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03.01.2017 · IWW-Abrufnummer 190952

Arbeitsgericht Köln: Urteil vom 24.11.2016 – 11 Ca 3589/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Köln

11 Ca 3589/16

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
4. Streitwert: 110,00 EUR

1

Tatbestand

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Die Parteien streiten im Rahmen der Betriebsrente über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes sowie die Übergabe einer Marzipantorte der Marke ……...

3

Der Kläger ist seit dem Jahr 2009 Betriebsrentner der Beklagten, die insgesamt ca. 1350 Betriebsrentner hat.

4

In der Vergangenheit haben einzelne Betriebsrentner und auch der Kläger jährlich ein Weihnachtsgeld i.H.v. 105 EUR und eine Marzipantorte der Marke …….. in unterschiedlicher Größe von der Beklagten erhalten.

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Die Betriebsrentner erhielten hierzu jeweils gleichzeitig ein Anschreiben der Beklagten mit unterschiedlichem Inhalt.

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In den Jahren 2002, 2003 und 2005 erhielten die Betriebsrentner ein Anschreiben mit folgendem Text:

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„Zum bevorstehenden Weihnachtsfest übermitteln wir Ihnen unsere besten Grüße. Gleichzeitig wünschen wir Ihnen ein gesundes und zufriedenes Jahr ….

8

Ein Weihnachtsgeld i.H.v. 105 EUR, das wir in diesen Tagen auf Ihr Bankkonto überweisen sowie eine Marzipantorte soll Ausdruck unserer Verbundenheit mit Ihnen sein.“

9

Das Begleitschreiben im Jahr 2009, wegen dessen Einzelheiten auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 44 GA) verwiesen wird, lautet unter anderem:

10

„Die Zuckerindustrie steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Viele gewohnte Strukturen sind infrage gestellt, neue Wege müssen geprüft und mutig beschritten werden. Dennoch sind wir als Unternehmen nach wie vor erfolgreich und dies gründet sich nicht zuletzt auf den Leistungen früherer Mitarbeitergenerationen. Deshalb freuen wir uns, Ihnen auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Marzipantorte ein Weihnachtsgeld i.H.v. 105 € als Zeichen unserer Verbundenheit gewähren zu können.“

11

Mit Schreiben vom 9.11.2015 teilte die Beklagte den Rentnern mit, dass sie ab dem Jahr 2015 aus wirtschaftlichen Gründen weder ein Weihnachtsgeld noch eine Marzipantorte leisten werde.

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Der Kläger behauptet, dass in der Vergangenheit alle Betriebsrentner ein Weihnachtsgeld i.H.v. 105 EUR und eine Marzipantorte erhalten hätten. Er ist der Ansicht, er habe daher einen Anspruch auf Gewährung dieser Leistungen aus betrieblicher Übung.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, in ihn 105 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 1.12.2015 zu zahlen.

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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Marzipantorte der Marke …….. zu übergeben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie behauptet, weder das Weihnachtsgeld noch die Marzipantorte seien an alle Betriebsrentner geleistet worden.

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Sie ist der Ansicht, dass eine betriebliche Übung nicht entstanden sein könne, da es sich um bloße Annehmlichkeiten gehandelt habe und kein Bindungswille der Beklagten vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus den Anschreiben in dem jeweiligen Jahr.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes noch auf Übergabe einer Marzipantorte.

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I. Der Anspruch ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.

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1. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hat der Gesetzgeber die betriebliche Übung als Rechtsquelle anerkannt (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betrieblicher Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich (BAG, Urteil vom 19. Mai 2016 – 3 AZR 131/15 –, Rn. 44, juris).

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2. Eine betriebliche Übung liegt hier nicht vor. Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst (BAG 11. November 2014 - 3 AZR 849/11 - Rn. 52, 53 mwN). Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Vergünstigungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG, Urteil vom 19. Mai 2016 – 3 AZR 131/15 –, Rn. 45, juris). Entscheidend ist dagegen nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte (BAG, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 526/10 –, BAGE 139, 156-167, Rn. 12).

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a. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen begründen (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar gibt es bislang keine verbindlichen Regeln, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (BAG, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 526/10 –, BAGE 139, 156-167, Rn. 12).

