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06.09.2006 · IWW-Abrufnummer 062632

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 20.12.2004 – I-1 U 119/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Mai 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er sich gegen die Teilabweisung seiner Zahlungsanträge durch das Landgericht wendet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30.05.2003 weder Anspruch auf weiteren Schadensersatz noch auf ein höheres Schmerzensgeld. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung zutreffend von einer Mithaftung des Klägers in Höhe von zwei Dritteln ausgegangen und hat ihm auf dieser Grundlage Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche von insgesamt 1.998,66 ? zugebilligt. Die vom Landgericht vorgenommenen Abzüge bei den einzelnen Schadenspositionen sind gerechtfertigt, die Bemessung des Schmerzensgeldes vertretbar.

I.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die deutschen Rechtsvorschriften maßgeblich, da beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB).

Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich am 30.05.2003, so dass die schadensrechtlichen Vorschriften in der ab dem 01.08.2002 geltenden Fassung anwendbar sind (Art. 229 § 8 EGBGB).

2.

Grundsätzlich ist der Beklagte dem Kläger zum Ersatz der ihm bei dem Unfallereignis vom 30.05.2003 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet, da diese bei dem Betrieb des vom Beklagten geführten Pkw VW Passat und des auf den Beklagten zugelassenen Wohnwagenanhängers entstanden sind (§§ 7 Abs. 1, 11, 18 Abs. 1 StVG) und nicht auf höherer Gewalt oder einem für den Beklagten unabwendbaren Ereignis (§§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG), sondern - wie noch auszuführen sein wird - auf seinem Verschulden beruhen.

Auch der Kläger haftet jedoch für die Unfallfolgen, da der ihm entstandene Schaden auch beim Betrieb des von ihm geführten und auf ihn zugelassenen Motorrades und nicht durch höhere Gewalt entstanden ist (§ 7 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 StVG). Auch für ihn war - wie noch aufzuzeigen sein wird - der Unfall nicht unabwendbar (§ 17 Abs. 3 StVG).

3.

Steht somit die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sind jedoch zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder bewiesen sind.

a)

Dem Beklagten fällt ein schuldhafter Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 4a StVO zur Last.

Gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 StVO muss ein Verkehrsteilnehmer, der zum Überholen ausscheren will, sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Hierzu muss er sich durch eine Rückschau - auch unmittelbar vor dem Ausscheren - darüber vergewissern, dass er ohne Behinderung oder Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs überholen kann; diese Rückschau muss umso länger ausfallen, je eingeschränkter der Blickwinkel des Fahrers ist (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 5 StVO, Rn. 42/43). Darüber hinaus hat der Überholende das Ausscheren zum Überholen rechtzeitig und deutlich unter Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers anzuzeigen, § 5 Abs. 4a StVO. Diese Zeichen sind zu geben, bis sich der Verkehr darauf einstellen konnte, und rechtzeitig genug, um zu warnen (Hentschel, aaO, § 5 StVO, Rn. 46).

Diesen Anforderungen genügte das Verhalten des Beklagten nicht. Nach den von ihm nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat er den linken Fahrtrichtungsanzeiger erst zeitgleich oder allenfalls 1 Sekunde vor Beginn des Überholmanövers gesetzt. Damit erfolgte das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers nicht "rechtzeitig" im Sinne des § 5 Abs. 4a StVO, denn es reichte in zeitlicher Hinsicht nicht aus, um den nachfolgenden Verkehr hinreichend früh über die Überholabsicht des Beklagten in Kenntnis zu setzen.

