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01.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188393

Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 14.07.2016 – 7 U 60/16

Ein Versicherungsnehmer verstößt im Rahmen einer bestehenden Rechtsschutzversicherung nicht gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung, wenn er nach Widerruf eines Darlehensvertrages gegen die kreditgewährende Bank Klage erhebt mit dem Antrag auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung eines bezifferten Restbetrages aus dem Darlehen.


Oberlandesgericht Stuttgart

Urt. v. 14.07.2016

Az.: 7 U 60/16

In dem Rechtsstreit
xxx
wegen Deckungsklage

hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 7. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2016
für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016 - 3 O 243/15 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungspolice Nr.: XXX, für den ihr am 14.01.2015 gemeldeten Schadensfall - bei der Beklagten und Berufungsbeklagten unter der Schadensnummer:

erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz, Deckungsschutz zu gewähren hat, und zwar für die außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie für eine Leistungsklage gegen die XXX in XXX auf Freigabe der im Grundbuch des Amtsgerichts XXX für das Objekt eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 € nach Erhalt einer Zahlung in Höhe von 104.343,97 €.

I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i. H. v. 120 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 19.000,00 €.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch.

Der Kläger Ziff. 2 unterhält bei der Beklagten unter der Vertragsnummer XXX eine Rechtsschutzversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2008) zugrunde liegen.

Die Kläger schlossen am 04.07.2007 mit der XXX einen Darlehensvertrag über 115.000,00 € (Anlage K 1, Bl. 7 - 13) sowie am 25.07.2007 einen weiteren Darlehensvertrag über 85.000,00 € (Anlage K 1, Bl. 14 - 20). Mit der jeweils ausgezahlten Darlehensvaluta erwarben die Kläger eine eigengenutzte Immobilie. Die gesamte Darlehensvaluta ist zugunsten der XXX mit einer auf dem erworbenen Grundbesitz lastenden Grundschuld zum Nennbetrag von 200.000,00 € gesichert.

Mit Schreiben vom 19.11.2014 erklärten die Kläger den Widerruf der Darlehensverträge und beriefen sich auf eine nicht ordnungsgemäß erteilte Widerrufsbelehrung. Die XXX wies den Widerspruch mit Schreiben vom 25.11.2014 zurück.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.03.2015 (Anlage K 2, Bl. 21 - 26) wiesen die Kläger auf den erklärten Widerruf hin, formulierten die Grundsätze bei der Berechnung der wechselseitigen Ansprüche nach wirksamem Widerruf und forderten die XXX zur Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung des nach diesen Grundsätzen berechneten Betrages auf. Die XXX hielt mit Schreiben vom 14.04.2015 (Anlage K 11, Bl. 237) an ihrer Auffassung fest, wonach vorliegend eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden sei und deshalb der Widerruf seitens der Kläger nicht mehr erklärt werden könne.

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger wandten sich mit Schreiben vom 14.01.2015 (Anlage K 3, Bl. 27) an die Beklagte und baten um Deckungsschutz für die außergerichtliche Rechtsverfolgung gegenüber der XXX aufgrund der Zurückweisung des Widerrufs der Darlehensverträge. Die Beklagte meldete mit Schreiben vom 16.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 29/30) Bedenken hinsichtlich der Höhe des Streitwertes an, da sich dieser lediglich nach der Zinsdifferenz richte. Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 28.01.2015 (Anlage K 5, Bl. 31) darauf hingewiesen hatten, dass sich der Streitwert nach dem Interesse der Kläger, nämlich die Freigabe der Grundschuld zum Nennbetrag von 200.000,00 € zu erreichen, bemesse, erteilte die Beklagte mit Datum vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) eine Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit dem Grunde nach, verweigerte jedoch ihr Einverständnis mit dem von den Klägern zugrunde gelegten Gegenstandswert.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2015 (Anlage K 7, Bl. 35 - 39) forderten die Kläger die Beklagte auf, eine Deckungszusage für ein Klageverfahren I. Instanz zu erteilen für eine Klage gegen die XXX auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der Restdarlehensvaluta. Hierauf erteilte die Beklagte unter dem Datum vom 30.04.2015 (Anlage K 8, Bl. 40) eine Deckungszusage für ein Klageverfahren I. Instanz betreffend die Wirksamkeit des Widerrufs. Die Übernahme der Kosten für den auf Löschung der Grundschuld gerichteten Klageantrag lehnte sie dagegen ab.

