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19.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146426

Landgericht Düsseldorf: Beschluss vom 07.08.2015 – 10 KLs 1/14

Der auch für ein hinzuverbundenes Verfahren bestellte Pflichtverteidiger kann eine Terminsgebühr auch für dieses Verfahren beanspruchen, wenn vor der Verbindung zwar kein Aufruf des erst unmittelbar vor der Verbindung in der Hauptverhandlung eröffneten hinzuverbundenen Verfahrens erfolgt ist, der Vorsitzende aber durch die Ankündigung der Verbindung zu erkennen gegeben hat, die Hauptverhandlung auch in diesem Verfahren durchführen zu wollen und der Angeklagte und sein Verteidiger durch Verzicht auf die Förmlichkeiten und Fristen gem. §§ 216, 217 StPO die Voraussetzungen für eine Hauptverhandlung geschaffen haben.


Tenor:

Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Juli 2015 abgeändert:

Die Rechtsanwalt zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden auf insgesamt

5.383,55 €

festgesetzt.
Gründe

I.

Gegen den Verurteilten war beim Landgericht Düsseldorf ein Strafverfahren wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl (14 KLs 3/13, StA Düsseldorf 20 Js 11061/12) anhängig. Rechtsanwalt war zum Pflichtverteidiger bestellt. Der Beginn der Hauptverhandlung war auf dem 15. April 2013 terminiert. Im März 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen den Verurteilten eine weitere Anklage (StA Düsseldorf 20 Js 7603/12, später 14 KLs 8/13) beim Amtsgericht Düsseldorf. Diese Akte wurde im Verfahren 14 KLs 3/13 als Beiakte genommen und dem Pflichtverteidiger im Wege der Akteneinsicht am 9. April 2013 ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 10. April 2013 zeigte der Pflichtverteidiger, dass der Verurteilte ihn auch in diesem Verfahren mit seiner Verteidigung beauftragt hat. Weiter beantragte er, das Verfahren zum Verfahren 14 KLs 3/13 zu übernehmen und ab dem 15. April 2013 mit zu verhandeln, sowie dem Verurteilten ihn, den Antragsteller, auch für dieses Verfahren als notwendigen Verteidiger beizuordnen.

Mit Verfügung vom 11. April 2013 wurde das Verfahren StA Düsseldorf 20 Js 7603/12 von der 14. großen Strafkammer übernommen und erhielt das Aktenzeichen 14 KLs 8/13. Der Vorsitzende verfügte die Zustellung der Anklageschrift, die bislang noch nicht zugestellt war, an den Verurteilten sowie den Pflichtverteidiger.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15. April 2013 zum Az.: 14 Kls 3/13 wurde die Sache aufgerufen, die Erschienenen festgestellt, die Gerichtsbesetzung bekannt gegeben und die Personalien des Verurteilten festgestellt. Danach erklärten der Verurteilte und der Pflichtverteidiger, dass hinsichtlich des Verfahrens 14 KLs 8/13 auf die Einhaltung der Einlassungsfrist verzichtet werde. Daraufhin wurde für dieses Verfahren ein Eröffnungsbeschluss verkündet. Im Anschluss daran gab der Vorsitzende bekannt, dass beabsichtigt sei - neben weiteren Verfahren, die sich gegen den Verurteilten richteten - auch das Verfahren 14 KLs 8/13 hinzuzuverbinden. Nachdem Einwendungen nicht erhoben wurden, wurde unter anderem das Verfahren 14 KLs 8/13 mit dem Verfahren 14 KLs 3/13 verbunden.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens hat der Pflichtverteidiger unter dem 16. Mai 2015 seine Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 6127 € (brutto) geltend gemacht. Im angefochtenen Beschluss sind nur 5.070,58 € festgesetzt worden und der Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Der Pflichtverteidiger wendet sich mit seiner Erinnerung nunmehr alleine dagegen, dass für das Verfahren 20 Js 7603/ (14 KLs 8/13) die Terminsgebühr nicht festgesetzt worden ist.

II.

Die gemäß §§ 56, 33 RVG zulässige Erinnerung hat Erfolg. Es waren eine weitere Terminsgebühr i.H.v. 312,97 € (263 € zzgl. USt.) d.h. insgesamt 5.383,55 € festzusetzen.

1.

