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20.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191952

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 13.12.2016 – 9 TaBV 85/16

Der Grundsatz der geheimen Wahl erfordert, dass der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel trifft. Dies erfordert das Aufstellen von Wandschirmen oder Trennwänden, solange nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird. Entscheidend ist nicht, ob der Wähler tatsächlich beobachtet worden ist, sondern ob er subjektiv die Überzeugung haben konnte, unbeobachtet zu sein.


Tenor:
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 16.06.2016 - Az.: 3 BV 28/15 - wird zurückgewiesen.


2. Die Rechtsbeschwerde wird - nicht - zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 10.12.2015.



Der Antragsteller ist ein gemeinnütziger Verein, der die Betreuung von Schulkindern in offenen Ganztagsschulen in M. durchführt. Er beschäftigt ca. 70 Mitarbeiter.



Antragsgegner und Beteiligter zu 2) ist der am 10.12.2015 gewählte Betriebsrat.



Die Beteiligten zu 3) bis 12) sind 10 Mitarbeiterinnen des Antragstellers.



Die Vorsitzende des am 10.12.2015 gewählten Betriebsrates, Frau T., war bis September 2015 Mitglied des Vorstands des Antragstellers. Sie und weitere Mitarbeiterinnen leiteten Ende September 2015 die Betriebsratswahl bei dem Arbeitgeber ein, bei dem bis dahin kein Betriebsrat bestand. Hierzu luden sie am 02.10.2015 zu einer ersten Wahlversammlung ein, Bl. 25 GA. In der Einladung heißt es auszugsweise:



In der Versammlung am 02.10.2015 wurde ein dreiköpfiger Wahlvorstand gewählt, zu dem auch die jetzige Betriebsratsvorsitzende zählte. An dieser Versammlung nahm ein Gewerkschaftssekretär, Herr P. teil. Der Wahlvorstand informierte die Mitarbeiter in einem weiteren Schreiben über die Betriebsratswahl (Bl. 27 GA). Überschrieben ist das Schreiben mit "Betriebsrat für den Offene Ganztagsschulen M. e.V.".



Die Betriebsratswahl fand am 10.12.2015 in einem Raum der Arbeiterwohlfahrt statt. Für die Durchführung der Wahl ist eine Vereinbarung über ein vereinfachtes Wahlverfahren nicht abgeschlossen worden.



Der Wahlraum war etwa 6 Meter breit und 7 Meter lang, so dass die Fläche ca. 40 Quadratmeter betrug. Die Mitglieder des Wahlvorstandes saßen an drei Tischen am Kopf des Raumes. Auf der gegenüberliegenden Seite war in den beiden Ecken jeweils ein Tisch mit Stuhl für die Wähler platziert. Die Wählenden saßen am jeweiligen Wahltisch mit dem Rücken zum Wahlvorstand. Links neben den Tischen des Wahlvorstandes befand sich auf der linken Raumseite eine Türe. Wiederum links von der Türe befand sich noch ein Tisch des Wahlvorstandes. Dort aufgestellt war die Wahlurne und vor dem Tisch warteten die Wähler, die durch die Türe den Wahlraum betraten, um an frei werdenden Wahltischen Platz zu nehmen. Die Wahlurne bestand aus einem Pappkarton mit Schlitz. Bei der Durchführung der Wahl gab es am Wahltisch keine Wahlkabinen oder Trennwände. Die Situation kann wie folgt skizziert werden:



Tisch: =



Stuhl:=



Wartende Wähler:=



Mit seinem am 23.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag begehrte der Antragsteller die Feststellung, dass die Wahl vom 10.12.2015 nichtig ist, hilfsweise, dass sie für unwirksam erklärt wird. Gleiches beantragten auch die Beteiligten zu 3) - 10).



