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12.08.2005 · IWW-Abrufnummer 052326

Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 21.07.2005 – 3 Ws 165/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


3 Ws 165/04

OBERLANDESGERICHT Karlsruhe
3. Strafsenat

Strafsache gegen XXX

wegen Verd. der Beihilfe zum Betrug u.a.
hier: sofortige Beschwerde gegen die
teilweise Ablehnung der Eröffnung
des Hauptverfahrens

Beschluss vom 21. Juli 2005

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. vom 22. Juni 2004 aufgehoben, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist.

Das Hauptverfahren wird auch in den Anklagepunkten 1. (Beihilfe zum Betrug), 2.1. (Bestechlichkeit/Laptop) und 4. (Verletzung des Dienstgeheimnisses) eröffnet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft M. vom 11. April 2003 (KLs 401 Js 10009/01) wird insoweit ebenfalls zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. zugelassen.

G r ü n d e :

I.

Mit ihrer am 11.04.2003 zum Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - M. erhobenen Anklage legt die Staatsanwaltschaft M. dem Angeklagten - wie hier in der gebotenen Kürze dargestellt sei - zur Last, in seiner Eigenschaft als Finanzbeamter des Finanzamtes K., ab 15.01.1996 bei der FlowTex-Gruppe in Ettlingen (FTT und KSK) als Betriebsprüfer für den Prüfungszeitraum 1990 bis 1993 eingesetzt,

1. (Anklagepunkt 1)

Beihilfe zur Aufrechterhaltung und Fortsetzung des von ihm ab Mitte des Jahres 1996 erkannten, von den (durch Urteil des Landgerichts M. vom 18.12.2001 [22 KLs 628 Js 10855/01] i. V. m. dem Urteil des Landgerichts M. vom 22.05.2003 [25 KLs 628 Js 10855/01] rechtskräftig abgeurteilten) Haupttätern Manfred Sch., Dr. Klaus K., Angelika N. und Karl S. zum Nachteil einer Vielzahl von Leasingesellschaften und Banken bis 04.02.2000 betriebenen betrügerischen ?Schneeballsystems? zur Finanzierung nur auf dem Papier existenter Horizontalbohrsysteme (HBS) geleistet zu haben; Vergehen nach §§ 263, 27 Abs. 1, 52 StGB;

2. (Anklagepunkt 2.1)

am 16.01.1997 in E. während der Betriebsprüfung in den Firmenräumen der FTT von Manfred Sch. ein von jenem am 18.01.1996 für DM 5.524 neu erworbenes und dem Manfred S. seit September 1996 zum dienstlichen Gebrauch überlassenes Notebook/Laptop nebst Zubehör zum ?symbolischen Preis? von DM 1000 als Gegenleistung dafür angenommen zu haben, dass er in der Folgezeit, wie geschehen, in seinem für die Jahre 1990 bis 1993 erstatteten Betriebsprüfungsbericht vom 29.12.1997 entgegen seiner Dienstpflicht die Vielzahl der nicht existenten HBS und den damit einhergehenden Verdacht von Steuer- und Betrugsdelikten nicht angeführt habe; Vergehen der Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB (a. F.);

3. (Anklagepunkt 2.2)

am 13.08.1998 unter Vermittlung des Manfred Sch. ein Neufahrzeug der Marke VW Golf, an dem er bereits im Jahre 1996 Interesse gezeigt hatte, erworben zu haben, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass der Restkaufpreis von DM 21.206 vom Gesamtkaufpreis von DM 51.495 seitens Manfred Sch., wie geschehen, als ?Zuwendung? für die von dem Angeklagten diesem avisierte pflichtwidrige - unter Verschweigen der nicht existenten HBS - Abfassung des Berichtes über die nächste im Jahre 1999 für die Jahre 1994 bis 1996 anstehende Betriebsprüfung erbracht werden würde; Vergehen der Bestechlichkeit nach §§ 332 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 StGB (i. d. F. des KorrBekG v. 13.08.1997).

4. (Anklagepunkt 4)

im Zuge zweier Telefonate am 31.01.2000 und 01.02.2000 dem Manfred Sch. die Tatsache des gegen jenen wegen Verdachts der Steuerhinterziehung und des Betruges eingeleiteten Ermittlungsverfahrens und dessen für den 08.02.2000 vorgesehene Verhaftung offenbart zu haben; Vergehen der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353 b Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Wegen der näheren Einzelheiten der Tatvorwürfe sei auf den Inhalt der 118 Seiten umfassenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft M. vom 11.04.2003 verwiesen.

Mit Verfügung der Vorsitzenden der mit der Sache befassten 22. Großen Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 des Landgerichts M. vom 22.07.2003 wurde die Staatsanwaltschaft ersucht, die Vernehmung des Angeklagten S. zu veranlassen. Dieser machte weiterhin von seinem Recht, nicht zur Sache auszusagen, Gebrauch. Im von der Rechtsverfolgungsgemeinschaft FlowTex Schaden GdbR gegen das Land Baden-Württemberg vor dem Landgericht K. betriebenen Amtshaftungsklageverfahren (2 O 60/03) hat der Angeklagte nun allerdings als Zeuge am 09. / 10. 06.2005 umfänglich zur Sache ausgesagt.

Mit Beschluss vom 20.02.2004 trennte die Kammer das Verfahren von dem gegen den Mitangeschuldigten Manfred Sch., gegen den die Staatsanwaltschaft mit Schrift vom 11.04.2003 zu den obigen Vorwürfen 2. und 3. ebenfalls Anklage (Anklagepunkte 3.1 und 3.2) und zwar jeweils wegen Verdachts der Bestechung erhoben hatte, zur gesonderten Behandlung und Entscheidung ab; jenes Verfahren wird seitdem unter Az. 22 KLs 401 Js 6470/04 geführt. Mit Beschluss vom 16.11.2004 lehnte die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Manfred Sch. im Anklagepunkt 3.1 (Bestechung/Laptop) aus tatsächlichen Gründen ab. Hinsichtlich des Anklagepunktes 3.2 (Bestechung/PKW) eröffnete sie das Hauptverfahren und ließ die Anklage vor der Kammer rechtlich abweichend dahin zu, dass der Angeklagte Manfred Sch. einer Vorteilsgewährung gemäß § 333 StGB hinreichend verdächtig sei. Die Staatsanwaltschaft hat die Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde angefochten (vgl. hierzu Senatsvorgang 3 Ws 272 und 273/04).

Mit - 116 seitigem - Verteidigerschriftsatz vom 26.02.2004 nebst 58 Anlagen beantragte der Angeklagte S., die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen und die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Die Staatsanwaltschaft erwiderte mit Schrift vom 23.03.2004. Mit Schriftsatz vom 20.04.2004 trug der Verteidiger des Angeklagten S. mit Anlagen 59 bis 71 ergänzend vor.

Mit Verfügung vom 08.04.2004 ordnete die Vorsitzende der Kammer im vorliegenden Verfahren gegen den Angeklagten S. die Vernehmung des Zeugen Dr. Klaus K. vor der Kammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern an (§ 202 StPO); diese wurde am 13.05.2004 durchgeführt; der Angeklagte S. selbst blieb dem Termin fern. Von der in Aussicht genommenen Vernehmung des Mitangeklagten Manfred Sch. sah die Kammer ab, nachdem dessen Verteidiger angekündigt hatten, dieser werde von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch machen.

Mit Beschluss vom 22.06.2004 lehnte die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Manfred S. in den Anklagepunkten 1. (Beihilfe zum Betrug), 2.1. (Bestechlichkeit/Laptop) und 4. (Verletzung des Dienstgeheimnisses) aus tatsächlichen Gründen ab. Hinsichtlich des Anklagepunktes 2.2. (Bestechlichkeit/PKW) eröffnete sie das Hauptverfahren und ließ die Anklage vor der Kammer mit der rechtlich abweichenden Maßgabe zu, dass der Angeklagte der Vorteilsannahme gemäß § 331 StGB hinreichend verdächtig sei.

Gegen den am 24.06.2004 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft M. am Folgetag vollumfänglich sofortige Beschwerde erhoben.

