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13.04.2016 · IWW-Abrufnummer 146760

Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 22.01.2016 – 20 UF 109/14

Von den Unterkunftskosten mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung des in einem Heim lebenden und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung beziehenden Unterhaltsberechtigten unterliegen gemäß §§ 94 Abs. 1 S. 6, 105 Abs. 2 SGB XII 56% nicht der Rückforderung und stehen damit einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII entgegen (BGH FamRZ 2015, 1594). Dies ist rechnerisch in der Weise durchzuführen, dass der nicht der Rückforderung unterliegende Wohnkostenanteil wie Wohngeld behandelt wird und somit den rechnerischen Unterhaltsbedarf vermindert. Die Einschränkung des Anspruchsübergangs nach §§ 94 Abs. 1 S. 6, 105 Abs. 2 SGB XII greift nicht ein, wenn dem Unterhaltsberechtigten ausschließlich Sozialleistungen nach dem 7. Kapital des SGB XII (Hilfe zur Pflege) gewährt wurden (Abgrenzung zu BGH FamRZ 2015, 1594). Zur Beschränkung des Anspruchs auf Elternunterhalt gemäß § 1611 BGB wegen früherer Verletzung der elterlichen Pflicht zu Schutz und Beistand für ein in den 60er Jahren zum Opfer einer innerfamiliären Vergewaltigung gewordenes Mädchen.


Oberlandesgericht Karlsruhe

Beschl. v. 22.01.2016

Az.: 20 UF 109/14

In der Familiensache

XXX
gegen
XXX
wegen Elternunterhalt

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. G., den Richter am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Oberlandesgericht S. auf Grund des Sachstands vom 22.12.2015 beschlossen:


Tenor:


  1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 11.04.2014, Az. 3 F 359/13, in Ziffer 1 abgeändert, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
    Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 922,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 14.06.2013 zu zahlen. Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

  2. Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

  3. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Antragsteller 44% und die Antragsgegnerin 56%.

  4. Die sofortige Wirksamkeit des Ausspruchs zu Ziffer 1 wird angeordnet.

  5. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.770 € festgesetzt.

  6. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


Gründe


I.


Der Antragsteller - Bezirk Oberfranken, Sozialverwaltung - begehrt aus übergeleitetem Recht von der Antragsgegnerin Elternunterhalt für die Mutter der Antragsgegnerin, R. S., für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 30. Juni 2013.


Die Mutter der Antragsgegnerin ist am ...1923, die Antragsgegnerin am ...1954 geboren. Die Antragsgegnerin wuchs als Kind im Haushalt ihrer Eltern mit 4 (teilweise Halb-) Geschwistern auf. Im Alter von 12 oder 13 Jahren wurde sie von ihrem etwa 2 Jahre älteren Bruder im gemeinsamen Kinderschlafzimmer vergewaltigt. Sie empfing hierbei ein Kind. Dies wurde erst im fünften oder sechsten Schwangerschaftsmonat offenbar. Nach Einschaltung der Jugendbehörde kam die Antragsgegnerin in ein Mutter-Kind-Heim, wo sie am ...1967 ihr Kind entband. Der Sohn ist schwer behindert.


Die Antragsgegnerin kehrte sodann in den elterlichen Haushalt zurück. Der Sohn der Antragsgegnerin wurde im Haushalt aufgezogen, vorwiegend betreut durch die Großmutter der Antragsgegnerin und durch die Antragsgegnerin selbst. Dritten gegenüber wurde die Mutterschaft der Antragsgegnerin verheimlicht; es wurde erzählt, dass das Kind vom Bruder stamme und die Kindesmutter sich nicht um das Kind kümmere.


Die Vaterschaftsfeststellung und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für das Kind erfolgte erst nach Volljährigkeit der Antragsgegnerin auf deren Betreiben durch Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom ...1974.


Die Antragsgegnerin schloss im Jahr 1968 die Volksschule ab. Sie absolvierte anschließend bei der Fa. Siemens eine Anlern-Ausbildung und war sodann dort als Bürogehilfin tätig. Später wechselte sie zur Sparkasse, dann zur Stadt Erlangen, wo sie 1976 bis 1977 erfolgreich die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten durchlief.


Im Jahr 2005 wurde die Antragsgegnerin wegen Erwerbsunfähigkeit verrentet. In diesem Zusammenhang wurde das von der Antragsgegnerin vorgelegte Gutachten der So. Klinik erstattet, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit psychischen Beeinträchtigungen der Antragsgegnerin befasst sich auch eine Stellungnahme des sachverständigen Zeugen Dr. Rö. vom ...2008 gegenüber dem Sozialgericht Karlsruhe.


Die zuvor in M wohnhafte Mutter der Antragsgegnerin, R. S., wurde am 30.4.2012 im Seniorenzentrum "K" in L (etwa 10 km vom M entfernt) aufgenommen. Sie war bis einschließlich März 2013 in Pflegestufe I, sodann in Pflegestufe II eingestuft. Die vom Pflegeheim in Rechnung gestellten Beträge und die hierauf in Anrechnung gebrachten Leistungen der Pflegeversicherung ergeben sich aus den zur Akte gereichten Monatsabrechnungen.


Der Antragsteller gewährt R. S. seit 30.4.2012 Sozialhilfe durch die Übernahme der durch eigenes Einkommen und Vermögen sowie die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten des Seniorenheims. Im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Leistungsbescheid vom 12.12.2012 und auf die Zusammenstellung der Leistungen des Antragstellers in Anl. 2 zum Schriftsatz vom 6.11.2013. Mit Schreiben vom 29.5.2012 zeigte der Antragsteller der Antragsgegnerin die Leistungserbringung an. Mit Schreiben vom 17.12.2012 wurde der Übergang eines gegen die Antragsgegnerin bestehenden Unterhaltsanspruchs auf den Antragsteller geltend gemacht.


