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13.07.2009 · IWW-Abrufnummer 092053

Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 18.03.2009 – 3 Ss OWi 196/09

Begründet der Betroffene einen zur Abkürzung oder zum Wegfall des Fahrverbots zwingenden Härtefall damit, dass er auf die Kraftfahrzeugnutzung zur Erreichung seines Arbeitsplatzes angewiesen sei, müssen sich die Urteilsgründe auch dazu verhalten, warum der Betroffene nicht darauf verwiesen werden kann, vorübergehend ein Zimmer in Arbeitsplatznähe anzumieten. Die hierfür anfallenden Aufwendungen sind unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die ersparten Aufwendungen für die private Fahrzeugnutzung gegenüber zu stellen sind.


Oberlandesgericht Bamberg

Beschluss vom 18. 03. 2009

3 Ss OWi 196/09

Zum Sachverhalt:

Das AG hat die Betr. wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 I 1 StVO) zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt und gegen sie – abweichend von dem entsprechend Nr. 12.6.4 BKat in der zur Tatzeit gültigen Fassung des Bußgeldkatalogs neben einer Regelgeldbuße von 200 Euro ein Fahrverbot von zwei Monaten vorsehenden Bußgeldbescheid – ein Fahrverbot lediglich für die Dauer eines Monats verhängt. Nach den Feststellungen steuerte die Betr. am 17.04.2008 um 15.57 Uhr den von ihr geführten Pkw auf der BAB A 72 in Fahrtrichtung Dresden, wobei sie bei Km 13,2 bei einer Geschwindigkeit von 133 km/h einen Abstand von nur 11,45 Metern zum vorausfahrenden Fahrzeug und damit von weniger als 2/10 des halben Tachowertes einhielt. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde beanstandet die StA, dass das AG gegen die Betr. nicht entsprechend dem Bußgeldbescheid ein (Regel-) Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten verhängt hat. Das erfolgreiche Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG.

Aus den Gründen:

Das AG hat zutreffend erkannt, dass aufgrund seiner Feststellungen gemäß §§ 24, 25 I 1 1. Alt. StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. Nr. 12.6.4 (Geschwindigkeit über 130 km/h) der Tabelle 2 zum BKat in seiner zur Tatzeit gültigen Fassung neben der Anordnung einer Geldbuße von 200 Euro die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von zwei Monaten wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in Betracht kam. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend von dem an sich verwirkten Regelfahrverbot von zwei Monaten zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer lediglich eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Aufgrund der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 I BKatV ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 I 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme bedarf (BGHSt 38, 125/130 und 231/235; BayObLG VRS 104, 437/438; stRspr. des Senats). Diese Bindung der Sanktionspraxis dient nicht zuletzt der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (BVerfG NZV 1996, 284/285; OLG Zweibrücken DAR 2003, 531/532; KG NZV 2002, 47). Zu diesen Rechtsfolgen zählt jedoch nicht nur die Frage, ob gegen einen Betr. „in der Regel“ ein Fahrverbot zu verhängen ist (vgl. § 4 I 1 BKatV), sondern auch - wie sich aus § 4 I 2 BKatV ergibt - die „in der Regel“ festzusetzende Dauer des aufgrund einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 I 1 StVG verwirkten Fahrverbots (OLG Bamberg ZfSch 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRS 111, 62 ff. = SVR 2007, 65 f. m. Anm. Krumm = VRR 2006, 230 ff. m. Anm. Gieg).

2. Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen. Hier wie dort können dabei sowohl außergewöhnliche Härten als auch eine Vielzahl minderer Erschwernisse bzw. entlastender Umstände genügen, um eine Ausnahme zu rechtfertigen (OLG Bamberg aaO. m.w.N.). Auch die Frage der Dauer eines zu verhängenden Fahrverbots liegt hierbei grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters, der innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen hat. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat das Rechtsbeschwerdegericht die Bewertung des Tatrichters zu respektieren, und zwar auch dann, wenn es selbst hinsichtlich der Frage der Fahrverbotsdauer zu einem abweichenden Ergebnis gelangte.