Eine (weitere) Terminsgebühr Nr. 4115 VV-RVG ist angefallen, weil am 15. April 2013 auch in der Sache 20 Js 7603/12 (14 KLs 8/13) ein Termin stattgefunden hat, an der der Pflichtverteidiger teilgenommen hat.

Zwar ist die hinzuverbundene Sache 20 Js 7603/12 (14 KLs 8/13) ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht ausdrücklich durch den Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 1 S. 1 StPO aufgerufen worden. Allerdings ist der Aufruf der Sache keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens. Unterbleibt er, so ist der Beginn der Hauptverhandlung deshalb von dem Zeitpunkt an anzunehmen, in welchem der Vorsitzende für die Beteiligten erkennbar kundgibt, die Verhandlung in der Sache durchführen zu wollen (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2009, 128 [OLG Dresden 07.10.2008 - 2 Ws 455/08]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 243 Rn. 4). Dabei muss aber zu dem Zeitpunkt die Durchführung der Hauptverhandlung möglich sein, insbesondere muss der Eröffnungsbeschluss vorliegen (vgl. OLG Dresden a.a.O., OLG Bremen NStZ-RR 2013, 128).

Vorliegend hat der Vorsitzende nach der Verkündung des Eröffnungsbeschluss hinsichtlich des Verfahrens 14 KLs 8/13 (= 20 Js 7603/12) zu erkennen gegeben, dass das Gericht die Hauptverhandlung auch in jener Sache durchführen möchte, indem er mitgeteilt hat, dass das Gericht eine Verbindung beabsichtigt. Damit hat er den Beteiligten, auch dem Pflichtverteidiger rechtliches Gehör hierzu gegeben. Insbesondere im Hinblick auf den Schriftsatz des Pflichtverteidigers vom 10. April 2015 war die (zuvor) protokollierte Erklärung, dass für das Verfahren 10 Kls 8/14 auf die Einlassungsfrist verzichtet werde, auch so zu verstehen, dass - im Namen des Angeklagten - auch auf die Ladungsfrist verzichtet werde.

Damit liegt der Fall hier anders, als in dem vom OLG Dresden und OLG Bremen (beide a.a.O.) entschiedenen Fällen, in denen zugleich in einem Beschluss - ohne eine weitere Unterbrechung und Verhandlung - die Verbindung und Eröffnung des hinzuverbundenen Verfahrens beschlossen worden waren.

2.

Rechtsanwalt war auch bereits zuvor stillschweigend zum Pflichtverteidiger des Verurteilten im Verfahren 20 Js 7603/12 (=14 KLs 8/13) bestellt worden. Für den Bestellungsakt ist keine Beschlussform vorgeschrieben und grundsätzlich können Prozesshandlungen auch des Gerichtes konkludent erfolgen (vgl. OLG Hamburg NJW 1998, 621 [OLG Hamburg 17.11.1997 - 2 Ws 255/97]). Dabei kann die Aufforderung durch den Vorsitzenden an einen Rechtsanwalt, als Verteidiger für einen Angeklagten tätig zu werden als Bestellung gewertet werden. So ist es hier. Nachdem Rechtsanwalt mit Schreiben vom 10. April 2013 seine Beiordnung beantragt hatte, hat der Vorsitzende ihm die Anklageschrift zugestellt und sodann in der Hauptverhandlung vom 15. April 2013 sein Auftreten auch im Hinblick auf das Verfahren 20 Js 7603/12 (=14 KLs 8/13) geduldet.

Auch lagen die Voraussetzung der Beiordnung nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO vor, nachdem der Verurteilte einstweilen nach § 126a StPO untergebracht war. Soweit Rechtsanwalt im Schreiben vom 10. April 2013 auch mitgeteilt hatte, dass der Verurteilte ihn mit der Verteidigung auch in dem Verfahren beauftragt hatte, war dies erkennbar nur so zu verstehen, dass er bis zur Bestellung als Pflichtverteidiger die eilbedürftigen Maßnahmen für den Verurteilten - insbesondere Ermöglichung der Verbindung zu dem Verfahren 10 Kls 3/13 - durchführen kann, nicht aber dass aufgrund dieser (Wahl)Beauftragung eine Bestellung zum Pflichtverteidiger nicht erforderlich sei.

Die Entscheidung ergeht Gerichtskostenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Vorschriften§ 216 StPO § 217 StPO Nr. 4115 VV-RVG

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