R. S. verfügte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Ab 01.07.2011 belief sich diese auf netto (nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag) 992,84 €, ab 01.07.2012 auf netto 1.014,52 €. Sie verfügte außerdem über eine Pensionszahlung der Siemens Pensionsfonds AG von monatlich 78,49 €. Schließlich erbrachte die gesetzliche Pflegeversicherung Leistungen. Ein Anspruch auf Wohngeldbezug bestand auf Grund zu hohen Eigeneinkommens der R. S. nicht.


Die Antragsgegnerin bezieht eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, Witwenversorgung sowie eine Zusatzrente der ZVK, die monatliche Auszahlung betrug im verfahrensgegenständlichen Zeitraum insgesamt 2.439,69 €. Nach Berücksichtigung von Schuldendienst, Nebenkosten und Erhaltungsaufwand verblieb bei der Antragsgegnerin für das Wohnen im eigenen Haus ein so genannter negativer Mietwert (Aufwendungen höher als die im Selbstbehalt kalkulatorisch enthalten und Unterkunftskosten) von 433,23 €. Dessen Höhe und Abzugsfähigkeit vom Einkommen der Antragsgegnerin steht außer Streit. Der schwerbehinderte Sohn der Antragsgegnerin bezog eine Rente von 719,86 €, einen Lohn für seine Arbeit in einer Einrichtung der "Lebenshilfe" (im Dezember 2012: von 75,69 €) und etwa 200 € Wohnkostenzuschuss.


R. S. hat drei weitere Kinder, die jedoch nicht leistungsfähig zur Zahlung von Unterhalt sind. Ihr geschiedener Ehemann ist bereits im Jahr 1991 verstorben.


Der Antragsteller hat in erster Instanz Zahlung von 1.770,00 € nebst Zinsen begehrt. Er hat eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin in Höhe von 253 € monatlich bis 31.12.2012 und von 203 € monatlich ab 1.1.2013 angenommen. Der ungedeckte Unterhaltsbedarf der R. S. sei jeweils höher gewesen. Verwirkungstatbestände aufgrund des Verhaltens von R. S. könnten nicht erkannt werden. Den Missbrauch durch den Bruder habe R. S. nicht begangen, er sei von ihr nicht zu verhindern gewesen, sie habe ihn auch nicht toleriert. In der anschließenden Situation sei sie sicher gänzlich überfordert gewesen. Auch wenn ihre Entscheidungen nicht optimal gewesen seien, führten sie nicht zur Verwirkung. Sie habe zu der damaligen Zeit und im Licht der Gesamtlebensverhältnisse das in ihren Kräften stehende getan. Aufgrund des nachvollziehbaren Schicksals der Antragsgegnerin werde jedoch ein Abschlag von 40 % auf den errechneten Unterhalt gewährt. Es würden deshalb lediglich für die Monate Juni bis einschließlich Dezember 2012 monatlich 150 € und für die Zeit Januar bis einschließlich Juni 2013 monatlich 120 € gefordert.


Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat sich auf Verwirkung des Unterhaltsanspruchs berufen. Ihrer Mutter R. S. sei in der Zeit nach dem Missbrauch unterlassene Fürsorge und unterlassener Beistand vorzuwerfen. Sie habe keinerlei Initiative ergriffen, um die Folgewirkungen hinsichtlich des psychischen und physischen Gesundheitszustandes der Antragsgegnerin zu bewältigen. Vielmehr habe die Antragsgegnerin lügen müssen, um die Inzesthandlung des Bruders zu vertuschen. Sie habe ihr Kind verleugnen müssen. Aus egoistischen Gründen der Mutter sei der Kindesmissbrauch durch den eigenen Bruder vertuscht worden. Von Seiten der Familie sei nichts unternommen worden, um die Vaterschaft zu klären. Die gesamte Kindheit der Antragsgegnerin im Hause ihrer Eltern sei durch Schläge, die Suchterkrankung der Mutter und Alkoholprobleme im familiären Umfeld geprägt gewesen. Ihre Mutter habe sich zu keiner Zeit ordnungsgemäß um die Versorgung und Erziehung der Antragsgegnerin und der übrigen Kinder gekümmert. Vielmehr sei es regelmäßig zu heftigen Schlägen, auch mit dem Teppichklopfer, im Rahmen von Wutanfällen der Mutter gekommen. Folge seien ein schwerwiegender und dauerhafter Krankheitszustand auf Seiten der Antragsgegnerin (Persönlichkeitsstörung, posttraumatische Belastungsstörung mit Depression und psychovegetatives Erschöpfungssyndrom).


Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 11.4.2014 dem Antrag in vollem Umfang stattgegeben. Zu den unterhaltsrechtlichen Fragen (Unterhaltsanspruch der R. S. dem Grunde nach, Höhe des ungedeckten Unterhaltsbedarfs, Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin) ist es dem Vorbringen des Antragstellers gefolgt. Es hat den Verwirkungseinwand über den vom Antragsteller bereits vorgenommenen Abschlag von 40% hinaus nicht durchgreifen lassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Reaktionen der Mutter der Antragsgegnerin auf die Vergewaltigung und ihre Folgen zwar nicht ausreichend waren. Angesichts der gesellschaftlichen Situation Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts und der sozialen Verhältnisse der Familie erscheine die Vorgehensweise aber in einem milderen Licht. Die Mutter der Antragsgegnerin habe das aus ihrer Sicht unumgänglich veranlasst und im Rahmen ihrer emotionalen und sozialen Kompetenz auf die Situation reagiert. Wegen der weiteren Einzelheiten zu Inhalt und Begründung dieser Entscheidung wird auf Entscheidungsformel und Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.


Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie macht geltend, die Einkünfte von R. S. seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Auch das Pflegegeld müsse als Einkommen berücksichtigt werden. Der Bedarf in Form der Kosten des Pflegeheimes sei nicht ausreichend nachgewiesen, die vorgelegten Kostenrechnungen seien unvollständig oder widersprüchlich. Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass von Seiten des Heims ein Investitionskostenzuschuss in Rechnung habe gestellt werden dürfen. Die Kosten des gewählten Pflegeheimes seien überhöht. Die Antragsgegnerin verweist auf günstigere Heimkosten von Einrichtungen in Nürnberg, Bayreuth, Neukirchen und Schwabach. Die Antragsgegnerin macht weiterhin Verwirkung gemäß § 1611 BGB geltend. Die Mutter habe ihre Garanten- und Erziehungspflicht auch aus dem Blickwinkel der sechziger Jahre verletzt. Bei einem sorgsamen und fürsorglichen Verhalten, wozu sie gesetzlich und aufgrund der familiären Situation verpflichtet gewesen sei, hätte sie zu einer ordnungsgemäßen Versorgung und Betreuung im Rahmen ärztlicher, psychologischer und psychotherapeutischer Hilfe beitragen müssen. Stattdessen habe die Mutter aus egoistischen Gründen den Kindesmissbrauch durch den Bruder der Antragsgegnerin vertuscht und somit gedeckt. Sie habe sich darauf beschränkt, die Tathandlung und die Folgen, nämlich das Inzestkind, zu verheimlichen, und dies in rücksichtsloser Art zulasten der Antragsgegnerin. Auch hinsichtlich der Erziehung und Verpflegung des geborenen Kindes habe die Mutter die Antragsgegnerin im Stich gelassen; die Großmutter habe das Kind bis 1974 aufgezogen und betreut.


Die Antragsgegnerin beantragt,


den Beschluss vom 11.4.2014 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.


Der Antragsteller beantragt,


die Beschwerde zurückzuweisen.


Der Antragsteller verteidigt den Beschluss des Amtsgerichts. Der Investitionskostenzuschuss sei vom Heim berechtigt in Rechnung gestellt worden, er werde im Einklang mit der Rechtslage erhoben, da es in Bayern noch nie Förderzahlungen gegeben habe. Hierzu wird eine Bescheinigung der Regierung von Oberfranken vom 09.10.2014 vorgelegt. Hinsichtlich der Heimkosten liege das gewählte Heim unterhalb des bayerischen Durchschnitts. Die von der Antragsgegnerin genannten Alternativheime befänden sich in zu weiter Entfernung vom Wohnort der R. S. Der Heimplatz habe im April 2012 nach stationärer Krankenhausbehandlung kurzfristig gefunden werden müssen. Im näheren Umkreis sei allein in dem gewählten Pflegeheim "K" ein Platz verfügbar gewesen. Die rechtliche Betreuerin und Tochter von R. S., wohnhaft etwa 10 km entfernt von dem Heim in M, besuche R. S. 3 bis 4 mal wöchentlich, außerdem fahre sie R. S. zu Arzt- und Zahnarztterminen. Dies alles wäre der Tochter sowohl zeitlich als auch finanziell nicht möglich, wenn R. S. in einem entfernten Heim untergebracht wäre. Dem Schicksal der Antragsgegnerin werde mit dem gewährten Abschlag von 40% Rechnung getragen. Der Anspruchsübergang sei nicht nach §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII eingeschränkt, denn R. S. habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII, sondern nur Hilfe zur Pflege nach dem siebten Kapitel des SGB XII erhalten.


Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vortrag der Beteiligten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B. durch das Amtsgericht Bamberg im Wege der Rechtshilfe. Auf die Beweisbeschlüsse vom 13.02.2015 und 15.07.2015 sowie das Protokoll über die Beweisaufnahme vom 10.08.2015 wird Bezug genommen.


II.


Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Zu Recht ist das Amtsgericht von einer grundsätzlichen Unterhaltspflicht der Antragsgegnerin für R. S. ausgegangen. Unterhaltsbedürftigkeit der R. S. und Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin waren im unten dargestellten Umfang im maßgeblichen Zeitraum gegeben. Allerdings ist die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin gemäß § 1611 Abs. 1 BGB auf 1/3 (33,3%) des rechnerischen Unterhaltsanspruchs beschränkt. Der Unterhaltsanspruch ist gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII, allerdings mit Einschränkungen hinsichtlich der Wohnkosten, auf den Antragsteller übergegangen.


1) Die Antragsgegnerin ist dem Grunde nach gegenüber R. S. allein unterhaltspflichtig gemäß §§ 1601, 1602 BGB. Die gleichrangig unterhaltsverpflichteten Geschwister der Antragsgegnerin sind unstreitig nicht leistungsfähig.


2) Der Unterhaltsanspruch ist aufgrund § 94 Abs. 1 SGB XII im Umfang bis zur Höhe der vom Antragsteller gewährten Leistungen auf diesen übergegangen. Dass den Leistungen des Antragstellers eine Vereinbarung gemäß §§ 75 ff. SGB XII bzw. 72 ff. SGB XI zu Grunde lag, ergibt sich aus dem Bescheid vom 12.12.2012 und ist unbestritten. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die Leistungserbringung am 29.05.2012 angezeigt; die Forderung des streitgegenständlichen Unterhaltsrückstands ab einschließlich Juni 2012 ist somit gem. § 94 Abs. 1 Satz 4 SGB XII möglich.


§ 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII steht dem Übergang nicht entgegen; der Übergang stellt auch angesichts der von der Antragsgegnerin gegen ihre Mutter R. S. erhobenen Vorwürfe keine "unbillige Härte" dar. Eine unbillige Härte ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn mit der Heranziehung des Unterhaltspflichtigen soziale Belange vernachlässigt würden (mit Nachw. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl., § 94 Rn. 39). Störungen der familiären Beziehung ohne erkennbaren Bezug zu einem Handeln des Staates oder seiner Organe sind allein nach dem - unten noch ausführlich erörterten - § 1611 BGB zu beurteilen (BGH FamRZ 2010, 1888).