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Angewendet auf den vorliegenden Fall ist von einer derartigen kollektiven betrieblichen Übung nicht auszugehen. Im Rechtsstreit hat der Arbeitnehmer hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der betrieblichen Übung die Darlegungs- und Beweislast zu tragen. Er hat die Verhaltensweise des Arbeitgebers konkret vorzutragen, weil sie den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung bestimmt (MüKoBGB/Müller-Glöge BGB § 611 Rn. 411-433, beck-online). Die Beklagte hat bestritten, dass den Betriebsrentnern einheitlich ein Weihnachtsgeld gezahlt und eine Marzipantorte überlassen wurde. Vielmehr trägt sie vor, dass die Betriebsrentner unterschiedlich behandelt worden seien. Der für die Entstehung einer betrieblichen Übung und damit einer einheitlichen Handhabung darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat gerade nicht unter Beweis gestellt, dass die Gewährung dieser Leistungen einheitlich erfolgt ist. Aus der Tatsache allein, dass die erkennende Kammer über insgesamt sechs Fälle zu befinden hatte, lässt sich bei 1350 Betriebsrentnern keine Vermutung begründen, dass hier eine einheitliche Behandlung der Betriebsrentner vorgenommen wurde.

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b. Auch wenn es an einer betrieblichen Übung fehlt, weil beispielsweise der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 526/10 –, BAGE 139, 156-167, Rn. 13).

30

Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger konnte aufgrund des unstreitig jährlich versandten Anschreibens nicht davon ausgehen, dass diese Leistung auch zukünftig gewährt wird. Will der Arbeitgeber vermeiden, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er den einschränkenden Vorbehalt zwar nicht ausdrücklich formulieren, aber klar und deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. BAG, NZA-RR 2008, 597 = AP BetrAVG § 1 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 9 Rdnr. 20). Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall. Insoweit folgt die Kammer den Ausführungen des Arbeitsgerichts Detmold Urteil vom 21.7.2016 (1 Ca 266/16). Dieses weist zutreffend darauf hin, dass dem Anschreiben zu entnehmen ist, dass das Weihnachtsgeld und die Marzipantorte auch für das betroffene Jahr gewährt wird. Die Beklagte macht damit deutlich, dass die Entscheidung für das jeweilige Jahr getroffen wird. Die Bezeichnung als „Gewährung“ in Bezug auf das konkrete Jahr spricht dafür, dass ein Rechtsbindungswillen für die Zukunft gerade nicht anzunehmen ist und auch keine Verpflichtung erfüllt werden sollte. Der für die Entstehung des Anspruchs darlegungsbeweispflichtige Kläger hat nicht konkret vorgetragen, dass ihm gegenüber mehrfach die Zahlung und die Gewährung der Marzipantorte erfolgt ist, ohne dass zugleich ein entsprechendes Schreiben übersandt wurde. Die von ihm vorgelegten Schreiben aus den Jahren 2002,2003 und 2005 stammen aus einer Zeit, als der Kläger selbst noch nicht Betriebsrentner war. Soweit hier der Vorbehalt nicht formuliert wurde, kann sich der Kläger hierauf nicht berufen, da wie bereits ausgeführt keine kollektive betriebliche Übung bestand. Er kann diese Schreiben nicht erhalten haben.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Absatz ein ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 ArbGG im Urteil festzusetzen und ergibt sich aus dem Zahlungsantrag und dem vorgerichtlich angegebenen Wert der Marzipantorte von fünf Euro.

32

Die Berufung war entgegen dem klägerischen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §§ 64 Abs. 3 ArbGG nicht gegeben sind. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG setzt voraus, dass die Beantwortung einer Rechtsfrage zweifelhaft ist, oder dass zu ihr verschiedene nicht von vornherein abwegige Ansichten vertreten werden, und dass sie noch nicht oder nicht ausreichend höchstrichterlich geklärt ist (GMP/Germelmann ArbGG § 64 Rn. 19-28, beck-online). Die vorliegende Entscheidung beruht auf den Grundsätzen aus dem Urteil des BAG vom 16. 2. 2010 - 3 AZR 118/08, so dass die Rechtsfrage als geklärt anzusehen ist.

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RECHTSMITTELBELEHRUNG

34

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

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