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· Fachbeitrag · Altersversorgung

Abfindungszahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung: neue sv-rechtliche Regeln

von Dr. Claudia Veh, Schweizer Leben PensionsManagement GmbH, Garching 

| Im April 2016 haben sich der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit auf eine Änderung bei der sozialabgabenrechtlichen Behandlung von Abfindungszahlungen aus betrieblicher Altersversorgung verständigt. Anlass war eine geänderte Rechtsprechung der Sozialgerichte. Lesen Sie nachfolgend, wie Abfindungszahlungen aus betrieblicher Altersversorgung sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind. |

1. Reaktion auf Rechtsprechung der Sozialgerichte

Das BSG hatte entschieden, dass

  • die Abfindung einer Anwartschaft auf bAV im laufenden Arbeitsverhältnis kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt nach § 14 Abs. 1 SGB IV darstellt, sondern es sich um einen Versorgungsbezug nach § 229 SGB V handelt (BSG, Urteil vom 25.8.04, Az. B 12 KR 30/03 R, Abruf-Nr. 191543).
  • sich durch die Abfindung einer bAV-Anwartschaft vor Eintritt des eigentlichen Versorgungsfalls nichts am ursprünglichen Versorgungszweck der Leistung ändert, auch wenn diese nun der Deckung eines anderen Bedarfs dient (BSG, Urteil vom 25.4.12, Az. B 12 KR 26/10 R, Abruf-Nr. 121381).

 

Auf die Rechtsprechung haben der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit reagiert (Besprechungsergebnis vom 20.4.16, Abruf-Nr. 191302).

2. Seit 1.7.16 kein Arbeitsentgelt mehr

Die Abfindung von Anwartschaften auf bAV während des laufenden Arbeitsverhältnisses und nach dem vorzeitigen Ausscheiden stellt - anders als bisher - kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt mehr dar. Vielmehr handelt es sich um einen Versorgungsbezug. Unerheblich ist, ob die Anwartschaft noch verfallbar oder bereits vertraglich bzw. gesetzlich unverfallbar war. Auch Anwartschaften innerhalb der Grenzen des § 3 BetrAVG stellen unabhängig vom Alter des Empfängers einen Versorgungsbezug dar. Wie bisher handelt es sich bei der Zahlung von Leistungen der bAV bei Eintritt eines Versorgungsfalls ebenfalls um Versorgungsbezüge.

 

Der Unterschied liegt darin, dass

  • auf Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen sind,
  • auf Versorgungsbezüge (§ 229 SGB V) Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu erbringen sind; monatlich 1/120 der Abfindung sind sozialversicherungspflichtig und dies (längstens) für zehn Jahre.

 

  • Übersicht: Sozialabgabenrechtliche Behandlung von Abfindungszahlungen

Arbeits-verhältnis

Gesetzliche Unverfallbarkeit

Leistung nach BetrAVG ¹)

Sozialversicherungsrechtliche Behandlung bis 30.6.16

Sozialversicherungsrechtliche Behandlung seit 1.7.16

Laufend

Ja

Nein

Arbeitsentgelt

Versorgungsbezug

Laufend

Nein

Nein

Arbeitsentgelt

Versorgungsbezug

Beendet

Ja

Nein

Arbeitsentgelt

Versorgungsbezug

Beendet

Nein

Nein

Arbeitsentgelt

Versorgungsbezug

Beendet

Ja

Ja

Kein Arbeitsentgelt, nach Vollendung des 59. Lebensjahrs Versorgungsbezug

Versorgungsbezug

¹) § 3 BetrAVG sieht vor, dass Abfindungen von gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften nach vorzeitigem Dienstaustritt und von laufenden Leistungen (§ 30g Abs. 2 BetrAVG) nur zulässig sind, wenn die Rente nicht höher ist als 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV; Kapitalleistungen dürfen nicht höher sein als 12/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Dies entspricht im Jahr 2017 einer monatlichen Rente von 29,75 EUR in den alten und 26,60 EUR in den neuen Bundesländern bzw. einer Kapitalleistung in Höhe von 3.570 EUR in den alten und 3.192 EUR in den neuen Bundesländern. Leistungen außerhalb des BetrAVG sind Abfindungen von Anwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis, nach Ausscheiden mit vertraglich unverfallbaren Anwartschaften oder mit gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften, die nicht unter § 3 BetrAVG fallen.

 

Die Beurteilung als Versorgungsbezug gilt auch für privat Kranken- und Pflegeversicherte. Das heißt: Auch bei diesen Personen werden Abfindungszahlungen vor Eintritt des Versorgungsfalls nicht als Arbeitsentgelt verbeitragt. Die Abfindungszahlung ist bei diesen Personen also sozialabgabenfrei.

3. Einfachere Handhabung für Arbeitgeber

Seit 1.7.16 ist die Handhabung von Abfindungszahlungen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht für die Arbeitgeber einfacher. Sie mussten ihre Verfahren wie folgt anpassen:

 

  • Bei Abfindungen in einem versicherungsförmigen Durchführungsweg (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) müssen sie nicht mehr tätig werden - weder beitrags- noch steuerrechtlich. Vielmehr erstellen die Lebensversicherungsgesellschaft, die Pensionskasse oder der Pensionsfonds eine Rentenbezugsmitteilung (§ 22a EStG) und teilen die Höhe der Leistungen an die Krankenkasse mit.

 

  • Bei der Unterstützungskasse kommt es darauf an,
    • ob sie aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit den Trägerunternehmen die Leistungen direkt an den Arbeitnehmer erbringt - dann muss die Unterstützungskasse die Zahlung an die Krankenkasse melden und auf die Leistungen Lohnsteuer einbehalten - oder
    • ob sie die Leistungen brutto an den Arbeitgeber auszahlt - dann muss der Arbeitgeber die Leistungen an die Krankenkasse melden sowie Lohnsteuer abführen.

 

  • Bei der Direktzusage ist der Arbeitgeber die Zahlstelle. Er leistet die Abfindungszahlung an den Arbeitnehmer unter Einbehalt der Lohnsteuer, jedoch ohne Einbehalt von Sozialabgaben. Parallel hierzu informiert er die Krankenkasse über die Abfindungszahlung.

 

  • Übersicht: Abwicklung einer Abfindungszahlung bei den fünf Durchführungswegen der bAV

Steuerliche Behandlung

Sozialabgabenrechtliche Behandlung

Direktversicherung (im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG)

Rentenbezugsmitteilung seitens des Lebensversicherungsunternehmens

Mitteilung der Versorgungsbezüge an die Krankenkasse durch die Lebensversicherung

Pensionskasse

Rentenbezugsmitteilung seitens der Pensionskasse

Mitteilung der Versorgungsbezüge an die Krankenkasse durch die Pensionskasse

Pensionsfonds

Rentenbezugsmitteilung seitens des Pensionsfonds

Mitteilung der Versorgungsbezüge an die Krankenkasse durch den Pensionsfonds

Unterstützungskasse (U-Kasse)

Einbehalt von Lohnsteuer durch U-Kasse oder Arbeitgeber

Mitteilung der Versorgungsbezüge an Krankenkasse durch U-Kasse oder Arbeitgeber

Direktzusage

Einbehalt von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber

Mitteilung der Versorgungsbezüge an die Krankenkasse durch den Arbeitgeber

 
  • Beispiel

Ein lediger Arbeitnehmer (1 Kind) mit einem Jahreseinkommen von 36.000 EUR (3.000 EUR monatlich) und damit gesetzlich krankenversichert erhielt im Juni bzw. im Dezember 2016 im laufenden Arbeitsverhältnis eine Abfindung in Höhe von 20.000 EUR seiner Anwartschaft auf bAV vom Arbeitgeber ausgezahlt.

 

Auszahlung im Juni 2016

Auszahlung im Dezember 2016

Abfindung ist beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in allen SV-Zweigen; bei der Beitragserhebung werden die Vormonate des laufenden Kalenderjahrs berücksichtigt (§ 23a SGB IV)

Abfindung ist Versorgungsbezug in Form einer Kapitalleistung; 20.000/120 Monate = 166,67 EUR monatlich, maximal 10 Jahre

AN-Beitrag GRV: 9,35 % (= [6.200 EUR BBG RV ./. 3.000 EUR] x 9,35 % x 6 Monate)

1.795,20 EUR

AN-Beitrag GKV: 8,20 % ¹) (= [4.237,50 EUR BBG GKV ./. 3.000 EUR] x 8,20 % x 6 Monate)

608,85 EUR

Beitrag GKV: 15,5 % 2)

25,83 EUR

AN-Beitrag ALV: 1,5 % (= [6.200 EUR BBG AV ./. 3.000 EUR] x 1,5 % x 6 Monate)

288,00 EUR

AN-Beitrag PV: 1,175 % (= [4.237,50 EUR BBG PV ./. 3.000 EUR] x 1,175 % x 6 Monate)

87,24 EUR

Beitrag PV: 2,35 %

3,92 EUR

Gesamtbeitrag auf Abfindungszahlung:

2.779,29 EUR

(29,75 EUR x 120 Monate)

3.570,00 EUR

 

 

Ergebnis: Die Verbeitragung als Versorgungsbezug führt zu einer höheren Beitragsbelastung als nach bisherigem Verfahren. Denn auf Versorgungsbezüge muss der Arbeitnehmer die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe selbst zahlen, bei der Verbeitragung als Arbeitsentgelt nur den Arbeitnehmeranteil.

 

  • 1) Beitragssatz 14,6 %, davon die Hälfte AN-Beitrag zzgl. kassenindividueller Zusatzbeitrag von 0,9 %

2) Beitragssatz 14,6 % zzgl. kassenindividueller Zusatzbeitrag 0,9 %, voller Beitrag vom Arbeitnehmer zu tragen

 

PRAXISHINWEISE |

  • Bei geringen Abfindungshöhen kann die Neuregelung zu niedrigeren Belastungen führen bzw. die Abfindung beitragsfrei bleiben. Nämlich dann, wenn sie 1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt. Unter Anwendung der 120tel-Regelung ergibt dies für das Jahr 2017 ein maximaler Abfindungsbetrag von 17.850 EUR (Bezugsgröße der alten Bundesländer).
  • Für vor dem 30.6.16 erhobene Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf Abfindungszahlungen kommt ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2, 3 SGB IV in Betracht. Der Antrag hierfür ist bei der Krankenkasse einzureichen. Sie prüft, ob die Beiträge zu Unrecht erhoben wurden. Eine direkte Verrechnung der Beiträge durch den Arbeitgeber ist nicht zulässig.
 
Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 52 | ID 44559845