13.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193307
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 21.02.2017 – 1 ABR 62/12
Eine Überlassung von Arbeitnehmern iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG liegt auch dann vor, wenn ein Verein im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ein Mitglied durch Gestellungsvertrag an ein Unternehmen überlasst, damit es bei diesem eine weisungsabhängige Tätigkeit gegen Entgelt verrichtet, und es aufgrund seiner Arbeitsleistung ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt ist.
BUNDESARBEITSGERICHT
Beschluss vom 21.2.2017
1 ABR 62/12
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss
des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Juli 2012 - 6 TaBV 30/12 -
teilweise aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Essen vom 2. Februar 2012 - 3 BV 94/11 - teilweise abgeändert.
Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung
des Betriebsrats zur Einstellung der Krankenschwester K wird abgewiesen.
Das Verfahren wird hinsichtlich des Antrags zu 2. der
Arbeitgeberin und des Widerantrags zu 2. des Betriebsrats eingestellt.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats
zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat
verweigerten Zustimmung zur Einstellung einer DRK-Schwester.
2 Die Arbeitgeberin betreibt eine stationäre Klinik mit etwa 190 Arbeitnehmern.
Dort ist der am Verfahren beteiligte Betriebsrat gebildet.
3 Mit der DRK-Schwesternschaft Essen e. V. (Schwesternschaft) schloss die
Arbeitgeberin im März 2010 einen Gestellungsvertrag. Danach übernimmt es die
Schwesternschaft, Angehörige der pflegenden und pflegenahen Berufe bei der
Arbeitgeberin einzusetzen. Dafür zahlt die Arbeitgeberin die
Bruttopersonalkosten sowie eine Verwaltungspauschale i.H.v. 3 v.H. dieser
Kosten. Nach § 3 Abs. 3 des Gestellungsvertrags unterliegt das
Gestellungspersonal bei seiner Tätigkeit den fachlichen und organisatorischen
Weisungen der zuständigen Stellen der Arbeitgeberin. Die Schwesternschaft ist
gemäß § 10 Abs. 5 des Gestellungsvertrags berechtigt und verpflichtet, im
Katastrophenfall Krankenschwestern im Einvernehmen mit dem Vorstand
vorübergehend anderweitig einzusetzen. Weiter heißt es im Gestellungsvertrag u.a.:
„§ 4
(1)
Für das Gestellungspersonal gelten dieselben Arbeitszeitregelungen wie für die
in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur R stehenden vergleichbaren
Personen.
§ 10
(1)
Alle sich aus den jeweils aktuellen Arbeitssicherheitsbestimmungen,
insbesondere dem Gesetz zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und
weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 07.08.1996 für den Bereich der R
ergebenden Maßnahmen führt die R auf ihre Kosten durch.“
4
Die Schwesternschaft ist nach § 1 Unterabs. 3, § 2 ihrer Satzung i.d.F. vom 3.
Februar 2015 eine Gemeinschaft, die „den Mitgliedern die Ausübung ihres Berufes
im caritativen Geist unter dem Zeichen des Roten Kreuzes ermöglicht und das
Zusammengehörigkeitsbewusstsein festigt“. Sie ist „selbstlos tätig und verfolgt
nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“. Eine Mitgliedschaft zur
Berufsausübung können Personen begründen, die berechtigt sind, einen Beruf in
der Kranken- und Gesundheitspflege auszuüben (§ 4 Abs. IV Nr. 1 der Satzung).
Die ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder sind gemäß § 7 Abs. I der
Satzung verpflichtet, der Schwesternschaft ihre volle Arbeitskraft zur
Verfügung zu stellen. Nach § 7 Abs. II der Satzung üben die Mitglieder ihre
Tätigkeit u.a. im Rahmen von Gestellungsverträgen bei anderen Einrichtungen zur
Pflege kranker oder hilfsbedürftiger Menschen aus. Nach § 7 Abs. II Satz 2 und
Satz 3 der Satzung wird hierdurch kein Arbeits- oder Dienstverhältnis zur
Schwesternschaft begründet. Vielmehr bestimmen sich die Rechte und Pflichten
zwischen der Schwesternschaft und dem einzelnen Mitglied ausschließlich nach
deren Satzung und der Mitgliederordnung für die Schwesternschaften vom
Deutschen Roten Kreuz e. V. in den jeweils gültigen Fassungen. Die Satzung
enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 6
Mitgliedschaft zur Berufsausübung, Einführungszeit
I.
Die Mitgliedschaft zur Berufsausübung beginnt mit einer Einführungszeit. Diese
beträgt ein Jahr und verlängert sich um Fehlzeiten, soweit diese insgesamt
einen Monat überschreiten.
…
II.
Während der Einführungszeit kann die Mitgliedschaft beiderseits mit einer Frist
von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats für beendet erklärt werden. Die
Erklärung bedarf der Schriftform.
§ 8
Ausschluß aus der Schwesternschaft und Widerruf der Aufnahme
1.
Jedes Mitglied kann aus der Schwesternschaft ausgeschlossen werden, wenn ein
wichtiger Grund vorliegt.
2.
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn das Mitglied … übernommene
Pflichten nachhaltig verletzt, insbesondere bei Ausübung der beruflichen
Tätigkeit, oder wenn es in sonstiger Weise durch sein Verhalten die
Gemeinschaft erheblich stört und es dieses Verhalten trotz eines schriftlichen
Hinweises auf die im Wiederholungsfall drohenden Folgen fortsetzt. Der Hinweis
auf den drohenden Ausschluß kann nur dann unterbleiben, wenn der
Schwesternschaft eine Fortsetzung der Mitgliedschaft nicht zumutbar ist.“
5
Die Schwesternschaft ist über ihre Mitgliedschaft im Verband der
Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e. V. dem Deutschen Roten Kreuz e.
V. (DRK) angeschlossen. Sie verfügt seit Dezember 2011 über eine Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung.
6
Die Mitgliederordnung für die Schwesternschaften i.d.F. vom 5. Juli 2006
(Mitgliederordnung) lautet auszugsweise:
„Artikel 2
Berufliche Tätigkeit
3.
Vergütung
Das Mitglied … erhält während seiner Mitgliedschaft
a)
eine monatliche Zahlung (Vergütung), deren Berechnung sich nach den für die
jeweilige Tätigkeit üblichen Kriterien richtet,
b)
Zulagen, Zuwendungen, Reise- und Umzugskosten in entsprechender Anwendung der
für das jeweilige Arbeitsfeld geltenden Bedingungen,
c)
Versicherungsschutz gegen eine schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme aus
seiner beruflichen Tätigkeit, soweit dieses Risiko üblicherweise versicherbar
ist,
d)
eine Anwartschaft auf ein zusätzliches Ruhegeld b…
Die Sozial- und Arbeitslosenversicherung sowie der Versicherungsschutz gegen
Berufskrankheit und Arbeitsunfall richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
4.
