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15.07.2016 · IWW-Abrufnummer 187247

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Hamm

31 U 191/15

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.08.2015 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster (14 O 130/15) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 1.600 EUR festgesetzt.

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Gründe

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I. Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über den Bestand eines Bausparvertrages, den der Kläger am 10.05.1991 mit der Beklagten über eine Bausparsumme von 44.000 DM (= 22.496,42 €) abgeschlossen hatte.

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Gemäß § 6 Abs. 1 ABB wird das Bausparguthaben jährlich mit 3 % verzinst. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht ist und ein Bausparguthaben von mindestens 40 % der Bausparsumme angespart worden ist. Nach § 9 Abs. 1 ABB kann die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

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Am 31.12.1997 lagen die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages vor.

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Mit Schreiben vom 12.12.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag zum 30.06.2015 unter Bezugnahme auf § 489 BGB.

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Mit der Klage hatte der Kläger die Feststellung verlangt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Bausparvertrag über den 30.12.2015 fortbesteht. Ferner hat der Kläger die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 633,21 € nebst Zinsen verlangt.

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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

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Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er ist der Auffassung, der Beklagten stehe kein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu. Diese Vorschrift sei auf Bausparverträge nicht anwendbar. Zudem ergebe sich aus der Regelung nicht, dass das Eintreten der Zuteilungsreife gleichbedeutend mit dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta sei. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es ein Wesensmerkmal eines Bausparvertrages sei, dass der Bausparer selber bestimmen könne, zu welchem Zeitpunkt er ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen wolle. Dieser Anspruch könne dem Bausparer bis zum völligen Erreichen der vereinbarten Bausparsumme nicht genommen werden.

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Dass sich das Zinsniveau für die Beklagte negativ entwickelt habe, rechtfertige keine andere Betrachtung. Dieses hätte die Beklagte im Rahmen ihrer ABB berücksichtigen können und müssen.

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Schließlich verweist der Kläger darauf, dass der Beklagten gemäß § 9 ABB kein Kündigungsrecht zustehe, soweit der Bausparer seine vertraglichen Pflichten erfülle. Dass er dies nicht getan habe, habe die Beklagte selber nicht behauptet.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des am 20.08.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster, Aktenzeichen: 14 O 130/15, festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag, Vertragsnummer ####, Bausparsumme 44.000 DM, über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht;

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 633,21 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zu zahlen.

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II.

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Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist nach einstimmiger Auffassung des Senats unbegründet, weshalb die Berufung gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen ist. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Feststellung zu, dass der zwischen den Parteien abgeschlossenen Bausparvertrag Nr. #### über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht. Denn die Beklagte hat diesen Vertrag mit Schreiben vom 12.12.2014 gemäß § 489 I Nr. 2 BGB wirksam zum 30.06.2015 gekündigt.

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Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im Hinweis des Vorsitzenden in dessen Schreiben vom 18.11.2015 (Bl. 178 ff. d.A.). Ergänzend weist der Senat zum Vorbringen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 15.12.2015 auf Folgendes hin:

19

1.

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Ohne Erfolg verweist der Kläger darauf, dass die Bausparkasse auch bereits vor Zuteilung bzw. Inanspruchnahme des Bauspardarlehens, jedenfalls solange die Bausparsumme noch nicht voll angespatt sei, gleichzeitig Darlehensgeberin bezüglich des künftig zur Verfügung zu stellenden Bauspardarlehens sei. Der Kläger verkennt, dass die im Hinweis des Vorsitzenden zitierte herrschende Meinung, der der Senat folgt, in dem Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag mit der Besonderheit sieht, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Der Rollentausch erfolgt entgegen der Auffassung des Klägers erst und nur dann, wenn das Bauspardarlehen in Anspruch genommen wird.

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2.

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Dass und warum die Beklagte den Darlehensvertrag gemäß § 489 I Nr. 2 BGB wirksam zum 30.6.2015 gekündigt hat, ist im Hinweis des Vorsitzenden ausdrücklich ausgeführt. Die Auffassung des Klägers, Bauspardarlehen seien grundsätzlich unkündbar, trifft nicht zu:

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Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenen Sollzins in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen. Der Zweck der Vorschrift liegt im Interessenausgleich und im Schutz des Darlehensnehmers. Durch die Vorschrift sollen marktgerechte Zinsen ermöglicht werden. Die Vorschrift gilt für alle Arten von Darlehensverträgen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 489 Rn. 1), demzufolge auch für das hier vorliegende Darlehen aus dem Bausparvertrag. In diesem Sinne ist in den Gesetzesmaterialien zum vergleichbaren § 609 a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. ausgeführt: „Absatz 1 Nr. 3 gewährt dem Schuldner bei allen festverzinslichen Darlehen („in jedem Falle") nach Ablauf von 10 Jahren nach der Auszahlung ein gesetzliches Kündigungsrecht. Die Regelung hat nur für Darlehen mit einer Laufzeit von über 10 Jahren praktische Bedeutung. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums soll der Schuldner die Möglichkeit haben, sich durch Kündigung vom Darlehensvertrag zu lösen.“