3) Zu beachten ist allerdings die Einschränkung des Anspruchsübergangs nach §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII. Von den Unterkunftskosten des in einem Heim lebenden und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehenden Unterhaltsberechtigten unterliegen mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung 56% nicht der Rückforderung und stehen damit einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII entgegen (BGH FamRZ 2015, 1594). Insoweit gilt im vorliegenden Fall:


a) In den Monaten bis einschließlich Juli bezog R. S. vom Antragsteller (auch) Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII, so dass § 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII eingreift. Dies ergibt sich aus dem Leistungsbescheid vom 12.12.2012.


Maßgeblich ist insoweit nicht, wie die Transferleistung im Leistungsbescheid bezeichnet wurde, sondern allein objektive Gesichtspunkte nach dem materiellen Regelungsgehalt des Bescheids (OVG München, Urt. v. 18.09.2008, Az. M 22 K 07.2647). Nach der dem Leistungsbescheid vom 12.12.2012 beigefügten Bedarfsberechnung umfasste der Bedarf der Leistungsempfängerin an Grundsicherung / Hilfe zum Lebensunterhalt insgesamt 776,81 €. Hierauf wurde für die Monate Mai bis einschließlich Juli 2012 faktisch ein Einkommen der Leistungsempfängerin lediglich von 611,33 € (Mai, Juni) bzw. 633,01 € (Juli) zur Anrechnung gebracht, weil ausweislich des Bescheides der Leistungsempfängerin "Mietkosten" (für die bisherige, noch aufzulösenden Wohnung) i. H. v. 460 € belassen wurden. Hieraus folgt, dass in den genannten Monaten faktisch auch der Bedarf der Leistungsempfängerin an Grundsicherung / Hilfe zum Lebensunterhalt zumindest teilweise durch die Transferleistung gedeckt wurde.


b) Die vom Pflegeheim ausweislich der bei den Akten befindlichen Abrechnungen in Rechnung gestellten Unterkunftskosten betrugen im streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.06.2012 bis 30.06.2013 durchschnittlich 246 €. Der Senat hält es für sachgerecht, trotz der monatsweise aufgetretenen geringen Schwankungen (gekürzter Unterkunftssatz für Krankheitstage) mit dem Durchschnittswert zu rechnen.


Der hierin enthaltene Anteil für Heizungs- und Warmwasserversorgung ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 287 ZPO zu schätzen. Da der Antragsteller für den Umfang des Anspruchsübergangs die Darlegungs- und Beweislast trägt, hierzu jedoch trotz Hinweises nicht substantiiert vorgetragen hat, gehen Unsicherheiten bei der Schätzung zu seinen Lasten. Der Senat geht auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass die für R. S. im Heim zur Verfügung stehende Wohnfläche (einschließlich Anteil an den Gemeinschaftsräumen) jedenfalls nicht geringer war als 20 qm. Zur Schätzung zieht der Senat sodann § 6 Abs. 2 Nr. 1, 2 Wohngeldverordnung heran, woraus sich Heiz- und Warmwasserkosten von ([0,80 € + 0,15 €] * 20 =) 19 € ergeben.


Die durchschnittlichen Unterkunftskosten ohne Heiz- und Warmwasserkosten sind dann mit 227 € anzusetzen. 56% hiervon sind gerundet 127 €.


Die Unterkunftskosten sind von der Sozialleistung des Antragstellers anteilig umfasst. Der Antragsteller hat der Sache nach die gesamten Heimkosten und zusätzlich den sozialhilferechtlichen Barbetrag geleistet, soweit nicht durch das Einkommen der R. S. gedeckt. Somit sind die Unterkunftskosten Teil des geltend gemachten Anspruchsübergangs.


Nach Ansicht des Senats ist die Einschränkung des Anspruchsübergangs nach §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu realisieren, und zwar in der Weise, dass bei der Berechnung der nicht übergehende Wohnkostenteil (127 €) wie Wohngeld behandelt wird und somit die Bedürftigkeit reduziert. Einen Abzug des Wohnkostenanteils erst von dem ausgerechneten Unterhaltsanspruch hält der Senat dagegen nicht für interessengerecht. Sofern der Pflichtige voll leistungsfähig ist und der Unterhaltsanspruch keiner prozentualen Kürzung (insbesondere § 1611 Abs. 1 BGB) unterliegt, ergibt sich im Ergebnis kein Unterschied zwischen beiden Varianten. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der übergehende Unterhaltsanspruch einer prozentualen Kürzung unterliegt (s. u.), ergibt sich dagegen ein unterschiedliches Ergebnis, je nachdem, ob man den nicht übergehenden Wohnkostenanteil im Rahmen der Unterhaltsberechnung als bedarfsdeckendes Einkommen ansetzt und den sich sodann ergebenden (geringeren) Unterhaltsanspruch prozentual kürzt, oder ob man zunächst den rechnerischen Unterhaltsanspruch errechnet, diesen sodann prozentual verringert und erst von dem solcherart reduzierten Unterhaltsanspruch den nicht übergehenden Wohnkostenanteil abzieht. Gleichfalls ergeben sich Unterschiede im Ergebnis bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Sinn und Zweck des § 94 Abs. 1 Satz 6 ist es, einen Ausgleich zu schaffen für den Wegfall des Anspruchs auf (bedarfsdeckendes, vgl. Ziff. 2.3 SüdL) Wohngeld bei Empfängern von Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5, 6 WohngeldG. Dies legt es nahe, eine Berechnungsweise zu wählen, die den Unterhaltspflichtigen so stellt, als ob der Betrag als fiktives Wohngeld zur Verfügung gestanden hätte.


c) Zutreffend beruft sich der Antragsteller darauf, dass er ab dem Monat August 2012 nur noch Hilfe zur Pflege nach dem siebten Kapital des SGB XII gewährt hat, da der Bedarf der R. S. an Grundsicherung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt noch durch ihr Einkommen gedeckt war. Nach dem Leistungsbescheid vom 12.12.2012 bestand für R. S. ein Bedarf für Grundsicherung von 675,83 € zuzüglich des Barbetrags von 100,98 €. Diese Bedarfe waren durch das deutlich übersteigende Einkommen der R. S. gedeckt. Infolgedessen kommen §§ 94 Abs. 1 Satz 6, 105 Abs. 2 SGB XII nach ihrem eindeutigen Wortlaut hier nicht zur Anwendung.