Erholungsurlaub
Das Mitglied erhält einen jährlichen Erholungsurlaub in entsprechender
Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen und der im jeweiligen Arbeitsfeld
geltenden Bestimmungen.
…
7.
Unfall und Krankheit
Für diejenigen Mitglieder, die Anspruch auf eine monatliche Zahlung (Vergütung)
haben, gilt im Falle einer durch Unfall oder Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit
folgende Regelung:
a)
Das Mitglied erhält Krankenbezüge bis zum Ende der sechsten Woche. …
…
c)
Für die Mutterschutzzeiten und die Elternzeit gelten die allgemeinen
gesetzlichen Regelungen in der jeweils gültigen Fassung.
d)
Hat das Mitglied nicht mindestens 6 Monate wieder gearbeitet und wird es
aufgrund derselben Ursache erneut arbeitsunfähig, werden die Krankenbezüge für
beide Erkrankungen nicht über die maßgebende Bezugszeit hinaus gewährt.
e)
…
Bei einem ärztlicherseits verordneten und von dem Maßnahmeträger genehmigten
und durchgeführten Kur- oder Heilverfahren erhält das Mitglied die ihm
zustehenden Leistungen für höchstens 6 Wochen.
7
Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat mit einem am 25. November 2011
zugegangenen Schreiben darüber, auf der Grundlage des Gestellungsvertrags mit
der Schwesternschaft solle deren Mitglied Frau K zum 1. Januar 2012 eingestellt
werden. Gleichzeitig legte sie deren Bewerbungsunterlagen vor und teilte mit,
die personelle Maßnahme werde vorläufig durchgeführt. Der Betriebsrat
verweigerte mit am 2. Dezember 2011 zugegangenem Schreiben vom selben Tag seine
Zustimmung zur Einstellung. Der Einsatz von Frau K sei nicht vorübergehend und
verstoße damit gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
8
Mit ihrem am 2. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die
Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung
und die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der personellen Maßnahme
begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Zustimmungsverweigerungsgrund
bestehe nicht. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz finde keine Anwendung, weil
Frau K Mitglied der Schwesternschaft und nicht deren Arbeitnehmerin sei.
9
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
1. die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der
Krankenschwester Frau K als Krankenschwester auf der Station S5 ab dem 1.
Januar 2012 aufgrund des Gestellungsvertrages zwischen ihr und der
DRK-Schwesternschaft Essen e. V. zu ersetzen,
2. festzustellen, dass die Beschäftigung der DRK-Krankenschwester Frau K auf
der Station S5 ab dem 1. Januar 2012 aus sachlichen Gründen dringend
erforderlich ist.
10
Der Betriebsrat hat Antragsabweisung sowie im Wege des Widerantrags beantragt
1. festzustellen, dass die vorläufige Einstellung der Mitarbeiterin K nicht aus
sachlichen Gründen dringend erforderlich ist,
2. festzustellen, dass er berechtigt ist, der Einstellung von Beschäftigten,
die von der DRK-Schwesternschaft Essen e. V. gestellt werden, die Zustimmung
mit der Begründung zu verweigern, dass die Beschäftigung dieser Personen gegen
§ 1 AÜG verstößt, da es sich um Arbeitnehmerüberlassung handelt, die nicht
vorübergehend im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erfolgt.
11
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben und die des
Betriebsrats abgewiesen. Die Beschwerde des Betriebsrats blieb erfolglos. Mit
der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat
sein Begehren weiter.
12
Mit Beschluss vom 17. März 2015 (- 1 ABR 62/12 [A] - BAGE 151, 131) hat der
Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union
(Gerichtshof) gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:
„Findet Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit Anwendung auf
die Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein anderes Unternehmen zur
Arbeitsleistung nach dessen fachlicher und organisatorischer Weisung, wenn sich
das Vereinsmitglied bei seinem Vereinsbeitritt verpflichtet hat, seine volle Arbeitskraft
auch Dritten zur Verfügung zu stellen, wofür es von dem Verein eine monatliche
Vergütung erhält, deren Berechnung sich nach den für die jeweilige Tätigkeit
üblichen Kriterien richtet, und der Verein für die Überlassung den Ersatz der
Personalkosten des Vereinsmitglieds sowie eine Verwaltungskostenpauschale
erhält?“
13
Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 17. November 2016 (- C-216/15 -) wie folgt
entschieden:
„Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen, dass die
durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein
Gestellungsentgelt erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein
entleihendes Unternehmen, damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und
unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den
Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser
Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist, was zu prüfen
Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied nach
nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag
geschlossen hat.“
14
Die Beteiligten halten auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs an ihren
Anträgen fest.
15
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist teilweise begründet. Entgegen der
Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Zustimmung des Betriebsrats zur
Einstellung von Frau K nicht zu ersetzen (unter I). Damit erübrigt sich eine
Entscheidung über den weiteren Antrag der Arbeitgeberin sowie den Widerantrag
zu 1. des Betriebsrats (unter II). Im Übrigen bleibt die Rechtsbeschwerde des
Betriebsrats erfolglos (unter III).
16
I. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats
zur Einstellung von Frau K ist unbegründet.
17
1. Der Arbeitgeberin steht für ihren auf § 99 Abs. 4 BetrVG gestützten Zustimmungsersetzungsantrag
das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (dazu BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 91/11 -
Rn. 15, BAGE 145, 355) zu. In ihrem Unternehmen sind in der Regel mehr als 20
wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Eine personelle Einzelmaßnahme bedarf
daher nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Bei dem
Einsatz von Frau K handelt es sich um eine zustimmungspflichtige Einstellung
(vgl. BAG 8. November 2016 - 1 ABR 57/14 - Rn. 14 f.). Sie wird in den Betrieb
der Arbeitgeberin eingegliedert. Die Arbeitgeberin übt - wie in § 3 Abs. 3 des
Gestellungsvertrags vorgesehen - ihr gegenüber die für ein Arbeitsverhältnis
typischen Weisungsbefugnisse aus.
18
2. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren in Bezug auf die
beabsichtigte Einstellung von Frau K ordnungsgemäß eingeleitet.
