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20.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188777

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 09.05.2016 – 3 Sa 359/15


Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 25.06.2015 - 5 Ca 1227/14 - aufgehoben, teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:


a) Die Beklagte wird verurteilt, 278,76 € brutto an die Klägerin zu zahlen.


b) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.


c) Die Kosten haben zu 9/10 die Klägerin und zu 1/10 die Beklagte zu tragen.


2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben zu 9/10 die Klägerin und zu 1/10 die Beklagte zu tragen.


3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber ob der Klägerin gegenüber ihrem Arbeitgeber noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch für die Jahre 2013 und 2014 zusteht.



Die Klägerin war von 1991 bis 2014 bei der Beklagten als Arbeiterin in G. aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages von 1991, seit 1992 als Angestellte gemäß dem Arbeitsvertrag von 1992 in der 5- Tagewoche in der Materialverwaltung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag des TV-AL II Anwendung. Die Klägerin war eingruppiert in die Lohn- und Gehaltsgruppe C 5 a. Das tarifliche Grundgehalt betrug 2817,63 €. Die Klägerin war vollzeitbeschäftigt. Die Klägerin ist nicht schwerbehindert.



Das Arbeitsverhältnis endete durch krankheitsbedingte Kündigung. Die Parteien haben am 09.09.2014 im Kündigungsschutzrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - einen Vergleich abgeschlossen - 6 Ca 436/14. Der Vergleich enthält keine Regelung zur Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war seit August 2011 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt; sie hat in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbracht. Zunächst bezog sie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sodann Krankengeld und im Anschluss daran Arbeitslosengeld I. Die Beklagte hat eine Urlaubsabgeltung für 37 Arbeitstage vorgenommen. Mit der Oktober-Abrechnung (2014) hat sie einen Betrag von 4.806,26 € gezahlt. Dieser berechnet sich wie folgt: 37 Arbeitstage x 7,7 Stunden = 284,90 Stunden x EUR 16,87 (Stundenlohn) = 4.806,26 € brutto. Aufgrund einer Tariflohnerhöhung hat sich der Stundenlohn von 16,87 € auf 17,28 € erhöht. Diese sich daraus ergebende Differenzzahlung von 116,81 € hat die Beklagte mit der November-Abrechnung 2014 nachgezahlt.



Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stehe noch eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.346,32 EUR brutto zu. Insoweit ergebe sich ein Urlaubsabgeltungsanspruch für jedes Jahr in Höhe von 3.901,33 €; die Berechnung sei wie folgt: 2.817,63 € x 3 Monate = 8.452,89 € dividiert durch 13 Wochen = 650,22 € dividiert durch 5 Tage = 130,04 € x 30 Tage = 3.901,33 € pro Urlaubsjahr; abzüglich der Zahlung der Beklagten ergebe dies die Klagesumme, wobei die Klägerin im erstinstanzlichen Rechtszug den Erhalt einer Zahlung in Höhe von 116,81 € zunächst bestritten hat.



Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.346,32 EUR brutto zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin stehe schon deshalb kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr zu, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt geruht habe.



Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat daraufhin die Beklagte durch Urteil vom 25.06.2015 - 5 Ca 1227/14 - verurteilt, an die Klägerin 2.346,32 € brutto zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 82 - 85 d. A. Bezug genommen.



Gegen das ihr am 22.07.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 10.08.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 22.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend sei zu vermuten, dass die Arbeitsvertragsparteien zumindest stillschweigend das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart hätten, sofern ein Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosgeld nach § 125 Abs. 1 SGB III beziehe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld habe ein Arbeitnehmer nämlich nur dann, wenn er in keinem "Beschäftigungsverhältnis" im Sinne von § 119 SGB III stehe. Folglich sei vorliegend von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses auszugehen durch den Bezug von Arbeitslosengeld I. Auch ein Anspruch auf zusätzlichen tariflichen Urlaub für die Kalenderjahre 2013 und 2014 bestehe nicht. Der TV-AL II stelle insoweit ein eigenständiges Urlaubsregime dar. Danach seien aber Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruhe, nicht als Zeiten eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses anzusehen mit der Folge, dass für diese Kalendermonate kein Anspruch auf Urlaub bestehe. Entsprechend entstehe auch kein Urlaubsabgeltungsanspruch. Folglich stehe der Klägerin im Jahre 2013 und 2014 gerade kein zusätzlicher Urlaub von 10 bzw. 5 Arbeitstagen zu.



