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13.02.2002 · IWW-Abrufnummer 020214

Bundesgerichtshof: Urteil vom 06.12.2001 – 1 StR 215/01

Vergibt der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muß vielmehr gravierend sein.



Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.



Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

1 StR 215/01

vom

6. Dezember 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 4. Dezember 2001 in der Sitzung am 6. Dezember 2001, an denen teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 29. Dezember 2000 im Ausspruch über die Gesamtgeldstrafen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 150 DM verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen Untreue in vier Fällen und wegen Anstiftung zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 200 DM verurteilt und ihn wegen eines weiteren Teilkomplexes freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Eine im Revisionsverfahren vorgenommene Verfahrensbeschränkung führt zur Aufhebung der Gesamtgeldstrafen; im übrigen sind die Revisionen nicht begründet.

A.

Der Angeklagte K. war von 1973 bis Oktober 1998 Vorstandsvorsitzender der Südwestdeutschen Verkehrs AG (künftig: SWEG) mit Sitz in Lahr. Alleinaktionär der Gesellschaft ist das Land Baden-Württemberg. Das Tätigkeitsgebiet des Verkehrsunternehmens erstreckt sich von Lörrach über die Ortenau und das Rhein-Neckar-Gebiet bis nach Bad Mergentheim. Zur wirtschaftlichen Lage hat das Landgericht festgestellt:

Das Stammkapital betrug am 14. September 1971 5.081.000,00 DM. Im Dezember 1991 erfolgte eine Erhöhung auf 10.081.000,00 DM. 1992 und 1993 wies die SWEG ausweislich den Gewinn- und Verlustrechnungen jährliche Fehlbeträge von 10 bzw. 5,4 Mio. DM auf, 1994 wurde dann ein Jahresüberschuß von 253.000,00 DM erwirtschaftet, der 1995 auf 284.000,00 DM und 1996 auf 351.000,00 DM gesteigert werden konnte. 1992 betrug die ausgewiesene Bilanzsumme 166 Mio. DM, 1996 173 Mio. DM. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte jährliche Bilanzverlust verringerte sich von 13,5 Mio. DM im Jahr 1992 über 8,6 Mio. DM auf rd. 4 Mio. DM zum Jahresende 1996.

Der Angeklagte S. war seit 1989 Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, wechselte 1992 als Minister ins Verkehrsministerium und wurde ab 1996 nach der Vereinigung zweier Ministerien Umwelt- und Verkehrsminister. In seiner Eigenschaft als Verkehrsminister wurde er turnusmäßig zum 1. Januar 1996 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der SWEG gewählt. Von dem Ministeramt trat er im Oktober 1998 zurück und ist heute als Rechtsanwalt in Reutlingen tätig.

Der Angeklagte S. war seit November 1995 auch Präsident des Sportvereins SSV Reutlingen. Der Verein hatte seit 1993 finanzielle Probleme. Bereits in den 80er Jahren hatte der Angeklagte eine Vielzahl von Sponsoren aus dem Bereich der Wirtschaft dazu gebracht, dem Verein Darlehen oder Spenden zukommen zu lassen.

B.

I.

Zu dem Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

1. Mitte des Jahres 1995 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzenden der SWEG heran und forderte ihn zu einer Spende für den SSV Reutlingen auf. Zu dieser Zeit stand bereits fest, daß der Angeklagte S. in absehbarer Zeit turnusmäßig den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der SWEG übernehmen würde. Der Angeklagte K. ließ daraufhin einen Betrag von 25.000 DM von der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse überweisen, die überwiegend für Barausgaben für die Mitglieder des Aufsichtsrats und ähnliche Aufwendungen bestimmt war. Die Sekretariatskasse lief nicht über die Hauptbuchhaltung. Seine Sekretärin hob einen Betrag von 20.000 DM ab und der Angeklagte K. übergab dem Angeklagten S. das Geld, das - wie dieser wußte - aus dem Vermögen der SWEG stammte, in einem neutralen Briefumschlag in einem Hotel in Reutlingen. Dem Angeklagten S. war bewußt, daß allein seine Aufforderung den Angeklagten K. zu der Spende veranlaßte, weil K. sich ihm als Verkehrsminister und künftigen Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewogen zeigen und ihm einen Gefallen erweisen wollte. Der Angeklagte K. ließ zur Verbuchung des Betrages für die Hauptkasse einen Beleg mit dem Vermerk: "Zuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen" erstellen. Der Angeklagte S. hinterlegte die 20.000 DM in zwei Briefumschlägen in dem Hotel in Reutlingen, wo sie von einer Mitarbeiterin des Reutlinger Wochenblattes, dessen Anzeigenleiter für die Herausgabe der Stadionzeitung und Werbemaßnahmen verantwortlich war, abgeholt wurde. Die Briefe wurden in den Verlagsräumen in das Fach des SSV Reutlingen gelegt, wo sie von nicht näher festzustellenden Verantwortlichen des Vereins abgeholt wurden. Die weitere Verwendung der Gelder konnte nicht aufgeklärt werden; in den Geschäftsbüchern des Vereins erfolgte keine Verbuchung.