19
a) Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine
ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber i.S.v. § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus. Dieser hat den Betriebsrat über die geplante
personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu
unterrichten. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem
Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer
der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist
(vgl. BAG 14. April 2015 - 1 ABR 58/13 - Rn. 16 mwN). Sofern die vom
Arbeitgeber gemachten Angaben nicht offenkundig unvollständig sind, kann dieser
davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben (vgl. BAG 10.
Juli 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 19 mwN, BAGE 145, 355).
20
b) Danach wurde der Betriebsrat ausreichend über die geplante Einstellung von
Frau K unterrichtet. Ihm wurden ihre Personalien, der in Aussicht genommene
Arbeitsplatz sowie der Beginn des Einsatzes mitgeteilt und ihre
Bewerbungsunterlagen vorgelegt. Nicht erforderlich war die Übermittlung einer
Erklärung der Schwesternschaft nach § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG. Da die
Krankenschwester als Vereinsmitglied der Schwesternschaft auf der Grundlage des
Gestellungsvertrags eingesetzt werden sollte, durfte die Arbeitgeberin bei
Einleitung des Zustimmungsverfahrens davon ausgehen, es liege keine
erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vor.
21
3. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG
als erteilt. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 2. Dezember 2011, bei der
Arbeitgeberin am selben Tag eingegangen, die Zustimmung fristgerecht,
schriftlich und unter Angabe von Gründen iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG
verweigert. Mit seiner Begründung, die dauerhafte Einstellung von Frau K
verstoße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, hat er einen
Zustimmungsverweigerungsgrund i.S.d. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG geltend gemacht.
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4. Der Betriebsrat konnte seine Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
stützen.
23
a) Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme nach §
99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz verstößt.
Hierfür kommt es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
über das Zustimmungsersetzungsgesuch an (BAG 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 -
Rn. 18).
24
b) Der Betriebsrat hat danach die Zustimmung zu Recht verweigert. Die
dauerhafte Überlassung von Frau K an die Arbeitgeberin verstößt gegen § 1 Abs.
1 Satz 2 AÜG in der seit dem 1. Dezember 2011 geltenden Fassung. Diese
Vorschrift, die eine mehr als vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern an
Entleiher verbietet, ist ein Verbotsgesetz i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG,
dessen Verletzung den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung zur
Einstellung berechtigt (ausf. BAG 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 - Rn. 40
ff.).
25
aa) Der Einsatz von Frau K bei der Arbeitgeberin ist Arbeitnehmerüberlassung i.S.d.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Das gibt die unionsrechtskonforme Auslegung dieser
Vorschrift vor.
26
(1) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten
(Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Die Regelung
stellt nicht nur die Überlassung von Arbeitnehmern an Dritte unter einen
Erlaubnisvorbehalt, sondern bestimmt zudem - wie § 1 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4
AÜG zeigen -, wann eine Arbeitnehmerüberlassung i.S.d.
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorliegt. Eine solche ist nach bisherigem
Verständnis gegeben, wenn es sich bei der zur Arbeitsleistung an einen
Entleiher überlassenen Person um einen Arbeitnehmer des Verleihers handelt
(vgl. BAG 9. November 1994 - 7 AZR 217/94 - zu II der Gründe, BAGE 78, 252).
Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Arbeitnehmerbegriff
ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste
eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in
persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 17. September 2014 - 10 AZB
43/14 - Rn. 18, BAGE 149, 110). Mitglieder der DRK-Schwesternschaften sind nach
der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch keine Arbeitnehmer in
diesem Sinne. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung zwar in fremdbestimmter
persönlicher Abhängigkeit. Rechtsgrundlage der geschuldeten Dienste ist aber
der privatautonom begründete Vereinsbeitritt zu der Schwesternschaft und die
damit verbundene Pflicht, den Vereinsbeitrag in der Leistung von Diensten in
persönlicher Abhängigkeit zu erbringen (BAG 17. März 2015 - 1 ABR 62/12 [A] - Rn.
12 mwN, BAGE 151, 131).
27
(2) Der Gerichtshof, dem nach Art. 267 AEUV die Aufgabe der verbindlichen
Auslegung von Richtlinien zugewiesen ist, hat allerdings festgestellt, dass
Art. 1 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008
S. 9 - fortan: Richtlinie 2008/104/EG) dahin auszulegen ist, dass die durch
einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein Gestellungsentgelt
erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen,
damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen
eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den Anwendungsbereich der
Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem
betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied
nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen
Arbeitsvertrag geschlossen hat. Denn für die Bezeichnung einer Person als
Arbeitnehmer i.S.d. Richtlinie 2008/104/EG ist nach der bindenden Auffassung
des Gerichtshofs weder die rechtliche Einordnung des zwischen der betreffenden
Person und dem Leiharbeitsunternehmen bestehenden Verhältnisses nach nationalem
Recht noch die Art ihrer Rechtsbeziehungen oder die Ausgestaltung dieses
Verhältnisses ausschlaggebend. Danach erfasst der Arbeitnehmerbegriff iSd.
Richtlinie jede Person, die in einem Beschäftigungsverhältnis steht, aufgrund
dessen sie während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren
Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung
erhält, und die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund der Arbeitsleistung,
die sie erbringt, geschützt ist.
28
(3) Angesichts dieser Rechtsprechung ist eine Beschränkung des Begriffs der
Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf die Überlassung solcher
Personen, die die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs i.S.d. nationalen
Rechts erfüllen, nicht mit Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG zu vereinbaren.
Das verlangt eine unionsrechtskonforme Auslegung der Vorschrift.
29
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die nationalen Gerichte
gehalten, bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich
anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in der
Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV
nachzukommen (EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 24 mwN).
Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des
nationalen Rechts Schranken. Die Pflicht zur Verwirklichung eines
Richtlinienziels im Auslegungsweg findet ihre Grenzen an dem nach
innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten. Sie darf nicht als
Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (EuGH
24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 25 mwN). Ob und inwieweit das
innerstaatliche Recht eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung zulässt,
haben allein die nationalen Gerichte zu beurteilen (BVerfG 26. September 2011 -
2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - Rn. 47, BVerfGK 19, 89).
30
(b) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG
unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass eine Überlassung von Arbeitnehmern
auch dann gegeben ist, wenn ein Verein seine Vereinsmitglieder, die aufgrund
ihrer Arbeitsleistung ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind, an ein
entleihendes Unternehmen überlässt, damit sie bei diesem hauptberuflich eine
weisungsabhängige Tätigkeit gegen Entgelt verrichten.
