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03.05.2016 · IWW-Abrufnummer 185617

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.03.2016 – 3 Sa 470/15


Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 06.08.2015, Az.: 5 Ca 266/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.


2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten einerseits darüber, ob der Beklagte gegenüber dem Kläger zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet ist, und andererseits im Rahmen der Widerklage darüber, ob umgekehrt dem Beklagten gegenüber dem Kläger noch ein Lohnzahlungsanspruch zusteht.



Der Kläger betreibt als Kfz-Sachverständiger auf dem Gelände des X in S. eine Kfz-Prüfstelle und ein Kfz-Sachverständigenbüro. Er ist zugleich Prüfingenieur im Sinne der StVZO der amtlich anerkannten Prüf- und Überwachungsorganisation für den Kraftfahrzeugverkehr F. GmbH & Co. KG in Sch.. Diese nimmt ihre Tätigkeit als Überwachungsorganisation gemäß der StVZO wahr und führt bundesweit die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen an Kraftfahrzeugen durch.



Am 13.07.2011 hat der Beklagte mit der F. GmbH & Co. KG einen sogenannten Betrauungsvertrag abgeschlossen, um sich zum Kfz-Prüfingenieur ausbilden zu lassen. Auf den Inhalt dieses schriftlich abgeschlossenen Vertrages wird Bezug genommen (Bl. 6 ff. d. A.). Der Beklagte hat im April 2012 die Prüfung zum Prüfingenieur einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nicht bestanden.



Der Kläger war während der Ausbildung des Beklagten bei der F. GmbH & Co. KG dessen Mentor in der praktischen Ausbildung. Am 21.06.2012 hat der Kläger mit der F. GmbH & Co. KG einen sogenannten Kooperationsvertrag abgeschlossen, der Regelungen zu Tätigkeit und Ausbildung des Beklagten betrifft und aus dem sich Regelungen hinsichtlich der Ausbildungskosten des Beklagten zum Prüfingenieur ergeben. Danach sollte - zusammengefasst - dem Kläger die Zahlung der Ausbildungskosten des Beklagten nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung des Beklagten zum Prüfingenieur für einen Zeitraum von 36 Monaten gestundet werden, soweit der Prüfingenieur einen Betrauungsvertrag mit der F. GmbH & Co.KG abschließt und dem Kläger ein Betrag von 1/36 der Ausbildungskosten für jeden Monat der Durchführung des Betrauungsvertrages erlassen werden, wenn der Prüfingenieur im Rahmen des Betrauungsvertrages tätig wird, jedoch vor Ablauf eines Zeitraum von drei Jahren ausscheidet. Die gesamten Ausbildungskosten werden mit 26.865,00 EUR angegeben. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Kooperationsvertrages nebst dessen Anlage 1 zum Kooperationsvertrag vom 21.06.2014 wird auf Bl. 13 ff. d. A., 17 f. d. A: Bezug genommen. Am 12.07.2012 haben die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart, aufgrund dessen der Beklagte als Prüfingenieur in die Dienste des Klägers zum 02.07.2012 eintrat und zum Prüfingenieur ausgebildet werden soll. Der Beklagte sollte von der Pflicht zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt werden, falls dies für die externe Ausbildung zum Prüfingenieur notwendig ist. Während der Ausbildung solle der Kläger gemäß Ziffer IX eine monatliche Bruttovergütung von 1.000,00 EUR und nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung in Höhe von 2.000,00 EUR erhalten sowie ein vom effektiven Nettoumsatz abhängiges variables Gehalt.