2. Im Januar 1996 war der Angeklagte S. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der SWEG gewählt worden. Er erbat vom Angeklagten K. eine weitere Zahlung von 15.000 DM für den Sportverein. Der Angeklagte K. wollte dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden wiederum einen Gefallen erweisen. Die Beschaffung des Betrages erfolgte erneut über das Konto der Sekretariatskasse. Der Angeklagte K. übergab das Geld in bar an den Angeklagten S. in einem Restaurant in Freudenstadt. Auf dem Beleg für die Buchhaltung war als Zweck auch diesmal die Jugendarbeit des SSV Reutlingen vermerkt. Tatsächlich kam der Betrag dem Verein nur auf Umwegen zugute. Der Angeklagte S. schenkte den Betrag einem Gönner des Vereins, der dem Verein Darlehen in großer Höhe gewährt hatte. Da dieser Förderer sein Engagement 1995 deutlich reduziert hatte, dienten die 15.000 DM dazu, den Mäzen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen.

3. Im Juni 1997 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. erneut wegen einer Spende von 10.000 DM heran, die auch diesmal vom Angeklagten K. aus der Hauptkasse über das Konto der Sekretariatskasse beschafft wurde. In einem weiteren Vermerk hielt er fest, daß 10.000 DM dem SSV Reutlingen für die Jugendarbeit zugewendet worden seien. Tatsächlich händigte der Angeklagte S. den Betrag einem weiteren Mäzen aus, um diesen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen, da auf ein gewährtes Darlehen vom Verein keine Rückzahlungen geleistet worden waren. Die anderen Funktionäre des Vereins erfuhren von dieser Zahlung nichts, in der Buchhaltung des Vereins ist der Betrag als teilweise Kreditrückführung nicht enthalten.

II.

Den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue leitet die Strafkammer hinsichtlich des Angeklagten K. daraus her, daß er seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender der SWEG mißbraucht habe. Er habe die Zahlungen an den SSV Reutlingen aus Mitteln der SWEG nur deshalb getätigt, um dem damaligen Verkehrsminister und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden einen Gefallen zu tun; deshalb sei die von ihm vertretene SWEG bei keiner Geldübergabe in Erscheinung getreten und die Empfänger der Gelder hätten von der wahren Person des Spenders nichts erfahren. Dem Angeklagten stehe zwar aufgrund seiner Leitungsbefugnis als Vorstand einer Aktiengesellschaft für sein unternehmerisches Handeln ein Ermessensspielraum zu (§ 76 AktG). Dazu könnten auch Spenden der Aktiengesellschaft für wissenschaftliche, künstlerische oder sportliche Zwecke u.a. gehören. Dabei müßten immer die Interessen der Anteilseigner der Gesellschaft gewahrt sein. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Zuwendungen einen betrieblichen Bezug hätten.

Der Angeklagte S. sei im Fall II. 1a der Anstiftung zur Untreue schuldig, weil er den Angeklagten K. zu der ersten Zahlung bestimmt habe. Dieser habe sich zu der Zahlung verleiten lassen, weil der seinerzeitige Verkehrsminister und Angeklagte S. als Vorsitzender des Aufsichtsrats vorgesehen und für das Verkehrsunternehmen SWEG von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Nachdem der Angeklagte S. Aufsichtsratsvorsitzender geworden war und den Angeklagten K. zu zwei weiteren Zahlungen veranlaßt habe, habe er gegen seine Aufsichtsratspflichten nach § 116 AktG verstoßen, indem er kollusiv mit dem Vorstandsvorsitzenden zum Nachteil der Gesellschaft zusammengewirkt habe.

III.

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten, die Auffassung der Strafkammer, wonach Ausgaben der SWEG für unternehmensfremde Zwecke nur dann statthaft seien, wenn ihnen ein betrieblicher Bezug jedenfalls unter dem Aspekt von "public relations" für das Unternehmen zukomme, werde dem Geschäftsführungsermessen des Vorstands nicht gerecht. Es sei selbstverständlich, daß eine Aktiengesellschaft unter Werbeaspekten auch hohe Ausgaben für das Sponsoring von Sportlern oder Sportvereinen tätigen dürfe. Der Aspekt des Vorteils für das Unternehmen sei jedoch nicht allein maßgeblich. Eine Aktiengesellschaft dürfe auch "non-profit-Ausgaben" tätigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht nach außen in Erscheinung trete. Dabei dürften auch persönliche Präferenzen eine Rolle spielen.

Hiervon unabhängig habe jedenfalls die erste Zahlung von 20.000 DM zugunsten des SSV Reutlingen nicht zu einem Vermögensschaden bei der SWEG geführt, weil nach der festgestellten Gesamtsituation die "Landschaftspflege" im politischen Bereich der Gesellschaft wirtschaftliche Vorteile bringen konnte, die die eingesetzten Mittel aufgewogen oder sogar weit übertroffen hätten.

Die Beanstandungen haben keinen Erfolg.

IV.

Soweit der Angeklagte K. aus dem Vermögen der SWEG Zuwendungen an den SSV Reutlingen getätigt hat, hat die Strafkammer seine Strafbarkeit nach dem Mißbrauchstatbestand des § 266 StGB beurteilt.