31
(aa) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG steht einer solchen
unionsrechtskonformen Auslegung nicht entgegen. Die dort verwendeten Begriffe
„Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ knüpfen zwar an den von der Rechtsprechung
entwickelten allgemeinen Arbeitnehmerbegriff an. Allerdings erlaubt ein am
Wortsinn orientiertes Verständnis auch die Einbeziehung von Vereinsmitgliedern,
die an einen Dritten überlassen werden, um dort weisungsabhängig gegen Entgelt
tätig zu sein, wenn sie aufgrund ihrer Arbeitsleistung ähnlich einem
Arbeitnehmer sozial geschützt sind. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
definiert die Begriffe Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer nicht und gibt auch
nicht vor, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem
Leiharbeitnehmer zwingend um ein Arbeitsverhältnis handeln muss.
32
(bb) Die gesetzliche Systematik hindert ein solches Begriffsverständnis
ebenfalls nicht. Soweit einige Vorschriften des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (§ 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 bis Abs. 3, § 11 Abs.
1 und Abs. 2 AÜG) auf den „Vertrag“, die „Vertragsbedingungen“ oder den
„Vertragsschluss“ zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher Bezug nehmen,
steht dies ihrer Geltung für an Dritte überlassene Vereinsmitglieder, die dort
weisungsabhängig gegen Entgelt tätig sind, grundsätzlich nicht entgegen. Der
Erwerb einer Vereinsmitgliedschaft erfordert - wenn er nicht durch Beteiligung
an der Gründung des Vereins bewirkt wurde - grundsätzlich den Abschluss eines
Aufnahmevertrags zwischen Bewerber und Verein. Dieser kommt dadurch zustande,
dass der Verein den Aufnahmeantrag des Bewerbers diesem gegenüber annimmt (BGH
29. Juni 1987 - II ZR 295/86 - zu 1 der Gründe, BGHZ 101, 193). Auch der
Umstand, dass einzelne Normen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auf die
Anwendung tariflicher Regelungen abstellen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 und
Satz 3, § 3a, § 9 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 und Halbs. 3, § 10 Abs. 4 Satz 2 und
Satz 3 AÜG) und damit an eine nach § 1 Abs. 1, § 12a TVG auf Arbeitnehmer und
arbeitnehmerähnliche Personen bezogene Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien
anknüpfen oder - wie § 11 Abs. 4 AÜG - auf nicht für Vereinsmitglieder geltende
gesetzliche Bestimmungen Bezug nehmen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies
kann allenfalls zur Folge haben, dass die betroffenen Normen auf im Rahmen
eines Gestellungsvertrags an Dritte überlassene Vereinsmitglieder, die eine
weisungsabhängige Tätigkeit gegen Entgelt verrichten, keine Anwendung finden
können.
33
(cc) Auch der Zweck des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes untersagt nicht das
vom Gerichtshof vorgegebene Verständnis von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Das Gesetz
will Rahmenbedingungen für die Leiharbeit schaffen, durch die einerseits der
soziale Schutz der Leiharbeitnehmer unabhängig von deren vertraglichen
Vereinbarungen gewährleistet wird, andererseits den Unternehmen die
Arbeitnehmerüberlassung auch als flexibles Instrument zur Deckung des
Arbeitskräftebedarfs zur Verfügung steht (BT-Drs. 17/4804 S. 7). Dieser Zweck
steht einer Einbeziehung von Vereinsmitgliedern nicht entgegen, die im Rahmen
eines Gestellungsvertrags an Dritte überlassen sind, um bei diesem gegen eine
Vergütung hauptberuflich und weisungsabhängig Arbeitsleistungen zu erbringen,
und die aufgrund dessen sozial geschützt sind.
34
(dd) Die Gesetzeshistorie lässt eine unionsrechtskonforme Auslegung gleichfalls
zu. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit dem „Ersten Gesetz zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der
Arbeitnehmerüberlassung“ (Missbrauchsverhinderungsgesetz, vom 28. April 2011
BGBl. I S. 642) die Richtlinie 2008/104/EG umgesetzt werden (BT-Drs. 17/4804 S.
7). Der Gesetzgeber wollte mit dem Gesetz unionsrechtliche Vorgaben
„vollständig, eins zu eins“ umsetzen (so die Ausführung der zuständigen
Bundesministerin in der abschließenden Plenarberatung des Deutschen
Bundestages, Plenarprotokoll 17/99 S. 11366 [B]). Damit entspricht es seinem
Regelungswillen, den Begriff der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 1
AÜG im Wege der Auslegung an den Geltungsbereich der Richtlinie anzupassen.
Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt ist, dass „nach dem deutschen Modell
der Arbeitnehmerüberlassung ... die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer
ein Arbeitsvertragsverhältnis zum Verleiher“ haben, „welches rechtlich
unabhängig von dem Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher ist“
(BT-Drs. 17/4804 S. 7), folgt hieraus nichts anderes. Damit sollte erkennbar
nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass Rechtsverhältnisse zwischen dem
Verleiher und der zu überlassenden Person, die nicht auf einem Arbeitsvertrag
beruhen, nicht vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erfasst werden sollen.
Vielmehr wollte der Gesetzgeber lediglich klarstellen, dass das „deutsche
Modell“ der Arbeitnehmerüberlassung bereits vor Inkrafttreten des vorgelegten
Gesetzentwurfs für die überlassenen Arbeitnehmer einen rechtlichen Schutz
gewährleistete, indem es ihnen auch für die überlassungsfreie Zeit einen
Anspruch auf Vergütung gewährte und die Beendigung der Überlassung nicht
automatisch zur Beendigung ihres Rechtsverhältnisses zum Verleiher führte. Nach
den im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich geäußerten Vorstellungen sollten von
der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nur diejenigen Personen
ausgenommen werden, die in einer gemeinnützigen Werkstätte für behinderte
Menschen beschäftigt sind und bei denen nicht die Erbringung einer
Arbeitsleistung im Mittelpunkt steht, sondern die „Rehabilitation“ (vgl.
Stellungnahme des Bundesrats vom 11. Februar 2011 BT-Drs. 17/4804 S. 13 [Anlage
3] und Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drs. 17/4804 S. 14 [Anlage 4]).
35
(ee) Entgegen der Annahme der Arbeitgeberin lässt sich auch aus den
Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 20. Juli 2016 (BT-Drs.
