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04.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143401

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 13.08.2014 – 8 K 650/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Sachsen

Urt. v. 13.08.2014

Az.: 8 K 650/14

In dem Finanzrechtsstreit
Herr
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte/r:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegen Antrag auf Erteilung einer Steuernummer
hat der 8. Senat durch Richter am Finanzgericht ......... als Einzelrichter auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. August 2014
für Recht erkannt:
Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 04.02.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.06.2014 verpflichtet, dem Kläger eine Steuernummer zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger eine Steuernummer zu erteilen ist.

Der Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger. Am 23.01.2013 meldete er bei der Stadt F. unter der Wohn- und Betriebsstättenanschrift K. Straße 23 in ..... F. ein Trockenbaugewerbe an. Am 11.03.2013 meldete er das Gewerbe bei der Stadt F. ab und bei der Stadt M. an. Als Wohn- und Betriebsstättenanschrift gab er nun S. 5 in ..... in M. an. Am 15.05.2013 reichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Finanzamt L. den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit ein. In diesem wird erklärt, dass es sich um eine Neugründung zum 11.03.2013 handele und voraussichtlich Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und entsprechende Umsätze in Höhe von 9.800 Euro im laufenden und in Höhe von 12.600 Euro im Folgejahr erzielt würden und die Kleinunternehmer-Regelung (§ 15 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-) in Anspruch genommen werde. Am 26.07.2003 reicht der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Zusatzfragebogen zur steuerlichen Erfassung bei Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit auf Wunsch des Finanzamtes L. ein. Darin erklärte er, dass der Kläger keine Werkverträge abschließen werde und nicht vorgesehen sei, die Umsatzsteuer in Rechnungen gesondert auszuweisen. Es handele sich bei seinen Tätigkeiten weder um Regie- noch um Lohnarbeiten noch um eine Tätigkeit als Subunternehmer. Auftraggeber sei C. S. Auch früher seien keine Werkverträge geschlossen worden. Er bediene sich keines Vermittlers, um an Aufträge zu gelangen, habe im Herkunftsland keinen Gewerbebetrieb und keine freiberufliche Tätigkeit, es könne kein Mietvertrag für die gewerblich angemieteten Räume vorgelegt werden, da ein solcher nur mündlich geschlossen worden sei, was gleichfalls für privat angemietete Räume gelte und der Lebensunterhalt in der Aufbauphase des Betriebes werde von etwas Geld, das er von Rumänien mitgenommen habe, finanziert. Daraufhin führte das Finanzamt L. in den Räumlichkeiten unter der Anschrift S. 5 in ...... M. eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Kläger wurde dort nicht angetroffen. Es wurde festgestellt, dass es sich bei der Anschrift um eine Sammelunterkunft in einer Pension mit 3er-Etagen-Betten handelt. Nachdem der Vorgang an den Beklagten abgegeben worden war, forderte dieser den Kläger unter den 24.09.2013 und unter dem 21.11.2013 auf, den Mietvertrag, Werkverträge, Auftragsangebote, Kalkulationen, eine Liste der Auftraggeber sowie ggf. bisher ausgestellte Rechnungen in Kopie einzureichen. Daraufhin erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 24.11.2013 erneut, dass ein Mietvertrag nur mündlich bestehe. Mangels Steuernummer habe der Kläger keinen Auftrag bekommen und es seien bislang keine Rechnungen erstellt worden.

Mit Bescheid vom 04.02.2014 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Steuernummer ab, weil keine Auftraggeber vorhanden seien. Dagegen legte der Kläger am 20.02.2014 Einspruch ein und bezog sich zur Begründung auf das BFH-Urteil vom 23. September 2009 II R 66/07, BStBl II 2010 712.

Am 30.04.2014 reichte der Kläger die Einkommensteuer-, die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteuererklärung 2013 beim Beklagten ein. Er erklärte Betriebseinnahmen in Höhe von 12.924 Euro und Betriebsausgaben in Höhe von 1.913 Euro, im einzelnen Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 828 Euro, Aufwendungen für Werkzeuge in Höhe von 285 Euro und Benzinkosten in Höhe von 800 Euro. Zum Nachweis legte er Tankbelege und Baumarktquittungen bei. Den sich ergebenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.011 Euro legte er auch der Gewerbesteuererklärung zugrunde. Mit der Umsatzsteuererklärung erklärt er Umsätze und abziehbare Vorsteuern jeweils in Höhe von 0 Euro.

Am 14.05.2014 erfolgte eine neuerliche Umsatzsteuer-Nachschau durch das Finanzamt L. im Auftrag des Beklagten. Dabei wurde der Kläger angetroffen. Er erklärte, seine Aufträge auf den Baustellen aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda zu erhalten. Der Kläger war im Besitz eines Laptops und eines Pkw mit rumänischem Kennzeichen, in dem sich Werkzeuge wie Schleifer, Akkuschrauber, Bohrmaschinen, Werkzeugkisten, Eimer und Baustellenhelme befanden. Der Kläger erklärte, mit dem Pkw zu den Baustellen zu fahren und seine Mitbewohner mitzunehmen. Bis zur Erteilung einer Steuernummer erstelle er die Rechnungen über seine Trockenbauarbeiten an A. M. unter Hinweis auf § 13 b Umsatzsteuergesetz -