Als Vorstandsvorsitzender hatte der Angeklagte K. die Befugnis, über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Zwar ist nicht ausdrücklich festgestellt, daß er im Außenverhältnis alleinvertretungsbefugt war (vgl. § 78 Abs. 2 AktG). Das kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben. Die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten K. im Sinne des Mißbrauchstatbestands und seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestandes stimmten hier überein (vgl. BGH NJW 1984, 2539, 2540). Hat er bei im Außenverhältnis wirksamen Verfügungen gegen seine Vermögensbetreuungspflicht verstoßen, so hätten die Maßnahmen auch einen Verstoß gegen seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestands dargestellt.

1. Die gesellschaftsrechtlichen internen Pflichten des Vorstands sind von §§ 76, 93 AktG umschrieben. Nach § 76 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten; gemäß § 93 AktG hat er dabei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Weiter ins einzelne gehende Regelungen enthält das Aktiengesetz dagegen nicht. Satzungsrechtliche Konkretisierungen dieser Pflichten hat das Landgericht nicht festgestellt.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Frage der Schadensersatzpflicht des Vorstandes gegenüber der Aktiengesellschaft dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens einen weiten Handlungsspielraum zugebilligt. Ohne ihn sei eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar (BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244, 253 "ARAG"; Henze NJW 1998, 3309, 3310).

b) Dieser weite Handlungsspielraum gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Vorstand als Ganzes oder einzelne seiner Mitglieder Zuwendungen leisten zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport.

In der aktienrechtlichen Diskussion ist es heute unumstritten, daß eine Beteiligung am Sozialleben durch mildtätige, politische, kulturelle oder an den Sport gerichtete Zuwendungen auch für Aktiengesellschaften im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit gesellschaftsrechtlich grundsätzlich zulässig ist (nur beiläufig BGHZ 23, 150, 157; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 76 Rdn. 14; Hopt in Großkomm. AktG 4. Aufl. § 93 Rdn. 120; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG 2. Aufl. § 76 Rdn. 32; Fleischer AG 2001, 171, 175; Mertens AG 2000, 157 ff. zur Beteiligung von Aktiengesellschaften an der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft: "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"; Kind NZG 2000, 567 ff. zur Zulässigkeit von Parteispenden durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft; H.P. Westermann ZIP 1990, 771 ff.; Vorderwülbecke BB 1989, 505 ff. jeweils m.w.N.). Die Erscheinungsformen dieser Unternehmensförderung werden generell nach dem jeweils primär verfolgten eigennützigen, steuerlichen oder altruistischen Zweck in drei große Gruppen eingeteilt.

aa) Beim klassischen Sponsoring werden Geld oder geldwerte Vorteile durch Unternehmen zur Förderung von Personen, Gruppen und/oder Organisationen in sportlichen, kulturellen, kirchlichen oder ähnlichen bedeutsamen gesellschaftspolitischen Bereichen vergeben, damit aber zugleich eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit verfolgt. Häufig werden die gegenseitigen Leistungen von Sponsor und Gesponsortem vertraglich vereinbart (Bruhn-Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring 2. Aufl. 1995 Bd I S. 3 ff.; Krome DB 1999, 2030).

bb) Dagegen erfolgt die Spendenvergabe an gemeinnützige Organisationen in der Regel ohne die Erwartung auf eine unmittelbare Gegenleistung. Die Gesellschaft kann die Aufwendung jedoch steuerlich absetzen (§ 10b EStG, § 9 KStG oder § 9 Nr. 5 GewStG).

cc) Beim Mäzenatentum erwartet der Mäzen regelmäßig keine Gegenleistung für seine Unterstützung; häufig verzichtet er auch darauf, über seine Förderung öffentlich zu sprechen.

c) Für die Beurteilung der gesellschaftsrechtlich zulässigen Förderaktivitäten eines Unternehmens kommt es nicht auf die Bezeichnung an. Maßgeblich ist, wie sich die Maßnahme aufgrund der gesamten Umstände, unter denen sie vorgenommen wurde, darstellt. Dabei werden insbesondere die Motive der betroffenen Personen oder Organisationen, der Umfang der Leistungen und der Gegenleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie erbracht wurden, eine Rolle spielen (vgl. Bruhn-Mehlinger aaO S. 7).

aa) Welche Geschäftsstrategien der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Vergabe derartiger Leistungen einschlagen und welche Ziele er zur Förderung des Unternehmenszweckes anstreben darf, regelt das Aktiengesetz nicht im Detail.

Gewinnstreben und Freigebigkeit werden dabei aber nicht stets als sich widersprechende, sondern durchaus als komplementäre Ziele angesehen. Würden unentgeltliche Zuwendungen ausschließlich wegen ihrer direkt gewinnsteigernden Zielsetzung zugelassen, so käme der Vorstand nicht umhin, die eigennützige Motivation hinter jeder Fördertätigkeit herauszustellen, weil sich deren vielberufene Werbewirkung keineswegs immer in Mark und Pfennig beziffern und schon gar nicht bilanziell abbilden läßt (Fleischer aaO S. 174).