Im Übrigen entstehe im ruhenden Arbeitsverhältnis nach zutreffender Auffassung auch kein gesetzlicher Urlaubsanspruch.



Zudem stehe der Klägerin jedenfalls für das Jahr 2014 aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2014 kein voller Jahresurlaubsanspruch zu.



Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin sich nicht erklärt habe, ob sie überhaupt Anspruchsinhaberin sei.



Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 22.09.2015 (Bl. 112 - 117 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 15.12.2015 (Bl. 146 - 148 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 149, 150 d. A.).



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 25.06.2015, Az.: 5 Ca 1227/14 abzuändern und die Klage abzuweisen.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebst insbesondere hervor, die Berufungsbeklagte sei in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 ausgeschieden, mit der Folge, dass 12/12 als Jahresurlaub insoweit zu berücksichtigen seien. Sie habe den tariflichen Mehrurlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht antreten können, so dass eine Übertragung erfolgt sei. Nach der tariflichen Regelung trete kein Verfall ein, wenn wegen der Arbeitsunfähigkeit der Urlaub bis zur Beendigung überhaupt nicht habe antetreten werden können. §§ 4, 5 BUrlG dienten einer abschließenden Regelung zum Teilurlaub; die tarifvertragliche Regelung weiche davon zu Ungunsten des Arbeitnehmers ab, auch von den gesetzlichen Bestimmungen zum Mindesturlaub; dies sei rechtsunwirksam. Ein Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses habe nicht vorgelegen. Die von der Beklagten in Anspruch genommene tarifvertragliche Regelung betreffe lediglich den Teilurlaub. Dies folge aus der Überschrift, dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 33 Nr. 4 TV-AL II.



Hinsichtlich der Zahlung der Beklagten im Oktober 2014 habe diese eine Unterscheidung zwischen tariflichem Mehrurlaub und gesetzlichem Urlaub nicht vorgenommen. Auch ergebe sich aus der Zahlung keine Bestimmung, auf welches Urlaubsjahr sich die Abgeltung beziehe. Eine Tilgungsbestimmung müsse aber bei der Leistung erfolgen, eine nachträgliche Bestimmung sei grundsätzlich unwirksam. Die Zahlung der Beklagten sei daher auf den tariflichen Urlaub anzurechnen. Der Mindesturlaub sei damit noch nicht erfüllt.



Sie bestreite, dass die Beklagte eine Überleitungsanzeige nach § 115 SGB X erhalten habe.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2015 (Bl. 128 - 133 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 15.01.2016 (Bl. 155 - 157 d. A.) Bezug genommen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 30.11.2015 und 09.05.2016.



Entscheidungsgründe



I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



II. Das Rechtsmittel der Berufung hat auch überwiegend Erfolg. Denn die Klägerin kann lediglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 278,76 € brutto verlangen; die darüber hinausgehende Klage ist demgegenüber unbegründet und folglich abzuweisen.



Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Arbeitsverhältnis im streitgegenständlichen Zeitraum 2013, 2014 bis zu ihrem Ausscheiden am 31.10.2014 geruht. Das BAG hat insoweit (14.03.2006, 9 AZR 312/05) ausgeführt:



Bereits zuvor hatte das BAG durch Urteil vom 09.08.1995 (10 AZR 539/94) ausgeführt:



Die Beklagte hat insoweit substantiiert vorgetragen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen nach Maßgabe dieser Grundsätze vorliegend für die Kalenderjahre 2013 und 2014 bis zum Ausscheiden der Klägerin am 31.10.2014 gegeben waren; dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten. Folglich ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis im streitgegenständlichen Zeitraum voll umfänglich geruht hat.