18/9232) nichts Gegenteiliges ableiten. Die Äußerungen des Gesetzgebers in
diesem Gesetzgebungsverfahren können nicht zur historischen Auslegung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der seit dem 1. Dezember 2011 geltenden
Fassung herangezogen werden. Unabhängig davon liefern sie keinen Anhaltspunkt, dass
der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung nicht auch die im Rahmen eines
Gestellungsvertrags an Dritte überlassene Vereinsmitglieder erfasst. Der
Gesetzgeber hat die während des Gesetzgebungsverfahrens u.a. vom DRK geforderte
Einfügung eines neuen § 1 Abs. 3 AÜG, mit dem die Mitglieder, Verbände und
Gliederungen der Nationalen Gesellschaft des Roten Kreuzes i.S.v. § 1 Satz 1
DRK-Gesetz aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausgenommen werden sollten
(vgl. Ausschussdrucksache 18[11]718 neu S. 102), gerade nicht aufgenommen. Ein
in der Sitzung des Bundesrates am 25. November 2016 gestellter Antrag, die
Bundesregierung möge prüfen, ob die Ausnahmetatbestände im Entwurf von § 1 Abs.
3 AÜG auf die Mitglieder, Verbände und Gliederungen der Nationalen Gesellschaft
des Roten Kreuzes für den Anwendungsbereich des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erweitert werden müssten oder ihnen zumindest
eine mit den Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften vergleichbare Rechtsposition
einzuräumen sei (BR-Drs. 627/1/16), fand nicht die erforderliche Mehrheit
(BR-Drs. 627/16 [Beschluss]). Daher kann offenbleiben, ob eine solche Ausnahme
ihrerseits mit der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar wäre und eine
unionsrechtskonforme Erstreckung des Arbeitnehmerbegriffs der Richtlinie auf
Mitglieder einer DRK-Schwesternschaft hindern könnte.
36
bb) Damit ist der Einsatz von Frau K bei der Arbeitgeberin eine
Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG.
37
(1) Frau K ist als Vereinsmitglied der Schwesternschaft der Arbeitgeberin
überlassen worden, um bei dieser hauptberuflich gegen Entgelt weisungsabhängig
Arbeitsleistungen zu erbringen. Nach § 7 Abs. I und Abs. II Satz 1 der Satzung
ist sie verpflichtet, der Schwesternschaft ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung
zu stellen und ihre Tätigkeit im Rahmen des mit der Arbeitgeberin geschlossenen
Gestellungsvertrags bei dieser auszuüben. Für ihre Tätigkeit erhält sie nach
Art. 2 Nr. 3 der Mitgliederordnung i.V.m. § 7 Abs. II Satz 3 der Satzung eine
Vergütung. Gemäß § 3 Abs. 3 des Gestellungsvertrags unterliegt sie den
fachlichen und organisatorischen Weisungen der Arbeitgeberin.
38
(2) Frau K ist - wie vom Gerichtshof für die Anwendung von Art. 1 Abs. 1 der
Richtlinie 2008/104/EG gefordert - als Vereinsmitglied der Schwesternschaft
auch aufgrund ihrer Arbeitsleistung geschützt.
39
(a) Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 17. November 2016 (-
C-216/15 - Rn. 43) ausgeführt, dass „Arbeitnehmer“ i.S.d. Richtlinie
2008/104/EG jede Person ist, „die eine Arbeitsleistung erbringt, d.h., die
während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung
Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält, und
die aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt
ist“. Die Ausführungen in den Randnummern 39 bis 41 zeigen, dass von einem
solchen Schutz auszugehen ist, wenn die den Vereinsmitgliedern zustehenden
Rechte mit denjenigen eines Arbeitnehmers teilweise übereinstimmen oder ihnen gleichwertig
sind. Entscheidend ist damit, dass das im Rahmen der Gestellung bei einem
Dritten weisungsabhängig gegen Entgelt tätige Vereinsmitglied einen Schutz
genießt, der dem eines Arbeitnehmers zumindest in Teilen entspricht oder
gleichwertig ist, ohne mit diesem identisch sein zu müssen. Auch die französische und die englische Fassung
der Entscheidung zeigen, dass es darauf ankommt, ob das Vereinsmitglied auf
dieser Grundlage einen rechtlichen Schutz genießt (vgl. Rn. 43 der
französischen Fassung: „… la notion de ‚travailleur‘ au sens de la directive
2008/104 doit être interprétée comme couvrant toute personne qui effectue une
prestation de travail, c’est-à-dire qui accomplit, pendant un certain temps, en
faveur d’une autre et sous la direction de celle-ci, des prestations en
contrepartie desquelles elle perçoit une rémunération, et qui est protégée à ce
titre dans l’État membre concerné …“; in der englischen Fassung: „… the concept
of ‘worker’ as referred to in Directive 2008/104 must be interpreted as covering
any person who carries out work, that is to say, who, for a certain period of
time, performs services for and under the direction of another person, in
return for which he receives remuneration, and who is protected on that basis
in the Member State concerned …“).
40
(b) Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Die im Rahmen der Gestellung
bei der Arbeitgeberin gegen Entgelt weisungsabhängig beschäftigten
Vereinsmitglieder der Schwesternschaft - und damit auch Frau K - verfügen über
einen Schutz, der demjenigen eines Arbeitnehmers in wesentlichen Bereichen
entspricht oder zumindest gleichwertig ist.
41
(aa) Nach Art. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a der Mitgliederordnung erhalten die
Vereinsmitglieder der Schwesternschaft eine monatliche Vergütung, deren
Berechnung sich nach den für die jeweilige Tätigkeit üblichen Kriterien
richtet. Damit steht ihnen ein Anspruch auf Entgelt nach den jeweils im
Einsatzunternehmen geltenden Vergütungsregelungen zu. Zudem sind ihnen nach Art.
2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b der Mitgliederordnung Zulagen und Zuwendungen in
entsprechender Anwendung der für das Arbeitsfeld geltenden Bedingungen zu
zahlen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Vereinsmitglieder der
Schwesternschaft dasselbe Entgelt erhalten wie diejenigen Pflegekräfte, die in
dem Unternehmen, dem sie überlassen wurden, als Arbeitnehmer tätig sind. Da die
Arbeitgeberin auf ihre Pflegekräfte den Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst in der für die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände geltenden
Fassung (TVöD/VKA) anwendet, haben die an sie überlassenen Vereinsmitglieder
der Schwesternschaft Anspruch auf eine Vergütung entsprechend diesen
tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes.