Unternehmen nutzen deshalb heute die Förderung von Kultur- oder Sportveranstaltungen für Werbezwecke, ohne daß der wirtschaftliche Nutzen im einzelnen genau bestimmt werden kann. Gerade das Sportsponsoring dient zu einem großen Teil der Imagewerbung von Großunternehmen (Daimler-Benz, BMW, Deutsche Post und ihr Engagement im Automobilsport; Deutsche Telekom und der Mannschaftsradsport). So erkennt der Bundesgerichtshof unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten die Kompetenz des Vorstands des Sportartikelherstellers Adidas für das entgeltliche Sponsoring ausdrücklich an, aufgrund dessen die Gesellschaft durch den Abschluß von Lizenzverträgen mit Sportvereinen deren Namen und Logos verwerten darf, um dann einen Werbeeffekt für die eigenen Produkte zu erzielen (BGHZ 144, 290). Durch das Auftreten eines Unternehmens als Sponsor, etwa des Fußballvereins "Bayer Leverkusen", soll die Öffentlichkeitswirksamkeit gerade dieser Dauerverbindung genutzt werden. Auch solche Zuwendungen an Sportvereine, die nicht offen zu Werbezwecken eingesetzt werden, können als verdecktes Sponsoring den "public relations" dienen, wenn sie nach dem Grundsatz eingesetzt werden: "Tue Gutes und rede darüber" (vgl. Rittner, FS Gessler [1971] S. 139, 155; ähnlich Kind aaO S. 568).

Darüber hinaus kann und darf sich der Vorstand als Träger der Unternehmensfunktion nicht der Einsicht verschließen, daß die Aktiengesellschaft für ein dauerhaft erfolgreiches Wirtschaften auf den Rückhalt aller Bezugsgruppen angewiesen ist. Zwischen einem rein altruistischen und einem - langfristig - egoistischen Verhalten, das auf eine für den Erfolg des Unternehmens wesentliche Umweltstabilisierung - "good will-Verfestigung" - zielt, wird sich daher kaum je eine scharfe Unterscheidung treffen lassen. Es ist mit den Verhaltenspflichten des Vorstands als eines ordentlichen Geschäftsleiters daher durchaus vereinbar, daß er unentgeltliche Zuwendungen allein mit dem Ziel ausreicht, die soziale Akzeptanz der Aktiengesellschaft zu verbessern, sie als "good corporate citizen" darzustellen und dadurch indirekt ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern (vgl. Westermann, ZIP 1990, 771, 774). § 93 Abs. 1 AktG gewährt dabei einen breiten Spielraum unternehmerischen Ermessens dafür, auf welche Art der Vorstand Loyalität für die Gesellschaft und deren gutes Ansehen zu gewinnen trachtet. Ebensowenig wie Werbemaßnahmen für einzelne Produkte unterliegt daher die Frage, welche Form der Imagewerbung für das Gesamtunternehmen als erfolgversprechend anzusehen ist, einer gerichtlichen Kontrolle (Fleischer aaO S. 175). Dem Vorstand ist damit in der Frage, welchen Aufwand er für soziale Zwecke treibt, auf welche Gewinne er aus ethischen Gründen verzichtet und für welche sozialen, politischen und kulturellen Zwecke er Mittel der Gesellschaft einsetzt, ein breiter Ermessensspielraum zuzuerkennen.

bb) Allerdings ergibt sich für die aus der Leitungsbefugnis abgeleitete Vorstandskompetenz zur Ausreichung von Unternehmensspenden kein unbegrenzter Freiraum; vielmehr sind seinem Ermessen äußere Grenzen gesetzt. Zu erwarten ist, daß der Vorstand auch soziale Entscheidungen mit der Sorgfalt eines pflichtbewußten Unternehmers trifft und Vermögensopfer mit der Sorgfalt eines Treuhänders erbringt, der über Geld verfügt, das ihm nicht gehört, sondern der juristischen Person. Insbesondere darf er privaten Präferenzen ("pet charities", vgl. Fleischer aaO S. 179) keinen unangemessenen Raum geben, er hat auch insofern sorgsam zu wirtschaften, und er muß seine Entscheidung jeweils in Abwägung der ihm obliegenden Verantwortung für den Unternehmenserfolg treffen (vgl. BGHZ 135, 244, 253).

cc) Die Abgrenzung, inwieweit im Einzelfall Unternehmensinteressen verfolgt oder ob mit dem Geld der Gesellschaft ausschließlich Privatbelange gefördert werden, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Vorstands. Zwar darf er mit dem Geld der Gesellschaft auch seine eigene politische Überzeugung, private Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seine Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports verfolgen. Hier gilt aber: Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungsspielraum des Vorstands und desto größer sind die Anforderungen an die interne Publizität. Bei unentgeltlichen, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängenden Zuwendungen an Dritte muß sich der Vorstand an dem möglichen Nutzen orientieren, den ein solches Verhalten der sozialen Akzeptanz - dem "standing" - des Unternehmens in der allgemeinen oder auch nur in der interessierten Öffentlichkeit sowie dem Ansehen der Unternehmensleitung bei der Belegschaft und dergleichen bringt (Breuer [FAZ Nr. 273 vom 23. November 2000] spricht bei der finanziellen Förderung des Fußballvereins Eintracht Frankfurt durch die Deutsche Bank vom "Vierklang der Interessen von Aktionären, Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit").