Unter XI mit der Überschrift "Sonstige Bestimmung" wurde bezüglich der Ausbildungskosten folgende Vereinbarung getroffen:

".... . Der Arbeitgeber übernimmt die Forderungen der F. GmbH & Co. KG, Sch., für die Ausbildung des Arbeitnehmers zum Prüfingenieur (Anlage 1). Sofern der Arbeitnehmer die Prüfung nicht besteht, erhöhen sich die in der Anlage 1 bezifferten Forderungen entsprechend. Der Arbeitnehmer erhält dazu eine Ergänzung zum Anstellungsvertrag. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, diese Kosten an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn er innerhalb von drei Jahren, beginnend ab erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Prüfingenieur, das Arbeitsverhältnis kündigt oder der Arbeitgeber innerhalb des gleichen Zeitraumes das Arbeitsverhältnis aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen kündigt. Für jeden vollen Kalendermonat der Beschäftigung, beginnend ab erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Prüfingenieur, wird 1/36 des Rückzahlungsbetrages erlassen. ... Sollte eine Bestimmung dieses Anstellungsvertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird hiervon die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dieses Anstellungsvertrages nicht berührt. An die Stelle der unwirksamen Bestimmungen tritt die gesetzlich zulässige Bestimmung, die dem mit der unwirksamen Bestimmung gewollten wirtschaftlich am nächsten kommt. Dasselbe gilt für den Fall einer vertraglichen Lücke. ..."



Dem Anstellungsvertrag war als Anlage 1 seine Auflistung der Ausbildungskosten beigefügt. Am 31.03.2014 haben die Parteien einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag vereinbart, in dem Änderungen beim variablen Gehalt geregelt wurden; hinsichtlich des Inhalts dieser Nachtragsvereinbarung im Einzelnen wird auf Bl. 65 d. A. Bezug genommen.



Hinsichtlich des Anstellungsvertrages im Einzelnen nebst Anlagen wird auf Bl. 19 ff. d. A. Bezug genommen.



Im Dezember 2012 bestand der Beklagte die Wiederholungsprüfung zum Prüfingenieur, so dass die Betrauung durch die F. GmbH & Co. KG vom Ministerium des Inneren, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz bestätigt werden konnte. Der Beklagten konnte daraufhin im Namen der F. GmbH & Co. KG tätig werden.



Mit Schreiben vom 30.09.2014 hat der Beklagte sein Arbeitsverhältnis bei dem Kläger zum 31.10.2014 gekündigt; hinsichtlich des weiteren Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 26 d. A. Bezug genommen. Er ist inzwischen wieder als Kfz-Prüfingenieur in einem Ingenieurbüro in E. tätig.



Mit Schreiben vom 05.11.2014 hat der Kläger die Rückzahlung anteiliger Ausbildungskosten in Höhe von 12.432,50 EUR angemahnt. Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht.



Mit am 31.03.2015 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage macht der Kläger diesen Betrag nunmehr gegenüber dem Beklagten geltend.



Der Kläger hat vorgetragen,



in der Folge der sich aus den Prüfungsergebnissen ergebenden Defizite des Beklagten sei die F. GmbH & Co. KG nicht bereit gewesen, mit dem Beklagten eine Vereinbarung hinsichtlich der Fortführung des Ausbildungsverhältnisses und einer Wiederholungsprüfung abzuschließen. Nur dadurch, dass er - der Kläger - dem Beklagten zum 02.07.2012 als Prüfingenieur beschäftigt habe, habe dieser seine Ausbildung zum Prüfingenieur in einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation fortsetzen und die Wiederholungsprüfung ablegen können. Ohne ihn wäre der Beklagte heute kein Prüfingenieur einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation. Er hätte an einer Wiederholungsprüfung nicht teilnehmen und sie auch entsprechend nicht bestehen können. Die konkrete Rückzahlungsabrede sei zwischen ihnen vor etwaigen Vereinbarungen des Beklagten zur Wiederholungsprüfung zustande gekommen und mit dem Beklagten habe er auch ausführlich über den Zweck der Rückzahlungsklausel gesprochen.



Die Rückzahlungsklausel sei klar und verständlich formuliert und lasse insbesondere erkennen, welche finanziellen Belastungen auf den Beklagten zukommen sollten für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem vereinbarten Zeitpunkt. Einer expliziten Differenzierung dahingehend, dass eine Rückzahlung dann nicht erfolge, wenn die Kündigung des Arbeitnehmers auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhe oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses infolge vom Arbeitgeber gesetzter Umstände unzumutbar werde, habe es nicht bedurft. Er, der Kläger, habe sich vorliegend nicht vertragswidrig verhalten, so dass er auch die Kündigung des Beklagten nicht zu vertreten gehabt habe. Der Beklagte sei auch nicht durch ihn zur Kündigung veranlasst worden.



Selbst wenn sich die Rückzahlungsklausel aber als unangemessen herausstellen sollte, sei sie jedenfalls mit dem Inhalt aufrechterhalten, dass der Arbeitnehmer nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinen Verantwortungsbereich zuzurechnen seien, zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet sei. Dies folge aus der Salvatorischen Klausel in Ziffer XI Abs. 5 des Arbeitsvertrages vom 03.07.2012.



Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 5 bis 7 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 91 bis 93 d. A.) Bezug genommen.



Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 12.432,53 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2014 zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Des Weiteren hat der Beklagte widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 391,36 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab dem 01.11.2014 zu zahlen.



Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.



Der Beklagte hat vorgetragen,



es treffe nicht zu, dass seitens der F. GmbH & Co. KG die wiederholte Teilnahme an einer Abschlussprüfung abgelehnt worden sei. Es bestehe ein schwerwiegender formaler Mangel der Rückzahlungsvereinbarung dahingehend, dass dieselbe nicht den Fall der berechtigten Eigenkündigung als Ausschlusstatbestand für einen Rückerstattungsanspruch aufführe. Einer expliziten Differenzierung zwischen einer berechtigten Eigenkündigung und einer sonstigen Kündigung des Arbeitnehmers sei sehr wohl erforderlich gewesen. Eine geltungserhaltende Reduktion der streitgegenständlichen Rückzahlungsklausel oder eine ergänzende Vertragsauslegung sei grundsätzlich nicht möglich.



Aufgrund der im Anstellungsvertrag vom 03.07.2012 enthaltenen Umsatzbeteiligung habe er nach bestandener Prüfung zusätzlich zu seinem Bruttomonatsgehalt von 2.000,00 EUR einen durchschnittlichen Zusatzverdienst an Bruttoprovisionen in Höhe von 1.226,86 EUR monatlich erzielt. Der Kläger habe ihn gedrängt, den Nachtrag vom 31.03.2014/01.04.2014 zu unterzeichnen mit der Begründung, er, der Kläger, würde, wenn er weiterhin an den alten Vertrag gebunden sei, selbst zu wenig verdienen, weil der Gewinn seiner Prüfstelle zu gering sei. Der Nachtrag stelle eine wesentliche Veränderung der bisherigen Provisionsvereinbarung dar, da sie zu erheblichen Einkommenseinbußen geführt habe, da er danach nur noch 2.119,44 EUR brutto monatlich verdient habe und dies nicht ausreiche, um eine vierköpfige Familie zu ernähren.



Die Lohnabrechnung für den Monat November 2014 beinhalte die Umsatzbeteiligung sowie den Fahrtkostenersatz für den Monat Oktober 2014. Wie der Lohnabrechnung zu entnehmen sei, schulde der Kläger ihm für diesen Monat eine Umsatzbeteiligung einen Betrag in Höhe von 91,36 EUR sowie einen Fahrtkostenersatz in Höhe von 300,00 EUR brutto. Der Kläger habe diesen Betrag bislang nicht bezahlt.



Hinsichtlich des weiteren streitigen Vorbringens des Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 8, 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 94, 95 d. A.) Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 06.08.2015 - 5 Ca 266/15 - abgewiesen und den Widerbeklagten auf die Widerklage hin verurteilt, an den Widerkläger 391,36 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 88 bis 101 d. A. Bezug genommen.



Gegen das ihm am 09.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 09.10.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 09.12.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 05.11.2015 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 09.12.2015 einschließlich verlängert worden war.



Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung, wonach eine ohne Ausnahme formulierte Rückzahlungspflicht im Falle einer Eigenkündigung unangemessen benachteiligend sei, sei als deutlich zu weitgehend zu beurteilen. Denn der Wortlaut der Klausel differenziere zwischen der vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung einerseits und der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses andererseits. Der Verzicht auf den vom Arbeitsgericht geforderten Zusatz "ohne dass für die Kündigung ein wichtiger Grund gegeben ist" bzw. "ausgenommen die vom Arbeitgeber (mit) zu verantwortende Kündigung des Arbeitnehmers" mache die Klausel nicht unwirksam, da diese nicht alle denkbaren Fälle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses benennen müsse. Sie dürfe sich damit begnügen, in einer typisierten Form zwischen Beendigungstatbeständen zu unterscheiden, die in der Sphäre des Arbeitnehmers einerseits und in der Sphäre des Arbeitgebers andererseits wurzelten. Der Kläger habe aber die Eigenkündigung des Beklagten vom 30.09.2014 nicht mit zu vertreten. Sie falle auch nicht in seine Sphäre. Er seinen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger stets nachgekommen und sei nicht vertragsbrüchig gewesen. Die Vertragsänderung zum 31.03.2014 sei ohne Ausübung unzulässigen Drucks auf den Beklagten zustande gekommen. Einkommenseinbußen beim Beklagten seien nicht vorhersehbar gewesen. Im Übrigen könne ein etwaiger überschießender, von den Parteien im Einzelfall mitunter gar nicht gewollter Regelungsgehalt im Wege der Auslegung eingeschränkt werden mit der Folge, dass die hier streitgegenständliche Rückzahlungsklausel ihre Wirksamkeit nicht einbüße, so dass in die Prüfung einzutreten sei, ob der Beklagte zu Recht wegen vom Kläger zu verantwortender Gründe gekündigt habe, bzw. der Kündigungsgrund ausschließlich in der Sphäre des Beklagten gelegen gewesen sei. Beides sei jedoch zu verneinen.



Insgesamt halte daher die Rückzahlungsklausel der Inhaltskontrolle stand. Sie sei verpflichtend und eine wirksame Anspruchsgrundlage für den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch von anteiligen Ausbildungskosten.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 09.12.2015 (Bl. 124 bis 127 d.A.) Bezug genommen.



Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.08.2015, Aktenzeichen: 5 Ca 266/15, wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 12.432,53 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2014 zu zahlen.



Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers und Berufungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.08.2015 mit dem Aktenzeichen 5 Ca 266/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.



Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die streitgegenständliche Klausel sei insgesamt rechtsunwirksam. Die unangemessene Benachteiligung des Beklagten bestehe darin, dass nach der streitgegenständlichen Klausel der Beklagte die Ausbildungskosten in jedem Falle eine durch ihn ausgesprochene Kündigung zu erstatten habe, unabhängig davon, ob seine Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden sei oder nicht. Unerheblich sei auch, ob der Kläger die Eigenkündigung des Beklagten vom 30.09.2014 mit zu vertreten habe oder nicht. Freilich sei dies vorliegend der Fall, denn die Kündigung sei durch den Kläger zu vertreten, weil er den Beklagten zu den ursprünglichen vertraglichen Bedingungen nicht mehr habe weiterbeschäftigen wollen und ihm eine Vertragsänderung angeboten habe, die zu einem erheblichen Einkommensverlust beim Beklagten geführt habe. Diese Einkommenseinbußen beim Beklagten seien auch vorhersehbar gewesen.



Eine geltungserhaltende Reduktion der Rückzahlungsklausel komme ebenso wenig in Betracht wie eine ergänzende Vertragsauslegung, weil dies letztlich zu einem Unterlaufen der gesetzlichen Wertvorstellungen des § 307 BGB führen würde. Insgesamt halte die Rückzahlungsklausel also einer Inhaltskontrolle nicht stand und sei folglich auch keine wirksame Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch von anteiligen Ausbildungskosten.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 13.01.2016 (Bl. 135 bis 137 d. A.) Bezug genommen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 07.03.2016.



Entscheidungsgründe



I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger vom Beklagten nicht die Zahlung von anteiligen Ausbildungskosten in Höhe von 12.432,53 EUR nebst Zinsen verlangen kann, sowie des Weiteren, dass der Kläger und Widerbeklagte verpflichtet ist, an den Widerkläger und Beklagten 391,36 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen.



Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 12.432,53 EUR nebst Zinsen zu.



Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend, wovon das Arbeitsgericht ebenso zutreffend ausgegangen ist wie die Prozessparteien, nur Ziffer 11 des Anstellungsvertrages vom 03.07.2012 in Betracht. Diese Regelungen über die Rückzahlung von Ausbildungskosten sind aber rechtsunwirksam.



Gemäß XI des Anstellungsvertrages vom 03.07.2012 ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den in der Anlage bezifferten Ausbildungskosten an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn er innerhalb von drei Jahren, beginnend ab erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Prüfingenieur, das Arbeitsverhältnis kündigt oder der Arbeitgeber innerhalb des gleichen Zeitraums das Arbeitsverhältnis aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen kündigt. Für jeden vollen Kalendermonat der Beschäftigung, beginnend ab dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zum Prüfingenieur, soll 1/36 des Rückzahlungsbetrages erlassen werden.



Diese Rückzahlungsklausel stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB dar. §§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind und die der Verwender, in der Regel der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei über Abschluss eines Arbeitsvertrages oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs.1 BGB; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Auflage 2016, Kap. 1, Rn. 708 ff.). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt der bisherigen Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei - einmalig - die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (vgl. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843 [BGH 16.11.1990 - V ZR 217/89] ; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Rn. 708).



Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben; davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.



Die damit gegebene Allgemeine Geschäftsbedingung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil durch sie der Beklagte unangemessen benachteiligt wird.



Gemäß § 307 Abs.1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich dann rechtsunwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.



Die streitgegenständliche Rückzahlungsklausel ist nach ihrem objektiven Inhalt und Sinngehalt mit dem Arbeitsgericht so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. BAG 13.12.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 55). Völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten haben dabei außer Betracht zu bleiben.



Die streitgegenständliche Rückzahlungsklausel ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte die Ausbildungskosten in jedem Falle einer durch ihn ausgesprochenen Kündigung zu erstatten hat unabhängig davon, ob seine Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist oder nicht. Insoweit stellt die Klausel allein darauf ab, dass der Arbeitnehmer sich verpflichtet, die Kosten an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt. Gleichzeitig wird in der Rückzahlungsklausel bei einem Rückzahlungstatbestand durch arbeitgeberseitige Kündigung differenziert, weil eine Rückzahlungsverpflichtung nur für den Fall angenommen wird, dass das Arbeitsverhältnis aus von ihm - dem Arbeitgeber - nicht zu vertretenden Gründen gekündigt wird. Die Klausel unterscheidet somit zwischen zwei unterschiedlichen Beendigungstatbeständen, nämlich der arbeitnehmer- sowie der arbeitgeberseitigen Kündigung und nur bei letzter wird nochmals die Differenzierung getroffen, dass die Rückzahlungsverpflichtung nur dann besteht, wenn der Arbeitgeber die arbeitgeberseitige Kündigung nicht zu vertreten hat.



Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hat, dass die Rückzahlungsklausel nicht alle denkbaren Fälle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses benennen müsse, sondern sich damit begnügen dürfe, in einer typisierten Form zwischen Beendigungstatbeständen zu unterscheiden, die in der Sphäre des Arbeitnehmers einerseits und in der Sphäre des Arbeitgebers andererseits wurzelten, ist dem nicht zu folgen. Die streitgegenständliche Klausel benachteiligt vielmehr den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtsunwirksam. Denn Kündigungen des Arbeitnehmers, die der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind, sind im Arbeitsleben nicht derart fernliegend, als dass sie in einer Rückzahlungsklausel nicht in hinreichend klarer Formulierung gesondert ausgenommen sein müssten (BAG 13.12.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 55; 28.05.2013 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 62; 18.03.2014 EzA § 611 BGB 2002 Ausbildungsbeihilfe Nr. 16). Soll also die Rückzahlungsklausel gerade diese Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nicht erfassen, so muss dies auch hinreichend klar formuliert sein, woran es vorliegend fehlt.



