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15.06.2004 · IWW-Abrufnummer 041380

Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 01.04.2004 – 5 U 1385/03


Geschäftsnummer: 5 U 1385/03
11 O 33/03 Landgericht Trier

Verkündet am 1. April 2004

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Urteil

in dem Rechtsstreit XXX

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz
hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Weller
für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 4. November 2003 teilweise geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.459,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW Mercedes-Benz 124 T/E 250 TD mit der Fahrgestell-Nr. WDB????.. und des Kraftfahrzeugbriefes-Nr. BC ??;
es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme des genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die weitergehende Klage und Berufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin hat am 6. April 2002 von dem Beklagten einen Pkw Mercedes Kombi, 250 TD, erstmals zugelassen am 2. Juni 1995, zum Preis von 10.000 EUR erworben. Der schriftliche Kaufvertrag (30 GA) sieht formularmäßig einen Gewährleistungsausschluss vor und enthält handschriftliche Eintragungen, über deren inhaltliche und rechtliche Bedeutung die Parteien teilweise streiten .

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmung, Parteianhörung) die Klage abgewiesen; auf Tatbestand und Entscheidungsgründe (127-134 GA) nimmt der Senat Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Trier vom 4. November 2003, Az. - 11 O 33/03 -, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 11.169,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 23. Dezember 2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des Pkw's der Marke Mercedes Benz 124 T/E 250 TD mit der Fahrgestell-Nr. WDB????.., Kraftfahrzeugbrief-Nr. BC ??;

2. unter Abänderung des Urteils des vorgenannten Urteils des Landgerichts Trier festzustellen, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme des unter Ziffer 1. genannten Pkw's der Marke Mercedes-Benz in Annahmeverzug befindet.
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beklagte unrichtige Beschaffenheitsgarantien hinsichtlich der Unfallfreiheit und der Laufleistung des Fahrzeugs gegeben hat.

II.

Die zulässige Berufung hat weitgehend Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises und unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen das Fahrzeug zurückzunehmen, ferner Schadensersatz hinsichtlich der Untersuchungskosten zu leisten (§§ 437 Nr. 2, Nr. 3, 434, 443, 444 BGB n.F.). Mit der Rücknahmeverpflichtung befindet er sich nach Rücktritt und Fristsetzung durch die Klägerin in Verzug.

1.
Die im Zuge der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen werden von den Parteien nicht in Zweifel gezogen (§ 529 Abs. 1, Ziff. 1 ZPO). Danach ist das der Klägerin verkaufte Fahrzeug jedenfalls hinsichtlich der angenommenen Fahrleistung nicht von der vereinbarten Beschaffenheit. Im Vertrag ist der Kilometerstand mit 207.172 angegeben. Die Parteien sind bei ihren Verhandlungen davon ausgegangen, dass diese Angabe der Gesamtfahrleistung des Pkw entspricht. Diese Annahme ist falsch, da nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Sach-verständigen der Wegstreckenzähler bei einer Laufleistung von über 300.000 km gewaltsam um 100.000 oder aber um 200.000 km zurückgedreht worden ist. Somit ist der der Klägerin veräußerte PKW mangelhaft (§ 434 BGB), da nach neuem Recht eine derartige Beschreibung der Beschaffenheit zum Vertragsinhalt wird, ohne dass es einer Zusicherung bedürfte (Palandt-Putzo, BGB, 63. Aufl., § 434, RN 13-16; Hampel, JuS 2003, 465).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Beklagte hinsichtlich der Gesamtlaufleistung des Mercedes aber auch eine "Garantie für die Beschaffenheit" übernommen, so dass der vereinbarte Gewährleistungsausschluss leerläuft (§§ 443, 444 BGB n.F.).

Ausgehend von den glaubhaften, nicht angegriffenen Zeugenaussagen und den Angaben der Parteien bei ihrer Anhörung ist dabei folgendes zu berücksichtigen:

Der Schwiegervater der Klägerin, der Zeuge M??. K?. führte in Anwesenheit der Klägerin für diese die Verhandlung. Sein Wissens- und Kenntnisstand ist (positiv wie negativ) nach den Grundsätzen der "Wissenszusammenrechnung" der Klägerin zuzurechnen (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 166 Rdnr. 8).

Dem Zeugen K?. kam es erkennbar darauf an, hinsichtlich aller preisbestimmenden Merkmale von dem Beklagten eindeutige und unmissverständliche Angaben zu erhalten. Er erfragte die Anzahl der Vorbesitzer, die Unfallfreiheit und die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs. Er handelte sodann den Preis von 11.300 EUR auf 10.000 EUR herunter mit der Bemerkung, dass ein Fahrzeug mit derart vielen Vorbesitzern kaum noch verkaufbar sei. Die anderen preisbestimmenden Merkmale spielten keine Rolle mehr, nachdem der Zeuge insoweit zufrieden stellende Angaben erhalten hatte. Die eindeutige Nachfrage des Zeugen K...., ob der Tachostand mit der Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges übereinstimme, hat der Beklagte (ohne eine Einschränkung zu machen) bejaht, nachdem zuvor der aktuelle Kilometerstand abgelesen und in das Formular übernommen worden war.