dd) Bestehen bei bedeutsameren Zuwendungen Zweifel, ob sie im Interesse des Unternehmens liegen, oder erfüllt das einzelne Vorstandsmitglied damit seine ganz persönlichen Vorlieben oder Interessen, so kann das betroffene Vorstandsmitglied die Entscheidung nicht allein treffen, auch wenn es nach der internen Geschäftsverteilung für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre (vgl. Hopt aaO § 93 Rdn. 132 ff.). Darüber hinaus ist der Vorstand - als Kehrseite seines Ermessensspielraums - gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zur Offenheit verpflichtet, um ihnen Kontroll- und Rügemöglichkeiten zu eröffnen für den Fall, daß ihrer Meinung nach Mittel der Gesellschaft ausschließlich für andere als durch den Gesellschaftsgegenstand vorgegebene Zwecke verwendet werden (vgl. Westermann aaO S. 776; Mertens FS Goerdeler [1987] S. 349, 358). Dies folgt auch aus dem sich aus § 77 AktG ergebenden Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstandes für die Geschäftsleitung und der nicht delegierbaren Pflicht des Gesamtorgans zur Selbstkontrolle (Hüffer aaO § 77 Rdn. 15, 18).

ee) Hinsichtlich des Spendenvolumens gilt das Gebot der Angemessenheit: Die korporative Freigebigkeit muß sich insgesamt im Rahmen dessen halten, was nach Größenordnung und finanzieller Situation des Unternehmens als angemessen angesehen werden kann (vgl. nur Mertens AG 2000 S. 157, 162 Fn. 28). Dafür bieten der Zuschnitt und die Ertragslage der Aktiengesellschaft wichtige Anhaltspunkte. Besondere Beurteilungsschwierigkeiten ergeben sich schließlich bei einer angespannten Finanzlage. So wie es in Krisenzeiten nicht tunlich sein kann, den Werbeetat drastisch zu kürzen, wird man vom Vorstand in Verlustjahren weder ökonomisch noch juristisch verlangen können, auf Unternehmensspenden gänzlich zu verzichten. Allerdings ist bei dauerhafter oder längerfristiger Ertragsschwäche eine sorgfältige Prüfung der Spendenpraxis unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses erforderlich.

2. Vergibt der Vorstand aus dem Vermögen einer Aktiengesellschaft Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muß vielmehr gravierend sein.

Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.

Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.

3. Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte K. mit den Verfügungen im Komplex II. 1a bis c zu Lasten des Vermögens der SWEG seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender in gravierender Weise mißbraucht. Die Zuwendungen waren pflichtwidrig i. S. des § 266 StGB, weil der Angeklagte K. mit der Ausreichung der Zahlungen die Grenzen seines Ermessens nach den oben genannten Kriterien überschritten hat.

a) Es handelte sich um unentgeltliche, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängende Zuwendungen an Dritte. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Zahlungen jedenfalls kein offenes oder verdecktes Sportsponsoring des SSV Reutlingen. Weder wurde eine vertragliche Vereinbarung oder sonstige Abrede über eine Gegenleistung getroffen, noch erbrachte der SSV Reutlingen tatsächlich eine Gegenleistung.

Da das altruistische Motiv der Sportförderung nur äußerst mittelbar zum Tragen kam, waren die Zuwendungen bereits aus diesem Grund kaum geeignet, zumindest das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit oder bei interessierten Sportkreisen zu stärken. Nach den festgestellten Umständen ist auch objektiv kein Bezug der Unternehmenstätigkeit der SWEG zum SSV Reutlingen erkennbar.

b) Die mit dem Unternehmensgegenstand nicht zusammenhängenden Zuwendungen waren angesichts der wirtschaftlichen Lage der SWEG sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe nicht angemessen. Das öffentliche Unternehmen erwirtschaftete zwar in den Jahren 1992 bis 1996 Überschüsse, jedoch mußte das Land Baden-Württemberg der SWEG auch in diesen Jahren zum Ausgleich des jährlichen Bilanzverlustes jeweils mehrere Millionen DM zuführen. Diese Spendenpraxis hat auch der Landesrechnungshof im Jahr 1998 beanstandet.

c) Ihrem eigentlichen Sinn nach dienten die Zuwendungen den privaten Interessen des Angeklagten S. , der Verantwortlichen des Vereins angeboten hatte, Gelder von potenten Gönnern zu besorgen. Er verfügte nach eigenem Belieben über die Beträge und verwendete sie - ohne daß sie in der Buchhaltung des Vereins auftauchten - zum Stopfen finanzieller Löcher im Fall II. 1a und zur Beeinflussung der Mäzene in den Fällen II. 1b und c. Die Beschaffung und die Verwendung der Zuwendungen gingen damit sogar über die Verfolgung privater Interessen hinaus, denn sie waren durchaus eigennützig, weil sie dazu dienten, die Stellung des Angeklagten S. im Verein und im örtlichen Umfeld als Beschaffer von dringend benötigten Hilfen und damit als möglichem Retter des Vereins zu unterstreichen.

