15.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141149
Bundesgerichtshof: Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 131/12
a)Für eine Klage wegen eines behaupteten Verstoßes gegen § 4 Nr. 7 UWG durch eine herabsetzende oder verunglimpfende Internetveröffentlichung ist - wie auch sonst bei Wettbewerbsverletzungen im Internet - eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-Verordnung unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsortes nur begründet, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der in der Internetveröffentlichung genannte Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt im Inland hat.
b)Eine englischsprachige Pressemitteilung auf einer englischsprachigen Internetseite soll sich bestimmungsgemäß auch auf den inländischen Markt auswirken, wenn Besuchern einer deutschsprachigen Fassung dieser Internetseite, die sich vor allem an Nutzer im Inland richtet, gezielt die Möglichkeit eröffnet wird, zu der englischsprachigen Internetseite zu gelangen und die englischsprachige Pressemitteilung sich mit einem Internetauftritt auseinandersetzt, der sich vor allem an Nutzer im Inland richtet.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2013 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 6. Zivilkammer, vom 18. Mai 2011 auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage hinsichtlich der englischsprachigen Fassung der Pressemitteilung abgewiesen worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil wird auch im Umfang der Aufhebung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 38% und die Beklagte 62%. Die Gerichtskosten der Revision trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision tragen die Klägerin zu 56% und die Beklagte zu 44%.
Tatbestand
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Die Klägerin betreibt die Internetseite www.a. .de, über die sie Reisen und Flugtickets vermittelt. Kunden der Klägerin können dort die Flugpreise verschiedener Fluggesellschaften über eine automatisierte Abfrage von deren Online-Datenbanken vergleichen und über die Klägerin ein Flugticket buchen. Im Fall einer Buchung berechnet die Klägerin ihren Kunden eine Servicepauschale von bis zu 29 €.
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Die Beklagte ist die Fluggesellschaft "r. ". Sie veröffentlichte in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 auf ihrer zentralen Internetseite www.r. .com eine Pressemitteilung in deutscher und in englischer Sprache. Dabei waren die deutschsprachige Pressemitteilung über die deutschsprachige Version der Internetseite (www.r. .com/de) und die englischsprachige Pressemitteilung über die englischsprachige Version der Internetseite (www.r. .com/en) abrufbar. Die nationalen Internetadressen der Beklagten wie www.r. .de werden auf die zentrale Internetseite in der entsprechenden Sprachversion weitergeleitet. Rechts oben auf dieser Internetseite befindet sich ein Listenfeld (sog. Drop-Down-Menü), in dem eine Auswahl nach Ländern und Sprachen getroffen werden kann, wie etwa "Deutschland (Deutsch)" oder "England (Englisch)". In der deutschsprachigen Fassung der Pressemitteilung wurde die Internetseite der Klägerin als "rechtswidrige Mittler-Website" bezeichnet und behauptet, die Klägerin verkaufe Flugtickets der Beklagten "zu überhöhten Preisen", "überteuert" und "mit ungerechtfertigten Aufschlägen" weiter. Die englischsprachige Fassung der Pressemitteilung ist mit deren deutschsprachiger Fassung inhaltsgleich.
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Die Klägerin sieht in diesen Äußerungen eine nach §§ 3, 4 Nr. 7 UWG unlautere Herabsetzung und Verunglimpfung.
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Sie hat beantragt,
der Beklagten zu verbieten, im Wettbewerb handelnd folgende Aussagen in deutscher und/oder englischer Sprache in der Öffentlichkeit zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
a) | die Website der U. GmbH ist eine rechtswidrige Mittler-Website und/oder |
b) | die U. GmbH verkauft R. -Tickets zu überhöhten Preisen und/oder |
c) | die U. GmbH verkauft R. -Tickets überteuert weiter und/oder |
d) | die U. GmbH verkauft R. -Flüge mit ungerechtfertigten Aufschlägen. |
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Ferner hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten beantragt.
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Die Beklagte hat die Klägerin im Wege der Widerklage wegen eines Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft auf Unterlassung in Anspruch genommen.
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Das Landgericht hat sowohl der Klage als auch der Widerklage stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung der Rechtsmittel der Parteien im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der englischsprachigen Fassung der Pressemitteilung als unzulässig abgewiesen (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2012, 392).
