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17.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142133

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 06.12.2013 – 20 WF 1161/13

1.
Mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erwirkt die begünstigte Partei ohne weiteres einen Anspruch darauf, dass notwendige Reisekosten zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem sie persönlich geladen sind, von der Staatskasse übernommen werden. Auf die VwV-Reiseentschädigung kommt es insoweit nicht an. Es bedarf auch keiner besonderen richterlichen Anordnung zur Übernahme der Kosten.


2.
Legt die Partei trotz bewilligter Verfahrenskostenhilfe notwendige Reisekosten aus eigenen Mitteln vor, muss sie ihre Aufwendungen innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem wahrgenommenen Termin gegenüber der Staatskasse abrechnen, weil sonst eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die Partei trotz ihrer Bedürftigkeit im übrigen zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Ein Zeitraum von 20 Monaten zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Kosten und deren Abrechnung ist grundsätzlich nicht mehr angemessen und schließt eine Kostenerstattung daher aus.


In der Familiensache
...
wegen elterlicher Sorge
hier: Beschwerde Verfahrenskostenhilfe
hat der 20. Familiensenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piel, Richterin am Oberlandesgericht Plewnia-Schmidt und Richterin am Oberlandesgericht Jena
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 06.11.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Riesa vom 14.10.2013 - 8 F 521/11 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der in Baden-Württemberg wohnende Antragsgegner nahm im Rahmen eines Sorgeverfahrens am 13.12.2011 einen Anhörungstermin beim Amtsgericht Riesa wahr, zu dem er persönlich geladen war. Zuvor hatte er Verfahrenskostenhilfe - VKH - "auch für (seine) entfernungsbedingten Mehrkosten" beantragt; die VKH ist ihm mit Beschluss vom 30.01.2012 rückwirkend bewilligt worden.
Mit Schriftsatz vom 16.07.2013 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners seine VKH-Gebühren geltend gemacht und zugleich um Festsetzung derjenigen Fahrtkosten (i.H.v. 268,68 €) gebeten, die der Antragsgegner zur Wahrnehmung des Termins am 13.12.2011 hatte. Nachdem die Bezirksrevisorin u. a. darauf verwiesen hatte, dass dem Erstattungsantrag die VwV-Reiseentschädigung entgegenstehe, hat das Amtsgericht die Reisekostenerstattung abgelehnt. Hiergegen hat die Antragsgegnerseite - entsprechend den vom Amtsgericht erteilten Rechtsmittelbelehrungen - durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zunächst (ohne Erfolg) Erinnerung und sodann "Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG" erhoben. Die dem Senat zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde bleibt ebenfalls erfolglos.
II.
Dabei mag offenbleiben, ob der Rechtsbehelf unter den gegebenen Umständen überhaupt zulässig ist.
Zahlungen an mittellose Personen für die Reise zum Ort einer Verhandlung sind Gerichtskosten (Auslagen gemäß Ziffer 9008 des Kostenverzeichnisses zum GKG), denen ein entsprechender Anspruch des Verfahrensbeteiligten selbst gegenübersteht. Eine Partei, der VKH bewilligt ist, wird daher analog § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich mit der Bewilligung von der Pflicht befreit, diese Auslagen zu tragen (vgl. Zöller/Geimer, 30. Aufl. § 122 ZPO Rdn. 26 m.w.N.). Der Berechtigte muss allerdings in den Fällen, in denen die Staatskasse die Aufwendungen nicht vorab übernommen hat (etwa in Gestalt einer ihm übersandten Fahrkarte), seine Reisekosten abrechnen. Wird der Erstattungsanspruch trotz gewährter VKH vom Gericht abgelehnt, ist die Partei - nicht etwa der beigeordnete Rechtsanwalt - beschwert und kann daher gemäß § 127 ZPO sofortige Beschwerde erheben.
Das ist im vorliegenden Fall aber nicht geschehen. Den im Zusammenhang mit der anwaltlichen Gebührenabrechnung gestellten ursprünglichen Erstattungsantrag mag man noch so verstehen, dass er namens und für Rechnung des Mandanten geltend gemacht wird. Die dann gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts verfolgten Rechtsbehelfe gemäß § 56 i.V.m. § 33 RVG (Erinnerung und Beschwerde) sind aber solche, die dem Rechtsanwalt gegenüber ihn beschwerenden Abrechnungsentscheidungen zustehen und die er deswegen im eigenen Namen erhebt. Eine Beschwer des Antragsgegners wäre mithin kein tauglicher Gegenstand eines solchen Rechtsmittels.
Selbst wenn man indes davon ausgehen könnte, dass ungeachtet des (vom Amtsgericht mitverursachten) fehlerhaften Rechtsmittels im Ergebnis der streitbefangene Erstattungsanspruch des Antragsgegners vom Senat in der Sache zu bescheiden wäre, bliebe die Beschwerde unbegründet.
Dabei teilt der Senat die Auffassung des Antragsgegners, dass die VwV-Reiseentschädigung (abgedruckt etwa bei Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe 4. Aufl. 2012 Rdn. 530) für die materiellen Voraussetzungen seines Anspruchs nicht einschlägig ist. Eine Verwaltungsvorschrift ist nicht geeignet, sich aus dem Gesetz ergebende Rechte von Beteiligten einzuschränken oder an zusätzliche Prämissen zu knüpfen; sie kann daher auch keine das Gericht bindende Abrechnungsfrist mit der Folge bestimmen, dass nach deren Ablauf der Erstattungsanspruch eines Beteiligten, dem VKH bewilligt ist, dennoch ohne weiteres erlischt. Ziffer 1.3 der Verwaltungsvorschrift mag daher Fälle betreffen, in denen es um Reisekostenentschädigung von Personen geht, denen trotz ihrer Mittellosigkeit, etwa wegen unterbliebener ordnungsgemäßer Antragstellung, keine Verfahrenskostenhilfe gewährt war. So liegt der Fall hier allerdings nicht.
Richtig ist jedoch auch, dass die VKH-berechtigte Partei sich dennoch nicht beliebig viel Zeit mit ihrem Erstattungsantrag lassen darf. Ist die VKH einmal bewilligt, findet im Zusammenhang mit der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten zwar keine gesonderte Bedürftigkeitsprüfung statt. Legt die Partei jedoch Reisekosten aus eigenen Mitteln vor und verzichtet dann für längere Zeit nach deren Entstehung auf eine Abrechnung gegenüber der Staatskasse, so begründet dies die tatsächliche Vermutung, dass sie eben trotz der grundsätzlich bewilligten VKH zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Die Länge dieser Frist mag dabei ebenso wie die Frage, ob die vorgenannte Vermutung widerlegbar ist, von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Ein Zeitablauf von 20 Monaten zwischen dem Zeitpunkt der Kostenentstehung und deren Abrechnung ist aber jedenfalls deutlich zu lang, und Gründe, warum der Antragsgegner trotz seiner im Rahmen des VKH-Verfahrens bejahten Mittellosigkeit so lange auf die Erstattung dieser Kosten verzichten konnte, sind nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar gemacht. Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht umhin, die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abgesehen wird und erstattungsfähige außergerichtliche Kosten nicht entstanden sind.

Vorschriften§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO § 127 ZPO

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