Die Verfügung über das Vermögen des landeseigenen Unternehmens war auch nicht durch das von der Revision für den Fall II. 1a (Zahlung von 20.000 DM) herangezogene Motiv der "Landschaftspflege im politischen Bereich" gerechtfertigt. Soweit die Revision vorträgt, die erste Spende von 20.000 DM habe dazu gedient, dem Unternehmen das "Wohlwollen des Ministers" zu erhalten, kann dieses "Motiv" die Pflichtwidrigkeit nicht ausräumen. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob und inwieweit sich ein landeseigenes Unternehmen durch Spenden zugunsten von politischen Parteien oder Politikern überhaupt an der "politischen Landschaftspflege" beteiligen darf. Auf die Beurteilung der Zuwendung bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB kann dieses Motiv hier jedenfalls keinen Einfluß haben. Es gehört zu den ureigenen Aufgaben des Verkehrsministers, selbst wenn er noch nicht Mitglied des Aufsichtsrats ist, die wirtschaftlichen Interessen der SWEG als öffentlichem Verkehrsunternehmen zu wahren. Für "politische Landschaftspflege" gegenüber dem Minister war deshalb kein Raum.

d) Obwohl es offenkundig war, daß die Zuwendungen privaten Zwecken des Angeklagten S. dienten, hat der Angeklagte K. die Angelegenheit lediglich allein entschieden.

e) Die Zuwendungen wurden verschleiert. Sie wurden nicht in einer Art unternehmensintern offengelegt, die eine Kontrolle durch die Gesellschaftsorgane ermöglicht hätte. Die Auszahlung erfolgte nicht auf dem üblichen Weg über die Hauptbuchhaltung, um einen Erklärungsbedarf gar nicht erst aufkommen zu lassen, und auf dem Beleg über die Auszahlung wurde die Verwendung unzutreffend angegeben.

4. Durch die Vermögensverfügung des Angeklagten K. ist der SWEG auch ein Schaden entstanden. Sowohl das Fehlen objektiver Gesichtspunkte für die Annahme einer der Formen des Sponsoring, erst recht aber die Umstände der Beschaffung und der Verwendung der 45.000 DM schließen es aus, daß die Zuwendungen einen ideellen Wert in sich trugen, der für das Unternehmen einen auch nur annähernd gleichwertigen Vermögensvorteil erbracht hat. Der Senat schließt aus, daß sich aus der Sicht des durchschnittlichen, informierten Betrachters der "good will" des Unternehmens verbessert hat. Eher legen die Umstände nahe, daß zu der eingetretenen Vermögensminderung zusätzlich eine vorhersehbare Ansehensminderung eingetreten ist.

5. Bei dieser Sachlage ist auch die Annahme des Landgerichts tragfähig, dem Angeklagten K. sei die Pflichtwidrigkeit seines Handelns und der dadurch bei der SWEG entstandene Schaden bewußt gewesen.

a) Dies belegen die Einlassungen des Angeklagten K. . Er hat eingeräumt, daß es im Kern nicht um eine im Interesse der SWEG vereinbarte offene oder verdeckte Unterstützung des SSV Reutlingen ging, sondern um die Erfüllung privater Interessen des Angeklagten S. . Er hat angegeben, er habe die Zuwendungen allein deshalb veranlaßt, weil er dem Vorsitzenden dieses Vereins, der auch Verkehrsminister und aufgrund dieser Position Aufsichtsratsvorsitzender der SWEG wurde, einen persönlichen Gefallen erweisen wollte, damit dieser seine dem Verein gegebenen Zusagen einhalten konnte, Gelder zur Unterstützung bei Mäzenen zu besorgen. Diese Einlassungen rechtfertigen den Schluß, der Angeklagte K. habe gewußt, daß der Angeklagte S. nur deshalb die SWEG eingeschaltet hatte, weil keiner der von ihm sonst angesprochenen potentiellen Mäzene sein Privatvermögen angreifen wollte und er annahm, der Angeklagte K. werde ihm die Bitte nicht abschlagen, die benötigten Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft zu nehmen. Der Angeklagte K. stand in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten S. . Als Verkehrsminister und designiertes, später gewähltes Aufsichtsratsmitglied hatte er aufgrund seiner Organstellung und seiner daraus herzuleitenden Kontrollbefugnisse, einschließlich der Berufung, der Verlängerung und der Entlassung von Vorstandsmitgliedern, wesentlichen Einfluß auf das Unternehmen.

b) Dies wird auch dadurch belegt, daß der Angeklagte K. die Angelegenheit nicht dem Gesamtvorstand zur Entscheidung vorgelegt oder den Aufsichtsrat angerufen hat. Der Angeklagte K. wußte, daß er von den übrigen Mitgliedern des Vorstands keine Genehmigung dafür erhalten hätte, zur Erfüllung der privaten Interessen des Angeklagten S. Zuwendungen aus dem Vermögen des Unternehmens auszureichen.

Deshalb wies der Angeklagte K. seine Sekretärin an, die einzelnen Beträge aus der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse zu transferieren, um dann nach Barabhebung das Geld in Briefumschlägen an den Angeklagten S. zu dessen freier Verfügung weiterzugeben. Mit diesem Umweg über die Sekretariatskasse und den unzutreffenden Belegen "Zuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen" sorgte er dafür, daß die Vorgänge nicht über die Hauptbuchhaltung liefen und es keinen Erklärungsbedarf gab. Die Vorgänge wurden auch erst durch eine Prüfung des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg im Oktober 1997 aufgedeckt. Insbesondere die persönlichen Interessenverflechtungen und die Art und Weise der Geldtransfers erlauben den Schluß, daß es gerade nicht um Werbemaßnahmen oder um Sponsoring ging, sondern um die heimliche Beschaffung von Geldern bei der SWEG, die möglichst unentdeckt durch die Bücher der Zuwendungsgeberin gehen sollten.