Darüber hinaus ist nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Beklagte sich zumindest unmittelbar vor dem Ausscheren nicht hinreichend durch eine Rückschau über den rückwärtigen Verkehr informiert hat. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, der Beklagte habe nur einen "flüchtigen Blick" auf den rückwärtigen Verkehr geworfen. Der Kläger behauptet demgegenüber, der Beklagte habe in dieser Situation gar nicht auf den rückwärtigen Verkehr geachtet. Letztlich mag dies dahinstehen, denn jedenfalls reichte die Rückschau des Beklagten in dieser Situation nicht aus, um sich hinreichend über die rückwärtige Verkehrslage zu orientieren und eine Behinderung oder Gefährdung des rückwärtigen Verkehrs auszuschließen, wie dies § 5 Abs. 4 Satz 1 StVO fordert. Die Sicht des Beklagten war durch den Wohnwagenanhänger nicht unerheblich eingeschränkt, so dass schon aus diesem Grunde ein nur flüchtiger Blick in den Spiegel nicht ausreichte, sondern es einer besonders sorgfältigen Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs durch einen Blick in den Außenspiegel und durch eine Rückschau über die Schulter bedurft hätte, die die Ehefrau des Beklagten bei ihrer Vernehmung aber gerade nicht bestätigen konnte. Dies gilt umso mehr, als es der Beklagte - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - aufgrund der längeren Kolonnenfahrt und der hinter ihm aufgestauten Fahrzeuge nicht ausschließen konnte, dass weitere, nachfolgende Kraftfahrzeugführer - insbesondere auch hinter dem Wohnwagen "versteckte" Motorradfahrer - eine sich ihnen bietende Gelegenheit zum Überholen unverzüglich ausnutzen könnten. Auf das geltende Überholverbot konnte der Beklagte dabei nicht ohne weiteres vertrauen. Wie der Umstand zeigt, dass der Beklagte auch zuvor schon trotz des geltenden Überholverbotes überholt worden ist, sind Verstöße gegen das Überholverbot durchaus nicht selten, so dass mit ihnen gerechnet werden muss (Hentschel, aaO, § 1 StVO, Rn. 23).

b)

Zu Lasten des Klägers ist ebenfalls ein schuldhafter Verstoß gegen Vorschriften der StVO zu berücksichtigen.

(1)

Obwohl dem Kläger bekannt war, dass an der Unfallstelle durch Verkehrszeichen das Überholen - außer von Traktoren - verboten war, hat er versucht, das vom Beklagten geführte Gespann zu überholen. Hiermit hat er vorsätzlich gegen die auch den vorausfahrenden Verkehr schützende Norm des § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO ver-stoßen. Zutreffend hat das Landgericht in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die für Traktoren angeordnete Ausnahme dem Kläger nicht erlaubte, das vom Beklagten geführte Gespann zu überholen.

Ob darüber hinaus auch eine "unklare Verkehrslage" bestand, die das Überholen des Klägers verboten hätte (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) kann unter diesen Umständen dahinstehen.

(2)

Zutreffend hat das Landgericht dagegen angenommen, dass dem Kläger nicht vorzuwerfen ist, einen "Überholvorrang" des vom Beklagten geführten Wohnwagengespanns missachtet zu haben. Einen Grundsatz, wonach dem ersten von mehreren, in einer Kolonne hintereinander fahrenden Fahrzeugen stets der Vorrang beim Überholen zukäme, gibt es nicht; es kommt vielmehr hierbei stets auf die Umstände des Einzelfalles an (Senat, VRS 85, 171f.; Hentschel, aaO, § 5 StVO, Rn. 40 m.w.N).

Anders verhielte es sich nur dann, wenn der Beklagte bereits vor dem Kläger korrekt zum Überholen angesetzt hätte; nur in einem solchen Fall hätte ihm gegenüber dem nachfolgenden Kläger der Vortritt gebührt (Hentschel, aaO). Dies hat das Landgericht jedoch gerade nicht feststellen können, vielmehr angenommen, dass sich der Kläger mit seinem Motorrad bereits auf dem linken Fahrstreifen befand, als der Beklagte zum Überholen des voranfahrenden Traktors ansetzte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Seite 9/10 des angefochtenen Urteils verwiesen. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; es liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 ZPO). Auch die Parteien - insbesondere der Beklagte - haben die landgerichtlichen Feststellungen insoweit nicht angegriffen; der Beklagte geht nunmehr selbst davon aus, dass der Kläger zuerst zum Überholen angesetzt haben müsse.

(3)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Beklagten kann dem Kläger im Rahmen der Abwägung aber auch nicht angelastet werden, schuldhaft falsch auf das Ausscheren des Wohnwagengespannes reagiert zu haben.

