Durchführung einer Hauptverhandlung.
Bei den in diesem Zusammenhang geführten Gesprächen handelt es sich vielmehr um
Erörterungen gemäß § 202a StPO (vgl. OLG Bremen, a.a.O.). Hierfür ist ein
eigenständiger Titel nach dem RVG nicht vorgesehen. Auch eine analoge
Heranziehung anderer Gebührentatbestände kommt nicht in Betracht (vgl. OLG
Bremen, a.a.O., m.w.N.). Nach der sodann erfolgten Verbindung der Verfahren und
anschließenden Eröffnung des Verfahrens 762 Ls-111 Js 615/16-111/16 lag kein
eigenständiges Verfahren mehr vor, so dass auch keine eigene Terminsgebühr
angefallen ist (vgl. OLG Dresden, a.a.O.; OLG Bremen, a.a.O.).
Die Kammer hat gesehen, dass das Amtsgericht zur prozessökonomischen Behandlung
der Verfahren dergestalt auf die Bereitschaft der Angeklagten und insbesondere
der Verteidiger angewiesen sein kann, dass diese ggf. auf Einlassungs- und
Ladungsfristen verzichten. Dies vermag jedoch an dem Umstand nichts zu ändern,
dass in der vorliegenden Konstellation – wie erörtert – von Gesetzes wegen kein
einschlägiger Gebührentatbestand gegeben ist.
Die weitere Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 S. 1 RVG ist nicht
zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; die zugrundeliegende
Rechtsfrage ist obergerichtlich geklärt.
Eine Entscheidung über die Kosten ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 Satz 2 und
3 RVG.