Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

23.05.2003 · IWW-Abrufnummer 031193

Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 20.05.2003 – 4 U 1532/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer:
4 U 1532/02
12 HK.O 107/02 Landgericht Mainz

Verkündet am 20. Mai 2003

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Urteil

In Sachen XXX

wegen Unterlassungsanspruchs

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht XX auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2003 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer ? 2. Kammer für Handelssachen ? des Landgerichts Mainz vom 21. November 2002 abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000 ? verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Ärzten für die angebliche prä- und postoperative Untersuchung ihrer Patienten eine Zuweisungspauschale von insgesamt 52,00 ? anzukündigen und / oder zu gewähren wie in ihrem Schreiben vom 28.08.2002.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Der Verfügungskläger ( im Folgenden: Kläger ) begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der Verfügungsbeklagten ( im Folgenden: Beklagten ) bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 ? zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken niedergelassenen Augenärzten für die prä- und postoperative Untersuchung ihrer Patienten eine Zuweisungspauschale von insgesamt 52,00 ? anzukündigen oder zu gewähren.
Mit einem an alle niedergelassenen Zuweiser der Region gerichteten Schreiben vom 28.08.2002 ( GA Bl. 7 ) hatte die Beklagte mitgeteilt, dass sie den Angeschriebenen für alle in den gesetzlichen Krankenversicherungen versicherten Patienten, die an ihrer ? der Beklagten ? Augenklinik kataraktoperiert würden, im Rahmen eines Qualitätssicherungsprogramms nach Erfüllung näher beschriebener formaler Voraussetzungen eine prä- und postoperative Zuweiserpauschale von 52,00 ? zahlen könne.
In dieser Ankündigung sieht der Kläger eine sittenwidrige, zumindest irreführende Wettbewerbshandlung sowie einen Verstoß gegen § 31 der Berufsordnung für die Ärzte in Rheinland-Pfalz und begehrt deren Unterlassung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Mainz vom 21.11.2002 ( GA Bl. 50 f. ) Bezug genommen, mit dem dieses den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt hat, da der Kläger nicht glaubhaft gemacht habe, dass die versprochene Pauschale ein unerlaubtes Entgelt i.S.v. § 31 der Berufsordnung für Ärzte in Rheinland-Pfalz sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen Verfügungsantrag weiter verfolgt.