Wird berücksichtigt, dass der Zeuge K.... auch darum bat, den Vertrag des Beklagten mit dem Voreigentümer und das Scheckheft einzusehen, so wird deutlich, dass es ihm auf die Feststellung der wertbildenden Merkmale des Fahrzeugs wesentlich ankam. Da der Beklagte diese Urkunden nicht vorlegen konnte, liegt in der ansonsten nicht näher überprüfbaren Angabe, der Tachostand entspreche der tatsächlichen Laufleistung die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie (Palandt-Putzo, aaO, § 444, RN. 12). Selbst wenn der Zeuge K.... leichtgläubig gewesen sein sollte, wenn er dem Beklagten ohne weiteres vertraute, ändert dies nichts. Denn eine Garantieerklärung bindet unabhängig davon, ob sie verlässlich erscheint oder ersichtlich "ins Blaue hinein" abgegeben wird. Das Risiko der Unrichtigkeit trägt der Erklärende, nicht der Erklärungsempfänger.

Die Garantieübernahme nach neuem Recht ist an die Stelle der Zusicherung einer Eigenschaft getreten, so dass die dazu entwickelten Kriterien weiter herangezogen werden können (Hampel a.a.O, 467).

2.
Infolge der unrichtigen Beschaffenheitsgarantie (Laufleistung) kann die Klägerin sowohl Rücktritt als auch Schadensersatz geltend machen (§§ 437 Nr. 2, 3, 325 BGB n.F.). Sie kann daher den vereinbarten Kaufpreis (§ 346 Abs. 1 BGB n.F.) zuzüglich der Untersuchungskosten verlangen (§ 280 BGB n.F.), die zur Höhe nicht bestritten sind (Bl. 6, 28 GA). Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs bedarf es keines Verschuldens (§ 276 Abs.1, Satz 1 BGB n.F.), weil im Falle der Zusicherung einer Beschaffenheit verschuldensunabhängig gehaftet wird (Palandt-Heinrichs, aaO, § 276, Rdnr. 29).

3.
Die Klägerin muss sich jedoch die Vorteile der Nutzung des Fahrzeuges anrechnen lassen. Beim Gebrauchtwagenkauf berechnet der Senat die Nutzungsvorteile nach einer linearen Amortisation unter Berücksichtigung der gefahrenen Kilometer und der Restlaufleistung des Fahrzeugs, die die Parteien bei ihrem Vertragsschluss (stillschweigend) zugrunde gelegt haben (Senat in VRS Band 96, 241 und Band 84, 243; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnrn. 313, 315, 321, 322).
Hier kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Mercedes im Zeitpunkt der Übergabe tatsächlich 300.000 km oder 400.000 km gelaufen war. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kaufpreis von 10.000 EUR unter Berücksichtigung der angenommenen (bisherigen) Gesamtlaufleistung von 200.000 km marktangemessen war. Die anzunehmende Restlaufleistung des Fahrzeugs schätzt der Senat auf dieser Grundlage auf etwa 150.000 km.

Der Nutzungsvorteil pro Kilometer wird demnach dadurch errechnet dass der Kaufpreis von 10.000 EUR multipliziert wird mit der unstreitigen Fahrleistung der Klägerin von 10.588 km, so dann dividiert wird durch die angenommene Restlaufleistung von 150.000 km. Danach ergibt sich eine Nutzungsentschädigung von 0,067 EUR pro Kilometer, multipliziert mit der gefahrenen Anzahl der Kilometer einen Nutzungsvorteil von (gerundet) 710 EUR.

Demgegenüber kann die Klägerin ihrerseits nicht mit "werterhöhenden Aufwendungen" von 232,21 EUR "gegenrechnen". Denn die Voraussetzungen des § 347 Abs.2 BGB n.F. sind nicht hinreichend dargelegt (Bl. 7 GA).

4.
Nach alledem ist das Urteil des Landgerichts wie aus dem Urteilsausspruch ersichtlich zu ändern. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte insgesamt zu tragen (§ 92 Abs. 2, Ziff. 1.), da die Zuvielforderung der Klägerin gering ist und ein Gebührensprung im Streitwertbereich von 10.000 bis 13.000 EUR nicht vorkommt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf einer dem Tatrichter vorbehaltenen Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen beruht und weder grundsätzliche Bedeutung hat noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Streitwert: bis 13.000 EUR.

RechtsgebietBGBVorschriften§§ 437 Nr. 2, Nr. 3, 434, 443, 444 BGB n.F.

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