Schon im Ansatz fernliegend ist es, dem Kläger vorwerfen zu wollen, er hätte zur Vermeidung einer Kollision beschleunigen sollen. Es mag dahinstehen, ob hierdurch tatsächlich eine Kollision zu vermeiden war; das Unterlassen einer Beschleunigung des Motorrades, also praktisch einer "Flucht nach vorn", ist dem Kläger jedoch nach den gegebenen Umständen nicht vorwerfbar. Immerhin konnte der Kläger das künftige Fahrverhalten des Beklagten nicht erahnen, also nicht vorab erkennen, wie weit und wie schnell der Beklagte sein Gespann nach links lenken würde. Er konnte also nicht wissen, ob ihm überhaupt genügend Raum für ein beschleunigtes Passieren des vom Beklagten gelenkten Gespannes zur Verfügung stehen würde. Andererseits wäre mit einer Erhöhung der Geschwindigkeit seines Motorrades für den Fall eines Sturzes zwangsläufig auch die Verletzungsgefahr gestiegen. Dies gilt umso mehr, als die an der Unfallstelle vorhandene Begrenzungsmauer - wie aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern erkennbar ist - kurz hinter der Unfallstelle endete. Der Kläger hätte sich bzw. seine Sozia daher für den Fall, dass er beschleunigt, aber eine Kollision oder einen Sturz dennoch nicht vermieden hätte, der Gefahr ausgesetzt, durch einen Aufprall auf den unter Sträuchern und Bodenbewuchs offenbar vorhandenen Fels erhebliche Verletzungen zuzuziehen. Es stellt daher kein schuldhaftes Verhalten dar, der Kollision nicht durch ein Beschleunigen des Motorrades ausgewichen zu sein.

Auch das Unterlassen einer Geschwindigkeitsverringerung durch Abbremsen kann nicht zuungunsten des Klägers berücksichtigt werden. Zwar teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass ein Abbremsen des Motorrades - zumindest auf den ersten Blick - eine naheliegende und situationsangemessene Reaktion gewesen wäre. Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmenden Abwägung können jedoch nur solche Verschuldensbeiträge Berücksichtigung finden, die nachweisbar unfallursächlich geworden sind (Hentschel, aaO, § 17 StVG, Rn. 5). Hierzu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen; der Senat sieht sich aufgrund der aktenkundigen Tatsachen nicht in der Lage, diese Feststellungen nachzuholen. Denn jedenfalls die Geschwindigkeit des seitlichen Versatzes des Wohnwagengespanns lässt sich kaum mehr nachvollziehen, zumal die Angaben der Parteien hierzu nicht nur streitig, sondern denkbar vage sind (einerseits "plötzliches" bzw. "unvermitteltes" Herüberziehen, andererseits "verhältnismäßig langsames" bzw. "gemächliches" Rausziehen). Gerade der Aspekt des seitlichen Versatzes ist jedoch entscheidend für die Frage, ob der Kläger Gelegenheit hatte, durch Abbremsen seines Motorrades der Kollision zu entgehen.

c)

Bei der Abwägung sind demnach zu Lasten des Beklagten ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 und Abs. 4a StVO, zu Lasten des Klägers ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO zu berücksichtigen. Ferner sind die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge in die Abwägung einzustellen.

Dabei ist auf Seiten des Klägers zu bedenken, dass die Betriebsgefahr eines Kraftrades gegenüber derjenigen eines Pkw aufgrund der Instabilität des Kraftrades ohnehin erheblich erhöht ist und noch einmal durch das vorschriftswidrige Überholen gesteigert wurde. Andererseits ist auch die Betriebsgefahr des zum Überholen ansetzenden und unübersichtlichen Wohnwagengespanns gegenüber derjenigen eines gewöhnlichen Pkw deutlich gesteigert. Zu bedenken ist jedoch, dass beide Fahrzeuge hier mit verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeiten unterwegs waren. Daher sind die Betriebsgefahren beider Fahrzeuge entgegen der Auffassung des Landgerichts, das diejenige des Wohnwagengespanns als leicht überwiegend bezeichnet hat, etwa gleich zu gewichten.