Dies ändert am Fortbestand des gesetzlichen Urlaubsanspruchs der Klägerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und sodann im Anschluss daran des Urlaubsabgeltungsanspruchs nichts. Das BAG (06.05.2014 EzA § 1 BurlG Nr. 26; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 3 Rnr. 2175 ff.) begründet dies damit, dass nach der gesetzlichen Regelung des § 1 BurlG der gem. § 13 Abs. 1 S. 1, 3 BUrlG unabdingbare Urlaubsanspruch unabhängig vom Umfang der Arbeitsleistung entsteht, weil er nur an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der Wartezeit gem. §§ 1, 4 BUrlG geknüpft ist. Demgegenüber findet eine Anknüpfung an ein etwaiges Erholungsbedürfnis nicht statt. Der Arbeitnehmer muss sich diesen Anspruch folglich nicht durch tatsächliche Arbeitsleistung "verdienen". Deshalb entsteht auch in einem konkludent vereinbarten ruhenden Arbeitsverhältnis zum Bezug von Arbeitslosengeld bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch; gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen folglich auch denn, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG 07.08.2012 EzA § 7 BUrlG Nr. 129; 17.05.2011 EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 38; LAG Mecklenburg-Vorpommern 12.02.2015 LAGE § 3 BUrlG Nr. 6). Das Bundesurlaubsgesetz bindet den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 S. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 Pflegezeitgesetz) findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies also grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt (BAG 06.05.2014 EzA § 1 BUrlG Nr. 26). Auch durch Tarifvertrag kann in diesem Fall das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche nicht wirksam ausgeschlossen werden (BAG 06.05.2014 a.a.O.).



Diese Auffassung ist auch unionsrechtlich geboten. Die Mitgliedsstaaten dürfen den mit der RL 2003/88/EG allen Arbeitnehmern unmittelbar verliehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben (OLG H. 20.01.2009 EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Zudem ist Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88 EG dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nachdem der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von 10 Tagen oder 1 Monat während des Bezugszeitraums abhängt. Er steht allerdings einer nationalen Bestimmung nicht entgegen, nach der je nach Ursache der Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von der RL gewährleistete Mindestdauer von 4 Wochen oder genau so lang wie diese ist (EuGH 24.01.2012 EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003-88 Nr. 8).



Der damit trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufrechterhaltene Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch ist auch nicht aufgrund Zeitablaufs erloschen.



Zwar war mit der Entscheidung des EuGH vom 20.01.2009 (EzA EG Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) noch keine Entscheidung darüber getroffen, wie die nationalen Gerichte über den konkreten Streitfall und andere vergleichbare Lebenssachverhalte zu befinden haben. Da der EuGH keine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen primären Rechts gerügt und deshalb keinen Unanwendbarkeitsausspruch vorgenommen hat, hat das BAG (24.03.2009 EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 15) eine gemeinschaftskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG jedenfalls für die Fälle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gewählt. Denn die nationalen Gerichte müssen das innerstaatliche Recht soweit wie möglich so auslegen, dass das in einer Richtlinie festgelegte Ergebnis zu erreichen ist und so Art. 288 Abs. 3 AEUV beachtet wird. Dieser Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts betrifft zwar in erster Linie die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Bestimmungen, verlangt aber auch, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinien widersprechenden Ergebnis führt (EuGH 05.10.2004 EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 93 - 04 Nr. 1). Das ist auch im Urlaubsrecht maßgebend; deshalb ist das BAG (24.03.2009 a.a.O.) davon ausgegangen, das gesetzliche Urlaubs(abgeltungs)ansprüche nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig ist. Das entspricht Wortlaut, Systematik und Zweck der innerstaatlichen Regelung, wenn die Ziele des Art. 7 Abs. 1, 2 RR 2003(88 EG und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt werden (BAG 24.03.2009 a.a.O.). Es handelt sich um eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion der zeitlichen Grenzen des § 7 Abs. 3 S. 1, 3, 4 BUrlG in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des jeweiligen Übertragungszeitraums.



Da Art. 7 Abs. 1 LL 2003/88-EG aber einer tariflichen Regelung nicht entgegen steht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugsräume infolge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränkt, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsieht nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt (EuGH 22.11.2011 NZA 2011, 1333), ist für das nationale Recht nach der Rechtsprechung des BAG (07.08.2012 EzA § 7 BUrlG Nr. 129) davon auszugehen, dass bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG unionsrechtskonform so auszulegen ist, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Denn der EuGH (22.11.2011 a.a.O.) hat seine Rechtsprechung bezüglich des zeitlich unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht beanstandet (BAG 07.08.2012 a.a.O.).