Der Antragsteller sowie die weiteren Beteiligten zu 3) bis 12) haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Wahl sei wegen gravierender Mängel im Wahlverfahren nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Zunächst handele es sich bei der Betriebsratsvorsitzenden sowie dem weiteren Mitglied H. N. um leitende Angestellte. Ihnen oblägen Mitarbeiterführung, Gestaltung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen, die Führung des Betriebs im Innen- und Außerverhältnis, die verantwortliche pädagogische und organisatorische Leitung im Auftrag und im Einvernehmen mit dem Träger und der Schulleitung. Auch seien Wählerliste sowie ein Abdruck der Wahlverordnung nicht in allen Schulen ausgelegt worden. Nicht alle Mitarbeiter hätten Informationen über die Wahlversammlung erhalten. Es existiere kein Wahlausschreiben, jedenfalls keines, das die gesetzlichen Anforderungen erfülle. Es seien nicht alle Steckbriefe, die als Wahlwerbung vereinbart gewesen seien, von allen Kandidaten ausgehängt worden. Auch während der Wahl sei es zu Verstößen gegen Wahlvorschriften gekommen. So habe es keine Wahlkabinen gegeben. Wahlberechtigte hätten nicht nur vor, sondern auch im Wahlraum Schlange gestanden. Insbesondere die jetzige Betriebsratsvorsitzende hätte sich im Raum aufgehalten. Es hätten zudem im Wahlraum zwei Personen gleichzeitig an einem Tisch gesessen. Die Wahlurne habe lediglich aus einem Pappkarton mit Schlitz bestanden.



Der Antragsteller sowie die Beteiligten zu 3. bis 12. haben erstinstanzlich zuletzt beantragt



Der Beteiligte zu 2) beantragte erstinstanzlich,



Der Beteiligte zu 2) hat erstinstanzlich behauptet, die Wahl sei wirksam. Es sei im normalen Wahlverfahren gewählt worden, weil eine Vereinbarung über ein vereinfachtes Wahlverfahren nicht zustande gekommen sei. Alle Schreiben, insbesondere Wahlausschreiben und Wahlverordnung seien in allen Schulen ausgehängt bzw. ausgelegt gewesen. Da nicht alle Kandidaten Wahlwerbung betreiben wollten, hätten drei Bewerber keine Steckbriefe abgegeben. Frau T. und Frau N. seien keine leitenden Angestellten. Bereits der Arbeitsvertrag enthalte keine entsprechende Stellung. Ihre Hauptaufgaben seien Erziehungstätigkeiten. Die Erstellung von Dienst- und Einsatzplänen sei nur in Absprache mit der Schulleitung erfolgt. Sie hätten keine disziplinarischen oder personalrechtlichen Befugnisse. Auch bei der Wahl selbst seien keine Wahlverstöße begangen worden. Wahlberechtigte müssten sich nicht ausweisen. Alle Wähler seien auch bekannt gewesen. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse sei eine geheime Wahl sichergestellt gewesen. Die Wahlberechtigten hätten mit dem Rücken zu den Wahlvorstandsmitgliedern und den wartenden Mitarbeitern Platz nehmen können. Es sei nicht möglich gewesen zu sehen, welcher Kandidat gewählt worden sei. Auch sei an der Urne nichts auszusetzen gewesen. Im Übrigen sei unmittelbar nach dem Ende der Wahl die Urne geöffnet und der Zählvorgang begonnen worden.



