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17.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146619

Landgericht Nürnberg-Fürth: Urteil vom 13.08.2015 – 8 O 9261/14

Die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I bewirkt keinen Anscheinsbeweis für die Haltereigenschaft des Eingetragenen.


Landgericht Nürnberg

v. 13.08.2015

Az.: 8 O 9261/14

In dem Rechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Schadensersatz

erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 8. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2015 folgendes Schlussurteil

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Gerichtskosten tragen 50% die Klägerin, 50% die Beklagte zu 1.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen 50% die Klägerin selbst, 50% die Beklagte zu 1.

Die Beklagte zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 trägt die Klägerin. .

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 16.720,36 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte zu 1 ist die "Ex-Schwiegertochter" der Beklagten zu 2. Am 31.03.2011 gegen 00:30 Uhr kam die Beklagte zu 1 als Fahrerin des Pkw Honda (Kennzeichen FÜ-DE468) auf der Kreisstraße SAD 28 in Richtung Nabburg in Folge Alkoholisierung und überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab. Der bei der Klägerin rentenversicherte .., der sich im Fahrzeug der Beklagten zu 1 befand, jedoch nicht angegurtet war, wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und erheblich verletzt. Die Klägerin gewährte dem Versicherten vom 16.05.2011 bis 09.06.2011 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme, für die Kosten in Höhe von 2.867,28 € entstanden; außerdem wurde dem Versicherten vom 09.07 bis 20.07.2012 eine Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme und vom 07.01 bis 28.02.2013 ein Reha-Vorbereitungslehrgang gewährt. Einer Aufforderung, ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anzuerkennen, kamen die Beklagten nicht nach.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu 2 Halterin des von der Beklagten zu 1 gesteuerten, unfallverursachenden Fahrzeugs gewesen sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 2 in der Zulassungsbescheinigung eingetragen sei, ein Anscheinsbeweis bezüglich ihrer Haltereigenschaft folge. Diesen Anscheinsbeweis vermöge die Beklagte zu 2 nicht zu entkräften. Die Beklagte zu 2 sei auch Versicherungsnehmerin des Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages. Die Beklagte zu 2 habe das Fahrzeug gekauft und sei dessen Eigentümerin. Sie habe die alleinige Bestimmungsmacht über das Fahrzeug gehabt und habe der Beklagten zu 1 die Nutzungsmöglichkeit jederzeit entziehen können. Es sei auch die Beklagte zu 2 gewesen, die im Ermittlungsverfahren ihre Einverständniserklärung zur Verwertung des totalbeschädigten Fahrzeuges gegeben habe; schließlich sei der Verwertungserlös auf Ihr Konto überwiesen worden (Blatt 90 der Ermittlungsakte). Zudem sei im Haftpflichtverfahren des Versicherten gegen die beiden hiesigen Beklagten und den Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeuges vorgetragen worden, dass die Beklagte zu 2 zum Unfallzeitpunkt Halterin des Fahrzeuges gewesen sei. Die Beklagte zu 2 sei deshalb neben der Beklagten zu 1 als Halterin nach § 7 Abs. 1 StVG zum Schadenersatz verpflichtet. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz von zumindest 60% der von ihr erbrachten Leistungen, da die entsprechenden Ansprüche des Versicherten nach § 116 und § 119 SGB X auf sie übergegangen seien. Da der Versicherte auch bei Anlegen des Sicherheitsgurtes schwer verletzt worden wäre - insoweit unstreitig -, sei dessen Mitverschulden mit 40% ausreichend berücksichtigt.

Am 23.02.2015 ist gegen die Beklagte zu 1 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Abs. 3 ZPO folgendes Teilversäumnisurteil ergangen:

I.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 1.720,36 € zu bezahlen.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu einer Haftungsquote von 60% zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 31.03.2011 ihres Versicherten Brian Berry, geboren am 21.03.1989, entstanden sind und zukünftig entstehen werden, soweit die Schadensersatzansprüche des Versicherten gemäß §§ 116, 119 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1.

Die Beklagte zu 2 wird als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1 verurteilt, an die Klägerin 1.720,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1 verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu einer Haftungsquote von 60% zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 31.03.2011 ihres Versicherten Brian Berry, geboren am 21.03.1989, entstanden sind und zukünftig entstehen werden, soweit die Schadenersatzansprüche des Versicherten gemäß §§ 116, 119 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.

