Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

05.09.2007 · IWW-Abrufnummer 072654

Sozialgericht Reutlingen: Urteil vom 24.04.2007 – S 2 R 3233/06


Der Bescheid vom 15. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2006 wird aufgehoben.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Beitragspflichtigkeit von im Rahmen eines Gewinnbeteiligungsmodells von dem klagenden Unternehmen an seine Arbeitnehmer ausgezahlten Darlehenszinsen.

Die Klägerin beteiligt ihre Mitarbeiter aufgrund eines jeweils zwischen ihr und ihren Mitarbeitern geschlossenen Mitarbeiterbeteiligungsvertrages am Gewinn und Verlust des Unternehmens, an der Gesellschaft durch Darlehen und an der Unternehmensführung. Gemäß § 4 Abs. 4 dieser Mitarbeiterbeteiligungsverträge wird der persönliche Gewinnanteil jedes einzelnen Mitarbeiters zur Hälfte steuer- und beitragspflichtig ausgezahlt und zur Hälfte dem Darlehenskonto des Mitarbeiters gutgeschrieben. § 5 dieser Verträge regelt das Beteiligungsdarlehen näher. Danach wird für jeden am Gewinnbeteiligungsmodell teilnahmeberechtigten Mitarbeiter ein Darlehenskonto eingerichtet. Nach der Feststellung des verteilungsfähigen Gewinns wird der auf die einzelnen teilnahmeberechtigten Mitarbeiter entfallende Gewinnanteil dem Darlehenskonto mit Wirkung zum 31. Dezember gutgeschrieben. Die Darlehenskonten werden mit drei Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, höchstens jedoch mit zehn Prozent verzinst. Die Festlegungsdauer des Darlehens beträgt sieben Jahre. Diese Sperrfrist beginnt jeweils mit Zuweisung des persönlichen Gewinnanteils. Nach Ablauf der Sperrfrist kann der teilnahmeberechtigte Mitarbeiter über den jeweiligen Gewinnanteil verfügen. Jeder teilnahmeberechtigte Mitarbeiter erhält jährlich eine Mitteilung über den Stand seines Darlehenskontos unter besonderem Ausweis derjenigen Teile, die nicht mehr von der Sperrfrist erfasst sind. Endet das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, kann der teilnahmeberechtigte Mitarbeiter das gesamte Darlehen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Beim Tode eines teilnahmeberechtigten Mitarbeiter hat die Klägerin das Recht der außerordentlichen Kündigung des Darlehens und seiner Auszahlung an den durch Erbschein ausgewiesenen Erben. Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung, sei es ordentlich oder außerordentlich, sei es durch die Klägerin oder den teilnahmeberechtigten Mitarbeiter, hat die Klägerin ein Recht auf außerordentliche Kündigung des Darlehens; das gekündigte Darlehen wird dann in Dreijahresraten ausbezahlt und mit vier Prozent verzinst.

Bei der Auszahlung des Darlehens werden auf die angelegten Beträge – nicht aber auf die Zinsen – Steuern und Sozialabgaben abgeführt.

Mit Bescheid vom 10. Mai 1988 bestätigte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) der Klägerin, dass diese ihre Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ordnungsgemäß führe.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 1991 teilte die AOK der Klägerin mit, dass sich bei der Abstimmung der Lohn- und Gehaltskonten für die Zeit vom 1. April 1988 bis zum 31. Juli 1991 keine Beanstandungen ergeben hätten. Bezüglich der beitragsrechtlichen Beurteilung der Zinsen aus Gewinnbeteiligungen halte sie, die AOK, an ihrer Auskunft von 1989 – gemeint ist wohl 1988 – fest. Sie teilte mit, dass das Finanzamt Urach die damalige Auskunft nochmals überprüfen und der Klägerin danach Bescheid geben werde.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1994 hob das Finanzamt Bad Urach aufgrund der am 21. Juni 1994 vorgenommenen Lohnsteueraußenprüfung für die abgegebenen Lohnsteueranmeldungen für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. März 1994 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen aufgrund der vorgenannten Lohnsteueraußenprüfung habe sich nicht ergeben.

Mit Schreiben vom 14. Juni 1995 teilte die AOK der Klägerin mit, dass die Abstimmung der Lohn- und Gehaltskonten für die Zeit vom 1. August 1991 bis zum 31. Dezember 1994 keine Beanstandungen ergeben hätte.

Gleiches teilte die AOK mit Schreiben vom 16. November 1998 für den Prüfzeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 mit.

Mit Bescheid vom 5. April 2000 hob das Finanzamt Bad Urach aufgrund der am 30. März 2000 vorgenommenen Lohnsteueraußenprüfung für die abgegebenen Lohnsteueranmeldungen für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1999 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen aufgrund der vorgenannten Lohnsteueranmeldungen habe sich nicht ergeben.