Das Arbeitsgericht Solingen hat dem Antrag teilweise entsprochen. Es hat den auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Antrag zurückgewiesen aber die Betriebsratswahl vom 10.12.2015 auf den Hilfsantrag für unwirksam erklärt. Die Wahl sei nicht nichtig, weil keiner der vom Antragsteller sowie den Beteiligen zu 3) bis 12) geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe offensichtlich und besonders grob sei. Nichts anderes ergebe sich aus der Häufung von Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften, von denen jeder für sich allein betrachtet lediglich eine Anfechtung der Betriebsratswahlen rechtfertige. Die Wahl vom 10.12.2015 sei jedoch unwirksam. Der entsprechende Hilfsantrag sei zulässig, weil der antragsberechtigte Antragsteller und die weiteren Beteiligten zu 3) - 12) das Verfahren innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses eingeleitet hätten. Bei der Wahl sei auch gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden. Allerdings sei die Wahl nicht bereits deshalb anfechtbar, weil die Betriebsratsvorsitzende T. sowie das weitere Mitglied N. leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG seien. Allerdings läge ein relevanter Verstoß gegen § 12 WO vor. Nach § 12 WO habe der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen und für die Bereitstellung einer oder mehrerer Wahlurnen zu sorgen, um eine geheime Wahl zu gewährleisten. Diese Regelung sei auch eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Wahlvorstand hätte Wandschirme, Trennwände oder Ähnliches im Wahlraum aufstellen müssen. Es komme nicht darauf an, ob die Wahlberechtigten beim Wahlvorgang selbst beobachtet worden seien. Vielmehr müsse eine unbeobachtete Stimmabgabe gesichert sein, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass Wahlberechtigte in ihrer Wahlentscheidung beeinflusst werden, wenn sie sich beobachtet fühlen. Das Aufstellen entsprechender Wände sei auch ohne größeren Aufwand und Kosten möglich.



Gegen den ihm am 16.06.2016 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit einem am 12.08.2016 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 12.10.2016 - mit einem am 12.10.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.



Der Beteiligte zu 2) verfolgt mit der Beschwerde sein ursprüngliches Begehren der Zurückweisung der Anträge weiter. Er meint, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Betriebsratswahl vom 10.12.2015 unwirksam sei. Zutreffend habe es demgegenüber erkannt, dass die Wahl nicht nichtig sei. Zunächst fasst der Beteiligte zu 2) die erstinstanzlich vorgebrachten Einwendungen der Antragsteller sowie die bereits erstinstanzlich dagegen vorgebrachten Argumente zusammen. Zudem wird noch einmal die Raumsituation dargelegt. Aufgrund der Größe des Raumes und der Anordnung der Tische sei es nicht möglich gewesen, zu sehen, was die Wähler am Tisch angekreuzt haben. Gleiches gelte für die eintretenden Mitarbeiter, die am weiteren Tisch des Wahlvorstandes gewartet hätten. Auch seien die beiden Tische so voneinander entfernt gewesen, dass eine Einsicht nicht möglich gewesen sei. Bei dieser Sachlage irre das Arbeitsgericht, wenn es meine, dass der Wahlvorstand keine geeigneten Vorkehrungen für die Durchführung einer geheimen Wahl getroffen habe. Insbesondere seien Maßnahmen wie Trennwände nicht vorgeschrieben. Vielmehr sei Maßstab die "Geeignetheit" und die "Angemessenheit". Insoweit dürfe nicht außeracht gelassen werden, dass der Arbeitgeber keine geeigneten Räume zur Verfügung gestellt habe. Auch auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 03.08.2007 lasse sich die Annahme der Unwirksamkeit der Wahl nicht stützen, weil die tatsächlichen räumlichen Verhältnisse völlig unterschiedlich seien. Es habe sich auch kein Wähler beobachtet gefühlt und niemand sei tatsächlich beobachtet worden. Zudem könne ohnehin nicht darauf abgestellt werden, ob sich Wähler beobachtet gefühlt hätten. Die geheime Wahl sei durch das anonyme Ankreuzen des Stimmzettels gewahrt. Selbst wenn ein Verstoß gegen § 12WO vorläge, habe sich das Arbeitsgericht nicht mit der Kausalität des Verstoßes auseinandergesetzt.



Der Beteiligte zu 2) beantragt,



Der Antragsteller beantragt,



Die Beteiligten zu 3) - 12 beantragen,



Der Antragsteller sowie die Beteiligten zu 3) - 12 verteidigen in erster Linie den angefochtenen Beschluss und machen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Die Relevanz der Ausführungen auf den Seiten 1 - 8 der Berufungsbegründung erschlössen sich nicht, da das Arbeitsgericht seine Entscheidung nicht auf die dort genannten Sachverhalte gestützt habe. Zu Recht habe das Arbeitsgericht einen Verstoß gegen § 12 WO festgestellt. Es sei einhellige Meinung, dass an den Grundsatz der geheimen Wahl strenge Anforderungen zu stellen seien. Entscheidend sei, dass die getroffenen Vorkehrungen eine unbeobachtete Stimmabgabe gewährleisten. Entweder habe die Abgabe in einem Nebenraum zu erfolgen, oder aber es seien Trennwände aufzustellen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Wähler beobachtet gefühlt haben und dem entsprechend eine andere Wahl getroffen hätten.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle und Ergebnisse der Anhörung.