Die Beklagte zu 2 beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte zu 2 bestreitet, Halterin des unfallverursachenden Pkw gewesen zu sein. Sie sei lediglich formell als Halterin dieses Fahrzeuges geführt worden. So seien die Versicherungsprämien ausschließlich von der Beklagten zu 1 bezahlt worden und die Prämien seien auch nicht etwa durch die Beklagte zu 2 erst von dieser ausgelegt und dann von der Beklagten zu 1 zurückerstattet worden. Außerdem sei die Beklagte zu 1 die Versicherungsnehmerin der Haftpflichtversicherung gewesen. Von dem Erlöschen des Versicherungsschutzes für das versicherte Fahrzeug habe die Beklagte zu 2 erst durch ein Schreiben der Stadt Fürth vom 28.04.2011 erfahren. Die Beklagte zu 2 sei auch weder im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2 oder im Besitz der Kfz-Kennzeichen gewesen. Die Beklagte zu 2 trägt weiter vor, dass die Beklagte zu 1 das unfallverursachende Fahrzeug auf eigene Rechnung gekauft und bezahlt habe. Die Beklagte zu 2 habe lediglich bei der Zulassung des Fahrzeuges angegeben, dass die Kfz-Steuer von Ihrem Bankkonto per Lastschrift eingezogen werde. Nachdem dies erfolgt sei, habe die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 diesen Betrag nach Aufforderung jedoch zugleich erstattet. Die Beklagte zu 2 habe nach Erhalt des Bescheides der Stadt Fürth vom 28.03.2011 wegen Nichtbestehens des Versicherungsschutzes die Adresse der Beklagten zu 1 nicht gewusst und die Beklagte zu 1 deshalb lediglich telefonisch auf den Sachverhalt angesprochen. Die Beklagte zu 1 habe die Beklagte zu 2 vermutlich deshalb gebeten, nach außen als Halterin aufzutreten, da sie als Empfängerin von Sozialleistungen andernfalls möglicherweise Kürzungen habe hinnehmen müssen. Im Gegenzug für die Übernahme der Haltereigenschaft nach außen habe die Beklagte zu 1 sich bereit erklärt, die Beklagte zu 2 bei Bedarf zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren, was wegen einer Erkrankung der Beklagten zu 2 für diese eine große Erleichterung bedeutet habe. Die Beklagte zu 2 habe keinerlei Kenntnisse vom Standort des Fahrzeuges gehabt. Sie sei niemals im Besitz der Zulassungsbescheinigungen gewesen. Einen Erlös aus der Verwertung des Unfallfahrzeugs habe die Beklagte zu 2 nicht erhalten. Im Übrigen sei das Mitverschulden des Versicherten der Klägerin mit mindestens 70% zu bewerten.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2015 wird Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die Klage gegen die Beklagte zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.

A)

Nachdem das Verfahren gegen die Beklagte zu 1 durch Teil-Versäumnisurteil bereits rechtskräftig abgeschlossen ist, war hinsichtlich der Beklagten zu 2 noch durch Schlussurteil, sowie insgesamt über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

B)

Der Klägerin steht kein Schadenersatzanspruch aus übergegangenem Recht zu, da der Versicherte der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 keinen (übergangsfähigen) Schadenersatzanspruch hat. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2, die das Unfallfahrzeug nicht geführt hat, ist lediglich nach § 7 Abs. 1 StVG denkbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2 schuldhaft die Benutzung des Fahrzeuges durch die Beklagte zu 1 ermöglicht hat und dabei wusste, dass diese nicht fahrtüchtig war, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Der der Klägerin obliegende Beweis dafür, dass die Beklagte zu 2 Halterin des unfallversicherten Fahrzeuges im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG war, ist ihr nicht gelungen (zur Beweislast Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janke, StVG, 23. Aufl. § 7 Rn. 28).

I.