Die Kläger haben erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte sei zur Erteilung der Deckungszusage für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Freigabe der Grundschuld verpflichtet.

Der Versicherungsfall sei durch die Zurückweisung des Widerrufs durch die eingetreten, der Anspruch auf Freigabe der Grundschuld auch fällig.
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 82 VVG) liege nicht vor. Die Kläger müssten sich nicht darauf verweisen lassen, lediglich Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs zu erheben. Hierdurch könnten nicht sämtliche Streitpunkte mit der ausgeräumt werden, da zwischen der XXX und den Klägern unterschiedliche Auffassungen über die Berechnung und Höhe des der XXX noch zustehenden Zahlungsanspruches bestehen würden. Zielführend sei daher lediglich der auf Freigabe der Grundschuld gerichtete Klageantrag, nachdem die Kläger die Grundschuld zum Zwecke einer Anschlussfinanzierung benötigen würden.

Im Übrigen erlaube eine Klage auf Freigabe der Grundschuld die Anwendung des § 24 ZPO, so dass die Klage vor dem Landgericht Ulm erhoben werden müsse. Damit könne die bankenfreundliche Rechtsprechung des Landgerichts und Oberlandesgerichts Frankfurt umgangen werden, was ebenfalls zu einer entsprechenden Kostenersparnis führe.

Die Kläger haben erstinstanzlich zuletzt beantragt:

1.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages, Versicherungspolice Nr. XXX für den ihr am 14.01.2015 gemeldeten Schadensfall - bei der Beklagten unter Schadensnummer XXX erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz, Deckungsschutz zu gewähren hat, und zwar für die außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie eine Leistungsklage gegen die XXX in auf Freigabe der im Grundbuch des Amtsgerichts XXX für das Objekt, eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 € nach Erhalt einer Zahlung in Höhe von 104.343,97 € seitens der Kläger.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 1.613,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des jeweils gültigen Basiszinssatzes seit dem 06.06.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten,

der gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, nachdem den Klägern die Möglichkeit der Leistungsklage offenstehe.

Im Übrigen sei ein Versicherungsfall nicht eingetreten, da der Anspruch auf Freigabe der Grundschuld noch nicht fällig sei und die XXX in ihrem den Widerruf zurückweisenden Schreiben sich zur Frage der Freigabe der Grundschuld nicht geäußert, diese mithin auch nicht abgelehnt habe.
Selbst wenn jedoch vom Eintritt eines Versicherungsfalles auszugehen sei, hätten die Kläger gegen ihre Kostenminderungspflicht verstoßen. Zur Durchsetzung des Widerrufsrechts stünden mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Vorliegend sei es den Klägern zuzumuten, Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs zu erheben bzw. eine Klage auf Feststellung, dass ein über eine selbst errechnete Schlusszahlung hinausgehender Betrag gegenüber der XXX nicht geschuldet sei. Beide Alternativen seien geeignet, sämtliche zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte zu erledigen und würden darüber hinaus zu einer deutlich geringeren Kostenlast als eine Klage auf Freigabe der Grundschuld führen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 18.03.2016 (Bl. 255 - 267) die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen maßgeblich darauf abgehoben, die Kläger hätten mit ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung gegen ihre Kostenminderungspflicht (§ 82 VVG) verstoßen. Die Kläger müssten sich darauf verweisen lassen, Klage auf Feststellung zu erheben, dass ein höherer Betrag als die selbst errechnete Schlusszahlung nicht geschuldet werde. Es sei davon auszugehen, dass die XXX bei einem Obsiegen der Kläger danach auch die Grundschuld freigeben werde. Die bezeichnete Feststellungsklage führe aufgrund des wesentlich niedriger anzusetzenden Streitwertes zu einer deutlich geringeren Kostenbelastung.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen, die das Landgericht getroffen hat, sowie seiner rechtlichen Erwägungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihren geltend gemachten Anspruch unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages weiter.