Die Generalstaatsanwaltschaft K. beantragt mit Schrift vom 13.07.2004,

auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft M. den Beschluss der Strafkammer vom 22.06.2004 insoweit aufzuheben, als die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten S. in den Anklagepunkten 1. (Beihilfe zum Betrug), 2.1 (Bestechlichkeit/Laptop) und 4. (Verletzung des Dienstgeheimnisses) abgelehnt wurde, das Hauptverfahren auch in diesen Punkten der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 11.04.2003 zu eröffnen und zur Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer zuzulassen.

Unter dem 16.08.2004 legte die Staatsanwaltschaft M. ihre - 117 seitige - Beschwerdebegründung und einen Stehordner ?Polizeilicher Schlussbericht? des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg vom 04.08.2004 nebst zwei Ordnern Anlagen u.a. zu - neben psychischer Beihilfe - als physische Beihilfe zum Betrug gewerteten aktiven Handlungen/Falschmitteilungen oder Unterlassungen des Angeklagten vor. Die Generalstaatsanwaltschaft ergänzte die Beschwerdebegründung mit Schrift vom 18.08.2004 um Rechtsausführungen, mit denen sie Verstöße der Kammer insbesondere gegen die Bestimmung des § 202 StPO rügte; an ihrem Antrag vom 13.07.2004 hielt sie fest.

In der Folgezeit wurden Akteneinsichtsgesuche der Verteidigung des Angeklagten S., der Verteidigung des vor dem Landgericht M. (24 KLs 628 Js 33559/00) in derzeit laufender Hauptverhandlung gesondert verfolgten D. (vgl. hierzu Senat StraFo 2004, 240 = Die Justiz 2004, 268), der Rechtsverfolgungsgemeinschaft FlowTex Schaden GdbR und der in dem von jener betriebenen, vor dem Landgericht K. unter Az. 2 O 60/03 anhängigen Amthaftungs-klageverfahren Bevollmächtigten des Landes Baden-Württemberg abgewickelt. Unter dem 08.10.2004 legte die Staatsanwaltschaft einen Teilvorgang ?Nachermittlungen? vor. Am 08.11.2004 reichte die Rechtsverfolgungs-gemeinschaft FlowTex Schaden GdbR ein von ihr zu dem Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer vom 22.06.2004 eingeholtes Rechtsgutachten des Prof. Dr. E. Sa. vom 29.10.2004 zu den Akten.

Nach antragsgemäß gewährter Verlängerung der Äußerungsfrist erwiderte der Angeklagte S. mit - 174 seitigem - Verteidigerschriftsatz vom 23.11.2004 nebst Anlagen 72 bis 88 auf die Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft. Er beantragt,

die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen die Zulassung der Anklage in modifizierter Form richtet, als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zu verwerfen.

Die Rechtsverfolgungsgemeinschaft FlowTex Schaden GdbR reichte hierzu unter dem 13.01.2005 Anmerkungen, insbesondere zum Komplex ?Vorfinanzierungen? zur Akte.

Die Verteidigung nahm mit Schriftsatz vom 18.02.2005 zu dem Gutachten von Prof. Dr. E. Sa. vom 29.10.2004 Stellung.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2005 replizierte die Verteidigung nebst letztendlicher Anlage 89 auf die Anmerkungen der Rechtsverfolgungsgemeinschaft FlowTex Schaden GdbR vom 13.01.2005.

Am 20.06.2005 legte die Generalstaatsanwaltschaft Schriftsätze der Verteidiger des gesondert verfolgten D. vom 18.02.2005 und vom 08.06.2005 nebst Anlagen vor (u.a. in der seit 13.01.2005 laufenden Hauptverhandlung jenes Verfahrens [24 KLs 628 Js 33559/00] nach § 244 Abs. 3 StPO ergangenen Beschluss des Landgerichts - Strafkammer 24/ 4. Wirtschaftsstrafkammer - M. vom 19.05.2005, demzufolge u.a. aufgrund der Vernehmung der rechtskräftig verurteilten Zeugin N., der Erörterung der sog. ?Listen D.? und des Aktenvermerks Si. vom 13.05.1996 erwiesen sei, dass die Betriebsprüfer bereits im Jahre 1996 konkrete Anhaltspunkte dafür erlangt haben, dass die FTT bzw. KSK bis zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung Bohrsysteme an Leasinggesellschaften für mehrere 100 Millionen verkauft hatten, die tatsächlich nicht existierten).

Am 21.06.2005 legte die Generalstaatsanwaltschaft ein Sonderheft zwischenzeitlich vernommener weiterer Zeugen, des Redakteurs W., des Detektivs Z. und des Kriminalbeamten P. zur Aufklärung in privater Runde am 14.11.1997 geführter Gespräche über Hintergründe des ?Flowtex- Geschehens? vor.

Am 08.07.2005 reichte die Verteidigung Protokolle über die im Amtshaftungsklageverfahren vor dem Landgericht K. (2 O 60/03) in der Zeit vom 09.06.2005 bis 30.06.2005 durchgeführten Vernehmungen der mit der Betriebsprüfung und den anonymen Anzeigen im Zeitraum 1996/1997 befassten Finanzbeamten nach,

- insbesondere des als Zeugen gehörten Manfred S.,
- des Zeugen Josef G.,
- des Zeugen Rolf B.,
- des Zeugen Markus S.
- des Zeugen Volker G.
- des Zeugen Konrad V.
- und des Zeugen Oberstaatsanwalt Peter Z., der auf die bei der Staatsanwaltschaft K. anonym eingekommene Anzeige vom 04.05.1996 hin gegen Manfred Sch. und Dr. Klaus K. wegen Verdachts der Steuerhinterziehung (vor-)ermittelte (vgl. hierzu die Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 24.04.1997 [52 Js 13493/96]).

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft - in der Gestalt der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 13.07.2004 - ist zulässig (§ 210 Abs. 2 StPO).

Soweit die Staatsanwaltschaft M. den Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer vom 22.06.2004 vollumfänglich, d. h. auch bzgl. dessen Nr. 2 (Anklagepunkt 2.2 [Bestechlichkeit/PKW]) angefochten und ihre Beschwerde mit dem Ziel begründet hatte, die Anklage insoweit nicht lediglich wegen hinreichenden Tatverdachts der Vorteilsannahme nach § 331 StGB, sondern wegen Bestechlichkeit zuzulassen, war das Rechtsmittel allerdings unzulässig. Qualifiziert das erkennende Gericht im Eröffnungsbeschluss - wie hier - die Tat (nur) rechtlich abweichend von der Anklageschrift (§ 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO), muss nämlich die Staatsanwaltschaft ihren Standpunkt in der Hauptverhandlung oder mit der Revision geltend machen (OLG München NStZ 1986, 183; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 210 Rdnr. 5). Mit Schrift vom 13.07.2004 und vom 18.08.2004 hat die General-staatsanwaltschaft das Rechtsmittel insoweit folglich nicht mehr aufrechterhalten.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt - unter Aufhebung der Nrn. 1 und 3 des angefochtenen Beschlusses vom 22.06.2004 - auch im Übrigen zur Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht - Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. und zur Zulassung der Anklage vom 11.04.2003 zur Hauptverhandlung vor dieser Kammer auch hinsichtlich der Anklagepunkte 1. (Beihilfe zum Betrug), 2.1 (Bestechlichkeit/Laptop) und 4. (Verletzung des Dienstgeheimnisses).

Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist (BGHSt 23, 304, 306; Senat wistra 1985, 163; ders. wistra 2005, 72). In der Zulassung der Anklage liegt eine nur vorläufige Tatbewertung, die sich auf Grund der Hauptverhandlung als unzulänglich oder falsch erweisen kann. Das im Rahmen der Eröffnungsentscheidung zu treffende Wahrscheinlichkeitsurteil belässt einen gewissen Beurteilungsspielraum (BGH NJW 1970, 1543, 1544). Für die Anwendung des Zweifelssatzes ist aber noch kein Raum (KG NJW 1997, 69). Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung kann nicht gefordert werden. Die gleich hohe Wahrscheinlichkeit wie beim dringenden Tatverdacht i.S. der §§ 112 Abs. 1 Satz 1, 126 a Abs. 1 StPO wird nicht vorausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit muss aber so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht bedarf, um festzustellen, ob noch bestehende Zweifel gerechtfertigt sind (KK-Tolksdorf StPO 5. Aufl. § 203 Rdnr. 5). Zweifelhafte Tatfragen stehen der Eröffnung nicht entgegen, wenn in der Hauptverhandlung durch die Bewertung der Einlassung des Angeschuldigten, widersprechender Zeugenaussagen und einzuholender Gutachten eine Klärung zu erwarten ist, die wahrscheinlich zu einer die Verurteilung tragenden Grundlage führen wird. Das Gericht ist dabei gehalten, die Beurteilung einerseits in Erfüllung seiner umfassenden Kognitionspflicht aufgrund des gesamten Ermittlungsergebnisses vorzunehmen, andererseits aber auch die besseren Aufklärungsmöglichkeiten der Hauptverhandlung in Rechnung zu stellen (OLG K. B. v. 01.03.1995 - 1 Ws 14/95 -; dass. B. v. 19.05.1995 - 1 Ws 53/95 -; KG a.a.O.). Unter Anlegung dieses Maßstabes hat das Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Erstgerichts und dessen rechtliche Beurteilung in vollem Umfang nachzuprüfen (Tolksdorf a.a.O. § 210 Rdnr. 8).

Diese Prüfung ergibt:

1. In formeller Hinsicht ist die Verfahrensvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anklageerhebung erfüllt. Die Anklageschrift vom 11.04.2003 genügt der geforderten Umgrenzungs- und Informationsfunktion (vgl. etwa Senat Die Justiz 1994, 449). Sie bezeichnet die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten sowie Ort und Zeit ihrer Begehung so genau, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat jeweils gemeint ist; es bleibt nicht unklar, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll (BGHSt 40, 390; Senat B. v. 12.03.2002 - 3 Ws 3/00 -). Welche einzelnen Tathandlungen die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in objektiver und in subjektiver Hinsicht zur Last legt, mithin als strafbares Unrecht ansieht, lässt sich dem Anklagesatz hinreichend entnehmen. Dabei ist die zeitliche Umgrenzung unzweifelhaft. Der Anklagesatz teilt die dem Angeklagten vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten mit. Die weiter konkretisierende Beschreibung der Vorwürfe ergibt sich aus dem ?Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen?, das in der Anklageschrift auf 88 Seiten dokumentiert ist. Damit bereits den Anklagesatz zu befrachten, ist tunlichst zu vermeiden (vgl. zur Unzulässigkeit eines zu langen, weil Beweiswürdigung betreibenden Anklagesatzes: BGH NJW 1987, 1209). Die Darstellung des jeweiligen Tatvorwurfs im Anklagesatz ist vielmehr, wie geschehen, zu straffen, da sie nur das Thema der Hauptverhandlung in tatsächlicher Hinsicht angeben soll; Einzelheiten des Tatgeschehens, die hierfür entbehrlich sind, werden in den Anklagesatz nicht aufgenommen.

Rechtliches Gehör ist seitens des Senats jeweils durch antragsgemäß gegebene Einsicht in die Akten gewährt worden.

Eine rechtsstaatswidrige - gar ein Verfahrenshindernis begründende - Verfahrensverzögerung während des seit förmlicher Einleitung (im Jahre 2001) des sich auf den Tatzeitraum ab 1990/1996 erstreckenden Ermittlungsverfahrens gegen den Angeklagten vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen, zumal das Gesamtverfahren ?FlowTex? komplexe, tatsächlich und rechtlich schwierige Sachverhalte aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität zum Gegenstand hat, deren Beurteilung umfangreiche, aufwändige, über dem Durchschnitt wirtschaftsstrafrechtlicher Verfahren liegende Ermittlungen erforderlich machte, die sich nicht zuletzt im Umfang der angefallenen Akten und Stellungnahmen widerspiegeln (vgl. etwa BGH NJW 2001, 1146, 1149 m.w.N.).

Allerdings wird die Wirtschaftsstrafkammer im Falle eines Schuldspruches im Rahmen der Strafzumessung den langen zeitlichen Abstand zwischen Taten und Urteil, die vom Senat nicht verkannte Belastung des Angeklagten durch die ihn als Finanzbeamten über eine lange Verfahrensdauer hin in besonders gravierender Weise treffenden Tatvorwürfe und eine etwaige partielle Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zu bedenken haben (vgl. etwa BGH NJW 1999, 1198; NStZ-RR 2001, 294; StraFo 2001, 409 m.w.N.).

2. In der Sache selbst - in materieller Hinsicht - besteht hinreichender Tatverdacht im Sinne der Anklagevorwürfe aufgrund der in der Anklageschrift im Einzelnen bezeichneten Beweismittel, insbesondere der darin dokumentierten (vgl. auch Sonderband ?Auswertung der Vernehmungen?), in dem gegen sie geführten Strafverfahren bzw. im Anschluss hieran gemachten Aussagen der gesondert rechtskräftig Verurteilten Manfred Sch., Dr. Klaus K., Angelika N. und des Klaus Schm. sowie des Inhalts der dem Angeklagten bekannten sog. ?Listen D. vom 30.04./02.05.1996 (vgl. auch Vernehmung des Rolf D. über die Zahl tatsächlich vorhandener HBS und des Vermerks des Steuerfahnders des Finanzamtes K.-D. OAR Sie. vom 13.05.1996 zu dessen mit dem Angeklagten geführten Gespräch über laut anonym erstatteter Anzeigen vom 25.04.1996 (fernmündlich beim Finanzamt Weimar; das daraufhin gegen Manfred Sch. eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft M. mit Verfügung vom 24.06.1997 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt [609 Js 145/96]) und vom 04.05.1996 (schriftlich bei der Staatsanwaltschaft K.; das daraufhin von der Staatsanwaltschaft K. eingeleitete Ermittlungsverfahren [52 Js 13493/96] wurde mit Verfügung vom 24.04.1997 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt) betriebene Leasinggeschäfte/Luftgeschäfte mit nicht existierenden HBS, des sog. ?Schaubildes Se? vom 22.08.1996, des sog. ?Kegelvermerks? vom 02.09.1996, der Aussage des Zeugen B. vom 17.10.2000 zu mit Manfred S. am 17.07.1997 geführtem Gespräch und der Aussage des Rechtsanwalts K. vom 13.02.2001. Der im ?Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen? der Anklageschrift dargestellten vorläufigen Würdigung der Beweismittel und der zahlreichen gegen den Angeklagten sprechenden Indizien, die auch aus der angefochtenen Entscheidung der Wirtschaftsstrafkammer vom 22.06.2004 selbst erhellen und deren zufälliges Zusammentreffen unwahrscheinlich erscheint, tritt der Senat bei vorläufiger Tatbewertung ebenso wie den Gründen der Beschwerde der Staatsanwaltschaft in ihren tragenden Erwägungen nach Aktenlage bei. Die Aussage des von der Kammer am 13.05.2004 im Zwischenverfahren (§ 202 StPO) als Zeuge vernommenen Dr. Klaus K. und die umfangreichen Einwendungen der Verteidigung vermögen demgegenüber bei Abwägung der im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände den Tatverdacht nicht unter die Schwelle des hinreichenden zu mindern. Die Feststellung des Schuldumfanges im Einzelnen, der tatsächlichen Tatbeteiligung des Angeklagten und deren rechtliche Einordnung müssen - wie stets - den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Die Sache bedarf, bei Anlegung des eingangs aufgezeigten Maßstabes, aus Gründen der Wahrheitsfindung der Klärung in einer - sei es vorliegend sicherlich auch zeit- und personalintensiven, nicht leicht zu bewältigenden - Hauptverhandlung. Mit den weit besseren Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung ist die Wirtschaftsstrafkammer auf Grund ihrer Sachnähe und besonderen Kompetenz berufen, in dieser bedeutsamen, komplexen Wirtschaftsstrafsache in Erfüllung der ihr obliegenden Aufklärungspflicht alle Möglichkeiten zur Erforschung der Wahrheit bzgl. der dem Angeklagten zur Last liegenden Taten auszuschöpfen. In der Hauptverhandlung wird sich die Kammer den erforderlichen zeitgleichen Eindruck nicht nur von der Persönlichkeit des Angeklagten, sondern auch von den ihn be- bzw. entlastenden Zeugen verschaffen können.