Er trägt wiederholend und ergänzend vor,
eine Glaubhaftmachung sei nicht erforderlich gewesen, da sich alle entscheidungserheblichen Tatsachen aus dem seinem Inhalt nach unbestrittenen Werbeschreiben vom 28.08.2002 ergäben. Im Übrigen sei sein Sachvortrag durch das mit Schriftsatz vom 18.11.2002, den das Landgericht allerdings fälschlich faktisch unberücksichtigt gelassen habe, vorgelegte Gutachten des Dr. S??-A?.. hinreichend glaubhaft gemacht. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Da der Zuweiser lediglich die ohnehin üblichen Leistungen erbringe, hätte die Beklagte darlegen müssen, dass zusätzliche Leistungen erbracht würden, die 52,00 ? wert seien.
Zumindest habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast überspannt. Die Zuweiserpauschale sei aus der Empfängersicht so zu verstehen, dass zumindest ein Teil des Betrages von 52,00 ? für die Zuweisung und nicht für die anderen genannten Leistungen bezahlt werde, was unzulässig sei. Zumindest sei die Ankündigung irreführend.
Dass eine verdeckte Zuweiserpauschale angekündigt werde, ergebe sich aus dem Werbeschreiben der Beklagten. Aus dem Umstand nämlich, dass der Dokumentationsbogen erst nach Abschluss der Nachuntersuchung an die Beklagte geschickt werde, ergebe sich, dass die Beklagte die angeblichen Leistungen gar nicht benötige.
Die als zu vergüten beschriebenen Leistungen müsse der niedergelassene Arzt ohnehin erbringen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Mainz vom 21.11.2002 ( 12 HK.O 107/02 ) abzuändern und eine einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt zu erlassen:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Ordnungs geldes bis zu einer Höhe von 250.000 ? verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Ärzten für die angebliche prä- und postoperative Untersuchung ihrer Patienten eine Zuweisungspauschale von insgesamt 52,00 ? anzukündigen und oder zu gewähren wie in dem Schreiben vom 28.08.2002.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt wiederholend und ergänzend vor,
das Landgericht habe die gutachterliche Stellungnahme des Dr. S??-A?. zu Recht unberücksichtigt gelassen, da es sich um neuen Sachvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehandelt habe. Den Zuweisern würden zusätzliche Leistungen vergütet. Die Pauschale sei näherungsweise auf der Basis einer isolierten prä-operativen und zweier postoperativer Untersuchungen und Beratungen bemessen worden.
Für die angesprochenen Fachkreise sei klar, dass das angekündigte Entgelt nicht lediglich für die Zuweisung bezahlt werden sollte, sondern als Entgelt für den Aufwand im Zusammenhang mit der prä- und postoperativen Versorgung.
Selbst wenn einzelne Ärzte einem diesbezüglichen Irrtum unterliegen würden, sei dies im übergeordneten Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Kostendämpfung in Kauf zu nehmen.
Wenn auch die niedergelassenen Ärzte für die prä- und postoperative Versorgung Leistungen der Krankenkassen erhielten, seien diese keineswegs auskömmlich.
Sie ? die Beklagte ? erhalte von den Krankenkassen eine Fallpauschale, die auch die Vor- und Nachsorge umfasse. Falls letztere nicht von ihr ? der Beklagten ? ausgeführt werde, leite sie den hierauf entfallenden Teilbetrag von 52,00 ? an den niedergelassenen Arzt weiter. Sie werde aufgrund einer am 01.09.2001 in Kraft getretenen Vereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen aus Vereinfachungsgründen quasi als Zahlstelle für die Krankenkassen tätig. Es handele sich insoweit um eine in § 115 b SGB V ausdrücklich vorgesehene zusätzliche Vergütung. Durch diese Handhabung entstehe für sie kein Wettbewerbsvorsprung, da jedes Krankenhaus nach Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit den Krankenkassen in gleicher Weise verfahren könne.

Der Kläger erwidert insoweit ergänzend:
Der von der Beklagten vorgelegte Vertrag belege nicht, dass sie für die Krankenkassen quasi als Zahlstelle tätig werde. Dies komme auch in dem Werbeschreiben an keiner Stelle zum Ausdruck. Durch das Verhalten der Beklagten werde das System der ärztlichen Vergütung durchbrochen. Aufgrund eines eigenen wirtschaftlichen Interesses verzerre sie den Wettbewerb.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren und der in diesem gestellten Anträge wird auf die Berufungsbegründung vom 27.01.2003 ( GA Bl. 69 f. ), die Berufungserwiderung vom 23.04.2003 ( GA Bl. 95 f. ), den Schriftsatz der Klägervertreter vom 24.04.2003 ( GA Bl. 127 f. ) und den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 28.04.2003 ( GA Bl. 157 f. ) ? jeweils nebst Anlagen ? und die Sitzungsniederschrift vom 29.04.2003 ( GA Bl. 165 f. ) Bezug genommen.

Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

Der Antrag des Klägers ist begründet, da ihm ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 1 UWG i.V.m. der Berufsordnung für die Ärzte in Rheinland-Pfalz zusteht.

Die die Ärzte betreffenden Regelungen der Berufsordnung dienen dem Schutz der Volksgesundheit. Es handelt sich um wertbezogene Normen, gegen die zu verstoßen zugleich eine Zuwiderhandlung gegen § 1 UWG bedeutet ( BGH GRUR 1978, 255 f.; OLG Schleswig-Holstein, MedR 2001, 579 f. m.w.N. ).

Mit dem Inhalt ihres Schreibens vom 28.08.2002 ( GA Bl. 7 ) verstößt die Beklagte in mehrfacher Hinsicht gegen die Berufsordnung.

Gemäß § 31 der Berufsordnung ist es dem Arzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu versprechen oder zu gewähren. Dies schließt auch das Verbot mit ein, bei dem Adressaten einer ärztlichen Mitteilung den Eindruck zu erwecken, es werde ein solches Entgelt versprochen.