Die Kläger wenden sich insbesondere gegen die Annahme des Landgerichts, es liege ein Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht vor. Eine abschließende Klärung der Angelegenheit unter Berücksichtigung des Rechtsschutzzieles der Kläger, die Freigabe der Grundschuld zu erreichen, sei auch durch den vom Landgericht als zumutbar erachteten Feststellungsantrag nicht zu erreichen.

Die Kläger beantragen im Berufungsverfahren:

1.

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016, Az.: 3 O 243/15, wird festgestellt, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungspolice Nr.: XXX, für den ihr am 14.01.2015 gemeldeten Schadensfall - bei der Beklagten und Berufungsbeklagten unter der Schadensnummer:
erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz, Deckungsschutz zu gewähren hat, und zwar für die außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie für eine Leistungsklage gegen die XXX in XXX auf Freigabe der im Grundbuch des Amtsgerichts für das Objekt eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 € nach Erhalt einer Zahlung in Höhe von 104.343,97 €.

2.

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016, Az.: 3 O 243/15, wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Kläger und Berufungskläger einen Betrag in Höhe von 1.613,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 06.06.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich geäußerten Auffassung, wonach insbesondere vorliegend ein Rechtsschutzfall noch nicht eingetreten sei und im Übrigen ein Verstoß der Kläger gegen die Kostenminderungspflicht vorliege, da den Klägern eine Klage auf Feststellung, dass ein höherer Betrag als eine selbst berechnete Schlusszahlung nicht geschuldet sei, zuzumuten sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich weit überwiegend als begründet, lediglich hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als unbegründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern aufgrund des bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages Deckungsschutz in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu gewähren.

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Zwar fehlt ein solches im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess regelmäßig dann, wenn (bereits) eine Leistungsklage möglich und zumutbar ist (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Rn. 7a zu § 256). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Ein Feststellungsinteresse wird ausnahmsweise trotz einer bereits möglichen Leistungsklage in den Fällen bejaht, in denen bereits ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, z. B. weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf das Feststellungsurteil hin leisten wird (Greger a.a.O., Rn. 8 zu § 256), was bei einem großen Versicherungsunternehmen wie der Beklagten der Fall ist (BGH, Urteil v. 28.09.1999 - VI ZR 195/98 -, NJW 1999, 3774 Tz. 19).

Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht vorliegend auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte mit Datum vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) eine Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Kläger dem Grunde nach erteilt hatte.

Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene Entscheidung des OLG Saarbrücken (Urteil v. 28.10.2015 - 5 U 20/15 -, Anlage B 3, Bl. 109 - 121) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dort hatte der Versicherer für die beabsichtigte Feststellungsklage eine Deckungszusage erteilt. Der Streit mit dem Versicherungsnehmer konzentrierte sich allein auf die Frage, welcher Schmerzensgeldbetrag als angemessen zu erachten und demzufolge, in welcher Höhe der Streitwert dieser Feststellungsklage anzunehmen war. Die dortige Klägerin begehrte mit ihrer Klage letztlich die Feststellung, ob ein von ihr beabsichtigtes Verhalten (Klageerhebung unter Zugrundelegung des von ihr als angemessen erachteten Schmerzensgeldes) sich als rechtmäßig erweist oder ob ihr die Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit vorgeworfen werden könne. Diese Rechts- bzw. Vorfrage hat das OLG Saarbrücken nicht als Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO qualifiziert. Vorliegend steht jedoch nicht lediglich die Höhe des Streitwertes im Raum, sondern vor allen Dingen die Frage, mit welchem Antrag das Rechtsschutzziel der Kläger, die Freigabe der Grundschuld zu erwirken, erreicht werden kann, nämlich, ob hierfür - so die Beklagte - ein Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs anzustreben oder ob - so die Auffassung der Kläger - ein Antrag auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Leistung einer berechneten Schlusszahlung zu stellen ist, wobei jeweils unterschiedliche Streitwerte in Ansatz zu bringen sind. Die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien kommen bereits in den der Leistungszusage vorausgegangenen Schreiben vom 16.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 29/30) sowie 28.01.2015 (Anlage K 5, Bl. 31 - 33) zum Ausdruck, weshalb die Deckungszusage vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) hinsichtlich der von der Beklagten angemeldeten Bedenken hinsichtlich des Streitwertes von den Klägern und ihren Prozessbevollmächtigen dahingehend verstanden werden musste, dass sich diese Deckungszusage auch inhaltlich lediglich auf einen Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs der Darlehensverträge bezog und deshalb bereits eine uneingeschränkte Deckungszusage, die einer Feststellungsklage entgegenstehen könnte, nicht vorliegt.

2.

Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte hat den Klägern Deckungsschutz im beantragten Umfang zu gewähren.

a)

Das zwischen den Klägern und der XXX aufgrund der abgeschlossenen Darlehensverträge bestehende Schuldverhältnis wird gemäß § 26 Abs. 7 ARB i. V. m. § 2 lit. d ARB vom Versicherungsschutz umfasst. Der Versicherungsschutz besteht seit 01.11.2009 und damit auch zum Zeitpunkt des hier mit Schreiben vom 19.11.2014 erklärten Widerrufs.

Die Klägerin Ziff. 1, Ehefrau des Klägers Ziff. 2, ist gemäß § 15 Abs. 1 ARB i. V. m. § 26 Abs. 1 ARB mitversicherte Person.

b)

Der Versicherungsfall ist eingetreten.

aa)

Die Regelung des § 4 Abs. 1 lit. c ARB definiert den Eintritt des Versicherungsfalls als den Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Für die Annahme eines den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoßes in diesem Sinne genügt jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der den Keim eines solchen Rechtskonflikts in sich trägt. Der Rechtsstreit ist dann jedenfalls latent vorhanden und damit gewissermaßen bereits "vorprogrammiert" (BGH, Urteil v. 28.09.2005 - IV ZR 106/04 -, VersR 2005, 1684 Tz. 26).

Der insoweit maßgebliche behauptete Pflichtverstoß der ING-DiBa ist die Zurückweisung des Widerrufs mit Schreiben vom 25.11.2014.
Für den Fall eines Widerspruchs gemäß § 5 a VVG a. F. durch den Versicherungsnehmer ist die Zurückweisung des Widerspruchs durch den Versicherer als maßgeblicher Pflichtenverstoß anzusehen (BGH, Urteil v. 24.04.2013 - IV ZR 23/12 -, VersR 2013, 899). Diese Rechtsprechung kann auf die Ausübung eines den Klägern zustehenden Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB übertragen werden. Auch hier ist der Pflichtenverstoß nach dem Vortrag der Kläger darin zu sehen, dass die XXX ein noch bestehendes Widerrufsrecht der Kläger in Abrede gestellt und demzufolge eine Rückabwicklung der Darlehensverträge abgelehnt hat.