42
(bb) Ähnlich wie Arbeitnehmer genießen die Vereinsmitglieder zudem einen Schutz
vor der grundlosen Beendigung ihres Mitgliedschaftsverhältnisses mit der
Schwesternschaft. Nach § 8 der Satzung kann das Mitglied nach Ablauf der
einjährigen Einführungszeit nur aus der Schwesternschaft ausgeschlossen werden,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Ausschluss aus wichtigem Grund
kann - vergleichbar mit der in der Regel bei der Kündigung eines Arbeitnehmers
aus wichtigem Grund nach § 626 BGB erforderlichen vorherigen Abmahnung (etwa
BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 46, BAGE 153, 111) - grundsätzlich
nur dann erfolgen, wenn das Mitglied zunächst einen schriftlichen Hinweis auf
die im Wiederholungsfall drohenden Folgen erhalten hat und dennoch sein
fehlerhaftes Verhalten fortsetzt.
43
(cc) Nach Art. 2 Nr. 4 der Mitgliederordnung haben die Vereinsmitglieder ferner
Anspruch darauf, dass ihnen ein jährlicher Erholungsurlaub entweder nach
Maßgabe des Bundesurlaubsgesetzes oder nach den im entleihenden Unternehmen geltenden
tariflichen Regelungen gewährt wird. Art. 2 Nr. 7 Buchst. c der
Mitgliederordnung ordnet zudem an, dass für die Mutterschutzzeiten sowie die
Elternzeit die allgemeinen gesetzlichen Regelungen gelten. Damit finden auf die
Vereinsmitglieder sowohl das für Arbeitnehmerinnen geltende (§ 1 Nr. 1 MuSchG)
Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) in der
jeweils gültigen Fassung als auch die Bestimmungen über die Elternzeit für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach §§ 15 bis 21 des Gesetzes zum
Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz)
Anwendung.
44
(dd) Die Vereinsmitglieder haben - ebenso wie Arbeitnehmer - auch ein Recht auf
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Art. 2 Nr. 7 Buchst. a Satz 1 der
Mitgliederordnung sieht vor, dass ihnen bei einer durch Unfall oder Krankheit
verursachten Arbeitsunfähigkeit Krankenbezüge bis zum Ende der sechsten Woche
zu zahlen sind. Des Weiteren steht ihnen nach Art. 2 Nr. 7 Buchst. e Satz 3 der
Mitgliederordnung, ähnlich wie einem Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 EFZG, ein
Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für bis zu sechs Wochen bei einem
ärztlicherseits verordneten und vom Maßnahmeträger genehmigten und
durchgeführten Kur- oder Heilverfahren zu.
45
(ee) Darüber hinaus hat die Arbeitgeberin in Bezug auf die bei ihr tätigen
Vereinsmitglieder der Schwesternschaft die im TVöD/VKA enthaltenen
Arbeitszeitregelungen sowie die maßgebenden Bestimmungen des
Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 des
Gestellungsvertrags. Danach gelten für das Gestellungspersonal dieselben
Arbeitszeitregelungen wie für die in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zur
R stehenden vergleichbaren Personen. Zudem lässt § 10 Abs. 1 des Gestellungsvertrags
erkennen, dass die Arbeitgeberin die ihr durch das Gesetz über die Durchführung
von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des
Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz)
(vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz
und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1246)
gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern auferlegten arbeitsschutzrechtlichen
Pflichten auch gegenüber den bei ihr eingesetzten Vereinsmitgliedern beachtet.
46
(ff) Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vor dem Gerichtshof
ausgeführt hat, unterliegen die Vereinsmitglieder außerdem - ebenso wie
Arbeitnehmer - von Gesetzes wegen der Versicherungspflicht in der Kranken-, der
sozialen Pflege-, der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung. Sie sind
Personen, die gegen Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV beschäftigt sind (vgl. §
5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI
und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III; so auch die Gesetzesbegründung zu § 1 Satz 1
Nr. 1 SGB VI: BT-Drs. 11/4124 S. 148). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist
Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte hierfür sind nach §
7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in
die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. BSG 18. November 2015 - B 12
KR 16/13 R - Rn. 16, BSGE 120, 99; 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - Rn. 15,
BSGE 111, 257). Diese Voraussetzungen sind bei den Vereinsmitgliedern der
Schwesternschaft gegeben (vgl. auch BSG 28. August 1968 - 3 RK 70/65 - zu II
der Gründe, BSGE 28, 208). Sie sind weisungsabhängig tätig und erhalten eine
monatliche Vergütung. Daher unterliegen sie auch der Versicherungspflicht in
der Krankenversicherung. Zwar definiert § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V als
versicherungspflichtig in diesem Zweig der Sozialversicherung „Arbeiter und
Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte“. „Arbeiter und
Angestellte“ im Sinne dieser Bestimmung sind jedoch ebenfalls diejenigen
Personen, die in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV stehen
(Kruse in LPK-SGB V 4. Aufl. § 5 Rn. 4). Bereits nach dem früheren § 172 Abs. 1
Nr. 6 RVO waren DRK-Schwestern nur ausnahmsweise und unter besonderen
Bedingungen von der Krankenversicherungspflicht befreit. Sie zählten daher
grundsätzlich zu der Gruppe der gegen Entgelt Beschäftigten, die allgemein der
Krankenversicherungspflicht unterlagen (vgl. BSG 28. August 1968 - 3 RK 70/65 -
zu II der Gründe, BSGE 28, 208; vgl. auch Hessisches LSG 9. Januar 1963 -
L-3(6)/Kr-37/60 -; LSG Nordrhein-Westfalen 13. Mai 1965 - L 16 Kr 55/62 -).
Hieran hat sich auch durch die Einführung des SGB V nichts geändert.
47
(c) Ob den Vereinsmitgliedern der Schwesternschaft kollektivrechtliche
Befugnisse wie Arbeitnehmern zustehen, bedarf keiner Entscheidung. Nach dem
Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 2016 (- C-216/15 -) kommt es darauf
an, dass das im Rahmen der Gestellung bei einem Dritten weisungsabhängig gegen
Entgelt tätige Vereinsmitglied einen Schutz genießt, der dem eines
Arbeitnehmers zumindest in Teilen entspricht oder gleichwertig ist. Ein
identisches oder vollständig gleichwertiges Schutzniveau in allen Bereichen ist
danach nicht geboten.