Die Kammer betreibt demgegenüber ohne diese Basis in den Gründen ihrer Entscheidung antizipiert - unter Anwendung des Zweifelssatzes - nach Lage der Akten, aber auch auf Grund einer partiellen Beweiserhebung im Zwischenverfahren eine Würdigung der Beweise, wie sie erst nach Erhebung der Beweise in der unter Beachtung der strafprozessualen Garantien, insbesondere unter Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit (§ 250 StPO), der Mündlichkeit sowie der Antragsrechte der Verfahrensbeteiligten durchgeführten Hauptverhandlung vor der gerichtverfassungsrechtlich besetzten Kammer (§§ 74 c, 76 GVG) aufgrund der Ergebnisse der Beratung im Urteil Platz greifen darf (vgl. auch Samson a.a.O. Zweiter Teil II. S. 10 ff.). Dies gilt vor allem für die abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Die Tatbewertung der Kammer ist, soweit sie die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen ablehnt, entgegen ihrer anders lautenden Formulierung (BAS 11 letzter Abs.) nicht lediglich vorläufig, sondern in Wirklichkeit praktisch endgültig (Meyer-Goßner a.a.O. § 211 Rdnr. 7; § 210 Rdnr. 1). Dabei handelt die Kammer für und gegen den Angeklagten sprechende Indizien lediglich selektiv/punktuell ab.

Vorwurf der Beihilfe zum Betrug (Anklagepunkt 1)

Die Feststellung der Kammer, in der Person des Angeklagten scheide Förderung der (ab Ende 1996 bis Februar 2000 begangenen) Betrugstaten der Haupttäter in Form der psychischen Beihilfe durch positives Tun - selbst unter Zugrundelegung des in der Anklage angenommenen Sachverhaltes - aus, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Beihilfe auch dadurch geleistet werden, dass der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8; Unterlassen 3), sofern diese Förderung durch den Gehilfen in irgendeiner Weise für die Haupttat kausal geworden ist, so dass die Rechtsgutverletzung verstärkt oder die Durchführung der Tat erleichtert worden ist. So liegt der Fall hier (BGHR AO § 370 Abs. 1 Beihilfe 4 = BGHR AO § 30 Steuergeheimnis 1 unter Hinweis auf Samson SK-StGB § 27 Rdnr. 13 ff.; vgl. auch Samson Rechtsgutachten Zweiter Teil III. 2 c [2] S. 20 ff.; Dritter Teil B. II. 4. S. 42 ff. zur Kausalität).

Hervorgehoben sei die Aussage des Manfred Sch. (staatsanwaltschaftliche Vernehmung vom 13.07.2000) zu den Vorgängen im Zuge der 1996/1997 für die Jahre 1990 bis 1993 durchgeführten Betriebsprüfung, wonach der Angeklagte Manfred S. das fragliche System bereits damals durchschaut hatte. Anlässlich mit Manfred Sch. und Dr. K. Mitte bis Ende 1996 geführter Gespräche habe Manfred S. diesen versichert, neben der aktuellen Betriebsprüfung auch die nächste Prüfung ohne Feststellungen zu nicht existierenden Geräten und dem damit einhergehenden Finanzierungsbetrug durchzuführen. Das Tatmotiv des Angeklagten hierfür ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, kann aber nicht allein mit dem Argument der Wirtschaftsstrafkammer, d.h. der Unverhältnismäßigkeit zwischen von dem Angeklagten eingegangenem Risiko und etwaigem persönlichem Vorteil verneint werden; es besteht insoweit Bedarf an Aufklärung in der Hauptverhandlung, auch mit Blick auf die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten.

Die Bekundung des Manfred Sch. (Vernehmung vom 13.07.2000), auf die die Wirtschaftsstrafkammer zur Verneinung des Förderungsbeitrages des Manfred S. in objektiver und subjektiver Hinsicht abstellt, dass ?wir ihm versprechen mussten, dass wir für die Zukunft alles daran setzen, um aus den Leasingfinanzierungen herauszukommen?, etwa durch den von Manfred S. empfohlenen sog. ?Asset-Aufbau? (vgl. hierzu Anklageschrift S. 43, 63), steht - bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. nur Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 15 Rdnr. 9 ff. m.w.N.) - der Annahme eines objektiven Tatbeitrages und zumindest bedingten Gehilfenvorsatzes des Angeklagten bzgl. der ab 1997 begangenen Haupttaten nicht zwingend entgegen. Die Kammer stellt mit der Anklage ausdrücklich fest, dass eine Abkehr von dem seit Beginn der 90er Jahre praktizierten, zum Selbstläufer gewordenen Schneeballsystem zwangsläufig zur Aufdeckung der Betrugstaten geführt hätte. Dass der Angeklagte unter diesen Umständen auf eine Zusage der Haupttäter über eine Abkehr von der installierten Leasingfinanzierung, etwa eine ?Heilung? durch den Asset-Aufbau zur Schließung des ?Finanzierungsloches?, so sie denn ihm gegeben worden sei, vertrauen konnte und gar vertraut hat, ist eher fern liegend, vor allem in Anbetracht seiner eigenen zeitgleichen Zusage, die nächste, im Jahre 1999 anstehende Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1996 noch einmal in der gleichen Art abzunehmen wie die für den Zeitraum 1990 bis 1993, zumal er sich dadurch selbst in dienst- und strafrechtlich relevanter Weise noch tiefer in das System mitverstrickte. An die Feststellung, dass der Täter/Gehilfe den Erfolgseintritt seines Tuns, hier die Perpetuierung des Schneeballsystems über 1996 hinaus nicht als möglich erkannt hat, diesen zumindest nicht billigend in Kauf genommen hat (vgl. schon BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 1, 3, 5), sind besondere Anforderungen zu stellen.

Der Ort, dies festzustellen, ist das auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme beruhende, revisionsrechtlich nachprüfbare Urteil des erkennenden Gerichts. Die im Beschlussverfahren von der Strafkammer insoweit gefundene Würdigung nach den Regeln des Beschwerderechts nachzuprüfen, liegt nicht in der Kompetenz des Senats, zumal ihm der persönliche Eindruck von dem Angeklagten und den Zeugen, insbesondere von dem von der Kammer im Zwischenverfahren gehörten Zeugen Dr. K. fehlt, den sich quasi im Wege einer vorweggenommenen Hauptverhandlung zu verschaffen, nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts ist.

Zentrale Voraussetzung eines Schuldspruches ist freilich, dass der Angeklagte S. etwa schon 1996 und/oder in der Folgezeit nicht nur Anhaltspunkte für den Fehlbestand an HBS und nicht lediglich - wie in seinem Aktenvermerk vom 21.07.1996 niedergelegt - Zweifel am Vorhandensein der verleasten HBS hatte, die er durch Vorlage der Testate der Wirtschaftsprüfer zerstreute, sondern - was der sich auf Gutgläubigkeit berufende Angeklagte entgegen der Aussagen der Haupttäter bestreitet - auf Grund der objektiven Gegebenheiten die erforderliche Kenntnis von dem von den Haupttätern gehandhabten betrügerischen Schneeballsystem erlangt hatte (Samson a.a.O. Zweiter Teil III. 3 b [1] S. 29 lässt in intellektueller Hinsicht gar Eventualvorsatz genügen, d. h., dass der Gehilfe die Tatumstände als möglich ansieht). Ob dies der Fall ist und der Angeklagte das Bewusstsein hatte, durch sein Verhalten das Vorhaben der Haupttäter künftig für die Zeit ab 1997 zu fördern, im Einzelnen abschließend festzustellen, ist - auf Grund des nach Aktenlage gegebenen hinreichenden Tatverdachts - Aufgabe der Hauptverhandlung vor der erkennenden Wirtschaftsstrafkammer.