Vor diesem Hintergrund ist aufgrund der Einhaltung der 15-monatigen Übertragungsfrist vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen, dass der gesetzliche Mindesturlaub der Klägerin für 2013 und 2014 nicht verfallen ist.



Dem gegenüber steht der Klägerin ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für den tariflichen Mehrurlaub für die Kalenderjahre 2013 und 2014 nicht zu. Denn der insoweit bestehende Anspruch ist gem. § 33 Nr. 4 TVAL II verfallen.



§ 33 TVAL II hat auszugsweise folgenden Wortlaut:



Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen für den Verfall des tarifvertraglichen Mehrurlaubs nach § 33 Ziff. 4 TVAL II vorliegend gegeben.



Insoweit ist zwischen gesetzlichem und dem darüber hinaus gehenden tarif- und einzelvertraglichen Urlaub zu unterscheiden (BAG 22.05.2012 EzA § 7 BUrlG Nr. 128). Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindesturlaub von 4 Wochen übersteigen (tariflicher Mehrurlaub) frei regeln. Sie können deshalb auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit wirksam den Verfall von tariflichen Mehrurlaubsansprüchen am Ende des Urlaubsjahres und/oder eines kurzen Übertragungszeitraums von wenigen Monaten vorsehen. Ebenso können sie die Abgeltung des Mehrurlaubs bei Vertragsbeendigung davon abhängig machen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht fortdauert (BAG 22.05.2012 - 9 AZR 618/10, EzA - SD 17/12 S. 7 LS = NZA 2012, 987 [BAG 22.05.2012 - 9 AZR 618/10] ; 22.05.2012 EzA § 7 BUrlG Nr. 128; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rdnr. 2195 ff.). Denn Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten im Sinne des Art. 7 Abs. 1 RL 2003 88 sind zwar auch Tarifbestimmungen. Sie stehen dieser Vorschrift an sich ebenso partiell entgegen wie das Gesetz, wenn sie Urlaubsansprüche befristen. Allerdings kann das Gemeinschaftsrecht nur den gesetzlichen Teil des Urlaubs - mittelbar - betreffend, denn der tarifliche, den gesetzlichen Rahmen übersteigende Urlaub fällt nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts. Insoweit muss also der Arbeitnehmer den Verfall des überschießenden Urlaubs bei fortdauernder Erkrankung hinnehmen, denn die Tarifvertragsparteien können für den nicht unionsrechtlich verbürgten Teil des Urlaubs (Mehrurlaub) regeln, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahme bis zu einem von ihnen festgelegten Zeitpunkt trägt. Voraussetzung ist dabei, dass die Auslegung ergibt, dass der Tarifvertrag vom grundsätzlichen Gleichlauf zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub abweicht, also eine eigenständige Regelung trifft.



Ob die Tarifvertragsparteien in concreto den tariflichen Mehrurlaub gemäß den Regeln über den gesetzlichen Mindesturlaub behandelt wissen oder abweichende Regelungen schaffen wollten, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein "Gleichlauf" des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub bezüglich des Verfalls ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. bei Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. Eine entsprechende Prüfung ist bezüglich der Abgeltungsvorschriften vorzunehmen, um zu ermitteln, ob die Abgeltung kein reiner Geldanspruch, sondern von weiteren Voraussetzungen abhängig sein soll (BAG 12.11.2013 9 AZR 551/12 EzA § 7 BUrlG Nr. 131; 12.11.2013 9 AZR 646/12, EzA-SD 2014 S. 15 LS).