Für diese Monate ist auch nicht ein fiktives bedarfsdeckendes Wohngeld der R. S. einzusetzen. Zwar lag in den genannten Monaten für R. S. der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 WohngeldG nicht vor, da sie in dieser Zeit keine Sozialleistungen nach dem dritten oder vierten Kapital des SGB XII erhielt. Grundsätzlich kam für diese Monate somit ein Anspruch auf Wohngeld in Betracht (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 WohngeldG). Nach den konkreten Einkommensverhältnissen der R. S. hatte diese aber, wie von dem Antragsteller substantiiert dargelegt und von der Antragsgegnerin nicht bestritten wurde, keinen Wohngeldanspruch. Somit kann die - vom Senat zunächst erwogene - Zurechnung eines fiktiven Wohngeldes wegen Verstoßes gegen die unterhaltsrechtliche Obliegenheit von R. S., ihre Bedürftigkeit durch den Bezug von Wohngeld zu verringern, und die sozialrechtliche Beratungspflicht des Antragstellers (§ 11 SGB XII), hierauf hinzuwirken, nicht erfolgen.


4) Der Unterhaltsbedarf der R. S. im streitgegenständlichen Zeitraum betrug monatlich 2.378,48 € für die Zeit bis einschließlich März 2013 und 2.852,25 € für die anschließende Zeit bis einschließlich Juni 2013:


a) Der Unterhaltsbedarf entspricht den für die Unterbringung im Heim "K" angefallenen Kosten. Die im Pflegeheim anfallenden Kosten bestimmen den Unterhaltsbedarf, soweit sie notwendig sind (BGH FamRZ 2013, 203). Außerdem gehören zum Unterhaltsbedarf bare Mittel ("Taschengeld") im Umfang des sozialhilferechtlichen Barbetrages (BGH aaO.).


b) Mit ihrem Einwand, es habe ein Platz in kostengünstigeren Heimen zur Verfügung gestanden, die Unterbringungskosten im Heim "K" seien somit nicht notwendig gewesen, dringt die Antragsgegnerin nicht durch. Insoweit oblag der Antragsgegnerin ein substantiiertes Bestreiten durch Benennung kostengünstigerer Heime (BGH FamRZ 2015, 2138; BGH FamRZ 2013, 203; BGH FamRZ 2002, 1968). Die Antragsgegnerin hat zwar 4 kostengünstigere Heime benannt (AS II 7 sowie die dort beigefügte Anlage 1 "Detailansichten Pflegeheim"), bei denen die mitgeteilten - und unbestrittenen - Gesamtkosten unterhalb der Kosten des Seniorenzentrums "K" liegen. Auf die genannten Heime musste sich jedoch R. S. nicht verweisen lassen.


i) Die Wahl dieser Heime war für R. S. angesichts der Entfernung von ihrem bisherigen Wohnort unzumutbar. Die genannten Heime befinden sich in einer Entfernung von 50 -100 km vom vormaligen Wohnort der R. S. in M, während das Seniorenzentrum "K" nur ca. 6 km entfernt liegt.


Allerdings beschränkt sich der Bedarf der nunmehr sozialhilfebedürftigen R. S. auf das Existenzminimum und somit auf eine ihr zumutbare einfache und kostengünstige Heimunterbringung (BGH FamRZ 2013, 203). Somit besteht grundsätzlich die Obliegenheit, eine kostengünstige Heimunterbringung wahrzunehmen. Dies gilt nach Ansicht des Senats auch dann, wenn kostengünstigere Pflegeheime in größerer Entfernung vom bisherigen Wohnort vorhanden sind.


Jedoch muss der Unterhaltspflichtige dann die höheren Kosten des ausgewählten Pflegeheimes tragen, wenn dem Unterhaltsberechtigten die Wahl der preisgünstigeren Heime nicht zumutbar war (BGH FamRZ 2013, 203; BGH FamRZ 2015, 2138). Berechtigte Gründe, die gerade die Unzumutbarkeit einer Heimunterbringung in größerer Entfernung begründen, können insbesondere noch bestehende Außen- und Sozialkontakte des pflegebedürftigen Menschen sein, die durch einen Umzug in größere Entfernung nicht nur unerheblich beeinträchtigt würden. So liegt es hier.


An ihrem früheren Wohnort M lebt die Zeugin B., die rechtliche Betreuerin und Tochter der R. S. Diese besuchte nach ihren im Rahmen der Rechtshilfevernehmung gemachten Angaben R. S. seit Aufnahme in das Heim mehrmals wöchentlich und machte mit ihr Spiele u. ä. Über diese Besuche hatte sich R. S. jeweils erkennbar gefreut. Sie sorgte für Fahrten zu Arzt- und Zahnarztterminen. Zudem erfolgten Besuche durch einen Beauftragten der Kirchengemeinde, welcher R. S. bereits früher angehört hatte. Zweifel gegen die Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit der Angaben der Zeugin sind weder vorgebracht noch ersichtlich.