Halter des Kraftfahrzeuges ist, wer es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Entscheidend ist dabei nicht das Rechtsverhältnis am Kraftfahrzeug, insbesondere die Frage, wer dessen Eigentümer ist; vielmehr ist maßgebend eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, bei der es vor allem auf die Intensität dieser tatsächlichen, in erster Linie wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb des Kraftfahrzeuges im Einzelfall ankommt. Wer danach tatsächlich und wirtschaftlich der eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist, schafft die vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren, für die der Halter nach den strengen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes einstehen soll (BGH NJW 1983, 1492 [BGH 22.03.1983 - VI ZR 108/81] m. w. N.).

II.

In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen.

Diesen leitet sie aus dem Umstand her, dass die Beklagte zu 2 - unstreitig - in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2 eingetragen ist bzw. war. Es spreche demnach der Beweis des ersten Anscheins für die Haltereigenschaft der Beklagten zu 2.

1. Voraussetzung für einen Anscheinsbeweis ist ein typischer Geschehensablauf, also ein bestimmter Tatbestand, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs bzw. eine Verknüpfung zweier Umstände hinweist. Der Beweis des ersten Anscheins wird durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (BGH NJW 2013, 2901 [BGH 26.03.2013 - VI ZR 109/12]).

Ein Beweis des ersten Anscheins ist also dann möglich, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (BGHZ 100, 214, 216; 160, 308, 313). Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGHZ 160, 308, 313). Die Typizität fehlt etwa, wenn die Möglichkeit von zwei typischen Geschehensabläufen besteht, aber nur einer haftungsbegründend ist. Es genügt nicht die große Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines der möglichen Sachverhalte (BGH NJW-RR 88, 789, 790 [BGH 17.02.1988 - IVa ZR 277/86]).

2. Gemessen daran kann hier nicht von den Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises ausgegangen werden.

Die Zulassungsbescheinigung Teil I nach § 11 FZV ersetzt den früheren Fahrzeugschein. Sie ist der Nachweis der Zulassung und bei Verkehrskontrollen ein mitzuführendes wesentliches Legitimationspapier (Wohlfahrt in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht § 11 FZV Rn. 3). Sie ist eine öffentliche Urkunde, mit dem die Zulassungsstelle bescheinigt, dass ein bestimmtes amtliches Kennzeichen einer näher bezeichneten Person für ein bestimmtes Kfz zugeteilt worden ist. Die Beweisfunktion dieses Papiers erstreckt sich aber nur auf die Tatsache der Zulassung eines bestimmten Fahrzeuges zum öffentlichen Verkehr, nicht auch auf die Person dessen, auf den das Fahrzeug zugelassen wird (OVG Koblenz NZV 1991, 406 zum Fahrzeugschein). Da es sich somit nicht um ein Ausweispapier handelt, stellen die Personalangaben im Fahrzeugschein keine verlässliche Grundlage für die Feststellung dar, wer aus der Halterhaftung in Anspruch genommen werden kann (OVG Koblenz NZV 1991, 406).

Die richterliche Erfahrung, wie auch die allgemeine Lebenserfahrung, zeigen, dass es die verschiedenste Gründe dafür gibt, dass die tatsächlichen Verhältnisse mit den schriftlich - nach außen - dokumentierten nicht übereinstimmen. So ist etwa die Konstellation nicht unüblich, dass Eltern als Versicherungsnehmer für das Fahrzeug ihres volljährigen Kindes auftreten, um diesem günstigere Prämien zu sichern. Gleichwohl wird das Fahrzeug ausschließlich vom volljährigen Kind genutzt, das für dieses in tatsächlicher - und gegebenenfalls auch wirtschaftlicher - Hinsicht ausschließlich verantwortlich ist. Auch wenn die Eltern das von Ihnen gekaufte Fahrzeug ihrem Kind schenken und (weiterhin) in den Zulassungsbescheinigungen eingetragen sind, so ist etwa wenn das Kind "mit dem Auto" fernab vom Wohnort der Eltern studiert, der Umstand, dass die Eltern (weiterhin) in der Zulassungsbescheinigung eingetragen sind für die Haltereigenschaft ohne Aussagewert. Die Häufigkeit solcher oder vergleichbarer Konstellationen verbietet es nach Ansicht des Richters davon auszugehen, dass mit sehr großer Wahrscheinlichkeit derjenige Halter des Fahrzeuges ist, der in der Zulassungsbescheinigung eingetragen ist, d. h. für dieses Fahrzeug tatsächlich und wirtschaftlich verantwortlich ist,.