Kein Gleichlauf ist - wie dargelegt - dann anzunehmen, wenn der Tarifvertrag entweder zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub unterscheidet oder sowohl für Mindest- als auch Mehrurlaub wesentlich von § 7 Abs. 2 BUrlG abweichend Übertragungs- und Verfallregeln bestimmt (BAG 12.04.2011 EzA § 7 BUrlG Nr. 123). Anders ist es dagegen dann, wenn die Tarifauslegung ergibt, dass die Tarifvertragsparteien in allen Details den von ihnen vereinbarten Urlaub an das Schicksal des gesetzlichen Urlaubs anbinden wollten. Dasselbe gilt für einzelvertragliche Urlaubsvereinbarungen, durch die ein höherer Urlaubsanspruch als nach dem Bundesurlaubsgesetz entsteht. Ergibt die Vertragsauslegung allein eine Anbindung an das Gesetz, so geht der vertragliche Anspruch ebenso wenig bzw. genauso wie der gesetzliche im Fall dauerhafter Erkrankung unter; andernfalls bleibt nur der gemeinschaftsrechtlich abgesicherte Urlaub erhalten (BAG 24.03.2009 EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 15).



Die Tarifvertragsparteien haben in § 33 Ziff. 6 TV AL II (lit. d) ein eigenständiges, vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime vereinbart, nachdem der tarifliche Mehrurlaubsanspruch auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit schon vor dem Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen kann (BAG 16.07.2013 EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 24; 12.11.2013 9 AZR 551/12 EzA § 7 BUrlG Nr. 131).



Angesichts dieser Eigenständigkeit bestehen vorliegend auch keine Bedenken dagegen, § 33 Ziff. 4 TV AL II auf den tarifvertraglichen Mehrurlaub anzuwenden, auch wenn die Auslegung dieser Norm den für den Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz geltenden Grundsätzen, wie dargestellt, widerspricht.



§ 33 Ziff. 4 (lit.a) schließt nach dem Wortlaut für den Fall, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht, das Anwachsen, das Entstehen eines Urlaubsanspruchs für jeden Kalendermonat aus, in dem das Beschäftigungsverhältnis nicht mindestens 15 Kalendertage, also weniger, besteht. Zeiten, in denen das Beschäftigungsverhältnis ruht, gelten danach im Sinne dieser Vorschrift nicht als Zeiten eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses.



Zwar ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass der systematische Zusammenhang der letztgenannten Regelung für eine Beschränkung der Anwendung auf Teilurlaub, also vorliegend zumindest für 2013 nicht einschlägig, spricht. Nach Auffassung der Kammer ergibt sich aus dem Wortlaut des Satzes "Zeiten, in denen das Beschäftigungsverhältnis ruht, gelten im Sinne dieser Vorschrift nicht als Zeiten eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses" aber bereits keineswegs zwingend, dass sich der Anwendungsbereich dieser Teilregelung auf Ziffer 4 beschränken soll; "im Sinne dieser Vorschrift" ist vielmehr im Hinblick auf § 33 TV AL II insgesamt zu verstehen. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, die erkennbar zum Ziel hat, ein Anwachsen des tarifvertraglichen Mehrurlaubs während des Ruhens des Beschäftigungsverhältnisses auszuschließen. Dieser Regelungszweck lässt sich aber sinnvoll nicht auf Fälle des Teilurlaubs beschränken.



Da das Arbeitsverhältnis in den Jahren 2013 und 2014, wie dargelegt, vollständig geruht hat, ist der tarifvertragliche Mehrurlaub folglich verfallen.



Ausgehend von der Berechnung der Klägerin ergibt sich daraus für das Kalenderjahr 2013 ein Bruttobetrag in Höhe von 3.901,33 € abzüglich des tarifvertraglichen Mehrurlaubsabgeltungsanspruch, so dass ein Betrag in Höhe von 2.600,83 € verbleibt. Für das Jahr 2014 ergibt sich aufgrund der Bestandsdauer von 10 Monaten des Arbeitsverhältnisses ein Bruttobetrag von 3.251,25 € abzüglich des tarifvertraglichen Mehrurlaubs in Höhe von 650,25 €, so dass 2.601,00 € verbleiben. Damit ergibt sich ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 5.201,83 €, von dem die - jedenfalls im Berufungsverfahren unstreitig - geleisteten 4.923,07 € abzuziehen sind, so dass die Klage lediglich in Höhe von 278,76 € brutto begründet ist.