48
Unerheblich ist auch, dass den Vereinsmitgliedern der Schwesternschaft - anders
als Arbeitnehmern - Mitgliedschaftsrechte zustehen, mit denen sie die Geschicke
des Vereins und damit zugleich die Arbeitsorganisation beeinflussen können. Die
Befugnis der Vereinsmitglieder, im Rahmen der Mitgliederversammlung u.a. über
die Wahl oder Abwahl der Vorsitzenden (Oberin) und der anderen
Vorstandsmitglieder, die Entlastung des Vorstands für das abgelaufene
Rechnungsjahr, die Wirtschaftsplanung für das folgende Jahr sowie die Höhe der
Mitgliedsbeiträge und Satzungsänderungen (§ 11 der Satzung) mit entscheiden zu
können, ist für die Frage, ob sie im Rahmen ihrer weisungsabhängigen Tätigkeit
bei einem Dritten einen Schutz genießen, der dem eines Arbeitnehmers zumindest
in Teilen gleichwertig ist, ohne Bedeutung.
49
(d) Der Umstand, dass der vom Gerichtshof geforderte Schutz der
Vereinsmitglieder weitgehend über mitgliedschaftliche Regelungen und die
jeweiligen Gestellungsverträge vermittelt wird, gebietet entgegen der
Auffassung der Arbeitgeberin keine andere Bewertung. Die konkrete Ausgestaltung
der den Vereinsmitgliedern durch die Verbandssatzung eingeräumten Rechte
unterliegt zwar der von Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Satzungsautonomie. Die
Schwesternschaft hat hierbei allerdings die sich aus der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ergebenden Anforderungen zu beachten. Danach darf die
Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten nicht zu einer Umgehung
zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Eine solche objektive
Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch
vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich,
dh. ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich berechtigten
Grund, verwendet werden (BAG 6. Juli 1995 - 5 AZB 9/93 - zu B I 2 b der Gründe,
BAGE 80, 256). Könnte also die Schwesternschaft bei einer Gestellung nicht
gewährleisten, dass ihren Mitgliedern bei der Erbringung einer Arbeitsleistung
bei Dritten ein rechtlich abgesichertes Schutzniveau zusteht, das dem für
Arbeitnehmer geltenden zumindest in wesentlichen Teilen vergleichbar ist, wären
jene ohnehin als Arbeitnehmer iSd. allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs anzusehen.
50
(3) Die Überlassung von Frau K an die Arbeitgeberin erfolgt im Rahmen einer
wirtschaftlichen Tätigkeit der Schwesternschaft.
51
(a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG muss die Überlassung im Rahmen einer
wirtschaftlichen Tätigkeit des Entleihers erfolgen. Durch das
Missbrauchsverhinderungsgesetz wurde das frühere Merkmal „gewerbsmäßig“ zum 1.
Dezember 2011 durch die Formulierung „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeit“ ersetzt. Damit hat sich der deutsche Gesetzgeber an den Vorgaben der
Richtlinie 2008/104/EG orientiert. Diese gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 für
öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Auf eine
Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung iSd. Gewerberechts kommt es für
das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung daher nicht mehr an (vgl. BT-Drs.
17/4804 S. 8). Ausreichend ist es, wenn die Überlassung von Arbeitskräften auf
einem Markt angeboten wird. Damit unterliegen auch Verleiher, die keine
Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
(ErfK/Wank 17. Aufl. § 1 AÜG Rn. 31). Diese Auslegung steht im Einklang mit der
Rechtsprechung des Gerichtshofs. Dieser hat in seinem Urteil vom 17. November
2016 (- C-216/15 - Rn. 44 ff.) auf Anfrage des Senats ausdrücklich bestätigt,
dass jede Tätigkeit die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem
bestimmten Markt anzubieten, wirtschaftlichen Charakter hat. Ohne Bedeutung
ist, welche Rechtsform das verleihende Unternehmen hat und ob es damit einen
Erwerbszweck verfolgt.
52
(b) Danach übt die Schwesternschaft mit der Gestellung ihres Vereinsmitglieds
Frau K an die Arbeitgeberin als eine Einrichtung der Krankheits- und
Gesundheitspflege gegen ein Gestellungsentgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit
aus. Sie bietet diese Dienstleistung für Einrichtungen der Pflege kranker und
hilfsbedürftiger Menschen am Markt an und nimmt nach § 7 Abs. II Satz 1 ihrer
Satzung Mitglieder in ihren Verein auf, um sie anderen zur Berufsausübung zur
Verfügung zu stellen.
53
cc) Die dauerhafte Überlassung von Frau K an die Arbeitgeberin verstößt gegen §
1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.
54
(1) Die Vorschrift, die eine mehr als vorübergehende Überlassung an Entleiher
verbietet (ausf. BAG 30. September 2014 - 1 ABR 79/12 - Rn. 19 ff. mwN), gilt
auch für den Einsatz von Vereinsmitgliedern, die - wie die Mitglieder der
Schwesternschaft - einem Dritten überlassen werden, um weisungsabhängige Arbeit
gegen Entgelt bei diesem zu verrichten. Dies ergibt sich schon daraus, dass den
in § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AÜG verwendeten Formulierungen für die
Überlassung von Arbeitnehmern ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde
liegt. Das Gesetz bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der „Überlassung von
Arbeitnehmern an Entleiher“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine andere Wortbedeutung
beizumessen wäre als dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG umschriebenen Begriff der
Arbeitnehmerüberlassung. Anders als die Arbeitgeberin meint, betrifft die
Überlassung von Frau K als Mitglied einer Schwesternschaft auch keinen „anderen
Sachverhalt“. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG sieht keine nach Art. 3 Abs. 1 GG zu
rechtfertigende Gruppenbildung vor. Die Verbotsnorm stellt nicht auf den Grund
oder den Anlass einer nicht vorübergehenden Überlassung ab, sondern gilt
unabhängig davon.
55
(2) Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG steht der Anwendung von § 1 Abs. 1
Satz 2 AÜG vorliegend nicht entgegen.
56
Nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG sind Verbote oder Einschränkungen des
Einsatzes von Leiharbeit nur aus Gründen des Allgemeininteresses
gerechtfertigt. Die Vorschrift richtet sich nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs nur an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Diese waren
gehalten, bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie
ihre nationalen Regelungen zu überprüfen, um sicherstellen, dass die Verbote
oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit aus Gründen des
Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, und die Kommission über die Ergebnisse
dieser Überprüfung zu informieren. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung waren
sie dann veranlasst, ihre nationalen Regelungen über Leiharbeit zu ändern (EuGH
17. März 2015 - C-533/13 - Rn. 28 f.). Dieser Verpflichtung ist der nationale
Gesetzgeber nachgekommen. Die vorliegend maßgebliche Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
ist zum 1. Dezember 2011 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 5.
Dezember 2011 in Kraft getreten. Ob § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG den Vorgaben des Art.