Um zu der Feststellung zu gelangen, dass ?davon auszugehen ist, dass der Angeschuldigte aufgekommenen Zweifeln an der Existenz einer Vielzahl von HBS für den Prüfungszeitraum 1991 bis 1993 nachgegangen ist, nach Vorlage der Testate der Wirtschaftsprüfer letzten Endes jedoch davon ausging, dass die HBS tatsächlich vorhanden sind? (BAS 11/12), bedurfte es auch eines erst in der Hauptverhandlung zu gewinnenden Eindrucks von dem Angeklagten. Eine dahingehende Unterstellung zu Gunsten des Angeklagten kommt darüber hinaus erst nach abgeschlossener Beweisaufnahme und -würdigung in Betracht, wenn die Kammer auch dann nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen der für den Schuldspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsachen zu gewinnen vermag (BGH NStZ-RR 2005, 209; wistra 1991, 63).

Die Kammer stellt fest, die Behauptung der Anklage, dem Angeklagten sei bekannt gewesen, bei den von ihm am 04.09.1996 angeforderten (vgl. hierzu auch Aktenvermerk Sie. vom 11.09.1996 S. 2, 3), im Spätjahr 1996 vorgelegten 43 Testaten der Wirtschaftsprüfer bezüglich 45 als Stichproben ausgewählter HBS (vgl. Anklageschrift S. 57) handele es sich um Falsifikate bzw. Gefälligkeitsatteste, lasse sich nicht hinreichend belegen (BAS 16), dem vorliegenden Akteninhalt seien jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine solche Kenntnis zu entnehmen (BAS 17). Die Kammer kann sich hierbei nicht schlicht darauf berufen, dass sich die Anklage nicht dazu verhält, welche Schlussfolgerungen aus der Unvollständigkeit bestimmter Testat-Formulare zu ziehen seien (BAS 17). Dies ist Aufgabe der Kammer nach in der Hauptverhandlung vollzogener Beweisaufnahme. Nach der Vorlage der Testate teilte der Angeklagte mit, es gebe keine weitere Ermittlungsansätze für die Betriebsprüfung (vgl. zuvor schon Aktenvermerk Sie. vom 11.09.1996 S. 3).

Was den am 21.07.1996 an die Steuerfahndung übergebenen Vermerk/Zwischenbericht des Angeklagten vom 21.07.1996, aus dem sich die ihm bekannte Vorfinanzierung tatsächlich existenter HBS nicht ergab,

anbetrifft, bedarf es der Klärung im Hauptverfahren, ob diese Vorfinanzierung, wovon die Kammer ausgeht (BAS 14), Gegenstand der Besprechung vom 25.09.1996 war, an der u.a. der Angeklagte, der Zeuge Bl. und der anderweitig verfolgte Rechtsanwalt Ku. teilnahmen; letzterem zufolge sei indes nie über den Vorverkauf von HBS gesprochen worden (Vermerk des Sachbearbeiters E./LKA BW vom 01.09.2004 [IV 459]). Insoweit lag für den Angeklagten bereits der Verdacht des Betruges seitens der Haupttäter zum Nachteil von Leasinggesellschaften nahe (vgl. Aktenvermerk Sie. vom 13.05.1996).

Die Frage, ob durch den Angeklagten die - auf das verfahrensgegenständliche System hinweisende gravierende Auffälligkeiten beinhaltenden - Auskünfte der Informationszentrale/Ausland des Bundesamtes für Finanzen (IZA) vom 22.08.1996 und 08.10.1996 zu benannten ausländischen Mietfirmen, deren Einholung er selbst vorgeschlagen hatte (vgl. Nr. 4 seines Vermerks vom 21.07.1996), ausgewertet werden sollten und/oder wurden oder nicht, kann nicht mit dem Hinweis der Kammer offen bleiben, dies sei nicht ersichtlich bzw. nicht den Akten zu entnehmen (BAS 17). Dieser Gesichtspunkt ist einer Aufklärung in der Hauptverhandlung zugänglich und kann bei einer Gesamtschau, sei die Frage nun zu bejahen oder zu verneinen, je nach Verlauf der Beweisaufnahme sowohl für als auch gegen den Angeklagten sprechen (vgl. hierzu auch Vernehmung des Dr. Klaus K. vom 04.07.2000 [Anklageschrift S. 37]). Insoweit können auch die von dem Angeklagten im Zuge der von ihm bei der Powerdrill GmbH &Co KG in Rastatt erkannten Unregelmäßigkeiten nicht ausgeblendet werden ([vgl. Aktenvermerk Gau. vom 29.10.1996; Aussage Bu. vom 17.10.2000 ]).

Der Beweiserhebung unterliegt auch die Frage, ob die ?Shelter-Identifikationsliste? vom 11.10.1996 seitens des Angeklagten zur Aufklärung der Zuordnung externer und interner Nummernkreise der HBS ausgewertet wurde; mit der Bemerkung der Kammer, Anhaltspunkte dafür seien nicht vorhanden (BAS 19), kann es nicht sein Bewenden haben. Hypothetische Erwägungen der Kammer, aus einer etwaigen Nichtauswertung der Liste könne der Schluss gezogen werden, der Angeklagte habe dies unterlassen, da er befürchtet habe, eine Auswertung könne den Nachweis für das Fehlen der HBS erbringen, ein solcher Schluss verletze aber denklogische Gesetze, sind vorliegend verfrüht; die weitere Argumentation der Kammer, eine Auswertung durch den Angeklagten habe nicht mehr nahe gelegen, weil bereits das Testatverfahren durch die Wirtschaftsprüfer eingeleitet gewesen sei, bewegt sich im Kreis, da sie ohne nähere Aufklärung eine gutgläubige Haltung des Angeklagten gegenüber den Testaten der Wirtschaftsprüfer unterstellt.

Die den Angeklagten belastenden Angaben des Manfred Sch. bezieht die Kammer in ihre Würdigung nicht umfassend mit ein. Zwar setzt sie sich mit dessen Aussage zur Mitwisserschaft des Manfred S. (Vernehmung Sch./Dr. K. vom 31.03.2000) und zur Thematik Zusage des Angeklagten für die Abfassung des Betriebsprüfungsberichtes in 1999/ Versprechen der Hauptverantwortlichen bzgl. Abkehr von Leasingfinanzierungen ab 1997 (Vernehmung vom 13.07.2000) auseinander (siehe dazu oben), nicht aber umfassend mit den Angaben im Zuge der Beschuldigtenvernehmungen vom 16.02.2000 (Sch./Dr. K.), vom 21.06.2000, vom 19.09.2000 und vom 23.10.2000. Dass Manfred Sch. anlässlich seiner Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Schu. im gegen ihn geführten Verfahren 22 KLs 628 Js 10855/01 die Kenntnis des Manfred S. nochmals anschaulich dargetan hat (vgl. Gutachten vom 25.06.2001 S. 37, 45 ff.), bringt die Kammer in ihre Entscheidung nicht ein. Dass sich Manfred Sch. derzeit auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO beruft (vgl. hierzu kritisch Samson a.a.O. Zweiter Teil III. 2. [3] S. 23; dem Verteidigerschriftsatz vom 28.09.2004 [III 296] könnte insoweit ohnedies eine künftige zumindest partielle Aussagebereitschaft zu entnehmen sein), trägt diese lückenhafte Würdigung nicht.

Zu den Aussagen des Verurteilten Klaus Schm. (Vernehmung vom 26.09.2002) verhält sich die angefochtene Entscheidung nicht.

Die seine früheren Angaben (Vernehmungen vom 31.03.2000, 27.06.2000, 04.07.2000) relativierende Aussage des von der Kammer im Zwischenverfahren am 13.05.2004 vernommenen Zeugen Dr. Klaus K., insbesondere dass die Belastung des Manfred S. durch ihn objektiv unrichtig gewesen sei und ist, er lediglich das Gefühl gehabt habe, dass jener etwas wissen könnte, er sich dies wahrscheinlich so eingeredet habe, ist, ohne dass es hier einer aussagepsychologischen Untersuchung (vgl. dazu ausführlich - unter Bezug auf Bender/Nack ?Tatsachenfeststellungen vor Gericht? 2. Aufl. 1995 - die Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft) bedürfte, nicht geeignet, den hinreichenden Tatverdacht zu entkräften. Die jetzige Aussage des Zeugen steht bereits unter dem von ihm eingangs seiner Vernehmung betonten Vorbehalt: ?Ich kann nach 7, 8, 9 Jahren nicht mehr alles genau zeitlich einordnen. Ich befinde mich nunmehr mehr als 4 Jahre in Haft und habe in der zurückliegenden Zeit versucht, Abstand zu gewinnen. Neben der zeitlichen Einordnung fällt mir sicher auch die faktische Zuordnung schwer.? Anlass, die damaligen Vernehmungsbeamten insbesondere zur Genese der Einlassung des Dr. Klaus K. zu hören, sah die Kammer gleichwohl nicht; dies ist freilich Aufgabe der Hauptverhandlung.

