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22.05.2002 · IWW-Abrufnummer 020604

Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 25.01.2002 – Ss 16/02 (B)

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS

Ss 16/02 (B)

In der Bußgeldsache

pp.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgericht Köln vom 19. November 2001, auf den Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist sowie auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 2. Juli 2001, hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln nach Anhörung der General Staatsanwaltschaft gemäß § 46 StPO, §§ 46, 79 Abs. 5 OWiG

am 25. Januar 2002

beschlossen:

Tenor:

I.

Dem Betroffenen wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

II.

Der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 19. November 2001 ist damit gegenstandslos.

III.

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Köln zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 200,00 DM und zu einem Fahrverbot von der Dauer eines Monats verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 31.10.2000 um 18.25 Uhr mit einem PKW in K die B Straße stadtauswärts mit einer Geschwindigkeit von 82 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der innerorts gelegenen Straße nur 50 km/h betrug. Der Betroffene hat sich eingelassen, er habe das Tempo-50-Schild nicht gesehen, vor dem Tatort sei eine Strecke lang 70 km/h erlaubt und er habe nicht bemerkt, dass die 70 km/h-Zone an der B Straße zu Ende gewesen sei.

Das Amtsgericht hat unter anderem ausgeführt:

"Soweit der Betroffene erklärt hat, er habe die Tempo-50-Schilder nicht gesehen, beruht dies nach Auffassung des Gerichts auf Unaufmerksamkeit, da zwei Schilder rechts und links der Fahrbahn deutlich aufgestellt sind, wie der Zeuge bekundet hat."

Durch Schriftsatz seines bevollmächtigten Verteidigers hat der Betroffene rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt. Das Urteil ist dem Betroffenen persönlich am 23.08.2001 zugestellt worden. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 05.10.2001 - am gleichen Tag beim Amtsgericht eingegangen - ist die Rechtsbeschwerde begründet und beantragt worden, das Fahrverbot unter Erhöhung der Geldbuße aufzuheben. Durch Beschluss vom 19.11.2001 hat das Amtsgericht "den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde" als unzulässig verworfen, da die Rechtsbeschwerde nicht rechtzeitig begründet worden sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, mit dem vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird. Zur Begründung wird vorgetragen, der Verteidiger habe das angefochtene Urteil am 05.09.2001 formlos erhalten, deshalb sei die Rechtsbeschwerdebegründung rechtzeitig erfolgt.

Das Amtsgericht hat zutreffend die Rechtsbeschwerdebegründung als verspätet angesehen.

Der Betroffene hat die Monatsfrist gemäß § 345 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG versäumt. Sie begann mit der Zustellung des angefochtenen Urteils am 23.08.2001 und endete am Montag, den 24.09.2001, wurde also durch den am 05.10.2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nicht gewahrt. Die Zustellung an den Betroffenen war wirksam. Die Bestimmung des § 145 a Abs. 1 StPO, wonach Zustellungen an den gewählten Verteidiger vorgenommen werden können, begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen für den Betroffenen an den Verteidiger zu bewirken. Zustellungen an den Betroffenen selbst sind vielmehr wirksam und setzen die Rechtsmittelfristen in Lauf (BayObLG NStZ-RR 2000, 110; SenE v. 29.10.2001 - Ss 437/01 (Z)).

Dem Betroffenen ist jedoch gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, da die Fristversäumung nicht durch ihn verschuldet worden ist. Der aus den Akten ersichtliche Verfahrensablauf lässt erkennen, dass der Betroffene das seinerseits Erforderliche veranlasst hat, um nicht nur die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels gegen das Urteil vom 02. Juli 2001, sondern auch dessen prozessordnungsgemäße Begründung in die Wege zu leiten, indem er nämlich seinen Verteidiger mit der Durchführung des Rechtsmittels beauftragte. Demgemäß hat der Verteidiger hier zunächst die Rechtsbeschwerde eingelegt und danach - ohne weiteres Zutun des Betroffenen - auch die Rechtsmittelbegründung gefertigt.

Grundsätzlich kann der Betroffene, der seinen Verteidiger mit der Durchführung eines Rechtsmittels beauftragt hat, davon ausgehen, dass dieser den Auftrag vollständig und ordnungsgemäß erledigt (SenE VRS 100, 186 und SenE v. 29.10.2001 - Ss 437/01 Z). Versäumt der mit der Durchführung des Rechtsmittels beauftragte Verteidiger die Rechtsmittelbegründungsfrist, weil er ohne weiteres davon ausgeht, das Urteil sei dem Angeklagten an dem selben Tag zugestellt worden, an dem er unter formloser Übersendung einer Urteilsabschrift von der Zustellung unterrichtet wurde, liegt grundsätzlich kein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Mitverschulden des Betroffenen darin, dass er den Verteidiger nicht vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an sich in Kenntnis gesetzt und von sich auch sonst nichts unternommen hat, um auf die Wahrung der Frist hinzuwirken (BayObLG NZV 2000, 380 = VRS 98, 195, SenE v. 29.10.2001 - Ss 437/01).