Mit Schreiben vom 26. August 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die am 26. August 2002 durchgeführte Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. Juni 2002 keine Feststellungen ergeben habe.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 hob das Finanzamt Bad Urach aufgrund der am 19. Februar 2004 vorgenommenen Lohnsteueraußenprüfung für die abgegebene Lohnsteueranmeldung für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Lohnsteueraußenprüfung habe zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt.

Mit Bescheid vom 15. März 2006 forderte die Beklagte die Klägerin aufgrund einer am 30. Januar 2006 für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2005 durchgeführten Betriebsprüfung zur Nachzahlung von 3.751,36 € auf. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass mehreren, namentlich nicht genannten Arbeitnehmern beitragsfrei Zinsen für Gewinnbeteiligungen ausgezahlt worden seien. Bei den im Rahmen des Gewinnbeteiligungsmodells von der Klägerin an die Mitarbeiter ausgezahlten Zinsen handele es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daher unterlägen sie der Beitragspflicht in den jeweils gültigen Zweigen der Sozialversicherung.

Am 13. April 2006 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass es sich bei der Darlehensgewährung um eine freiwillige Leistung des Arbeitnehmers handele, begründet in der Zustimmung zu dem Gewinnbeteiligungsmodell und damit um eine reine Kapitalüberlassung aus seinem lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtigen Einkommen, wenn auch die lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtigen Konsequenzen mit Abführung der Beiträge erst bei der späteren Auszahlung dieses Darlehens vorzunehmen seien.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der am 30. August 2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei den fraglichen Zinsen nicht um Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit handele. Unabhängig davon sei die Beklagte jedenfalls an einer Nachforderung für die Vergangenheit unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes gehindert. Der Klägerin sei mehrfach in sozialversicherungsrechtlicher wie in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht bestätigt worden, dass sich bei Betriebsprüfungen keine Beanstandungen ergeben hätten. Daher habe die Klägerin davon ausgehen können und müssen, dass die Handhabung hinsichtlich der Zinsen sowohl sozialversicherungs- als auch lohnsteuerrechtlich akzeptiert würde. Ohne eine Information der Klägerin, dass an dieser Praxis nicht mehr festgehalten werden solle, hätte die Handhabung in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht jedenfalls nicht für die Vergangenheit geändert werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 15. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gericht zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei den Zinsen aus dem betrieblich vereinbarten Gewinnbeteiligungsmodell um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handele, weil sich die Gewährung des Darlehens aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebe. Da es sich bei den Beiträgen auf dem Darlehenskonto um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handele, seien die Zinsen ebenfalls beitragspflichtiges Entgelt. Die Abgrenzung von Kapitaleinkünften zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ergebe sich in Zweifelsfällen danach, welcher Veranlassungszusammenhang dominiere. Danach seien die Zinsen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen, da der wesentliche Veranlassungszusammenhang bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit liege. Eine Vertrauensschutzprüfung könne nicht erfolgen, da es sich bei den Entscheidungen der AOK Bad Urach und des Finanzamtes Bad Urach nicht um Verwaltungsakte handele, da es sich um telefonische Auskünfte oder schriftliche Entscheidungen handele, die keine Dauerwirkung entfalteten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, mit den angefochtenen Bescheiden die Klägerin zur Zahlung von 3.751,36 € zu verpflichten, da die von der Klägerin an ihre Beschäftigen ausgezahlten Zinsen nicht sozialversicherungspflichtig sind.

a)
Bei den von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlten Zinsen handelt es sich insbesondere nicht um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Nach dieser Vorschrift sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

(1)
Diese weite Begriffsbestimmung des Arbeitsentgeltes erfasst zum einen solche Einnahmen, die dem Versicherten in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R, m.w.N.). Hierzu gehören die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten (BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R, m.w.N.). Ebenso zählen dazu solche Vergütungen, die zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen, wie Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Vorteile (BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R). Darüber hinaus werden Zahlungen erfasst, denen ein Anspruch des Arbeitgebers auf eine Arbeitsleistung nicht gegenübersteht, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Urlaubsgeld (BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R).

Diese Beispiele haben gemeinsam, dass die Einnahmen entweder direkte, im synallagmatischen Verhältnis stehende Gegenleistungen für die Arbeitsleistung des Beschäftigten sind oder dass sie als zusätzliche Leistungen ohne direkte Gegenleistung des Beschäftigten erfolgen. Daraus folgt im Umkehrschluss aber auch, dass Zahlungen nicht dem Begriff des Arbeitsentgeltes im Sinne von § 14 SGB IV zuzuordnen sind, wenn sie als Gegenleistung für eine andere, nicht in der Ausübung der Beschäftigung selbst liegende Leistung der Beschäftigten gewährt werden, also eine andere Ursache haben (vgl. Klattenhoff, in: Hauck/Noftz [Begr.], § 14 SGB VI [2005] Rdnr. 13, m.w.N.).