V.

Auch die Verurteilung des Angeklagten S. im Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Der Angeklagte S. hatte noch keine Vermögensbetreuungspflicht für die Gesellschaft, als er den Angeklagten K. im Juni 1995 allein aufgrund seiner Stellung als Minister und zukünftiges Aufsichtsratsmitglied dazu bestimmte, die erste Zahlung in Höhe von 20.000 DM aus dem Vermögen der SWEG an ihn auszubezahlen. Zutreffend hat die Strafkammer den Angeklagten S. im Fall II. 1a deshalb wegen Anstiftung zur Untreue des Angeklagten K. nach §§ 266, 26 StGB verurteilt.

2. Soweit der Angeklagte S. in den Fällen II. 1b und c (zweite und dritte Spende an den SSV Reutlingen) als Aufsichtsratsmitglied der SWEG das Vorstandsmitglied K. veranlaßte, aus dem Vermögen der Gesellschaft Zuwendungen an ihn auszureichen, beurteilt die Kammer seine Strafbarkeit zutreffend nach dem Treubruchtatbestand des § 266 StGB.

a) Als Aufsichtsratsvorsitzender hatte der Angeklagte S. zwar nicht die Rechtsmacht, in der geschehenen Weise über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Eine Strafbarkeit aus dem Mißbrauchstatbestand scheidet daher aus. Jedoch verletzte er die aus seiner Stellung als Aufsichtsratsvorsitzender folgende Vermögensfürsorgepflicht, indem er den Angeklagten K. zu Untreuehandlungen gegenüber der Gesellschaft bestimmte.

Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Nach § 116 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß.

Dem Aufsichtsrat obliegt gegenüber der Aktiengesellschaft eine Vermögensfürsorgepflicht (BGH wistra 1999, 418 lfd. Nr. 2; BGHSt 9, 203, 217 zu § 81a GmbHG aF; Tiedemann in FS für Tröndle [1989] S. 319, 327, Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck Wirtschaftsstrafrecht 3. Aufl. § 31 Rdn. 75, 97; vgl. auch Lenckner-Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 35a, Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 60). Den Umfang dieser Pflichten regelt das Aktiengesetz in § 116 AktG durch einen Verweis auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG).

Im gegebenen Fall kann dahinstehen, ob die gesellschaftsrechtliche Treupflicht des Aufsichtsrates zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei einer Betätigung außerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft und bei Rechtsgeschäften mit ihr nur in einem beschränkten Umfang gilt, weil in Rechnung gestellt werden muß, daß die Tätigkeit dort eine typische Nebentätigkeit ist, so daß Interessenkollisionen mit anderen Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds absehbar sind und mitunter zwangsläufig eintreten (Hüffer aaO § 116 Rdn. 1, Tiedemann aaO S. 319, 320, Fleck in FS für Heinsius [1991] S. 89, 90). Denn das Verhalten des Angeklagten S. berührt den eigentlichen Aufgabenbereich und die Hauptpflicht des Aufsichtsrates, die gemäß § 111 Abs. 1 AktG in der Überwachung der Geschäftsführung besteht. Grundsätzlich wird danach vom Aufsichtsrat verlangt, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Vorstandes abzuwenden. Die Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maßnahmen (Henze, Aktienrecht 4. Aufl. Rdn. 620). Zwar mag auch in diesem Zusammenhang nicht eindeutig feststehen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, ob der Aufsichtsrat etwa Anzeige erstatten muß, wenn er ein strafbares Verhalten des Vorstandes feststellt. Aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates ergibt sich jedoch notwendig die Pflicht, den Vorstand nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die er aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müßte (BGH NJW 1980, 1629). Eine Verletzung dieser Pflicht stellt damit den Verstoß gegen eine spezifische Treupflicht im Sinne von § 266 StGB dar (vgl. dazu zuletzt nur BGH wistra 2001 , 304, 305).

b) Der Angeklagte S. verletzte diese Pflicht, als er an das Vorstandsmitglied K. herantrat und ihn vor dem Hintergrund seiner Einwirkungsmöglichkeiten als Aufsichtsratsvorsitzender zu "Spenden" aus dem Vermögen der SWEG an den SSV Reutlingen aufforderte. Er veranlaßte damit Untreuehandlungen des Vorstands (dazu oben B IV.), die der Angeklagte S. aufgrund seiner Überwachungspflicht als Aufsichtsrat hätte verhindern müssen.

3. Der SWEG entstand durch das vom Angeklagten S. veranlaßte pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten K. bei der ersten Zuwendung an den SSV Reutlingen und durch das eigene pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten S. bei der zweiten und dritten Zuwendung auch ein Schaden.

4. Auch der Schluß der Kammer, der Angeklagte S. habe seine Vermögensfürsorgepflicht vorsätzlich verletzt, ist nicht zu beanstanden. Nach ihren Feststellungen war dem Angeklagten bewußt, daß die Leistungen des Vorstands K. keinerlei Bezug zur Geschäftstätigkeit der SWEG hatten und dieser die Zahlungen ausschließlich in seinem, des Angeklagten S. , Interesse vornahm. Auch wurde die Übergabe der beträchtlichen Beträge bar und ohne Quittungen abgewickelt, so daß der Geldfluß nicht mehr nachvollziehbar war. Diese Umstände belegen rechtsfehlerfrei die Annahme, daß der Angeklagte sich der Pflichtwidrigkeit auch seiner eigenen Handlung bewußt war.

5. Der Angeklagte S. erfüllte bei der zweiten und dritten Zuwendung an den SSV Reutlingen durch sein eigenes Handeln sämtliche Tatbestandsmerkmale der Untreue in der Treubruchsalternative und ist bereits deshalb insoweit Täter (Tiedemann aaO S. 322, 325; vgl. auch BGHSt 38, 315, 317). Weil daher eine Zurechnung von Tatbeiträgen des Angeklagten K. nach § 25 Abs. 2 StGB nicht erforderlich ist, kann die Frage dahinstehen, ob sich die Tat des Angeklagten S. im Verhältnis zu der des Angeklagten K. als Mit- oder Nebentäterschaft darstellt. Zwar verwirklichte die Aufforderung des Angeklagten S. daneben in beiden Fällen zugleich den Tatbestand einer Anstiftung des Angeklagten K. zu einer Untreue in der Mißbrauchsalternative. Da aber insoweit jeweils eine Tat i. S. d. § 52 StGB vorliegt, geht diese Anstiftung nach ständiger Rechtsprechung in der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handelns auf, das die schwerere Tat darstellt (vgl. BGH NStZ 2000, 421; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 25 Rdn. 12).

C.

Die Tatkomplexe II. 4. bis 6. betreffen ausschließlich Verfügungen des Angeklagten K. über das Vermögen der SWEG, mit denen er private Zwecke verfolgte.

I.

Das Landgericht hat hierzu folgendes festgestellt:

1. Auf Veranlassung des Angeklagten wurden am 20. Mai 1996 aus Mitteln der SWEG 899,36 DM überwiesen, um die Kosten für die Miete eines Kleinbusses mit Chauffeur zu begleichen, den der Angeklagte bei einem Aufenthalt in Rostock Ende April 1996 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei befreundeten Familien ausschließlich privat genutzt hatte.

2. Der Angeklagte ließ sämtliche Aufwendungen seiner Sekretärin bei einem privaten Erholungsaufenthalt im Juni 1996 auf Norderney, insgesamt 6.308,50 DM, aus Mitteln der SWEG zahlen.

3. Kosten in Höhe von 892,10 DM für eine Reparatur am privaten Pkw seiner Sekretärin ließ der Angeklagte am 11. November 1996 aus Mitteln der SWEG überweisen.

II.

Die Kammer hat auch in diesen drei Verfügungen des Angeklagten K. ohne Rechtsfehler ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 StGB gesehen. Sie hat überzeugend dargelegt, weshalb sie den Einlassungen des Angeklagten nicht gefolgt ist, die Kosten für das Mietfahrzeug auf der Reise nach Rostock seien betrieblich veranlaßt gewesen. Ebenso ist eine betriebliche Veranlassung für die Übernahme der Kosten des Erholungsurlaubs der Sekretärin und der Reparaturkosten für ihr Fahrzeug selbst dann nicht ersichtlich, wenn die Stellung des Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzender berücksichtigt wird.

D.

Die nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Einzelgeldstrafen weisen keinen Rechtsfehler auf.

Auch im Komplex SSV Reutlingen kann die gegen den Angeklagten S. verhängte Einzelstrafe im Fall II.1a (Anstiftung zur Untreue) bestehen bleiben. Zwar hätte das Landgericht den Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB mildern müssen. Das Treueverhältnis nach § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH StV 1995, 73 m.w.N.). Dieses Merkmal fehlte beim Angeklagten S. , der zum Zeitpunkt dieser Tat noch nicht Aufsichtsratsvorsitzender war und damit nicht Täter einer Untreue sein konnte. Aufgrund der besonderen Umstände der Tat durfte die verhängte Strafe jedoch nicht niedriger ausfallen. Der Angeklagte stand zwar zu der geschädigten Gesellschaft nicht in einem spezifischen Treuverhältnis gemäß § 266 StGB, bei der Strafzumessung war jedoch zu berücksichtigen, daß er aufgrund seiner Stellung als Minister dem landeseigenen Unternehmen in besonderer Weise verpflichtet war.

Wegen des Wegfalls von Einzelstrafen aufgrund der Verfahrensbeschränkung ist die Gesamtgeldstrafe aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen, die Gesamtgeldstrafe selbst festzusetzen. Getroffene Feststellungen können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich.

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

1 StR 215/01

vom

6. Dezember 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Untreue u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird zu den Komplexen II.2 (Papstspende) und II. 3a bis c (Reisekosten Rom) der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.

2. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Der Senat stellt die Komplexe II.2 (Papstspende) und II. 3a bis c (Reisekosten Rom) der Urteilsgründe entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO ein. Im Blick auf die im Vergleich zu den übrigen Taten geringe Bedeutung sowie die letztlich nicht ins Gewicht fallenden Rechtsfolgen erscheint insoweit eine teilweise Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache nicht angebracht.

RechtsgebietStGBVorschriftenStGB § 266 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja Verfahrensgang: LG Offenburg

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