Dass sich die XXX in ihren Ablehnungsschreiben vom 25.11.2014 und 14.04.2015 (Anlage K 11, Bl. 237) zu der von den Klägern begehrten Freigabe der Grundschuld nicht (ausdrücklich) geäußert hatte, mithin eine solche auch nicht ausdrücklich abgelehnt hatte, steht dem nicht entgegen. Zum einen bestand hierzu für die - nachdem sie das Bestehen eines Widerrufsrechts aufgrund einer aus ihrer Sicht ordnungsgemäß erteilten Widerrufsbelehrung in Abrede gestellt hatte - kein Anlass. Zum anderen wäre die im Falle eines wirksamen Widerrufs der Kläger gemäß § 355 Abs. 3 BGB verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, wozu auch die Rückgabe gewährter Sicherheiten rechnet (BGH, Urteil v. 24.04.2007 - XI ZR 17/06 -, NJW 2007, 2401 Tz. 22). Mit Ablehnung des Widerrufs hatte die mithin (zumindest konkludent) auch die Freigabe der Grundschuld abgelehnt.

bb)

Dem Eintritt des Versicherungsfalls steht auch nicht eine mangelnde Fälligkeit des Anspruchs auf Freigabe der Grundschuld entgegen. Der hierauf gerichtete Anspruch der Kläger - die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt - war fällig.

Wie ausgeführt, erfasst der Rückforderungsanspruch des Darlehensnehmers (der Kläger) gegenüber dem Darlehensgeber XXX nach Widerruf des Darlehensvertrages auch die Rückabtretung gewährter Sicherheiten. Dem steht nicht entgegen, dass der Rückgewähranspruch durch den Fortfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt ist und dass bei einer weiten Sicherungszweckvereinbarung die bestellte Grundschuld auch die Rückabwicklungsansprüche des Darlehensgebers nach einem Widerruf sichert. Denn aus den §§ 1144, 1192 Abs. 1 BGB folgt, dass der Eigentümer (die Kläger) schon vor vollständiger Befriedigung des Gläubigers die Aushändigung der Urkunden verlangen kann, die zur Löschung der Grundschuld erforderlich sind. § 1144 BGB erweitert - insbesondere zum Schutz vor unberechtigten Verfügungen des Gläubigers in der Zeit zwischen Befriedigung und Urkundenaushändigung - die Rechte, die dem Eigentümer nach den allgemeinen Bestimmungen zustehen. Die Befriedigung des Gläubigers ist nicht Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, sondern begründet lediglich ein Zurückbehaltungsrecht, das gemäß § 274 BGB zur Zug um Zug-Verurteilung führt (KG, Urteil v. 22.12.2014 - 24 U 169/13 -, BKR 2015, 109 Tz. 53 m.w.N.).

Das der XXX wegen ihrer Ansprüche zustehende Zurückbehaltungsrecht beseitigt jedoch nicht die Fälligkeit des Anspruchs der Kläger auf Freigabe der Grundschuld (Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, Rn. 91 zu § 273).

Dessen ungeachtet haben die Kläger eine Deckungszusage für einen auf eine Zug um Zug-Verurteilung gerichteten Klageantrag begehrt.

c)

Die Beklagte ist nicht berechtigt, eine Deckungszusage im Hinblick auf eine Leistungsfreiheit bzw. ein Leistungskürzungsrecht gemäß § 17 Abs. 6 ARB i. V. m. § 17 Abs. 5 lit. c, cc ARB zu verweigern.

Die bezeichnete Regelung in § 17 Abs. 5 lit. c, cc ARB ist, soweit dem Versicherungsnehmer auferlegt wird, "alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte", wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot sowie im Übrigen wegen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 82 Abs. 1 VVG), von der abgewichen wird, gemäß § 307 BGB unwirksam (OLG München, Urteil v. 22.09.2011 - 29 U 1360/11 -, NJW 2012, 1664; OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012 - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 - die Revision hat der BGH mit Beschluss v. 26.09.2015 - IV ZR 159/12 - gemäß § 552 a ZPO zurückgewiesen; OLG Frankfurt/Main, Urteil v. 01.03.2012 - 3 U 119/11 - VuR 2012, 492; OLG Karlsruhe, Urteil v. 15.11.2011 - 12 U 104/11 - SVR 2012, 111).

d)

Die Kläger haben nicht gegen ihre Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 82 Abs. 1 VVG) verstoßen. Im Übrigen liegt selbst bei einem Verstoß der Kläger weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten, welches gemäß § 82 Abs. 3 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten oder zumindest zu einem Leistungskürzungsrecht führen könnte, vor.

Gemäß § 82 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

Maßstab für danach mögliche und zumutbare Maßnahmen ist, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtssuchender, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Zweck einer Rechtsschutzversicherung ist es, dass ein Versicherungsnehmer, der sich die Abwälzung von Rechtskostenrisiken durch freiwillige Beitragszahlung zu einer Rechtsschutzversicherung erkauft, seine Rechte ohne die Kostenüberlegungen wahrnehmen kann, die ein nicht Rechtsschutzversicherter in gleicher Lage anstellen würde. Lediglich die Finanzierung sinnloser oder wirtschaftlicher in hohem Maße unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen Einzelner muss mit Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen sein, wobei beachtet werden muss, dass dem Versicherten aus demselben Gesichtspunkt unwirtschaftliche Teilmaßnahmen gerade versagt sein können. Die Grenze ist daher dort zu ziehen, wo sich das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem einer vernünftigen unversicherten Partei, bei der finanzielle Überlegungen keine Rolle spielen, nicht mehr in Einklang bringen lässt (OLG Karlsruhe, Urteil v. 04.07.2002 - 12 U 69/02 -, VersR 2003, 58, Tz. 12).

Dies zugrunde legend, liegt ein Verstoß der Kläger gegen § 82 Abs. 1 VVG, keine in diesem Sinne unnötigen Kosten zu verursachen, nicht vor.

Das Rechtsschutzziel der Kläger war vorliegend darauf gerichtet, die Freigabe der Grundschuld zum Zwecke der Ermöglichung einer Anschlussfinanzierung zu erwirken. Die Beklagte hat gemäß § 1 ARB die für die Wahrnehmung dieser rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten (der Kläger) erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.

aa)

Die Kläger müssen sich nicht auf eine Klage, gerichtet auf die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs, verweisen lassen. Zwar führt eine i. S. d. klägerischen Begehrens getroffene Feststellung dazu, dass das mit der XXX bestehende Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird mit der Folge, dass gemäß § 355 Abs. 3 BGB die gegenseitigen Leistungen zurückzugewähren sind.

Dies führt aber nicht ohne weiteres dazu, dass entsprechend dem Rechtsschutzziel der Kläger die Grundschuld von der XXX freigegeben wird, da der XXX im Gegenzug eine Schlusszahlung aus den Darlehensverträgen zusteht, deren Berechnung im Einzelnen sich nicht einfach gestaltet (dazu OLG Frankfurt, Urteil v. 27.04.2016 - 23 U 50/15) und deshalb zu einem Streit über die Höhe des Rückzahlungsanspruches führen kann (vgl. Anlage K 9, Bl. 44 - 49).

bb)

Weiter müssen sich die Kläger nicht auf eine Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass der aufgrund des Widerrufs der Darlehensverträge lediglich noch eine (genau berechnete) Schlusszahlung zusteht, verweisen lassen.

Zwar würden - das ist der Beklagten zuzugeben - bei einer entsprechenden Entscheidung Streitigkeiten zwischen den Klägern und der XXX über die Höhe der Schlusszahlung ausgeräumt. Damit steht aber noch nicht hinreichend sicher zu erwarten, dass die XXX die Grundschuld (Zug um Zug gegen Leistung dieser Schlusszahlung) auch freigeben wird, insbesondere, wenn die Grundschuld bei einer weit gefassten Sicherungsvereinbarung noch weitere Ansprüche (aus der laufenden Geschäftsverbindung) sichert.

cc)

Selbst wenn man jedoch einen Verstoß der Kläger gegen die Obliegenheit, die Kosten möglichst gering zu halten, annimmt, fällt den Klägern weder vorsätzliches Verhalten, welches zur Leistungsfreiheit der Beklagten führt, noch grob fahrlässiges Verhalten, welches das Recht der Beklagten zur Leistungskürzung begründet, zur Last.