Daraus erhellt sich, dass es für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht ausreicht, wenn nur irgendein Zusammenhang im Sinne einer Conditio sine qua non besteht, sondern dass dieser Zusammenhang anhand einer wertenden Betrachtung zu ermitteln ist. Dies spiegelt sich in der Formulierung des Bundessozialgerichtes, wenn es – abseits der Fälle, in denen bereits ein synallagmatischer Zusammenhang besteht – von einem inneren bzw. sachlichen Zusammenhang spricht (siehe etwa BSG, Urteil vom 14.12.2006, Az.: B 4 R 29/06 R; BSG, Urteil vom 29.01.2004, Az.: B 4 RA 19/03 R; ferner Klattenhoff, in: Hauck/Noftz [Begr.], § 14 SGB VI [2005] Rdnr. 1). Bei einer bloßen gleichsam naturwissenschaftlichen Kausalitätsbetrachtung stünde der Zusammenhang der hier in Rede stehenden Zinsen mit der ausgeübten Beschäftigung außer Frage, da die Beschäftigten der Klägerin ohne diese Beschäftigung nicht am Gewinn der Klägerin beteiligt würde, ohne diese Gewinnbeteiligung sie diese Zahlungen nicht der Klägerin als Darlehen zur Verfügung gestellt und entsprechend keine Zinsen aus dem Darlehen erzielt hätten. Bei einer solch schlichten Betrachtungsweise bestünde aber ein Zusammenhang zwischen erzielten Zinsen und der Beschäftigung auch dann, wenn die Zinsen aus Geldanlagen resultierten, die die Beschäftigten der Klägerin mit dem bei ihr erzielten Arbeitseinkommen bei Dritten, etwa bei Bankinstituten, vorgenommen hätten.

Auch das Bundessozialgericht nimmt eine wertende Betrachtung vor, wenn es etwa sog. echte Abfindungen, die für eine Zeit nach Ende der Beschäftigung und der Versicherungspflicht gezahlt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zurechnet (BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R; BSG, Urteil vom 21.02.1990, Az.: 12 RK 20/88), obwohl auch insofern zwischen Beschäftigung und Abfindung bei schlichter Betrachtungsweise fraglos ein Zusammenhang besteht, oder wenn es annimmt, dass aus (vom Arbeitgeber veranstalteten) Verlosungen erzielte Gewinne (der Arbeitnehmer) dann kein Arbeitentgelt darstellen, wenn der Gewinn zwar ohne das Beschäftigungsverhältnis nicht denkbar wäre, aber im wesentlichen vom Glück abhängt und nicht oder nur untergeordnet von Gesichtspunkten mitbestimmt wird, die für das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Beschäftigungsverhältnis von Bedeutung sein können (BSG, Urteil vom 26.10.1988, Az.: 12 RK 18/87). Auch ist anerkannt, dass Einnahmen, die zwar während des Beschäftigungsverhältnisses erzielt werden, ihren Entstehungsgrund jedoch nicht in der Beschäftigung haben ebenso wenig Arbeitsentgelt sind wie solche Einnahmen, die zwar auf der Beschäftigung beruhen, jedoch ihrer Zweckbestimmung nach einem außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses liegenden Zeitraum zuzuordnen sind (Klattenhoff, in: Hauck/Noftz [Begr.], § 14 SGB VI [2005] Rdnr. 11, m.w.N.).

(2)
Die also vorzunehmende wertende Betrachtung ergibt im vorliegenden Fall, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Beschäftigung und den erzielten Zinsen in rechtlich entscheidender Weise dadurch unterbrochen worden ist, dass die Beschäftigten das Kapital, das verzinst wurde, dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt haben. Damit sind die erzielten Zinsen weder direkte noch indirekte Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung, sondern ausschließlich das Entgelt für die Zurverfügungstellung des Kapitals. Sie haben mithin eine andere Ursache als die Beschäftigung. Ob die Beschäftigten ihr Geld, das sie im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die Klägerin erwirtschaften, gerade bei der Klägerin oder bei Dritten anlegen, und daraus Zinsen erzielen, macht aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht keinen Unterschied. Hinzu kommt, dass die Zahlung der Zinsen keineswegs in zeitlicher Hinsicht synchron zur Beschäftigung erfolgen muss, sondern dass die Ausgestaltung des Gewinnbeteiligungsvertrages eine Fortführung der Darlehensgewährung und damit eine Zinszahlung auch für den Zeitraum nach Ende der Beschäftigung bei der Klägerin ermöglicht. In diesem Fall fehlt es zusätzlich an dem vom BSG (Urteil vom 21.02.1990, Az.: 12 RK 20/88) geforderten zeitlichen Zusammenhang.