Soweit die Kammer auf die Aussage des Dr. K. vom 13.05.2004 zur Begründung der (partiellen) Nichteröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen letztlich entscheidend abstellt, hat die Generalstaatsanwaltschaft in formeller Hinsicht die allein durch die Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer - zudem ohne Bezeichnung des Beweisthemas - getroffene Anordnung der Vernehmung des Zeugen und im Übrigen - wie folgt - die materiellrechtliche Fehlerhaftigkeit gerügt:

?Nach § 202 Abs. 1 StPO kann das Gericht zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen, bevor es über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet. Das Gericht muss sich aber auf einzelne Beweiserhebungen beschränken, also auf eine bloße Ergänzung eines von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits weitgehend ausermittelten und aufgeklärten Sachverhalts. Die Vorschrift des § 202 StPO dient nicht dazu, umfangreiche und zeitaufwändige Nachforschungen anzustellen oder gar die Hauptverhandlung vorweg zu nehmen (OLG Karlsruhe B. v. 26.08.2003 - 1 Ws 57/03 -; dass. B. v. 26.08.2003 - 1 Ws 208/03 -; dass. B. v. 01.09.2003 - 1 Ws 235/03 - [insoweit in StV 2004, 325 nicht abgedruckt]; LG Berlin NStZ 2003, 504; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. StPO § 202 Rdnr. 1; KK-Tolksdorf StPO 5. Aufl. § 202 Rdnr. 4 i. V. m. § 199 Rdnr. 9; LR-Rieß StPO 25. Aufl. § 202 Rdnr. 2 f.).

Gemessen an diesen Maßstäben, handelte es sich vorliegend um eine umfangreiche Beweisaufnahme eines von der Staatsanwaltschaft bereits ausermittelten und aufgeklärten Sachverhalts. Dabei kann die Frage, ob es sich um eine umfangreiche Beweisaufnahme handelt, nicht quantitativ beurteilt werden, sondern ist normativ zu sehen. Auch eine einzige Beweisaufnahme ist nicht mehr ?einzeln?, wenn sie dem Normzweck des § 202 StPO zuwiderläuft.

Wie sich aus dem Protokoll ergibt, hat die Strafkammer eine Vernehmung durchgeführt, die nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben musste. Der Zeuge Dr. K. wurde so umfassend und, wie bereits erwähnt, ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Beweisthema vernommen, wie dies gem. § 244 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung der Regelfall, jedoch im Zwischenverfahren nach der eindeutigen Regelung des § 202 StPO mit dem Gebot der Beschränkung auf eine einzelne Beweiserhebung nicht vereinbar ist. Anerkannt ist, dass die Vernehmung eines Angeschuldigten zur Aufklärung einer bestimmten Beweisfrage im Zwischenverfahren zulässig ist, jedoch nicht seine Vernehmung zur Sache insgesamt (Meyer-Goßner StV 2002, 394). Diese Grundsätze haben auch auf die Vernehmung eines Zeugen Anwendung zu finden.

Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen besorgen, dass sich die Strafkammer aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers den Blick für die umfassende Kognitionspflicht hinsichtlich des ihr mit der Anklage der Staatsanwaltschaft M. unterbreiteten Sachverhalts verstellt hat. Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung zutreffend ausgeführt hat, hat die Strafkammer sich bei der Bewertung der Angaben weiterer Zeugen auf die Auswertung des Akteninhaltes beschränkt. Damit hat die Strafkammer jedoch die Beweismittel mit unterschiedlichen Maßstäben bewertet. So wie sie sich offenbar durch die Vernehmung des Zeugen Dr. Klaus K. im Zwischenverfahren einen persönlichen Eindruck von diesem Zeugen verschaffen wollte, wäre dies auch bei denjenigen von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift benannten Zeugen erforderlich gewesen, deren Aussagen nach dem Akteninhalt die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Dr. Klaus K. hätten erschüttern können. Auch insoweit wäre die Strafkammer gehalten gewesen, sich durch Vernehmung dieser Zeugen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Die Strafkammer hat hierdurch zudem gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen und gegen ihre Verpflichtung, in der Hauptverhandlung eine umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Die Beweiswürdigung erfolgte in unzulässiger Weise selektiv aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Vernehmung des Zeugen Dr. K. im Zwischenverfahren vermittelte.

Die Aussage des Zeugen Dr. K. kam somit unter einem schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende verfahrensrechtliche Regelungen zustande, so dass sie nicht zur Grundlage des angefochtenen Beschlusses gemacht werden durfte. Da aber sämtliche tragenden Erwägungen der Strafkammer, die zur Nichteröffnung führten, davon beeinflusst wurden, kann der angefochtene Beschluss insgesamt keinen Bestand haben.?

Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Wohl wird aber die abweichende Aussage des Zeugen Dr. K. vom 13.05.2004 in die in der Hauptverhandlung zu treffende Gesamtwürdigung einzustellen sein.

Ergänzend sei bemerkt:

Die Wirtschaftsstrafkammer setzt in den Gründen ihrer Entscheidung vom 22.06.2004 bereits für die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Überzeugung von der schuldhaften Tatbegehung voraus, wie sie gemäß § 261 StPO für eine Verurteilung erforderlich ist. Die Prognose, ob eine Widerlegung der im Zwischenverfahren gemachten Aussage des Zeugen Dr. K. in der Hauptverhandlung wahrscheinlich ist, stellt sie, soweit ersichtlich, nicht. Im Übrigen berührt die Vorverlagerung der Überzeugungsbildung in das Zwischenverfahren den Verfassungsgrundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), da gemäß § 76 Abs. 1 GVG die Schöffen zur Entscheidung über die Schuldfrage im Sinne einer Überzeugungsbildung nach § 261 StPO in der Hauptverhandlung mitberufen sind (vgl. ebenso OLG Hamburg StV 1996, 418).

Nach alledem bedarf hier für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Frage keiner Vertiefung, ob der Angeklagte durch Offenbarung von aus der Betriebsprüfung 1996 gewonnenen, über punktuelles Wissen hinausgehenden Erkenntnissen gegenüber der Finanzverwaltung, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft und zwar über das ?Schneeballsystem?, insbesondere über vorhandene HBS einerseits und ?virtuelle? HBS andererseits, d. h. darüber, dass von rund 370 HBS, die im Zeitraum 1991 bis 1993 veräußert worden waren, etwa 249 nicht existierten, die Fortsetzung des Betrugssystems ab dem Zeitraum 1997 hätte hindern können (vgl. hierzu Anklageschrift S. 62). Zur Offenbarung seiner Erkenntnisse wäre der Angeklagte - unbeschadet der Bestimmung des § 9 BpO - entgegen der Meinung der Kammer und der Verteidigung - bei tatsächlicher Kenntnis von dem Fehlbestand an HBS verpflichtet gewesen (§ 30 Abs. 4 Nr. 1, 4, 5 AO; BGH BGHR AO § 30 Steuergeheimnis 1). Dass der Angeklagte in diesem Falle ?contra legem? gehandelt hätte, wie die Kammer meint, ist - wegen der konkreten Verdachtslage in vorliegender Sache - unzutreffend, zumal die Vorgänge auch steuerlich relevant waren (vgl. ausführlich Schlussbericht des LKA BW vom 05.08.2004 Abschnitt 3 m.w.N.). Zu würdigen wird insoweit auch sein, dass ausweislich des von den Beamten der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts K.-D. Sie. und Gau. für die Abschlussbesprechung mit Staatsanwalt Z./Staatsanwaltschaft K. gefertigten Aktenvermerks vom 10.04.1997 damals immer noch nur eine Vermutung, dass die HBS nicht geliefert worden waren, bestand; eine steuerrechtliche Komponente wurde (in Anbetracht des Aktenvermerks Sie. vom 11.09.1996 nicht nachvollziehbar) verneint, ein Kreditbetrug gegenüber den eingeschalteten Leasingfirmen und Refinanzierungsbanken wurde unter bestimmten Umständen aber bejaht. Gleichwohl wurde das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft K. (52 Js 13493/96) am 24.04.1997 mit der Begründung eingestellt: ?Hinweise auf außersteuerliche Straftaten - insoweit ist bereits bei der Staatsanwaltschaft M. ein Ermittlungsverfahren anhängig - haben sich nicht ergeben.?