II.



Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auf den Antrag des Antragstellers die Betriebsratswahl vom 10.12.2015 für unwirksam erklärt. Denn sie leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil bei der Durchführung der Wahl § 12 WO nicht hinreichend beachtet worden ist. Durch die vom Wahlvorstand getroffenen Maßnahmen war eine geheime Wahl nicht gewährleistet. Auswirkungen dieses Verstoßes auf das Wahlergebnis können nicht ausgeschlossen werden.



Im Einzelnen:



A)Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist zulässig. Denn sie ist innerhalb der Frist des § 87 Abs. 2, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG von einem Monat nach der Zustellung des Beschlusses eingelegt worden.



B)Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist aber unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Solingen die Betriebsratswahl vom 10.12.2015 wegen eines Verstoßes gegen § 12 WO für unwirksam erklärt.



1.Der Antrag des Antragstellers sowie der Beteiligten zu 3) - 12) ist zulässig.



a)Streitigkeiten über die Errichtung und Zusammensetzung des Betriebsrates sind von den Arbeitsgerichten gem. §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80ff ArbGG im Beschlussverfahren zu entscheiden. Zuständig ist das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt, für den der Betriebsrat gewählt worden ist, § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG (vgl. nur Fitting, § 19 BetrVG Rz.40).



b)Nach § 19 Abs. 2 BetrVG sind zur Anfechtung berechtigt mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertreten Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Der Antragsteller ist Arbeitgeber im Sinne des § 19 Abs. 2 BetrVG, die Beteiligten zu 3) - 12) sind weit mehr als drei Arbeitnehmer.



c)Als notwendige Beteiligte des Verfahrens waren keine weiteren Gremien zu beteiligen, insbesondere nicht der Wahlvorstand, da dessen Amt mit dem Abschluss der Wahl erloschen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Anfechtung mit Mängeln seiner Bestellung oder seines Verfahrens begründet wird (vgl. nur BAG v. 25.09.1986 - AP N. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Fitting, § 19 BetrVG Rz.43).



2.Die Antrag ist auch begründet. Die Wahl des Betriebsrates vom 10.12.2015 ist unwirksam. Denn der Wahlvorstand hat die sich aus § 12 WO ergebenden Anforderungen an eine geheime Wahl nicht hinreichend beachtet. Dieser Verstoß war auch geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis anders ausgegangen wäre, wenn die Anforderungen eingehalten worden wären. Denn die Betriebsratswahl kann nach § 19 Abs.1 BetrVG beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Anfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig.



a)Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Die Anfechtung hat innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu erfolgen. Es handelt sich dabei um das Wahlergebnis, das der Wahlvorstand nach § 19 WO im Betrieb auszuhängen hat. Der Fristlauf richtet sich nach § 187 Abs. 1 BGB. Die Anfechtungsfrist endet also zwei Wochen später mit Ablauf des Tages, der seiner Benennung nach dem Tag entspricht, an dem das Wahlergebnis durch Aushang bekannt gemacht worden ist (vgl. nur D/K/K-BetrVG § 19 Rz.32). Hier erfolgte die Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 10.12.2015. Demnach lief die Frist am 24.12.2015 ab. Diese Frist ist durch die Antragsschrift vom 23.12.2015, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, gewahrt.



b)Der Wahlvorstand hat gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, indem er bei der Durchführung der Wahl nicht dafür Sorge getragen hat, dass - etwa mittels des Aufstellens von Wandschirmen oder Trennwänden - eine unbeobachtete Wahl durchgeführt wird. Insoweit hat der Wahlvorstand gegen seine ihm nach § 12 Abs. 1 WO obliegende Pflicht verstoßen.