Im Fall einer Unterbringung in einer 50 oder 100 km entfernten Pflegeeinrichtung hätten diese Besuche und Sozialkontakte zweifellos nicht im genannten Umfang erfolgen können. Es war für R. S. nicht zumutbar, durch Wahl einer weit vom bisherigen Lebensmittelpunkt entfernten Pflegeeinrichtung diese sozialen Kontakte zu gefährden. Gerade hoch betagten Menschen, die ohnehin durch den Umzug in ein Pflegeheim den Verlust von Selbstständigkeit und vertrauter Umgebung erleben, ist es nicht zumutbar, ihre verbliebenen sozialen Kontakte durch einen Wegzug in weite Entfernung erheblich zu beeinträchtigen oder gar aufzugeben.


ii) Zudem gilt, dass auch dem sozialhilfebedürftig gewordene Unterhaltsberechtigten ein Entscheidungsspielraum bei der Auswahl zwischen mehreren Heimen im unteren Preissegment zusteht (BGH FamRZ 2015, 2138). Vorliegend hat der Antragsteller substantiiert dargetan, dass der Pflegesatz des Pflegeheims "K" deutlich unter dem bayernweiten Durchschnitt liegt. Dem hat die Antragsgegnerin kein substantiiertes Bestreiten entgegen gehalten. Somit war die Wahl des noch im unteren Preissegment liegenden Pflegeheims auch noch vom Auswahlermessen der R. S. gedeckt.


c) Aus den vom Antragsteller nunmehr vollständig vorgelegten Rechnungen des Heims ergeben sich für die Zeit bis einschließlich März 2013 (Pflegestufe I) monatliche Kosten von durchschnittlich 2.275,34 € und für die anschließende Zeit bis einschließlich Juni 2013 (Pflegestufe II) von 2.749,11 €. Die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Einwände gegen die Nachvollziehbarkeit der Rechnungen greifen im Ergebnis nicht durch. Ausgangspunkt sind die ursprünglich gestellten Rechnungen. Die Rechnungen ab April 2013 wurden nachträglich auf Grund der Hochstufung von R. S. in Pflegestufe II mit Nachtragsberechnung vom 30.7.2013 durch entsprechende Erhöhung der Pflegeleistung korrigiert (hochgesetzt). Die monatlichen Kosten ergeben sich jeweils aus einer Addition der Abrechnungsbeträge "Investitionskosten", "Pflegeleistung", "Unterkunft" und "Verpflegung". Die Durchschnittsbildung aus den berechneten Beträgen - ohne den teilweise ebenfalls dort angesetzten Barbetrag (Taschengeld), der hier gesondert betrachtet ist - führt zu den genannten Beträgen wie folgt:


 Kosten PflegeheimDurchschnitt
Juni 20122.169,95 € 
Juli 20122.325,93 € 
August 20122.196,41 € 
September 20122.250,90 € 
Oktober 20122.325,93 € 
November 20122.438,01 € 
Dezember 20122.293,55 € 
Januar 20132.325,93 € 
Februar 20132.100,84 € 
März 20132.325,93 €2.275,34 €
   
April 20132.718,90 € 
Mai 20132.809,53 € 
Juni 20132.718,90 €2.749,11 €


Hinzuzurechnen ist als Bedarf noch monatlich der sozialhilferechtliche Barbetrag von 103,14 € ("Taschengeld"). Es ergibt sich sodann ein Bedarf von 2.378,48 € bzw. 2.852,25 €.


Die in den Rechnungen jeweils unmittelbar in Abzug gebrachten Leistungen der Pflegeversicherung mindern die Bedürftigkeit der R. S. und werden deshalb unten in Ansatz gebracht.


d) Dass vom Heim ein Investitionskostenzuschuss in Rechnung gestellt wurde, ist nicht zu beanstanden. Maßgebend für die Erhebung eines solchen Zuschusses ist § 82 Abs. 3, 4 SGB XI. Nicht nach Landesrecht geförderte Pflegeheime dürfen einen solchen Zuschuss erheben, einer Zustimmung der Behörde bedarf es nicht (§ 82 Abs. 4 SGB XI). Durch Bestätigung der Regierung von Oberfranken wurde nachgewiesen, dass die Einrichtung unter § 82 Abs. 4 SGB XI fällt. Dass die Höhe des Investitionskostenzuschusses nicht den Aufwendungen des Pflegeheims nach § 82 Abs. 3 Satz 1 entsprechen würde, ist weder dargetan noch ersichtlich.


5) R. S. war im streitgegenständlichen Zeitraum unterhaltsbedürftig wie folgt:


Für Juni 2012 gilt: Bedarf 2.378,48 € abzüglich Leistungen der Pflegeversicherung von 1.023,00 €, Altersrente von 992,84 € und Siemens Betriebsrente 78,49 €, verbleibt ein ungedeckter Bedarf von rund 285 €. Hierauf ist noch der vom Übergang ausgeschlossene Wohnkostenanteil von 127 € anzurechnen (s. o.). Es verbleibt ein Unterhaltsbedarf von 158 €.


Für Juli 2012 gilt: Bedarf 2.378,48 € abzüglich Leistungen der Pflegeversicherung von 1.023,00 €, Altersrente von 1.014,52 € und Siemens Betriebsrente 78,49 €, verbleibt ein ungedeckter Bedarf von rund 263 €. Nach Anrechnung des vom Übergang ausgeschlossenen Wohnkostenanteils von 127 € verbleibt ein Unterhaltsbedarf von 136 €.


Ab 01.08.2012 bis 31.03.2013 gilt: Bedarf 2.378,48 € abzüglich Leistungen der Pflegeversicherung von 1.023,00 €, Altersrente von 1.014,52 € und Siemens Betriebsrente 78,49 €, verbleibt ein ungedeckter Bedarf von rund 263 €. Eine Einschränkung des Anspruchsübergangs hinsichtlich des Wohnkostenanteils findet für diese Monate nicht statt (s. o.).