Sollte der Angeklagte tatsächlich ohne Zurückhaltung von ?Sonderwissen? seine Erkenntnisse an die - etwa schon durch die anonymen Anzeigen vom April und Mai 1996, die Mitteilungen des Finanzbeamten Richard Kru./ Finanzamt K.-D. (vgl. sog. ?Kru.-Vermerke? der Steuerfahnder Sie. und Gau. vom 02./03.07.1996), aber auch durch den Aktenvermerk des Angeklagten vom 21.07.1996 vorgewarnte - Finanzverwaltung und die Steuerfahndung weitergegeben haben, wovon die Verteidigung nach den Ergebnissen der im Amtshaftungsklageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme ausgeht (vgl. Verteidigerschriftsatz vom 08.07.2005), werden, soweit möglich, denkbare Gründe zu klären sein, warum das ?Schneeballsystem? gleichwohl über 1996 hinaus - zudem in intensivierter/progressiver Form - fortgesetzt werden konnte, etwa auf Grund unkoordinierten Vorgehens von Finanzverwaltung, Betriebsprüfung, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft gegenüber den seinerzeit im badischen Raum als ?Vorzeigeunternehmen? geltenden FlowTexFirmen und der ?kommunalen Göße? Manfred Sch. oder gar eines kollusiven Zusammenwirkens bestimmter Verfahrensbeteiligter, wofür aber dem Senat durchgreifende Anhaltspunkte fehlen. Diese Frage im Eröffnungsverfahren aufzuarbeiten, ist nicht dessen Aufgabe.

Vorwurf der Bestechlichkeit/Laptop (Anklagepunkt 2.1)

Auch insoweit eröffnet der Senat das Hauptverfahren und lässt die Anklage zur Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer zu. In dieser gilt es zunächst den Inhalt der fraglichen - von der Kammer bereits im Anklagepunkt 2.2 mit dem fehlenden hinreichenden Tatverdacht im Anklagepunkt 1 verneinten - Unrechtsvereinbarung i. S. d. § 332 StGB zu verifizieren. Ebenso wird der ?symbolische Preis? von DM 1.000 für das Laptop, dessen Anschaffungspreis ein Jahr zuvor immerhin noch DM 5.524 betrug, im Hinblick auf den streitigen tatsächlichen Restwert des Laptop, mit dem die Kammer das Tatbestandsmerkmal des ?Vorteils?, jedenfalls insoweit vorsätzliches Handeln des Angeklagten verneint, ggf. wertgutachtlich festzustellen sein. Auf die mit Nrn. 12 und 14 der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft M. vom 11.04.2003 nicht weiter verfolgten Vorgänge (u. a. fragliche Einladungen zu gemeinsamem Essen), mögen sie auch einer Beweisaufnahme und Würdigung noch zugänglich sein, stellt der Senat hier nicht ab.

Letztlich entscheidend für die Eröffnungsentscheidung des Senats ist der enge sachliche und zeitliche Zusammenhang dieses Anklagepunktes 2.1 (Bestechlichkeit/Laptop) mit dem Anklagepunkt 2.2 (Bestechlichkeit/PKW), zu letzterem die Kammer sich entschließen konnte, das Hauptverfahren, sei es auch nur unter rechtlicher Würdigung als Vorteilsannahme, zu eröffnen. Die Annahme des Laptop und der ?Zuwendung? von DM 21.206 im Zusammenhang mit dem Kauf des PKW waren nach Lage der Akten, worauf die Anklageschrift (S. 70, 94) zutreffend hinweist, bereits von der fraglichen (Unrechts-)Vereinbarung Ende 1996/Anfang 1997 umfasst bzw. gründen in dieser (vgl. jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch das Vorbringen des Manfred Sch. im Verteidigerschriftsatz vom 28.09.2004 [Bd. III bad. 296, 298]: ?im Verlauf der zweiten Betriebsprüfung?). Nicht zuletzt wegen der sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ggf. unterschiedlich darstellenden Konkurrenzverhältnisse (statt Tatmehrheit, wovon die Anklage ausgeht, Tateinheit) beider Vorgänge zueinander (vgl. zur Problematik BGH St 41, 292, 302; 47, 22, 30; OLG Stuttgart Die Justiz 2003, 230 = wistra 2003, 31; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 332 Rdnr. 13; § 331 Rdnr. 39 m.w.N.), ist insoweit durch Eröffnung des Hauptverfahrens eine einheitliche Beurteilung bzw. Entscheidung in der Hauptverhandlung zu ermöglichen. Dort wird die Staatsanwaltschaft, wie ausgeführt, Gelegenheit haben, ihren Standpunkt zur Qualifizierung der Taten als Bestechlichkeit weiter zu verfolgen.

Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses (Anklagepunkt 4)

In diesem Punkt ist das Hauptverfahren konsequenter Weise ebenfalls zu eröffnen. Die endgültige Beurteilung der - von der Kammer verneinten - Glaubwürdigkeit des Manfred Sch. und der Glaubhaftigkeit seiner Einlassung vom 31.03.2000, die er im Übrigen auch insoweit gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. Schu. wiederholt hat (Gutachten vom 25.06.2001 S. 37), ist der Hauptverhandlung vorbehalten. Die Kammer stützt ihre ablehnende Entscheidung vor allem darauf, dass sich bereits der von Manfred Sch. erhobene Vorwurf, der Angeklagte habe seine Betrugstaten gedeckt, als falsch erwiesen habe. Da letztere Annahme der Kammer nicht trägt, weil die Einlassung des Manfred Sch. insoweit außerhalb der Aussage selbst liegende, also ?externe? Bestätigung erfahren hat (vgl. obige Ausführungen zu Anklagepunkt 1), käme vorliegend ein Anknüpfen der Argumentation hieran einem unzulässigen Zirkelschluss gleich (vgl. BGH B. v. 08.12.2004 - 2 StR 441/04 - m.z.N.).

Freilich werden, sollte in der Hauptverhandlung ?Aussage gegen Aussage? stehen, die in diesem Falle an die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung zu stellenden besonders kritischen Anforderungen zu beachten sein, wobei die Aussage des Manfred Sch. im Zusammenhang mit den übrigen Beweismitteln einer Würdigung und Gesamtabwägung zu unterziehen sowie ein nach den Umständen denkbares Motiv für eine Falschbezichtigung zu prüfen sein wird, insbesondere, ob er sich damals durch die den Angeklagten belastende Aussage selbst entlasten wollte (BGH StV 1994, 6; StV 1994, 526; StV 2002, 467; NStZ-RR 2004, 87; Senat StV 2000, 658).

Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie dieses aufrechterhalten hat, kann nach alledem ein Erfolg nicht versagt werden.

III.