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Der Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen, soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit dieses der Klage auch hinsichtlich der englischsprachigen Fassung der Pressemitteilung stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
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A. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Landgericht sei hinsichtlich der englischsprachigen Version der Pressemitteilung international nicht zuständig, weil der Erfolgsort der Wettbewerbshandlung nicht im Inland liege. Dazu hat es ausgeführt:
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Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet liege der Erfolgsort nur dann im Inland, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken solle. Die Beklagte wolle Interessenten ihres Internetangebots, die ihre Internetseite von Deutschland aus besuchten, bestimmungsgemäß allein durch ihre deutschsprachige Pressemitteilung informieren. Jeder Nutzer, der von Deutschland aus die Internetseite der Beklagten www.r. .de aufrufe, werde automatisch auf die deutschsprachige Version der Internetseite www.r. .com, nämlich die Internetseite www.r. .com/de geleitet, wo er allein die deutsche Fassung der Pressemitteilung finde. Zur englischsprachigen Version der Internetseite gelange er nur, wenn er in dem oben rechts auf der Internetseite angebrachten Listenfeld die Länder- und Spracheneinstellung "Deutschland (Deutsch)" ändere und ein anderes Land eingebe, für das die englische Sprachfassung vorgesehen sei.
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Die Grundsätze zur internationalen Zuständigkeit bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichungen im Internet führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründe zwar der inländische Wohnsitz eines Klägers und das hierdurch hervorgerufene Interesse des inländischen Publikums einen für die internationale Zuständigkeit ausreichenden Inlandsbezug. Ferner seien im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG rufschädigende Äußerungen den Persönlichkeitsrechtsverletzungen ähnlich, weil auch der Wettbewerber beim angesprochenen Publikum "schlecht gemacht" werde. Bei Rufschädigungen in Internetpresseartikeln könne daher möglicherweise allein die Nennung des im Inland ansässigen Wettbewerbers die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts begründen. Die Internetseite der Beklagten sei jedoch nicht mit der eines Presseorgans gleichzusetzen. Sie werde vom Publikum nicht zur allgemeinen Information, sondern nur anlassbezogen zur Suche eines Billigfluges besucht.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war das Landgericht Frankfurt am Main nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für die sachliche Beurteilung der behaupteten Wettbewerbsverletzung durch die englischsprachige Version der Pressemitteilung international zuständig.
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I. Der Unterlassungsantrag ist dahin auszulegen, dass die Klägerin damit ein Verbot der beanstandeten Aussagen in der englischsprachigen Version der Pressemitteilung auf der englischsprachigen Fassung der zentralen Internetseite der Beklagten allein für den hier vorliegenden Fall erstrebt, dass einem Internetnutzer, der die Internetadresse "www.r. .de" aufruft, über ein Listenfeld der sich daraufhin öffnenden Internetseite die Möglichkeit geboten wird, zu der englischsprachigen Fassung der zentralen Internetseite der Beklagten und der englischsprachigen Version der Pressemitteilung zu gelangen. Das ergibt sich aus dem zur Auslegung des Unterlassungsantrags heranzuziehenden Klagevorbringen. Entsprechendes gilt für die auf diesen Antrag bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
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II. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rn. 20 Arzneimittelwerbung im Internet), ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO. Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung, eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
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1. Die beklagte Gesellschaft hat ihren Wohnsitz im Sinne der Verordnung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates. Gesellschaften haben gemäß Art. 60 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-I-VO für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes. Der satzungsmäßige Sitz der Beklagten ist in Irland.
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2. Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO zählen auch unerlaubte Wettbewerbshandlungen (BGHZ 167, 91 Rn. 21 -Arzneimittelwerbung im Internet). Gegenstand der Klage sind Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen eines behaupteten Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 7 UWG durch unlautere Herabsetzung und Verunglimpfung.
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3. Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" meint sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (EuGH, Urteil vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415, GRUR-Int. 1998, 298 Rn. 20 - Shevill; Urteil vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 41 = WRP 2011, 1571 [EuGH 25.10.2011 - Rs. C-509/09; C-161/10] - eDate Advertising/X und Martinez/MGN; Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654