Für die anschließende Zeit ab 01.04.2013 bis 30.06.2013 gilt: Bedarf 2.852,25 € abzüglich Leistungen der Pflegeversicherung von 1.279,00 €, Altersrente 1.014,52 € und Siemens Betriebsrente 78,49 €, verbleibt ein ungedeckter Bedarf von rund 481 €.


6) Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin beschränkt sich für die Zeit bis 31.12.2012 auf 252 €, für die anschließende Zeit auf 202 €. Dies beruht auf folgenden Berechnungen:


Das Nettoeinkommen der Antragsgegnerin aus ihrer Rente belief sich auf unstreitig 2.439,69 €. Ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Sohn Be. ist nicht zu berücksichtigen, da dieser durch seine Rente (719,86 €), den Arbeitslohn (ca. 75 €) und den Wohnkostenzuschuss (ca. 200,00 €) seinen Bedarf in voller Höhe selbst decken kann. Vom Einkommen der Antragsgegnerin ist unstreitig ein "negativer Mietwert" (die Aufwendungen für das selbst genutzte Wohneigentum sind höher als der im Selbstbehalt enthaltene Anteil für Wohnkosten) von 433,23 € in Abzug zu bringen, außerdem entsprechend der Berechnung des Antragstellers eine Unfallversicherung von 2,28 €. Sodann ist der Selbstbehalt von 1.500 € (bis 31.12.2012) bzw. 1.600 € (ab 1.1.2013) abzuziehen. Es verbleiben 504,18 € (bis 31.12.2012) bzw. 404,18 € (ab 1.1.2013). Hiervon ist jeweils die Hälfte für Elternunterhalt einzusetzen, also 252 € bzw. 202 €.


7) Damit beläuft sich zunächst der rechnerische Unterhaltsanspruch auf folgende monatliche Beträge:

Juni 2012:

158 €

Juli 2012:

136 €

August 2012 bis einschließlich Dezember 2012:

252 €

Januar 2013 bis einschließlich Juni 2013:

202 €

Insgesamt:

2.766 €


8) Gemäß § 1611 Abs. 1 S. 1 BGB ist der in dieser Höhe rechnerisch bestehende Unterhaltsanspruch wegen einer vorsätzlichen schweren Verfehlung der Mutter R. S. gegenüber der Antragsgegnerin zu kürzen. Diese Kürzung beträgt nicht lediglich - wie vom Antragsteller bereits zugestanden - 40%, sondern insbesondere wegen der schweren Folgen der Verfehlung für die Antragsgegnerin 66,6% (2/3). Ein gänzlicher Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB ist jedoch nicht anzunehmen.


Zu Recht geht der Antragsteller selbst von einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs aus. Denn der Mutter der Antragsgegnerin sind im Rahmen der (nicht ausreichend erfolgten) Bewältigung der Vergewaltigung der seinerzeit noch im kindlichen Alter befindlichen Antragsgegnerin erhebliche Versäumnisse vorzuwerfen, wobei auch davon ausgegangen werden kann, dass die Mutter der Antragsgegnerin insoweit nicht in Unkenntnis ihrer elterlichen Pflichten war und deshalb zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Im Einzelnen:


Die Antragsgegnerin hat in Form einer Vergewaltigung durch den eigenen Bruder, einer Schwangerschaft und Entbindung im kindlichen Alter sowie der Geburt eines schwerstbehinderten Sohnes ein unfassbares Schicksal erlitten, welches ausweislich des Gutachtens der So. Klinik, Dr. H., vom ...2004 ihren weiteren Lebensweg geprägt und sie psychisch und psychosomatisch nachhaltig und gravierend belastet und geschädigt hat. Dies kann der Mutter der Antragsgegnerin jedoch unmittelbar nicht angelastet werden. Es ist weder behauptet noch ersichtlich, dass die Mutter der Antragsgegnerin die Vergewaltigung ermöglicht, gefördert oder geduldet hätte, und auch eine Alternative zum Austragen des Kindes nach Entdeckung der Schwangerschaft ist von der Antragsgegnerin weder aufgezeigt noch ersichtlich.


Zu Recht beschränkt sich deshalb auch der Vorwurf der Antragsgegnerin auf Versäumnisse im weiteren Verlauf. Bezüglich dieses weiteren Verlaufs sind der Mutter der Antragsgegnerin erhebliche, zumindest bedingt vorsätzliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen, die in der Gesamtheit als vorsätzliche schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB zu werten sind.


Die Verletzung elterlicher Pflichten kann sich, auch soweit sie in einem Unterlassen besteht, als Verfehlung gegen das Kind darstellen (BGH FamRZ 2004, 1559). Die Mutter der Antragsgegnerin war ihr im Rahmen der elterlichen Pflichten seinerzeit Schutz und Beistand schuldig. Es gehörte - schon damals - zu den Pflichten der Eltern, sich um ihr Kind zu kümmern, ihm bei Problemen und Schwierigkeiten zur Seite zu stehen und ihm insgesamt die Gewissheit zu vermitteln, dass ihm in Liebe und Zuneigung verbundene Elternteile für es da sind (vgl. jetzt BGH FamRZ 2004, 1559). Dem ist die Mutter nicht gerecht geworden, wodurch sie sich einer Verfehlung gegen die Antragsgegnerin schuldig gemacht hat.


Dass die Antragsgegnerin allerdings seinerzeit von ihren Eltern nicht einer Psychotherapie zugeführt wurde, ist nicht als vorsätzliche schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB zu werten. Denn in den 1960er Jahren war nach weit verbreiteter Anschauung die psychotherapeutische Behandlung Fällen von Geisteskrankheit vorbehalten. Die heute allgemein vorherrschende Erkenntnis, dass schon zur Bewältigung krisenhafter Lebenssituationen eine psychotherapeutische Behandlung sachgerecht und geboten sein kann, kann für die damalige Zeit nicht vorausgesetzt werden. Somit fehlt es hinsichtlich dieser Unterlassung jedenfalls am subjektiven Element.