UStG-. Mit A. M. habe er pro Baustelle einen Vertrag geschlossen. A. M. wiederum rechne gegenüber C. S. ab. Auftraggeber sei die Firma K.-Bau GmbH. Die derzeitige Baustelle befinde sich in F.. Der Kläger legte einen Vertrag mit A. M. über eine Baustelle in D. vom 14.04. bis zum 25.05.2014 vor, mit dem für Gipskartonwände 14 €/qm und für Kästen 14,50 € pro laufendem Meter vereinbart waren. Ferner legte der Kläger eine Rechnung mit der laufenden Nummer 2 vom 03.04.2014 an A. M. über eine Baustelle in F. vor, mit der er unter Hinweis auf § 13b UStG 75 qm Gipskartonwände zu 15 €/qm und 85 qm Meter Gipskartondecke zu 10 €/qm abgerechnet hatte. Am 12.06.2014 legte der Kläger fünf laufend nummerierte Rechnungen an A. M. vom 30.05., 23.07., 10.08., 27.09. und 16.12.2013 über Baustellen in F., zweimal R., E. und L. vor, mit denen er unter Hinweis auf § 19 UStG 120 qm Gipskartonwände zu 15 €/qm und Baustellenreinigung für pauschal 200 Euro, 150 qm Decke zu 12 €/qm und 80 qm Wände zu 15 €/qm, 98 qm Wände zu 14 €/qm und 157 qm Wände mit 2 x 25 mm Platten zu 16 €/qm, 136 qm Wände zu 15 €/qm und 400 qm OWA-Decke zu 5 €/qm abgerechnet hatte.

Bereits am 30.04.2014 hatte der Kläger Klage erhoben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.06.2014 hat der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Es lägen keine ausreichenden objektiven Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Ausübung einer eigenständigen unternehmerischen Tätigkeit beabsichtige. Es gäbe keine Anhaltspunkte für eine eigene Unternehmerinitiative und ein unternehmerisches Risiko des Klägers. Vielmehr würden die Aufträge offenbar von A. M. akquiriert und an die Bewohner der Pension zur Ausführung weitergegeben. Zweifelhaft sei, ob der Kläger dabei dem Auftraggeber tatsächlich eine Werkleistung oder nur seine Arbeitskraft schulde. Für eine Arbeitnehmertätigkeit des Klägers spreche insbesondere der Umstand, dass er für die Ausführung seiner Leistungen kein eigenes Baumaterial einsetze.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Ablehnung der Erteilung einer Steuernummer war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Steuernummer (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO -).

Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmen im Sinne des § 2 UStG auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG. Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung u.a. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten, für deren Erteilung wiederum das Vorhandensein einer Steuernummer nach § 27a Abs. 1 Satz 5 UStG Voraussetzung ist. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Unternehmer, der eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbringt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen, wenn er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für das Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG) oder wenn er eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Der Leistungsempfänger seinerseits kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nur ausüben, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnungen besitzt. Enthält die Rechnung weder eine dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer noch dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kann der Vorsteuerabzug nicht ausgeübt werden. Die Steuernummer dient demnach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung mit Angabe der Steuernummer oder der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht vorgeschrieben ist (vgl. BFH a.a.O.).

Der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke besteht bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen kann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgelehnt werden. Der Missbrauch muss sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen und kann insbesondere in dem offenkundig verfolgten Ziel bestehen, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu unrecht in Anspruch nehmen zu können (vgl. BFH a.a.O.).

Im Streitfall hat der Kläger nicht nur ernsthaft erklärt, ein selbstständiges gewerbliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Vielmehr erbringt er bereits seit 2013 Trockenbauleistungen und legt hierfür Rechnungen. Die Frage, ob es sich beim Kläger tatsächlich um einen selbstständig tätigen Subunternehmer handelt, oder ob er - wie der Beklagte offenbar vermutet - tatsächlich keinen Leistungserfolg sondern nur seine Arbeitskraft schuldet, in das Unternehmen des A. M. eingegliedert ist, dessen Weisungen unterliegt und Anspruch auf bezahlten Urlaub und auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat, bedarf im Verfahren wegen der Erteilung einer Steuernummer keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die vom Kläger zur Zeit ausgeübte Tätigkeit nicht eindeutig als unselbständig zu qualifizieren und noch viel weniger kann dies für die vom Kläger aufgrund seiner Gewerbeanmeldung in Zukunft beabsichtigten Tätigkeiten festgestellt werden. Der Umstand, dass der Kläger kein eigenes Baumaterial liefert, ist in diesem Zusammenhang offensichtlich unbeachtlich. Zum einen können auch Lohnarbeiten selbstständig erbracht werden. Zum anderen ist der Kläger ohne Steuernummer wirtschaftlich nicht in der Lage, Werklieferungen anzubieten, weil ohne Steuernummer jedenfalls ein zeitnaher liquiditätssichernder Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Baumaterial nicht gewährleistet ist. Eben so wenig kann er seinem Leistungsempfänger gegenüber ohne Steuernummer Umsatzsteuer abrechnen. Vor diesem Hintergrund ist der Kläger faktisch gezwungen, entgegen seinem Bekunden im am 10.05.2013 eingereichten Fragebogen lediglich Lohnarbeiten als Subunternehmer zu erbringen und diese als Kleinunternehmer nach § 19 UStG bzw. nach § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG abzurechnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger für privat bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen missbräuchlich Vorsteuern geltend machen will, sind nicht einmal im Ansatz erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

RechtsgebietUStGVorschriften§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 2 UStG; § 3 Abs. 4 S. 1 UStG; § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2, S. 2 UStG; § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG; § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG

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