Der Senat hat davon abgesehen, eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts M. mit der Durchführung der Hauptverhandlung zu betrauen. Im Falle des § 210 StPO kommt eine Anwendung von dessen Absatz 3 nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, so wenn vom bisherigen Gericht eine unvoreingenommene Verhandlung nicht zu erwarten ist bzw. nach der Art seiner Meinungsäußerung im angefochtenen Beschluss nicht erwartet werden kann, dass es sich die Auffassung des Beschwerdegerichts innerlich voll zu eigen macht (Senat B. v. 08.10.2004 - 3 Ws 100/04 -; OLG Düsseldorf OLGSt § 210 StPO S. 5; OLG Frankfurt NStE § 210 StPO Nr. 5; OLG Hamburg a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O. § 210 Rdnr. 10) und/oder, wenn es sich in einer für die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidenden Rechtsfrage festgelegt hat (OLG Köln NStZ 2002, 35, 38). Dies ist vorliegend nicht der Fall, zumal die Wirtschaftsstrafkammer die partielle Nichteröffnung des Hauptverfahrens auf tatsächliche Gründe stützt. Zwar hat sich die Wirtschaftsstrafkammer in der außerhalb einer Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern ein Bild von der Glaubwürdigkeit des im Zwischenverfahren gehörten Zeugen Dr. Klaus K. gemacht und sich in dem angefochtenen Beschluss auch entsprechend geäußert. Dafür, dass die Kammer den Grundsatz, dass ein endgültiges Urteil über die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage in der Regel nur in einer Hauptverhandlung gefällt werden kann (Senat B. v. 08.10.2004 - 3 Ws 100/04 -), verkennt, gibt es aber keine durchgreifende Anhaltspunkte. Der Senat hat keinen Zweifel, dass sich die Kammer darüber im Klaren ist, dass im Rahmen der nunmehr durchzuführenden Hauptverhandlung alle zu erhebenden Beweise neu und im Zusammenhang zu würdigen sein werden und dass sie dieser Einsicht gemäß handeln wird.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft K. die von der Staatsanwaltschaft M. auch gegen Nr. 2 des Beschlusses der Wirtschaftsstrafkammer erhobene sofortige Beschwerde nicht weiter verfolgt bzw. zurückgenommen hat, hat der Senat aus Billigkeitsgründen (§ 473 Abs. 4 Satz 2 StPO) davon abgesehen, den Angeklagten von auch nur einem Teil der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu entlasten. Denn diese wären in gleicher Höhe angefallen, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel sogleich auf jene Punkte beschränkt hätte, mit denen sie nun durchgedrungen ist (Senat wistra 1993, 308).

Oberlandesgericht Karlsruhe Karlsruhe, 21. Juli 2005
Pressestelle

3 Ws 165/04

P r e s s e m i t t e i l u n g

Beschwerde der Staatsanwaltschaft im FlowTex-Folgeverfahren erfolgreich

Anklage gegen ehemaligen Betriebsprüfer des Finanzamtes Karlsruhe-Stadt in vollem Umfang vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim zugelassen.

Dies hat heute der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden und auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim hin einen anderslautenden Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim vom 22.06.2004 aufgehoben.

Diese hatte eine Anklage der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 11.04.2003 gegen einen Beamten des Finanzamtes Karlsruhe-Stadt im Zusammenhang mit den be-trügerischen Machenschaften von Verantwortlichen der Flowtex-Firmengruppe in mehreren Punkten nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.

In der Sache geht es um den Vorwurf, der Finanzbeamte habe, obwohl er den fiktiven Handel mit Horizontalbohrsystemen und das praktizierte Schneeballsystem bereits seit 1996 erkannt gehabt habe, das Betrugssystem weiter gefördert, indem er dieses anlässlich durchgeführter Betriebsprüfungen nicht aufdeckte und auch zukünftig seine Duldung in Aussicht stellte (Vorwurf der Beihilfe zum Betrug; §§ 267, 27 StGB). Außerdem habe er im Januar 1997 während einer Betriebsprüfung in Ettlingen von Manfred Schmider einen von diesem 1996 für DM 5.524 erworbenen Notebook/ Laptop nebst Zubehör zum ?symbolischen Preis? von DM 1000 und im August 1998 unter Vermittlung eines Autohauses einen Pkw der Marke VW Golf im Werte von DM 51.495 für ca. DM 30.000 als Gegenleistung dafür erhalten, dass er in seinen für die Jahre 1990 bis 1993 erstatteten (Zuwendung: Laptop) und für die Jahre 1994 bis 1998 anstehenden (Zuwendung: VW-Golf) Betriebsprüfungsberichten den Verdacht von Betrugsdelikten nicht aufgedeckt habe bzw. nicht aufdecken werde (Vorwürfe der Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsannahme, §§ 331, 332 StGB). Außerdem sei Manfred Schmider bei zwei Telefonaten Ende Januar/Anfang Februar 2000 vom Angeklagten über die für den 08.02.2000 von den Ermittlungsbehörden vorgesehene Festnahme informiert worden (Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses, §§ 353 b Abs.1 Nr.1 StGB).



Während die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim mit Ausnahme des Vorwurfs der Bestechlichkeit/Vorteilsannahme hinsichtlich des VW Golfs - insoweit wurde die Anklage zugelassen und die Hauptverhandlung eröffnet - einen hinreichenden Tatverdacht aus tatsächlichen Gründen nicht festzustellen vermocht hatte, hat der 3. Strafsenat auch bezüglich der anderen drei Anklagepunkte die Beweislage als ausreichend angesehen.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens sei zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO), wobei ein solcher Tatverdacht dann anzunehmen sei, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Für die Anwendung des Zweifelssatzes (in dubio pro reo) sei in diesem Verfahrensstadium noch kein Raum, vielmehr müsse die endgültige Bewertung der Beweisergebnisse, auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen, der späteren Hauptverhandlung überlassen bleiben. Dies habe die Wirtschaftsstrafkammer im Ergebnis verkannt.

Insbesondere gelte dies für die Aussagen des Manfred Schmider bei seinen Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft Mannheim im Jahre 2000 zum Vorwurf der Beihilfe zum Betrug, in welchen dieser - zwischenzeitlich beruft er sich auf sein Aussage-verweigerungsrecht nach § 55 StPO - bekundet hatte, der angeschuldigte Betriebsprüfer habe das FlowTex-Betrugssystem bereits 1996/1997 durchschaut gehabt. Hingegen sei den entlastenden Angaben des Zeugen Klaus Kleiser bei seiner persönlichen Ver-nehmung durch die Wirtschaftsstrafkammer am 13.05.2004 - dieser hatte dort an-gegeben, den Angeklagten früher zu Unrecht der Mitwisserschaft beschuldigt zu haben - zu viel Bedeutung beigemessen worden. Auch habe hinsichtlich des Vorwurfs der Bestechlichkeit durch die Überlassung des Laptops im Jahre 1997 auf das Fehlen eines Tatvorsatzes nicht einfach daraus geschlossen werden dürfen, dass das für DM 1.000 erworbene Notebook bereits ein Jahr alt gewesen sei, vielmehr hätte zunächst eine tatsächliche Wertermittlung stattfinden müssen. Entscheidend sei außerdem der enge sachliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Überlassung des Laptops und des VW Golf.

In rechtlicher Hinsicht hat der Senat darüber hinaus klargestellt, dass der Angeklagte bei Nachweis seiner tatsächlichen Kenntnis vom Fehlbestand an Horizontalbohrmaschinen zur Offenbarung seines Wissens gegenüber Finanzverwaltung, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen wäre, zumal alle betrügerischen Vorgänge auch steuerrechtlich relevant gewesen seien. Ob und inwieweit eine solche Offenbarung, wie von den Verteidigern des Angeklagten vorgetragen, erfolgt ist, müsse in der Hauptverhandlung geklärt werden.

Die Wirtschaftsstrafkammer wird nunmehr umfassend über die in der Anklage der Staatsanwaltschaft Mannheim vom 11.04.2003 gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe zu befinden haben. Ein Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung steht noch nicht fest.



Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 21. Juli 2005, 3 Ws 165/04

Hinweis:

Der Beschluss des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe steht in Zusammenhang mit dem derzeit beim Landgericht Karlsruhe anhängigen Zivilverfahren, in welchem 113 Banken, Leasinggesellschaften, Firmen und Einzelpersonen vom Land Baden-Würt-temberg wegen Amtspflichtverletzung Schadensersatz in Höhe von 1,1 Milliarden Euro fordern. Dort ist die Urteilsverkündung für den 26.07.2005 vorgesehen.

Hinweis auf den Gesetzestext

StPO § 203
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

RechtsgebieteStGB, StPOVorschriften§ 27 StGB, § 267 StGB, § 331 StGB, § 332 StGB, § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 55 StPO, § 203 StPO

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