Das Verschulden des Klägers überwiegt dasjenige des Beklagten dagegen deutlich. Während dem Kläger - wie ausgeführt - ein vorsätzlicher Verkehrsverstoß zur Last fällt, hat der Beklagte die für ihn maßgeblichen Verkehrsvorschriften lediglich fahrlässig missachtet. Dem Beklagten ist darüber hinaus bei der Gewichtung seines Verschuldens zugute zu halten, dass er - nicht zuletzt auch im Interesse der ihm nachfolgenden Verkehrsteilnehmer - zügig überholen wollte. Diese Umstände rechtfertigen es, den Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Klägers im Ergebnis doppelt so hoch zu gewichten wie denjenigen des Beklagten, was zu einer Haftungsverteilung von einem Drittel zu zwei Dritteln zu Lasten des Klägers führt.

4.

Zur Schadenshöhe ist das Folgende auszuführen:

Das Landgericht hat materielle Schadenspositionen in Höhe von insgesamt 5.695,99 ? für gerechtfertigt erachtet. Der Beklagte nimmt dies hin, während der Kläger die vom Landgericht vorgenommenen Abzüge bei den Positionen "Motorradkleidung", "Handy" und "Nebenkosten" rügt.

a)

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des vollen, für die Anschaffung einer neuen Motorradjacke und von neuen Motorradstiefeln erforderlichen Geldbetrages. Er muss sich vielmehr im Wege des Vorteilsausgleichs einen Abzug "neu für alt" gefallen lassen, da die bei dem Unfall vom 30.05.2003 beschädigten Kleidungsstücke nicht mehr neuwertig waren.

Der Kläger kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, aus Sicherheitsaspekten müsse ihm der volle, für die Neuanschaffung erforderliche Kaufpreis erstattet werden. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei der Beschädigung eines Motorradhelms kein solcher Abzug vorzunehmen sei (Urteil vom 01.10.2001, 1 U 15/01). Es mag dahinstehen, ob hieran festzuhalten ist; auf sonstige Schutzkleidung wie Motorradjacke und Motorradstiefel ist diese Entscheidung jedenfalls nicht übertragbar (a. A. - ohne Begründung - LG Oldenburg, DAR 2002, 171f.). Der Senat sieht keinen Anlass, bei der Ersatzbeschaffung gebrauchter Sicherheitsbekleidung grundsätzlich andere Maßstäbe anzulegen als bei beliebigen anderen Gegenständen. Auch bei Schutz- und Sicherheitsbekleidung muss sich der Geschädigte, sofern er - wie hier - die Kosten der Ersatzbeschaffung und nicht einer Reparatur verlangt, denjenigen Vorteil anrechnen lassen, den er durch den Ersatz der zum Unfallzeitpunkt zwar unbeschädigten, aber gebrauchten Kleidung durch neuwertige Sachen erzielt.

Diesen Vorteil hat das Landgericht bei der zum Unfallzeitpunkt etwa 18 Monate alten Motorradjacke auf 50% bemessen und den dem Kläger durch die Beschädigung dieser Jacke entstandenen Schaden daher gemäß § 287 ZPO in vertretbarer Weise auf 114,79 ? geschätzt.

Hinsichtlich der ebenfalls gebrauchten Stiefel hat das Landgericht den entstandenen Schaden auf 50,00 ? geschätzt. Dies ist im Hinblick auf den vom Kläger genannten Kaufpreis von 76,69 ? und das Alter der Stiefel - ausweislich seines anwaltlichen Anspruchsschreibens vom 17.06.2003 drei bis vier Jahre - ebenfalls nicht zu beanstanden.

c)

Zu Unrecht rügt der Kläger auch die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des durch die Beschädigung seines Handy's entstandenen Schadens.

Das Landgericht hat dem Kläger für sein bei dem Unfall beschädigtes Handy 40,- ? zugesprochen und dabei angenommen, dass ein Markt für gebrauchte Handys existiere, auf dem der Kläger ein dem beschädigten, zum Unfallzeitpunkt etwa 2 Jahre und 4 Monate alten Handy gleichwertiges Gerät erwerben könne. Diese Annahme ist nicht zu beanstanden.

Der dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzende Schaden beläuft sich auf denjenigen Betrag, der zur Herstellung desjenigen Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Entscheidet sich der Geschädigte im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit dafür, die beschädigte Sache nicht reparieren zu lassen, sondern eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen, ist ihm daher derjenige Betrag zu ersetzen, der für die Wiederbeschaffung einer gleichartigen oder wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzsache erforderlich ist. Dem Geschädigten steht also der Betrag zu, den er für den Erwerb eines nach Alter und Erhaltungszustand gleichartigen Gegenstandes - also hier eines gebrauchten Handy's - aufwenden muss (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., 4. Kap., Rn. 29; Bamberger/Roth/Grüneberg, Komm. zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Aktualisierung 2004, § 249, Rn. 18).