aa)Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen und für die Bereitstellung einer Wahlurne oder mehrerer Wahlurnen zu sorgen. Während der Wahl müssen dabei nach § 12 Abs. 2 1. Halbs. WO immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes oder ein Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer bzw. eine Wahlhelferin im Wahlraum anwesend sein. Diese Regelungen sollen eine geheime Wahl gewährleisten (BAG v. 12.06.2013 - 7 ABR 77/11, [...]; LAG Düsseldorf v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07, [...]). Dabei sind an die Anforderungen der geheimen Wahl strenge Anforderungen zu stellen.



Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen. Der Grundsatz der geheimen Wahl gilt nicht nur für den eigentlichen Wahlakt, sondern auch für die Wahlvorbereitung sowie nach Beendigung der Wahl gegenüber Auskunftsverlangen über die Stimmabgabe. Einschränkungen des Grundsatzes der geheimen Wahl nach § 14 Abs. 1 BetrVG sind nur zulässig, wenn diese zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl erforderlich sind (BAG v. 12.06.2013 - 7 ABR 77/11, [...]; BAG v. 27.07.2005 - 7 ABR 54/04, [...]). Diese Grundsätze sind insbesondere durch das Verfahren über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung in §§ 11 ff. WO formalisiert und unabdingbar ausgestaltet (BAG v. 12.06.2013 - 7 ABR 77/11, [...]).



Die geheime Wahl soll die freie, von unmittelbaren Einwirkungen Dritter während der Wahlhandlung unbeeinflusste Entscheidung des Wählers gewährleisten. Es müssen deswegen solche Vorkehrungen getroffen sein, die es ausschließen, die jeweilige Entscheidung des Wählers während des Wahlakts und danach zu überprüfen; ausgeschlossen sein muss deswegen gleichfalls, dass eine Zuordnung der getroffenen Wahl zu dem jeweiligen Wähler erfolgen kann; dies darf auch bei Stimmzettelabgabe und Auszählung der Stimmzettel nicht möglich sein. Nur unter diesen Voraussetzungen kann der Wähler die für das Vorliegen einer geheimen und deswegen freien Wahl erforderliche subjektive Überzeugung haben, unbeobachtet und nicht auf ihn zurückführbar seine Stimme abgeben zu können (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.09.2000 - 1 A 1541/99.PVB. [...]).



In diesem Zusammenhang ist allgemein anerkannt, dass gegen die Anforderungen des § 12 Abs. 1 WO verstoßen wird, soweit nicht für geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel gesorgt wird. Wo nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird, ist ein Aufstellen von Wandschirmen, Trennwänden o.ä. im Wahlraum selbst erforderlich. Entscheidend ist, dass die Wähler den Wahlzettel unbeobachtet kennzeichnen können (LAG Düsseldorf v. 03.08.2007 - 9 TaBV 41/07, [...]; Fitting § 12 WO Rz. 1; Richardi, § 12 WO Rz. 2; Däubler/Homburg, § 12 WO Rz. 1; GK-Kreutz/Jakobs § 12 WO Rz. 1).



Aus diesen Grundsätzen ergibt sich zudem, dass es nicht darauf ankommt, ob das konkrete Ausfüllen eines Wahlzettels durch den Wähler tatsächlich beobachtet worden ist. Entscheidend ist, dass der Wähler die für das Vorliegen einer geheimen und deswegen freien Wahl erforderliche subjektive Überzeugung haben kann, unbeobachtet zu sein (OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.09.2000 - 1 A 1541/99.PVB. [...]; vgl. auch BAG v. 14.01.1969 - 1 ABR 14/68, [...]).



Die geheime Wahl ist nach dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Wahlfreiheit des Bürgers in besonderer Weise zugeordnet und insofern ein unverzichtbares Unterscheidungsmerkmal gegenüber Wahlen im Einflussbereich totalitärer Herrschaftsformen. Das gibt unabhängig davon, ob die Wahl der Konstituierung der Staatsgewalt oder eines anderen zu wählenden Vertretungsgremium geht. Nur die geheime Wahl ist frei, weil nur der geheim Wählende nicht besorgen muss, wegen seines Wahlverhaltens Sanktionen ausgesetzt zu werden (vgl. dazu aus Staatsrechtlicher Sicht: H. Meyer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, 1. Aufl., 1987, Bd. II, § 38 Rn. 13; VG Oldenburg v. 22.01.2008 - 1 A 5201/06, [...]). Es kommt daher nicht darauf an, ob ein Dritter wirklich wahrgenommen hat, für wen ein Wähler gestimmt hat. Das Wahlgeheimnis ist schon verletzt, wenn der Wähler sich aufgrund konkreter Umstände objektiv nachvollziehbar nicht unbeobachtet fühlen konnte und es möglich gewesen ist zu sehen, ob er den Stimmzettel überhaupt verändert hat, selbst wenn ihn niemand tatsächlich beobachtet haben sollte (vgl. auch: VG Oldenburg v. 22.01.2008 - 1 A 5201/06, [...]; VGH Baden-Württemberg v. 08.041968, I 652/67, [...]).



bb)Diesen Anforderungen wird die Wahl vom 10.12.2015 nicht gerecht. Die Wähler konnten angesichts der Ausgestaltung des Wahlraumes nicht sicher sein, dass sie unbeobachtet waren. Der Wahlraum weist nur eine Fläche von ca. 40 Quadratmetern auf, die sich aus einer Länge von ca. 7,00 und einer Breite von 6,00 Metern ergeben. Auf der einen Seite der kürzeren Wand befanden sich drei Tische des Wahlvorstandes. Auf der gegenüberliegenden Seite in einem Abstand von etwa 7 Metern die beiden Tische für die Wähler. Die Wähler saßen dabei mit dem Rücken zum Wahlvorstand. Damit ergibt sich unter Abzug der Tischbreite und dem erforderlichen Abstand der Tische des Wahlvorstandes von der Wand ein Abstand zum Wahltisch der Wähler von ca. 5 Metern. Zudem befand sich auf der langen Seite eine Türe, von der sich links aus gesehen ein weiterer Tisch des Wahlvorstandes befand. Von diesem Platz aus gesehen, an dem die weiteren Wähler warteten, beträgt der Abstand zum Wahltisch allenfalls etwa 4 Meter. In dieser Situation konnten die Wähler schon angesichts der geringen Distanzen nicht vor einer Beobachtung sicher sein. Denn jedenfalls in der Diagonale, auch wenn diese natürlich wieder eine längere Strecke beinhaltete, war jedenfalls eine Sicht auf den Arm des Wählers und den Wahlzettel möglich. Schon diese Situation ermöglicht - unabhängig von einer tatsächlichen Beobachtung - die geheime Wahl nicht, weil sich der jeweilige Wähler eben nicht völlig unbeobachtet fühlen konnte. Dies um so mehr, als er mit dem Rücken zum Wahlvorstand saß und nicht beobachten konnte, wo sich die Wahlvorstände gerade befinden.



Dem kann der Beteiligte zu 2) nicht die Raumgröße als solches entgegenhalten. Denn der Raum ist mit 40 Quadratmetern eben nicht so groß, dass aufgrund der Anordnung der Wahltische und der Positionierung des Wahlvorstandes sowie der wartenden Wähler die unbeobachtete Wahl hätte gewährleistet werden können. Soweit die Kammer im Rahmen der Anhörung auf die Entscheidung des LAG München Bezug genommen hat (LAG München v. 28.09.1953 - 6/53 I), ist diese nicht heranzuziehen, weil der dortige Wahlraum 240 Quadratmeter aufwies. In einem derart großen Raum kann man sich in der Tat auch ohne Kabine oder Wandschirme unbeobachtet fühlen, wenn man sich zur Ausfüllung des Wahlzettels in einer andere Ecke dieses Raumes begibt. So eine Möglichkeit bietet der hier verwendete Wahlraum mit seinen ca. 40 Quadratmetern gerade nicht. Nichts anderes ergibt sich, weil der Antragsteller keinen geeigneten Wahlraum zur Verfügung gestellt hat. Denn die Verpflichtung zur Durchführung der geheimen Wahl gilt absolut und hätte durch einfache und zumutbare Maßnahmen, etwa einem Wandschirm oder einer Trennwand vermittelt werden können.



c)Der festgestellte Verstoß gegen § 12 Abs. 1 WO führt zur Unwirksamkeit der Wahl, weil hierdurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.



aa)Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG v. 21.01.2009 - 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481; BAG v. 25.05.2005 - 7 ABR 39/04, NZA 2006, 116; BAG v. 19.10.2004 - 7 ABR 5/04, EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 4; BAG v. 31.05.2000 - 7 ABR 78/98, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG v. 21.01.2009 - 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481; BAG v. 25.05.2005 - 7 ABR 39/04, NZA 2006, 116; BAG v. 19.10.2004 - 7 ABR 5/04, EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 4; BAG v. 31.05.2000 - 7 ABR 78/98, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12). Dazu reicht nicht jede theoretisch denkbare Möglichkeit, sondern nach der allgemeinen Lebenserfahrung und den konkreten Umständen des Falles die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit eines anderen Ergebnisses (Fitting § 19 BetrVG Rz.24).



bb)So liegt der Fall hier.



Dabei kann offen bleiben, ob es bei einem Verstoß gegen den elementaren Wahlgrundsatz der geheimen Wahl überhaupt darauf ankommen kann, ob das Wahlergebnis objektiv weder geändert noch beeinflusst werden konnte. Insoweit ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung etwa bei der Wahlen der Schwerbehindertenvertretung anerkannt, dass nicht erforderlich ist, dass durch den Verstoß eine Beeinflussung des Wahlergebnisses eine mögliche kausale Folge gewesen ist (OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.09.2000 - 1 A 1541/99.PVB. [...]; so wohl auch Fitting, § 12 WO Rz. 2; Däubler/Homburg, § 12 WO Rz. 1). Demgegenüber wendet das BAG auch bei einem Verstoß gegen die Vorschriften der geheimen Wahl § 19 Abs. 1 BetrVG an (BAG v. 12.06.2013 - 7 ABR 77/11, [...]; BAG v. 14.01.1969 - 1 ABR 14/68, [...]; auch GK-Kreutz/Jacobs, § 12 WO Rz. 1).



Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, wäre die Wahl anfechtbar, weil sich nicht konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Entscheidend ist die hypothetische Betrachtungsweise. Hier ist die Wahl nur dann nicht zu wiederholen, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Gerade diese Prognose kann bei einem Verstoß gegen die Vorschriften der geheimen Wahl nicht getroffen werden. Denn es ist nicht undenkbar, dass sich die Wähler bei einer Wahl, die den Anforderungen des § 12 Abs. 1 WO bei Ausfüllen des Stimmzettels anders entschieden hätten. Gerade der Druck durch Blicke von hinten auf den Wähler vermittelt durch die unmittelbare körperliche Gegenwart des Wahlvorstandes hat die Stimmabgabe möglicherweise beeinflusst. Dabei ist auch zu beachten, dass schon wenige andere Stimmabgaben das Wahlergebnis beeinflusst hätten, wie sich aus der Bekanntmachung des Wahlergebnisses ergibt.



d)Da die Betriebsratswahl bereits wegen des Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 WO 2001 verstößt, kommt es nicht darauf an, ob bei der Wahl weitere Vorschriften verletzt worden sind.



III.



Da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Voraussetzungen einer Divergenzrechtsbeschwerde ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zu Gunsten der Arbeitgeberin kein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Dr. Ulrich
Michel
Zeise

Vorschriften§ 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, § 19 Abs. 1 BetrVG, § 87 Abs. 2, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80ff ArbGG, § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 19 Abs. 2 BetrVG, § 1 BetrVG, § 19 Abs.1 BetrVG, § 187 Abs. 1 BGB, § 14 Abs. 1 BetrVG, § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG

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