Die Zulassungsbescheinigung Teil II nach § 12 FZV, die den früheren Fahrzeugbrief ersetzt, hat schon von Gesetzes wegen zur Haltereigenschaft keine Aussagekraft: Nach § 12 Abs. 6 S. 1 FZV entscheidet die Zulassungsbehörde keine privatrechtlichen Sachverhalte.

Damit ist festzuhalten, dass die Eintragung in den Zulassungspapieren ohne entscheidende Relevanz ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 1969 - VI ZR 49/68, VersR 1696, 907; OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.11.2009 - 4 U 238/09, NJW 2010, 945, 947). Wenngleich es im allgemeinen ein "Anzeichen" dafür sein mag, dass Halter des Fahrzeugs ist, auf wessen Namen die Zulassung lautet (BGH, Urteil vom 11. Juli 1969 - VI ZR 49/68, VersR 1696, 907; BGH Urteil vom 29.05.1954 - VI ZR 111/53, VersR 1954, 365,366), erreicht dieses Indiz doch nicht das Gewicht, das für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderlich ist. Ein Anscheinsbeweis kann deshalb aus der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung nicht hergeleitet werden.

Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des AG Saarbrücken (Urteil vom 12.01.2006, 5 C 654/05, [...]) steht dem nicht entgegen. Diese Entscheidung setzt sich nicht mit den Anforderungen an die Annahme eines Anscheinsbeweises auseinander, bei dessen Anwendung grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist (BGH NJW 2012, 608 [BGH 13.12.2011 - VI ZR 177/10]).

Offen bleiben kann damit auch, ob auf eine Eintragung in einer Urkunde die Erwägungen des Anscheinsbeweises überhaupt (entsprechend) anwendbar sind.

3. Ungeachtet des Vorstehenden hätte die Beklagte zu 2 jedoch einen - unterstellt - in Folge ihrer Eintragung in der Zulassungsbescheinigung gegen sie ins Feld geführten Anscheinsbeweis entkräftet.

So hat die Beklagte zuletzt unwidersprochen vorgetragen, dass sie wegen des Öfteren von der Beklagten zu 1 vorgenommener Wohnortwechsel keinerlei Kenntnisse vom Standort des Fahrzeuges gehabt habe. Trotz in der mündlichen Verhandlung eingeräumter Schriftsatzfrist ist die Klägerin dem mit nachgelassenem Schriftsatz vom 21.07.2015 nicht entgegen getreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Bereits die Tatsache, dass die Beklagte zu 2 unstreitig nicht wusste, wo sich das Fahrzeug befand, schließt die für eine Haltereigenschaft erforderliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug aus (vgl. BGH NJW 1983, 1492 [BGH 22.03.1983 - VI ZR 108/81]). Dieser unstreitige Umstand führt jedenfalls dazu, dass die etwaigen Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises als erschüttert anzusehen wären.

4. Die Zulassungsbescheinigungen erbringen auch als öffentliche Urkunden keine Beweiskraft: Zum einen sind die Urkunden nicht in Urschrift oder beglaubigter Abschrift vorgelegt worden (§ 435 PO), zum anderen entfaltet § 415 ZPO lediglich formelle, aber keine inhaltliche Beweiskraft bewirkt (Musielak/Huber, ZPO 12. Aufl. § 415 Rn. 10).

III.

Auch in der Gesamtschau mit den übrigen Indizien/Umständen kann die Klägerin die Haltereigenschaft der Beklagten zu 2 nicht beweisen.

1. Die Eintragung der Beklagten zu 2 in der Zulassungsbescheinigung hat diese mit einem der Beklagten zu 1 gegenüber geleisteten Gefallen erklärt. Sie habe sich gleichsam im Gegenzug dazu von Zeit zu Zeit in die Arbeit fahren lassen. Dies allein begründet jedoch noch keine eigene Verfügungsgewalt der Beklagten zu 2 über das Fahrzeug.