Anders verhielte es sich dann, wenn ein Markt für solche Gebrauchthandys nicht existieren würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie die vom Beklagten vorgelegten Ausdrucke von Internetangeboten zeigen, existiert durchaus ein Markt für gebrauchte Handys. Dies haben eigene Internetrecherchen des Senats bestätigt; sowohl auf den Webseiten der Firma A als auch auf der Versteigerungsplattform der Fa. E werden in großem Umfang gebrauchte und freigeschaltete - also ohne Bindung an einen Vertrag zu nutzende - Mobiltelefone jedweden Herstellers und Typs, also auch der Marke S. C 35i, zum Erwerb angeboten.

Der Kläger kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, eine Ersatzbeschaffung auf dem "Gebrauchthandymarkt" sei ihm nicht zumutbar, weil es sich bei den dort angebotenen Handys um Hehlerware handele. Dem Kläger ist zuzugeben, dass bei im Internet angebotener Ware Vorsicht geboten ist. Hieraus aber zu schließen, bei Internetgeschäften laufe man regelmäßig Gefahr, sich wegen Hehlerei strafbar zu machen, ginge ersichtlich zu weit.

Auch die Höhe des vom Landgericht für das beschädigte Handy zuerkannten Betrages von 40,00 ? hat sich durch die eigenen Recherchen des Senats bestätigt. Auf den genannten Webseiten werden Handys der Marke S C 35i sogar noch zu günstigeren Preisen angeboten.

d)

Die Kürzung der vom Kläger unter der Position "Nebenkosten" geltend gemachten allgemeinen Unkostenpauschale auf 25,- ? liegt ebenfalls im zulässigen Bereich richterlicher Schätzung (§ 287 ZPO).

5.

Schließlich ist auch die Höhe des dem Kläger vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes von 100,00 ? nicht zu beanstanden. Selbst wenn man die vom Beklagten bestrittenen Angaben des Klägers, er habe bei dem Unfallereignis vom 30.05.2003 die mit Attest vom 03.06.2003 festgestellten Verletzungen - Quetschungen der LWS, des rechten Unterschenkels und einer linken Zehe - erlitten und sei aufgrund dieser Verletzungen 14 Tage arbeitsunfähig gewesen, rechtfertigt dies unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens kein über 100,00 ? liegendes Schmerzensgeld.

Bei der Bemessung der Höhe des nach den §§ 11 StVG, 253 Abs. 2 BGB geschuldeten angemessenen Schmerzensgeldes ist grundsätzlich die Doppelfunktion des Anspruchs zu berücksichtigen. Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden sowie die Genugtuung für das erlittene Unrecht verschaffen. Dabei steht bei Straßenverkehrsunfällen die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund. Der für einen Ausgleich erforderliche Geldbetrag hängt in erster Linie von der Schwere der Verletzungen, dem Ausmaß, der Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und sonstigen Beschwernisse, dem Alter des Verletzten, der Dauer der stationären Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, der Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs und der Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie dem Grad der Verschuldensbeiträge ab (BGH, NJW 1998, 2741ff.; Senat, Urteil vom 07.01.2002, 1 U 71/01; Urteil vom 18.02.2002, 1 U 90/01). Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält der Senat den vom Landgericht - wenn auch auf unrichtigem Wege, nämlich durch Kürzung eines Ausgangsbetrages von 300,- ? um den Mitverschuldensanteil des Klägers - auch im Vergleich mit Entscheidungen anderer Gerichte (vgl. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 22. Aufl., Nrn. 148, 149, 175, 193, 249, 257) im Ergebnis für angemessen und ausreichend. Den vom Kläger zitierten Entscheidungen (Nrn. 456 und 474) lagen andersartige Fälle - einerseits ein vorsätzliches Anfahren, andererseits deutlich schwerere Verletzungen - zugrunde.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer des Klägers werden auf 4.913,22 ? festgesetzt.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebietStVOVorschriftenStVO § 5 Abs. 4 Satz 1 StVO § 5 Abs. 4a

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