3. Den vorstehenden Anforderungen an die Ermessenserwägungen des Richters im Rahmen der Bemessung der Fahrverbotsdauer werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht gerecht:

a) Zwar hat sich das AG auch hinsichtlich der Frage der Fahrverbotsdauer zu Recht mit den unmittelbaren und mittelbaren beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines zweimonatigen Fahrverbots für die Betr. auseinandergesetzt, nachdem diese bestimmte, von einem zweimonatigen Fahrverbot ausgehende berufliche Konsequenzen geltend gemacht hat. Wie in den ähnlich gelagerten und etwa bei Berufskraftfahrern in aller Regel gegenüber einer pauschalen Verkürzung der Verbotsfrist vorrangig zu prüfenden Möglichkeit einer nach § 25 I 1 StVG ausdrücklich vorgesehenen Fahrverbotsbeschränkung auf bestimmte Fahrzeugarten gebot dies schon das mit Verfassungsrang ausgestattete rechtsstaatliche Übermaßverbot (OLG Bamberg aaO.).

b) Entgegen der Rechtsauffassung des AG und der Verteidigung weisen die genannten „triftigen Gründe“ jedoch weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht Besonderheiten auf, die für sich allein oder in ihrer Zusammenschau eine Abkürzung der Regelfahrverbotsdauer von zwei Monaten auf nur einen Monat hier ausnahmsweise rechtfertigen könnten.

(aa) Soweit die Betr. geltend macht, schon wegen ihres werktäglich zu erreichenden, von ihrer Wohnung mehr als 85 Kilometer entfernten Arbeitsplatzes bei einem Geldinstitut in K. auf die Kraftfahrzeugnutzung angewiesen zu sein, fehlen im Rahmen der Urteilsgründe u.a. Erörterungen dazu, warum die Betr. zur Abmilderung der in erster Linie hierdurch (und zwar auch im Hinblick auf eine denkbare Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) bedingten Erschwernisse nicht darauf verwiesen werden kann, vorübergehend auf eigene Kosten ein Zimmer in einer Pension oder eine Appartement-Wohnung in Arbeitsplatznähe anzumieten. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen wären schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die von der Betr. ersparten Aufwendungen aus der dann zumindest weitgehend entfallenden werktäglichen Pkw-Nutzung gegenüber zu stellen wären.

(bb) Soweit das AG darauf abhebt, dass die Betr. im Rahmen ihrer Berufsausübung als Kundenbetreuerin auf die Fahrzeugnutzung angewiesen sei, belegen die Urteilsfeststellungen auch in Ansehung des in der Hauptverhandlung verlesenen Schreibens der Arbeitgeberin der Betr. keine gerade durch das Fahrverbot oder seine einen Monat übersteigende Dauer drohende Existenzbedrohung, insbesondere eine drohende Arbeitsgeberkündigung der Betr. Die festgestellte berufliche „Statusbeeinträchtigung“ ist von der Betr. vielmehr ohne weiteres hinzunehmen.

(cc) Die in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen abgestuften Regelahndungen gehen von fahrlässiger Begehung, gewöhnlichen Tatumständen und fehlenden Vorahndungen des Betr. aus (§§ 1 II, 3 I BKatV). Der Umstand, dass die Betr. bisher verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, rechtfertigt ein Abweichen von der vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots von zwei Monaten daher auch dann nicht, wenn der Betr. mit durchaus guten Gründen eine günstige Prognose hinsichtlich ihres künftigen Verkehrsverhaltens zugebilligt werden mag.

(dd) Entsprechendes gilt, soweit das AG für die Frage der Abkürzung der Regelfahrverbotsdauer dem Umstand eine entlastende Wirkung zuerkennen will, dass die Betr. die Abstandsunterschreitung als „bedrängte“ Führerin des mittleren von drei Fahrzeugen begangen hat. Inwieweit der Tatsache, dass die Betr. das mittlere von drei Fahrzeugen und damit zugleich das erste Fahrzeug führte, mit dem eine massive Abstandsunterschreitung zum vorausfahrenden Fahrzeug begangen wurde, vorliegend zu einer den objektiven oder subjektiven Unrechtsgehalt des groben Pflichtenverstoßes herabsetzende Bedeutung zukommen sollte, ist für den Senat weder tatsächlich noch rechtlich schlüssig. Hinweise darauf, dass zugunsten der Betr. insoweit von einem im Einzelfall privilegierenden sog. Augenblicksversagen oder gar von einer notstandsähnlichen Situation auszugehen wäre, fehlen nicht nur völlig, sondern erscheinen eher fernliegend.

RechtsgebieteStPO, StVG, StVO, BKatVVorschriftenStPO § 267 III; StVG §§ 24; 25 I 1; StVO § 4 I 1; BKatV § 4 I 1 Nr. 2

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