Infolge der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist ist der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts vom 19.11.2001 gegenstandslos (vgl. SenE v. 15.09.2000 - Ss 370/00, Kuckein in KK StPO, 4. Aufl., § 346 Rdn. 29 m.w.N., Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO, 25 Aufl., § 346 Rdn. 38).

Die nach Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung zulässige Rechtsbeschwerde, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, da der Schuldumfang der Verkehrsordnungswidrigkeit nicht hinreichend klar festgestellt ist. Eine wirksame Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass in der angefochtenen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen sind (SenE v. 5.3.1993 - Ss 41/93 B, Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 79 Rdnr. 32 m.w.N., Steindorf in KK-OWiG, 2. Aufl., § 79 Rdnr. 143). Für die Rechtsbeschwerde gelten nach § 79 Abs. 3 OWiG die Vorschriften der StPO über die Revision. Für die Revisionsbeschränkung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Berufungsbeschränkung i. S. des § 318 StPO (vgl. SenE v. 10.4.2001 - Ss 136/01, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 344 Rdnr. 7). Eine Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist ebenso wie eine solche Beschränkung der Berufung unwirksam, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch sind (SenE v. 13.8.1996 - Ss 393/96, zu § 318 StPO vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 318 Rdnr. 16 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch für die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch.

Geht es um die Verhängung eines Regelfahrverbots nach § 2 BKatV, so geben die Feststellungen zur Tat nur dann eine Grundlage für die zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolge, wenn erkennbar ist, ob dem Betroffenen grob pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist oder ob ihm nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt. Seit der BGH-Entscheidung vom 11.09.1997 - 4 StR 638/96 (= DAR 1997, 450 = NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525 = VRS 94, 221) ist anerkannt, dass ein Fahrverbot wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nicht in Betracht kommt, wenn die Ordnungswidrigkeit darauf beruht, dass der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit ein die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen hat und ihm sich diese Geschwindigkeitsbeschränkung auch nicht aufdrängen musste (SenE VRS 97, 375, SenE v. 21.03.2000 - Ss 50/00). Folglich muss den Feststellungen zur Schuldfrage insbesondere zu entnehmen sein, ob ein vom Betroffenen geltend gemachtes sogenanntes Augenblicksversagen ausgeschlossen ist. Die Frage der subjektiv besonderen Verantwortungslosigkeit des Täters, die Voraussetzung für die Anordnung eines Fahrverbotes ist (vgl. BGH a.a.O.), hängt mit dem Schuldspruch untrennbar zusammen (SenE VRS 101, 218). Sie kann daher nicht losgelöst von den Schuldfeststellungen beantwortet werden.

Da im vorliegenden Fall dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden kann, ob das Amtsgericht von einem grob pflichtwidrigem Verhalten oder nur einfacher Fahrlässigkeit ausgegangen ist, ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen erfasst folglich auch den Schuldspruch.

Die somit unbeschränkte Rechtsbeschwerde ist auch begründet, da das angefochtene Urteil materiell-rechtlich unvollständig ist. Wie zur Frage der Rechtsmittelbeschränkung schon ausgeführt, enthält das Urteil keine sichere Tatsachengrundlage für die Rechtsfolgenentscheidung. Es bleibt unklar, ob das Amtsgericht dem Betroffenen eine grobe Pflichtwidrigkeit oder nur einfache Fahrlässigkeit vorwirft. Nähere Darlegungen hierzu drängten sich aber auf, da der Betroffene sich darauf berufen hat, er habe das Verkehrszeichen, das die zunächst erlaubte Geschwindigkeit von 70 km/h wieder auf die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h beschrankt habe, übersehen. Der Betroffene machte damit ein Augenblicksversagen geltend Wenn das Amtsgericht hierzu ausführt, das Übersehen der beiden rechts und links der Fahrbahn aufgestellten Verkehrszeichen beruhe auf Unaufmerksamkeit, so wird damit nur eine leichte Fahrlässigkeit begründet. Es fehlt aber die Darlegung, dass die Fehlleistung, die in dem Übersehen der Verkehrszeichen besteht, ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht (vgl. BGH a.a.O.). Insbesondere kann dem Urteil nicht entnommen werden, dass wegen der Art der Bebauung oder der Straßenführung sich eine Reduzierung der vorher zulässigen Höchstgeschwindigkeit aufdrängte (vgl. SenE v. 26.01.2000 - Ss 627/99).

RechtsgebieteStPO, OWiG, StPO, BKatVVorschriftenStPO § 46 StPO § 345 Abs. 1 StPO § 145 a Abs. 1 OWiG § 46 OWiG § 79 Abs. 5 OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG § 79 Abs. 3 StPO § 318 BKatV § 2 Verfahrensgang: AG Köln

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