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Die Vorschrift des § 489 I Nr. 2 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt. Sie steht vielmehr auch anderen Darlehensnehmern und auch Bausparkassen zu. Denn § 489 BGB enthält keine Einschränkung in personeller Hinsicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber klargestellt: „Die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensnehmers, der Verbraucher ist, finden sich nunmehr in § 500 BGB-E und ergänzen die Kündigungsmöglichkeiten nach den §§ 489, 490.“ (BT-Drucks. 16/11643 vom 21.1.2009, S. 74, juris). Daraus lässt sich entnehmen, dass auch nach Auffassung des Gesetzgebers der Anwendungsbereich des § 489 I Nr. 2 BGB nicht auf Verbraucher beschränkt ist.

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Das Kündigungsrecht der Beklagten ist auch nicht nach § 9 I ABB der Beklagten ausgeschlossen. Zwar kann die Bausparkasse den Bausparvertrag gemäß § 9 I ABB nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Diese Vorschrift betrifft jedoch allenfalls das Kündigungsrecht der Beklagten nach § 488 III BGB. Denn das Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 2 BGB ist nicht abdingbar (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 489 Rn. 1). Vielmehr ist die betreffende Vorschrift zwingend. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Dies folgt aus § 489 IV S. 1 BGB. Darin heißt es, dass das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach Abs. 1 und 2 nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden kann.

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Ohne Erfolg bleibt nach dem Vorstehenden auch der Einwand des Klägers, der Verwender unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen könne sich nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm selbst verwendeten Klausel berufen. Denn die Klausel ist nicht nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur relativ, sondern nach § 489 IV BGB absolut unwirksam. Dass sich die Beklagte auf diese gesetzgeberische Grundentscheidung beruft, stellt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht als treuwidrig dar.

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Die Voraussetzungen des § 489 I Nr. 2 BGB sind gegeben. Es sind unstreitig zehn Jahre seit Zuteilungsreife abgelaufen. Die Beklagte hat die Kündigungsfrist von sechs Monaten unstreitig eingehalten. Auch weist das Darlehen unstreitig einen gebundenen Sollzinssatz i.H.v. 2,5 % zzgl. 0,5 % Bonus auf.

28

In einem Bausparfall steht der vollständige Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 I Nr. 2 BGB der eintretenden Zuteilungsreife gleich. Auch wenn es dem Bausparer grundsätzlich frei steht, das Darlehen nach Zuteilungsreife abzurufen oder nicht, rechtfertigt sich die Anwendung § 489 I Nr. 2 BGB aufgrund des Sinns und Zwecks der Norm, nämlich einen Interessenausgleich zu schaffen und den Darlehensnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze zu schützen. Diese Überlegungen gelten auch zugunsten der Bausparkasse, die während der Ansparphase als Darlehensnehmerin einzuordnen ist. Die Anknüpfung an den Eintritt der Zuteilungsreife als Äquivalent zu dem in der Norm vorgesehenen vollständigen Empfang der Darlehensvaluta ist auch interessengerecht, da bei Bausparverträgen mangels der Verpflichtung des Bausparers zum Abruf des Darlehens ein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag nicht feststeht, an dem man sich für den Zeitpunkt in § 489 I Nr. 2 BGB orientieren könnte. Dies rechtfertigt es aber nicht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen (LG Aachen, Urteil vom 19. Mai 2015 – 10 O 404/14 –,Juris, Leitsätze; vgl. LG Hannover, Urteil vom 30. Juni 2015 – 14 O 55/15 –, Juris; vgl. LG Nürnberg-Fürth, 17.08.2015, 6 O 1708/15; Juris).

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Mit diesem Verständnis von § 489 I Nr. 2 BGB wird dem für den Bausparvertrag charakteristischen Ziel der Vertragsparteien Rechnung getragen, dass der Bausparer einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens durch einseitiges Tun erwerben kann. Mit dem Eintritt der Zuteilungsreife liegt es allein beim Bausparer, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen, indem er das der Bausparkasse gewährte Darlehen kündigt und die Bedingung setzt, unter der sein Anspruch auf Valutierung des Bauspardarlehens steht. Bedenken gegen diese bausparspezifische Konkretisierung des § 489 I Nr. 2 BGB bestehen auch mit Blick auf die Besonderheiten des Bausparvertrages nicht. Der Bausparer wird insbesondere nicht durch den Beginn der Zehnjahresfrist für seine Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient und es darüber hinaus dem Bausparer freisteht, die Zuteilung während des Laufs der Frist anzunehmen oder zu beanspruchen (Staudinger/Mülbert, BGB, § 488, Rz. 550, Juris).

30

3.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

RechtsgebieteBGB, ABBVorschriften§ 488 Abs. 1 BGB; § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB; ABB § 9

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