Zwar können grundsätzlich Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung beteiligt werden, wenn sie den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen benachteiligen. Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können aber im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, da sie geeignet sind, das Grundrecht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Artikel 12 GG einzuschränken. Deshalb muss die Rückzahlungspflicht im Falle einer arbeitnehmerseitigen Kündigung einem begründenden und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und die Erstattungspflicht auch dem Umfang nach dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Insoweit wird zur weiteren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 12 = Bl. 98 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.



Die streitgegenständliche Klausel ist damit hinsichtlich des die Rückzahlungspflicht auslösenden Tatbestands zu weit gefasst und würde zur Übernahme der Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer auch dann führen, wenn dieser sich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers veranlasst sieht, oder seine Kündigung dadurch verursacht wird, dass der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, dem Arbeitnehmer einen seinen verbesserten beruflichen Qualifikationen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen.



Vorliegend beruft sich der Beklagte ausdrücklich darauf, dass er durch das Drängen des Klägers, den Nachtrag zum Anstellungsvertrag abzuschließen, zur Eigenkündigung genötigt worden sei; insoweit kann mit dem Arbeitsgericht offen bleiben, ob bei Änderung der Provisionsvereinbarung Druck auf den Beklagten ausgeübt wurde und die Einkommenseinbußen beim Beklagten für den Kläger absehbar waren, weil dies letztlich nicht entscheidungserheblich ist. §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen und nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Dies hat zur Konsequenz, dass auch solche Klauseln unwirksam sind, die in ihrem Übermaß Teil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, dass sich im konkreten Entscheidungsfall gar nicht realisiert hat (BAG 13.12.2011, 28.05.2013, 18.03.2014, a.a.O.).



Die Rückzahlungsklausel kann auch nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der Beklagte nur dann bei Eigenkündigung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet ist, wenn diese seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen ist. Denn eine geltungserhaltende Reduktion ist im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich, da § 306 BGB diese Rechtsfolge nicht vorsieht oder eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt nicht mehr mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar wäre (BAG a.a.O.).



Ebenso wenig ist die Rückzahlungsklausel teilunwirksam für Gründe, die in den Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen, da sie hinsichtlich des Beendigungstatbestandes der Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht teilbar ist, da sie keine Differenzierung enthält. Durch die Streichung des den Rückzahlungsanspruchs auslösenden Tatbestand der Kündigung des Arbeitnehmers entfällt vielmehr insgesamt die Anspruchsgrundlage.



Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da es andernfalls zu einem Unterlaufen der gesetzlichen Wertvorstellung des § 307 BGB kommen würde (vgl. BAG a.a.O.). Dies gilt auch im Hinblick auf die salvatorische Klausel in Ziffer 11, 5. Absatz im Anstellungsvertrag vom 03.07.2012. Im Übrigen gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen, die an die Stelle der unwirksamen Regelung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten treten könnten.



Ist eine derartige Rückzahlungsklausel wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers - wie vorliegend - nach § 307 Abs.1 BGB unwirksam, kann der Arbeitgeber die Erstattung der aufgewandten Ausbildungskosten regelmäßig auch nicht nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB verlangen. Dem stehen Sinn und Zweck des Rechtsfolgensystems des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen (BAG 28.05.2013 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 62).



Auf die Widerklage war demgegenüber der Kläger und Widerbeklagte antragsgemäß zu verurteilen, den Beklagten und Widerkläger 391,36 EUR brutto zu zahlen. Zur weiteren Begründung wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 14, 15 = Bl. 100, 101 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen; diese Ausführungen werden von beiden Parteien im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt.



Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich - deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens beider Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.



Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.



Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien keine Veranlassung gegeben.

Verkündet am: 07.03.2016

Vorschriften§ 307 BGB, §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO, § 305 Abs. 1 BGB, §§ 305 ff. BGB, § 305 Abs.1 BGB, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 307 Abs.1 BGB, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, Artikel 12 GG, § 306 BGB, §§ 812 ff. BGB, § 97 Abs.1 ZPO

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