Dem insoweit bestehenden Teilanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Aktivlegitimation der Klägerin für diese Teilforderung nicht festgestellt werden kann. Die Beklagte hat insoweit zwar auf § 115 SGB X hingewiesen, also den gesetzlichen Forderungsübergang. Irgendwelche nachvollziehbare Tatsachen, z. B. die Übersendung einer Überleitungsanzeige für den streitgegenständlichen Zeitraum hat die Beklagte aber nicht substantiiert vorgetragen. Folglich besteht für die Kammer keine Veranlassung, die Aktivlegitimation der Klägerin, die bereits seit 2011 durchgängig arbeitsunfähig war, in Zweifel zu ziehen.



Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nicht ein höherer Zahlungsbetrag dadurch, dass die 2014 (Oktober) geleistete Zahlung der Beklagten gem. § 366 BGB nicht auf die Ansprüche 2013/2014, sondern auf die -verfallenen- Ansprüche aus den Vorjahren ab 2011 anzurechnen ist. Dies behauptet selbst die Klägerin -jedenfalls im Berufungsverfahren- nicht mehr. Weitere Ausführungen sind insoweit folglich nicht veranlasst. Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass bei der Urlaubsabgeltungszahlung im Oktober 2014 eine Unterscheidung zwischen tariflichem Mehrurlaub und gesetzlichem Urlaub von der Beklagten nicht vorgenommen wurde und sich ferner auch aus der Zahlung keine Bestimmung ergibt, auf welches Urlaubsjahr sich die Abgeltung bezieht, ist dieser Hinweis unbehelflich. Für die Kalenderjahre 2011, 2012 ist bereits nicht ersichtlich, warum die Beklagte im Hinblick auf den Verfall entsprechender Urlaubsabgeltungsansprüche überhaupt eine Tilgungsbestimmung hätte treffen sollen. Im Hinblick auf den tariflichen Mehrurlaub für die Kalenderjahre 2013 und 2014 ist zwar mit dem BAG (16.07.2013 EzA § 7 BUrlG Abgeltung; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O.Kap. 3 Rdnr. 2312) davon auszugehen, dass eine Tilgungsbestimmung bei der Leistung erfolgen muss, wenn es sich um eine Teilerfüllung handelt mit der Maßgabe, dass eine nachträgliche Bestimmung grundsätzlich unwirksam ist. Andererseits geht das BAG aber auch (07.08.2012 EzA § 7 BUrlG Nr. 130) davon aus, dass dann, wenn der Anspruch auf Erholungsurlaub auf verschiedenen Grundlagen beruht, es sich um eine einheitliche Forderung handelt, auf die § 366 keine Anwendung findet. Vielmehr liegt dann Anspruchskonkurrenz mit der Folge vor, dass ein Arbeitgeber mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch ohne ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung beide Ansprüche ganz oder teilweise erfüllt.



Vorliegend kommt es aber entscheidungserheblich auf eine Anwendung dieser Grundsätze nicht an. Denn die tarifliche Regelung des § 33 Ziff. 4 TV AL II schließt bereits das Entstehen eines entsprechenden tariflichen Zusatzurlaubs aus, so dass für eine Tilgungsbestimmung kein Raum ist.



Nach alledem war der Berufung überwiegend stattzugeben und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen lediglich zur Zahlung von 278,76 € brutto an die Klägerin zu verurteilen.



Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.



Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Verkündet am: 09.05.2016

Vorschriften§ 125 Abs. 1 SGB III, § 119 SGB III, §§ 4, 5 BUrlG, § 115 SGB X, §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO, §125 SGB III, §119 SGB III, § 1 Arbeitsplatzschutzgesetz, § 15 Abs. 1 Arbeitssicherstellungsgesetz, § 1 Eignungsübungsgesetz, §§ 105 a, 101 AFG, § 101 AFG, § 101 Abs. 1 AFG, § 13 Abs. 1 S. 1, 3 BUrlG, §§ 1, 4 BUrlG, § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, § 4 Abs. 1 S. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz, §§ 3, 4 Pflegezeitgesetz, RL 2003/88/EG, Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88 EG, § 7 Abs. 3 BUrlG, Art. 288 Abs. 3 AEUV, § 7 Abs. 3 S. 1, 3, § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, § 3 Abs. 1 BUrlG, § 7 Abs. 2 BUrlG, § 366 BGB, § 7 BUrlG, §§ 91, 92 ZPO, § 72 ArbGG

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