2. Entgegen des Vortrags der Klägerin ist die Beklagte zu 2 nicht Versicherungsnehmerin des unfallverursachenden Fahrzeuges gewesen. Wie der Richter in der mündlichen Verhandlung, in der die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Amberg, Az. 104 Js 7696/11, beigezogen war und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden war, hingewiesen hat, befindet sich in der Ermittlungsakte (S. 61) eine Auskunft des früheren Haftpflichtversicherers des unfallverursachenden Fahrzeuges, wonach die Beklagte zu 1 Versicherungsnehmerin dieses Fahrzeuges war. Dies stützt den Vortrag der Beklagten zu 2. Die Tatsache, dass in dieser Auskunft des Haftpflichtversicherers die Beklagte zu 2 als Halterin angegeben ist, hat keinen Indizwert, da nicht erkennbar ist, woraus der Haftpflichtversicherer diese "Erkenntnis" gewonnen haben will.

3. Im - auch gegen die Beklagte zu 2 geführten Ermittlungsverfahren (wegen Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis) hat die Beklagte zu 2 von Anfang an vortragen lassen, dass sie das Fahrzeug nicht erworben habe, sondern dieses von der Beklagten zu 1 ausschließlich genutzt worden sei. Versicherungsnehmerin sei die Beklagte zu 1 gewesen. Die Beklagte zu 2 sei weder tatsächlich noch technisch in der Lage gewesen, den Pkw still zu legen. In der Folge ist das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 2 auch mangels Nachweises deren Haltereigenschaft eingestellt worden nach § 170 Abs. 2 StPO.

4. Beweis dafür, dass die Beklagte zu 2 das Fahrzeug als Eigentümerin erworben hat - was ebenfalls allenfalls Indizcharakter haben könnte -, hat die Klägerin nicht angetreten.

5. Ein wirtschaftliches Indiz für die Haltereigenschaft der Beklagten zu 2 kann schließlich nicht daraus gewonnen werden, dass - wie die Klägerin behauptet hat - die Beklagte zu 2 den Erlös aus der Verwertung des unfallbeschädigten Fahrzeugs vereinnahmt habe. Wie sich aus einem polizeilichen Aktenvermerk der Ermittlungsakte ergibt (Blatt 85 der Ermittlungsakte) ist der Verwertungserlös gegenüber der Beklagten zu 2 mit Verwahrkosten, die das Autohaus, bei dem das beschädigte Fahrzeug nach dem Unfall verwahrt worden war, gegenüber der Beklagten zu 2 geltend gemacht hat, verrechnet worden. Die Tatsache, dass ein Autohaus sich an den "naheliegendsten", weil für sie solventen Schuldner von Forderungen für die Verwahrung des beschädigten Fahrzeuges hält und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer Aufrechnung nutzt, ist kein Indiz für einen wirtschaftlichen Nutzen des Schuldners aus dem Fahrzeug, der eine Haltereigenschaft begründen könnte.

6. Schließlich ist auch die Tatsache, dass im beigezogenen Verfahren des Landgerichts Amberg, Az. 12 O 50/12, in dem der Versicherte der Klägerin die beiden hiesigen Beklagten, sowie den Haftpflichtversicherer auf Schadenersatz in Anspruch nahm, dieser vorgetragen hat, dass die Beklagte zu 2 zum Unfallzeitpunkt Halterin des Fahrzeuges gewesen sei (Beiakte S. 88), kein Indiz für die tatsächliche Haltereigenschaft der Beklagten zu 2.

Es ist bekannt, dass der aufgrund versicherungsvertraglicher Regulierungsvollmacht im Haftpflichtprozess federführende Haftpflichtversicherer seine Informationen primär aus den ihm vorliegenden schriftlichen Unterlagen bezieht. Es spricht deshalb alles dafür, dass der Haftpflichtversicherer seine Ansicht, wonach die Beklagte zu 2 Halterin des Fahrzeuges gewesen sei lediglich auf den Umstand stützt, dass diese in der Zulassungsbescheinigung eingetragen ist. Diesem Umstand aber kommt - wie oben ausgeführt - keine ausschlaggebende Bedeutung bei.

IV.

Insgesamt kann damit der Nachweis der Haltereigenschaft der Beklagten zu 2 nicht als geführt angesehen werden. Schadenersatzansprüche des Versicherten der Klägerin, die Kraft Gesetzes auf diese übergegangen sein könnten, sind damit nicht gegeben. Die Klage war damit insgesamt gegenüber der Beklagten zu 2 abzuweisen.

C)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Verkündet am 13.08.2015

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