(1)

Die Kläger als Versicherungsnehmer bzw. mitversicherte Person trifft diesbezüglich bereits deshalb kein Verschulden, weil von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf den insoweit abzustellen ist, keine Kenntnis dahingehend erwartet werden kann, welche Klage seinem Rechtsschutzziel entsprechend zielführend ist und im Hinblick auf die Obliegenheit des § 82 Abs. 1 VVG anzustreben ist.

(2)

Den Klägern ist jedoch ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zuzurechnen, wobei offenbleiben kann, ob eine solche Zurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB erfolgt (so OLG Köln, Urteil v. 29.09.2003 - 9 U 174/02 -, NJW-RR 2004, 181; OLG München, Urteil v. 30.03.1984 - 8 U 3763/83 -, ZfS 1986, 212), oder ob die Prozessbevollmächtigten als Repräsentanten des Versicherungsnehmers anzusehen sind (so Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., Rn. 119 zu § 28 m.w.N.; Harbauer, ARB, 8. Aufl. 2010, Rn. 123 zu § 17 ARB 2000).
Auch den Prozessbevollmächtigten der Kläger fällt weder Vorsatz, wofür die Beklagte beweispflichtig ist, noch grobe Fahrlässigkeit, für deren Fehlen die Kläger beweisbelastet sind, zur Last.

(a)

Für ein vorsätzliches Verhalten, welches das Bewusstsein vom Vorhandensein der Obliegenheitsverletzung und das (bedingte) Wollen der Obliegenheitsverletzung voraussetzt (Harbauer, a.a.O., Rn. 84 zu § 17 ARB 2000), ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien keine hinreichenden Anhaltspunkte.

(b)

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Rn. 5 zu § 277 m.w.N.). Hier haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der (beabsichtigten) Klage auf Freigabe der Grundschuld sich für diejenige Rechtsschutzmöglichkeit entschieden, die eine sichere Gewähr für die Erledigung sämtlicher Streitpunkte zwischen den Parteien bietet. Dass daneben eine Möglichkeit der Feststellungsklage bestand, mit der das beschriebene Ziel mit einem verbleibenden Restrisiko, bezüglich der Freigabe der Grundschuld einen weiteren Rechtsstreit führen zu müssen, erreicht werden konnte, mag zwar den Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit begründen, der Grad einer groben Fahrlässigkeit wird damit jedenfalls nicht erreicht, zumal die oben aufgezeigten Rechtsschutz- und Klagemöglichkeiten nicht nur alternativ, sondern auch kumulativ nebeneinander bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2016 - XI ZR 39/15).

3.

Ein Anspruch der Kläger auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht vorliegend dagegen nicht.

a)

Zwar stellt die (unberechtigte) Ablehnung einer Deckungszusage für das klägerische Rechtsschutzbegehren eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung i. S. d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, die den Verzug der Beklagten begründet.

Nachdem jedoch jeweils die bereits beauftragten Prozessbevollmächtigten der Kläger bei der Beklagten um Deckungsschutz nachgesucht hatten, sind die hierdurch entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht kausal durch den Verzug der Beklagten begründet.

b)

Erstattungsfähig wären deshalb allenfalls diejenigen (Mehr-)Kosten, die den Klägern nach Eintritt des Verzuges der Beklagten entstanden sind. Solche haben die Kläger jedoch nicht vorgetragen und sind den Akten auch nicht zu entnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 1 und 2 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO), liegt nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
Der Streitwert einer auf Deckungsschutz gerichteten Feststellungsklage war gemäß § 3 ZPO nach den voraussichtlichen, durch die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, zu bemessen, abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % (Noethen in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Auflage, Rn. 2416).

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