(3)
Diese Einordnung auf dem Gebiet der Sozialversicherung deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Einordnung ähnlicher Einkünfte auf steuerrechtlichem Gebiet. Auch der BFH nimmt die Abgrenzung zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und sonstigen Einkünften anhand einer wertenden Betrachtung vor, wenn er als maßgebend die Einkunftsart erachtet, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt (vgl. BFH, Urteil vom 31.10.1989, Az.: VIII R 210/83, mit weiteren zahlreichen Nachweisen).
Entsprechend hat der Bundesfinanzhof in der Konstellation, dass einem Arbeitnehmer als Beteiligung am Jahresgewinn eine einmalige Gratifikation gewährt wurde, die dieser für die Dauer von 15 Jahren seiner Firma als Darlehen zur Verfügung stellt, die hierfür gezahlten Zinsen nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert (BFH, Urteil vom 31.10.1989, Az.: VIII R 210/83).

Ebenso hat der Bundesfinanzhof Schuldzinsen für Darlehen, mit denen Arbeitnehmer den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an ihrer Arbeitgeberin finanzieren, um damit die arbeitsvertragliche Voraussetzung für die Erlangung einer höher dotieren Position zu erfüllen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eingeordnet (BFH, Urteil vom 05.04.2006, Az.: IX R 111/00). Diese Einkünfte seien nicht den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen, weil sie im Allgemeinen nicht unmittelbar mit diesen Einkünften, sondern mit solchen aus Kapitalvermögen im Zusammenhang stehen, selbst wenn damit auch die Arbeitnehmertätigkeit gefördert wird (BFH, Urteil vom 05.04.2006, Az.: IX R 111/00, m.w.N.). Der Bundesfinanzhof hat insofern darauf abgestellt, dass der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen in solchen Fällen regelmäßig im Vordergrund steht und die Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verdrängt (BFH, Urteil vom 05.04.2006, Az.: IX R 111/00, m.w.N.).

(4)
Schon vor dem Hintergrund der zitieren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes vermögen die von der Beklagten angeführte Entscheidung des FG Köln (Urteil vom 16.12.2003, Az.: 13 K 2681/03) und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur steuerrechtlichen Beurteilung der hier in Rede stehenden Zinsen sowie zum Zusammenhang zwischen steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Bewertung die Beurteilung der Zinsen im vorliegenden Fall durch die Kammer nicht in Frage zu stellen. Dies gilt erst recht, weil es sich in dem vom FG Köln entschiedenen Fall um eine Konstellation handelte, die mit der hiesigen nicht vergleichbar ist. In Rede stand dort nicht ein Gewinnbeteiligungsmodell, sondern ein komplexes Arbeitszeitmodell.

Im Übrigen ist die steuerrechtliche Einordnung entsprechender Einnahmen ohnehin für die Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Soweit § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV), die auf der Ermächtigung des § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV beruht und die gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherstellen soll, eine direkte Anbindung der Sozialversicherungspflicht an die steuerrechtliche Beurteilung vorsieht, ist diese Norm hier schon tatbestandlich nicht einschlägig. § 1 ArEV bezieht sich nur auf einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse und ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Geldern gewährt werden. Über diese genannten Einnahmearten, zu denen die hier in Rede stehenden Zinsen nicht gehören, hinaus ist § 1 ArEV aber nicht verallgemeinerungsfähig (BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 12 KR 14/98 R; LSG Bremen, Urteil vom 20.12.2000, Az.: L 6 KR 30/99). Vielmehr gilt, dass mit § 14 SGB IV ein eigenständiger, sozialversicherungsspezifischer Begriff des Arbeitsentgeltes geschaffen worden ist (Klattenhoff, in: Hauck/Noftz [Begr.], § 14 SGB VI [2005] Rdnr. 4, m.w.N.).

b)
Da die angefochtenen Bescheid schon aus dem vorgenannten Gründen rechtswidrig waren, kann insbesondere dahinstehen, ob und mit welcher Folge sich die Klägerin angesichts der Schreiben bzw. Bescheide der Beklagten, der AOK und des Finanzamtes Bad Urach aus den Jahren 1988 bis 2004 auf Vertrauensschutz berufen kann.

2.
Arbeitnehmer der Klägerin waren nicht gemäß § 75 Abs. 2 1. Variante Sozialgerichtsgesetz (SGG) beizuladen, da aus den angefochtenen Bescheiden nicht hervorgeht, welche Arbeitnehmer betroffen sind, also weder die Entscheidung der Beklagten noch deren gerichtliche Überprüfung die Rechtssphäre von bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Personen berühren.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr