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· Fachbeitrag · Altersrente

Mut zur (kleinen) Lücke: Was bei Wartezeiten zu beachten ist

| Vor allem wenn Mandanten die Altersrente für schwerbehinderte Menschen anstreben, empfehlen Anwälte und Rentenberater ihren Mandanten, frühzeitig das Rentenkonto zu prüfen. Die dort erfassten Zeiten sind häufig unvollständig oder falsch. Hat sich der Mandant nicht durchgängig arbeitslos gemeldet, können Überbrückungszeiten helfen. |

1. Überbrückungszeit bei fehlender Arbeitslosmeldung

Damit ein Versicherter die Altersrente für Schwerbehinderte erhält, muss er folgende Merkmale erfüllen:

 

  • Einen GdB (Grad der Behinderung) von 50 besitzen und
  • 35 Jahre (= 420 Monate) in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein (Wartezeit).

 

Rentenanträge schwerbehinderter Mandanten scheitern oft daran, dass die Wartezeit nicht erreicht wird. Häufig waren die Mandanten in der Vergangenheit erkrankt oder arbeitslos. Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen jedoch zur Wartezeit, und zwar als Anrechnungszeit.

 

Das LSG München entschied, dass dies auch gilt, wenn arbeitsunfähige Versicherte sich während der Arbeitslosigkeit nicht bei der Arbeitsagentur melden (16.1.14, L 6 R 853/12). In dem Verfahren war die Klägerin arbeitsunfähig und arbeitslos gemeldet. Gegen einen Bescheid der Agentur für Arbeit vom 16.2.95 ging sie nicht vor und meldete sich erst wieder im April bei der Arbeitsagentur. Daher war der volle Monat März 95 nicht belegt.

 

Das Problem dabei: Da sich die Klägerin nicht arbeitslos gemeldet hatte bzw. der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand, war eine Lücke entstanden, die größer als ein Monat war (vgl. „Lückenproblematik“ unten). Daher ermittelte das SG nur eine Wartezeit von 372 Monaten und berücksichtigte nach April 1995 liegende Anrechnungszeiten nicht. Das LSG stellte folgendes fest:

 

  • Ein Versicherter ist an einer solchen Lücke nicht schuld, wenn er davon ausgehen konnte, weiterhin arbeitsunfähig zu sein (dies war hier der Fall, da ärztliche Unterlagen der Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit bestätigten).

 

  • In solchen Fällen gilt ein Überbrückungstatbestand, da vom Versicherten weder verlangt werden kann, eine Arbeit aufzunehmen, noch sich bei der Arbeitsagentur zu melden (BSG 25.11.81, 5a/5 RKn 6/79).

 

  • Die zu berücksichtigende Höchstdauer der Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit bzw. wegen Arbeitslosigkeit beträgt laut BSG-Rechtsprechung sechs Monate (26.7.07, B 13 R 8/07 R).

 

PRAXISHINWEIS | Wie viele Monate im Arbeitsleben gesammelt wurden, erfährt jeder Versicherte aus einer Renten- bzw. Wartezeitauskunft. Diese kann er jederzeit kostenlos online beim Rentenversicherungsträger anfordern (www.eservice-drv.de/SelfServiceWeb).

 

Hier lässt sich auch an den Daten und Anschlusszeiten erkennen, ob eine kritische Lücke vorliegt, die eine Anrechnungszeit gefährdet. Werden vorhandene Lücken geschlossen, erhöhen sich ggf. auch die anzurechnenden Monate.

 

2. Das Problem mit der Lücke

Wie oben genannt, muss eine versicherte Beschäftigung unterbrochen werden (§ 58 Abs. 2 S. 1 SGB VI). „Unterbrochen“ heißt z. B.: Der Versicherte meldet sich arbeitslos und beginnt nach Ende der Arbeitslosigkeit erneut versichert oder selbstständig an zu arbeiten. Die Arbeitslosigkeit muss also an die zuvor ausgeübte Beschäftigungszeit anschließen.

 

Beachten Sie | Ein taggenauer Anschluss ist nicht zwingend. Entsteht jedoch eine Lücke, die über einen vollen Kalendermonat hinausgeht, kann nicht mehr von einer „Unterbrechung“ gesprochen werden. Dabei wird oft der Fehler gemacht, die „Lückentage“ einfach zu addieren. Es kommt aber nicht auf einzelne solcher Tage an, sondern darauf, ob ein geschlossener Kalendermonat überschritten wird.

 

 

Checkliste / Das sollte vor dem Rentenantrag geprüft werden

  • Ist der Versicherungsverlauf korrekt?
  •  
  • Die Rentenversicherung erhält nicht automatisch alle Informationen, die für die Rente wichtig sind. Wer zum Beispiel sein Abitur nachgeholt oder Kindererziehungszeiten hat, entdeckt diese vielleicht nicht im Versicherungskonto.

 

  • Sind die Zeiträume und Summen korrekt berechnet?
  •  
  • Ist die Berufsausbildung wirklich genauso lange im Versichertenkonto erfasst, wie sie gedauert hat? Stimmen die gemeldeten Beträge bzw. gibt es Zahlendreher?

 

  • Wenn der Mandant häufig arbeitslos war:
  •  
  • Sind die Zeiten korrekt erfasst, wann die Arbeitslosigkeit begann und endete? Wichtig: Bewahren Sie den Schriftverkehr mit der Arbeitsagentur lange auf, da dort nach 5 bis max. 10 Jahren Unterlagen vernichtet werden.

 

  • Wenn es Lücken gibt:
  •  
  • Welche Bescheinigungen oder Bestätigungen werden benötigt, um fehlende Zeiten nachzuweisen?
 

Der Mandant sollte daher nicht nur regelmäßig eine Wartezeitauskunft (s. o.) einholen, sondern auch frühzeitig einen Antrag auf Kontenklärung stellen (SR 15, 3). Fehlt im Rentenkonto z. B. die Schul- oder Hochschulausbildung, fehlen rasch mehrere Dutzend Monate. Diese fließen zusätzlich in das Rentenkonto ein, wenn die Zeiten nachträglich nachgewiesen werden. Vorsicht: Je länger solche zurückliegen, desto schwieriger kann es sein, entsprechende Nachweise zu bekommen. Je häufiger der Versicherte den Arbeitsplatz gewechselt hat, desto aufwendiger kann es sein, Nachweise von den Arbeitgebern zu beschaffen.

 

MERKE | Bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte (Wartezeit 45 Jahre) zählen Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen. Ausnahme: Es wird Arbeitslosengeld bezogen, weil der Arbeitgeber insolvent ist oder sein Geschäft vollständig aufgibt. Allerdings werden die letzten beiden Jahre auch dann nicht angerechnet, wenn der Arbeitgeber mit einer Kündigung eine drohende Insolvenzgefahr abwenden wollte (LSG Niedersachsen-Bremen 2.3.16, L 2 R 517/15, Revision eingelegt) oder wenn der Arbeitsplatzverlust durch Auflösungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber geschah (LSG Baden-Württemberg 21.6.16, L 9 R 695/16, Revision eingelegt).

 

Weiterführende Hinweise

  • Kontenklärung hilft niedrigere Rente zu vermeiden, SR 15, 3
  • Krankenversicherung: Diese Pflichtzeiten gelten, SR 16, 23
Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 15 | ID 44431778