Für den niedergelassenen Arzt gibt der Inhalt des Schreibens vom 28.08.2002 nach Auffassung des Senats hinreichend Anlass zu der Annahme, er erhalte im Falle der Zuweisung eines Patienten an die Beklagte ein Entgelt, wofür er keine nennenswerte zusätzliche Leistung zu erbringen habe, im Wesentlichen also die Zuweisung als solche abgegolten werden soll.
Die Beklagte hat selbst eingeräumt ( GA Bl. 107/108 ), dass der niedergelassene Arzt selbstverständlich ohnehin die Voruntersuchung und die Aufklärung des Patienten vornehmen müsse und auch sie ? die Beklagte - lediglich unterstütze. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Schreiben vom 28.08.2002 und dem Sachvortrag der Beklagten, dass eine ohnehin vom Einweiser zu erbringende ärztliche Leistung zusätzlich honoriert werden soll. Dies macht insbesondere der Schlusssatz deutlich, in dem die Beklagte ihrer Hoffnung Ausdruck gibt, ?der Problematik der fehlenden Honorierung der Zuweiser im Zusammenhang mit der ambulanten Katarakt-Operation abzuhelfen?.

Ihren Sachvortrag, wonach sie quasi als Zahlstelle im Auftrag der Sozialversicherungsträger die Pauschale aus Vereinfachungsgründen an die niedergelassenen Ärzte abführe, hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Weder der zu diesem Zweck vorgelegten Vereinbarung vom 15. / 16.08.2001 ( GA Bl. 119 f. ) noch der eidesstattlichen Versicherung des Direktors der Beklagten vom 28.04.2003 ( GA Bl. 161 / 162 ) lassen sich entsprechende Anhaltspunkte für eine solche Absprache entnehmen.

Mit der Ankündigung der Gewährung der Zuweiserpauschale missachtet die Beklagte darüber hinaus das Recht der Patienten, den Arzt frei zu wählen ( § 7 Abs.2 S. 1 Berufsordnung ).
Durch das dem niedergelassenen Arzt gegenüber abgegebene Versprechen der Zahlung wird dessen Entscheidungsspielraum, welchen ambulanten Operateur er seinem Patienten für die weitere Behandlung vorschlägt, in einer dem Verbot des § 31 Berufsordnung zuwiderlaufenden, unzulässigen Art und Weise eingeschränkt.

Hat der niedergelassene Arzt bei der Beratung des Patienten über die Möglichkeiten der weiteren ambulanten operativen Versorgung mehrere in Betracht kommende, qualitativ gleichwertige Operateure zur Auswahl, wird er nach allgemeiner Lebenserfahrung seinem Patienten denjenigen empfehlen, bei dem er ? der niedergelassene Arzt ? bei sonst vergleichbaren Bedingungen selbst einen wirtschaftlichen Vorteil hat. Hat er von einem der möglichen Operateure eine Zahlung zu erwarten, bei einem anderen aber nicht, liegt es auf der Hand, dass er seinem Patienten zu Ersterem raten wird.

Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten in Aussicht gestellte Zahlung von insgesamt 52,00 ? ganz oder teilweise ein echtes Honorar für erhöhten Aufwand beim niedergelassenen Arzt darstellt oder als reine Abgeltung der Zuweisung ohne tatsächliche Leistung zu qualifizieren ist.
Auch in ersterem Fall stellt die Zahlung einen Vorteil im Sinne eines zusätzlichen Umsatzes beim niedergelassenen Arzt dar, der ? wenn auch in abgeschwächter Form ? den Vorschlag an den Patienten für den weiteren Behandler zu beeinflussen geeignet ist und damit die Gefahr in sich birgt, dass dem freien Wahlrecht des Patienten infolge eingeschränkter Darstellung der in Betracht kommenden Operateure nicht hinreichend Geltung verschafft wird.

Demnach erweist sich das Vorgehen der Beklagten als berufsordnungs- und damit sittenwidrig, weshalb es zu untersagen ist. Daran vermögen auch die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 16.05.2003, soweit überhaupt berücksichtigungsfähig, nichts zu ändern.

Die Ordnungsmittelandrohung beruht auf § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 ? festgesetzt.

RechtsgebietUWG i.V.m. Berufsordnung für Ärzte Rheinland-PfalzVorschriften§ 1 UWG, § 31 Berufsordnung

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr