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01.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191573

Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 21.11.2016 – 3 Ss OWi 1394/16

Beruht die Feststellung der Abstandsunterschreitung auf einem die gebotenen Toleranzabzüge bereits systemimmanent berücksichtigenden standardisierten Abstandsmessverfahren, muss das tatrichterliche Urteil zu erkennen geben, dass die dem Tatvorwurf zugrunde gelegten Geschwindigkeits- und Abstandswerte unter Berücksichtigung des gerätspezifischen Toleranzabzugs ermittelt wurden; der Mitteilung der konkreten Toleranzwerte bedarf es dann nicht mehr (u.a. Festhaltung an BGHSt 39, 291/301 ff.; 43, 277/282 ff.; BayObLGSt 1993, 55/56 f. und OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12 = ZfS 2013, 290 = VerkMitt. 2013, Nr. 30).


Oberlandesgericht Bamberg

Beschluss vom 21. 11. 2016

3 Ss OWi 1394/16

Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Nichtein­haltung des Mindestabstandes (§ 4 I 1 StVO) zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Seine hiergegen gerichteten Rechtsbe­schwerde erwies sich als begründet.

Aus den Gründen:

I. Die nach § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechts­beschwerde erweist sich auf die (unausgeführte) Sachrüge jedenfalls vorläufig als begründet, weil sich die Urteilsfeststellungen gem. §§ 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO als lückenhaft erweisen. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

1. Die Urteilsgründe sind lückenhaft und zwingen den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil in ihnen - wie die GenStA in ihrer Antragsschrift zutref­fend ausführt - zwar mitgeteilt wird, mit wel­chem Messverfahren die ‚standardisierte‘ Abstandsmessung festgestellt worden ist, jedoch Angaben dazu fehlen, ob ein Toleranzabzug berücksichtigt wurde.

2. Wenn auch in Bußgeldsachen als Massenverfahren an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für sie als alleiniger Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils prinzipiell nichts anderes gelten wie für Urteile im Strafsachen. Die Urteilsgründe müssen deshalb nach § 71 OWiG i.V.m. § 267 I, III StPO auch in Bußgeldsachen wenigstens so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = ZfS 2016, 116 und vom 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris] sowie OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.09.2016 – 2 [7] SsBs 507/16 [bei juris], jeweils m.w.N.; vgl. auch Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 71 Rn. 43 ff.).

3. Erfüllt die Abstandsmessung die Voraussetzungen eines als ‚standardisiert‘ anerkannten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des Bundesge­richts­hofs (grundlegend: BGH, Beschl. v. 19.08.1993 - 4 StR 627/92 = BGHSt 39, 291 und v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 = BGHSt 43, 277) und ergibt sich aus den Gründen des Bußgeldurteils zweifelsfrei, dass die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte unter Vornahme des gebotenen Toleranzabzugs ermittelt wurden, stellt es für sich genommen grundsätzlich keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils i.S.v. § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO dar, wenn sich die Verurteilung hinsichtlich des Messvorgangs auf die Mitteilung des angewendeten Messverfahrens, die errechnete Geschwindigkeit des Betr. und die Länge des vorwerfbaren Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug beschränkt. Insbesondere bedarf es dann bei der Errechnung der Geschwindigkeit des Betr. und bei der hieraus abgeleiteten Abstandsbestimmung in aller Regel auch keiner ausdrücklichen Mittei­lung der konkreten Toleranzwerte mehr, da davon ausgegangen werden darf, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit beim Ergebnis berücksichtigt wurden (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 39, 291/301 ff.; 43, 277/282 ff.; BayObLGSt 1993, 55/56 f. und OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12 = ZfS 2013, 290 = VerkMitt. 2013, Nr. 30 zuletzt u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2015 – 3 Ss OWi 160/15 = NJW 2015, 1320 = NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396, jeweils m.w.N.; ferner Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 43. Aufl. § 4 StVO Rn. 25 f.; Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 22. Aufl. § 4 StVO Rn. 7 ff. sowie Burhoff/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 162 ff., insbes. Rn. 168 ff., jeweils m.w.N.). Auf die genannten (Mindest-) Feststellungen könnte allenfalls in den weni­gen Fällen eines echten ‚qualifizierten’ Geständnisses des Betr. (hierzu OLG Bamberg, Beschl. v. 11.07.2006 – 3 Ss OWi 906/06 = OLGSt StPO § 267 Nr. 18) verzichtet werden.

II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 79 III 1 OWiG, § 353 StPO) und die Sa­che zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückzuverweisen (§ 79 VI OWiG). [...]

RechtsgebieteStPO, OWiG, StVOVorschriftenStPO § 267; OWiG § 71 I; StVO § 4 I 1

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