4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG entspricht, bedarf keiner Entscheidung. Die Vorschrift
verpflichtet die nationalen Gerichte nicht, Bestimmungen des nationalen Rechts
unangewendet zu lassen, wenn diese Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes
von Leiharbeit enthalten, die nicht aus Gründen des Allgemeininteresses i.S.v.
Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG gerechtfertigt sind (EuGH 17. März 2015 -
C-533/13 - Rn. 22 ff., 28).
57
(3) Die Überlassung von Frau K erfolgt auch nicht vorübergehend i.S.v. § 1 Abs.
1 Satz 2 AÜG. Es kann dahinstehen, wie der Begriff „vorübergehend“ im Einzelnen
zu konkretisieren ist. Jedenfalls handelt es sich bei der vorliegenden
Fallgestaltung nicht um eine „vorübergehende“ Überlassung. Frau K soll ohne
jegliche zeitliche oder aufgabenbezogene Begrenzung dauerhaft anstelle eines
Vertragsarbeitnehmers bei der Arbeitgeberin eingesetzt werden. Entgegen der
Rechtsansicht der Arbeitgeberin lässt sich aus dem „Wesen des
Gestellungsvertrags“ nichts anderes ableiten. Eine Beschränkung der
Überlassungsdauer enthält dieser Vertrag nicht. Eine solche ergibt sich auch
nicht aus dessen § 5 Abs. 2 oder § 10 Abs. 5. Die Regelungen gestatten es
lediglich, den Einsatz des Vereinsmitglieds bei der Arbeitgeberin vorzeitig zu
beenden. Sie tragen den Aufgaben des Deutschen Roten Kreuzes und der
Schwesternschaft gemäß § 2 DRK-Gesetz Rechnung und ermöglichen es, dass Frau K
bei entsprechendem Bedarf für humanitäre Arbeit bei Katastrophenfällen zur
Verfügung steht.
58
5. Die Arbeitgeberin kann sich nicht mit Erfolg auf einen durch Rechtsprechung
begründeten Vertrauensschutz berufen.
59
a) Der aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes kann
es gebieten, einem durch gefestigte Rechtsprechung begründeten
Vertrauenstatbestand erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen
Anwendbarkeit einer geänderten Rechtsprechung im Einzelfall Rechnung zu tragen
(BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; BAG 28. Mai
2014 - 5 AZR 422/12 - Rn. 18).
60
b) Die Voraussetzungen eines schutzwürdigen Vertrauens sind jedoch nicht
gegeben. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt nicht vor.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich bisher nicht damit befasst, ob dem
Betriebsrat bei der dauerhaften Überlassung einer auf vereinsrechtlicher
Grundlage tätigen Krankenschwester in einem vom Arbeitgeber betriebenen
Krankenhaus ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Satz 1 BetrVG
wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zusteht. Die in diesem Zusammenhang
ergangenen Entscheidungen betrafen lediglich die Frage, ob bei einem Einsatz
einer solchen Krankenschwester eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S.d.
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gegeben ist (BAG 23. Juni 2010 - 7 ABR 1/09 - BAGE
135, 26; 22. April 1997 - 1 ABR 74/96 -). Soweit das Bundesarbeitsgericht in
ständiger Rechtsprechung annimmt, DRK-Schwestern seien keine Arbeitnehmer i.S.d.
nationalen Rechts (BAG 6. Juli 1995 - 5 AZB 9/93 - zu B I 2 b und c der Gründe,
BAGE 80, 256; 20. Februar 1986 - 6 ABR 5/85 -; 3. Juni 1975 - 1 ABR 98/74 -
BAGE 27, 163; 18. Februar 1956 - 2 AZR 294/54 - BAGE 2, 289), weicht die
vorliegende Entscheidung hiervon nicht ab.
61
6. Der Durchführung eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267
Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Frage, ob die Richtlinie 2008/104/EG die nicht
vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersagt, ist nicht
entscheidungserheblich. Soweit das Verfahren die Frage aufwirft, ob Art. 4 Abs.
1 Richtlinie 2008/104/EG einer Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorliegend
entgegensteht, ist diese durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 17. März
2015 (- C-533/13 -) als geklärt anzusehen.
62
II. Hinsichtlich des Feststellungsantrags der Arbeitgeberin und des ersten
Widerantrags des Betriebsrats ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 81 Abs. 2 Satz 2, § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG einzustellen. Eine Entscheidung
über einen positiven oder negativen Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz
3 BetrVG kommt regelmäßig nicht mehr in Frage, wenn rechtskräftig über den
Zustimmungsersetzungsantrag entschieden worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2016 -
1 ABR 49/14 - Rn. 17 mwN).
63
III. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet, soweit sie sich auf
die mit dem Widerantrag zu 2. begehrte Feststellung eines
Zustimmungsverweigerungsgrunds richtet. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen
den erstinstanzlichen Beschluss des Arbeitsgerichts, deren Zulässigkeit als
Prozessführungsvoraussetzung vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu
prüfen ist (vgl. BAG 30. Oktober 2012 - 1 ABR 64/11 - Rn. 9), war insoweit unzulässig.
64
1. Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist
Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung die Bezeichnung der
Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die
angefochtene Entscheidung ergibt. Die Begründung muss sich mit den rechtlichen
oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen.
Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Auch darf sich der
Beschwerdeführer nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den
Vorinstanzen zu wiederholen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der
Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf das Rechtsmittel
überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage durchdenkt (BAG 30. Oktober
2012 - 1 ABR 64/11 - Rn. 11).
65
2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Betriebsrats nicht.
66
a) Das Arbeitsgericht hat zur Antragsabweisung ausgeführt, der Antrag sei nicht
auf die Klärung des Bestehens eines Rechts des Betriebsrats, sondern auf eine
bloße Rechtsfrage gerichtet, ob die verweigerte Zustimmung zu ersetzen sei.
Daher sei der Antrag unzulässig.
67
b) Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerdebegründung nicht
auseinander. Der Betriebsrat behauptet unter Nr. 4 der Beschwerdebegründung
lediglich pauschal, sein Widerantrag sei entgegen der Auffassung des
Arbeitsgerichts zulässig. Im Übrigen wiederholt er nachfolgend lediglich
wörtlich seine erstinstanzlichen Ausführungen, ohne auf die Begründung des
Arbeitsgerichts einzugehen. Auch sein darüber hinausgehender Einwand, der
Antrag werde im Hinblick darauf gestellt, dass sich die Anträge der
Arbeitgeberin durch ein Ausscheiden von Frau K erledigen könnten, enthält keine
Auseinandersetzung mit der Begründung des Arbeitsgerichts.