Auch hält es der Senat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Anschauungen der 1960er Jahre nicht für individuell den Eltern als vorsätzliche Verfehlung vorwerfbar, dass sie die Herkunft des Kindes der Antragsgegnerin gegenüber Dritten verheimlichten und stattdessen eine "Legende" benutzten, die auch der Antragsgegnerin vorgegeben wurde. Es ist nicht fernliegend und lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass die Eltern hierbei subjektiv nicht gegen die Kindesinteressen handeln wollten, sondern vielmehr meinten, auch im wohlverstandenen Interesse zum Schutz des Kindes - gleichermaßen auch der Familie - vor gesellschaftlicher Ausgrenzung zu handeln.


Jedoch schuldeten die Eltern der Antragsgegnerin, nachdem sie ohne jedes eigene Verschulden durch die Vergewaltigung und Schwangerschaft in höchstem Maße traumatisiert und durch die Geburt des Kindes in einer psychisch und praktisch schwierigsten Lage war, als elterliche Pflicht fürsorgliche Zuwendung, Gespräch und Verständnis. Diese Pflicht wurde von ihnen schwer verletzt. Die Antragsgegnerin sah sich nach ihrer glaubwürdigen Schilderung im Termin vom 28.11.2014 nach Bekanntwerden der Schwangerschaft zunächst massiven Vorwürfen ausgesetzt. Sie wurde von der Mutter angeschrien, weil sie "Schande über die Familie gebracht" habe, und zunächst sogar zur "Strafe" eingesperrt. Die Endphase der Schwangerschaft und die Geburt ihres Kindes musste sie ohne elterlichen Rückhalt im Mutter-Kind-Heim bewältigen. Nach Rückkehr der Antragsgegnerin in den elterlichen Haushalt wurde über das Kind nicht gesprochen (vgl. die Schilderungen der Antragsgegnerin "Eindrücke meines Lebens", S. 25). Die Antragsgegnerin "erlebte sich von der Familie ausgestoßen, allein gelassen, vom Kindesvater niemals unterstützt und verarbeitete das Erlebte sehr schuldhaft" (Gutachten Dr. H. vom ...2004). Unverständlich aus Sicht des Senats ist zudem, dass der Bruder der Antragsgegnerin und Vergewaltiger weiterhin unangefochten im Familienverbund verblieb.


Im vorliegenden Fall ist die Verletzung der elterlichen Pflichten angesichts des auch damals schon offensichtlichen Umstandes, dass die Antragsgegnerin ein in schwerster Weise unverschuldet geschädigtes und bedürftiges Kind war, als gravierende, besonders vorwerfbare Verfehlung der Eltern anzusehen. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass der Mutter im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre bewusst war, dass sie ihrem Kind fürsorgliche Zuwendung schuldig war.


Soweit die Antragsgegnerin darüber hinausgehende weitere Erziehungsfehler durch ihre Eltern geltend macht, haben diese im Rahmen der Beurteilung kein eigenständiges Gewicht. Derartige Erziehungsfehler, insbesondere körperliche Züchtigungen, stellen vor dem Hintergrund der Erziehungsanschauungen und auch des Standes von Recht und Gesetzgebung in den 1960er Jahren jedenfalls keine schwere Verfehlung dar. Dass die Antragsgegnerin nach Schulabschluss als Gegenleistung für den ihr gewährten Naturalunterhalt ihr Gehalt - bis auf ein Taschengeld - den Eltern abliefern musste, ist jedenfalls im Grundsatz nicht zu beanstanden.


Bei der nach § 1611 Abs. 1 BGB gebotenen Billigkeitsabwägung, in welchem Umfang eine Beschränkung oder ein Wegfall der Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin stattfindet, darf jedoch auch die seinerzeitige Situation der Mutter nicht außer Betracht bleiben. Ersichtlich war auch die Mutter nach der Vergewaltigung durch den Bruder in der Rolle eines Opfers. Zweifellos drohte bei Bekanntwerden der gesamten Umstände gesellschaftliche Ächtung und Isolation der Familie, und zwar auch für die Eltern. Eine Reaktion des Verdrängens und Verschweigens war vor diesem Hintergrund zwar nicht gerechtfertigt. Zu Recht geht aber schon das Amtsgericht davon aus, dass das Verhalten der Eltern vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Situation der 1960er Jahre in einem milderen Licht erscheint.


Ebenfalls im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist andererseits, dass die Antragsgegnerin als Spätfolge ihrer Traumatisierung letztendlich erwerbsunfähig und frühverrentet wurde. Dass ihre Erwerbsunfähigkeit eine Folge der schweren Traumatisierung im Kindesalter war, ergibt sich aus dem Gutachten Dr. H. Allerdings war ausweislich des genannten Gutachtens hauptursächlich für die Traumatisierung die Vergewaltigung durch den Bruder, wofür die Mutter nicht verantwortlich zu machen ist. Der die Eltern treffende Vorwurf betrifft ihre Insuffizienz, gerade bei der Bewältigung des traumatischen Geschehens.


Insgesamt kommt der Senat im Rahmen der Abwägung nach § 1611 Abs. 1 BGB zu dem Ergebnis, dass der Unterhaltsanspruch der R. S. aufgrund der Verletzung elterlicher Fürsorgepflichten gegenüber der Antragsgegnerin erheblich zu kürzen ist, jedoch nicht vollständig entfällt.


Eine grobe Unbilligkeit mit der Folge des vollständigen Wegfalls der Unterhaltspflicht nach § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB wäre nur anzunehmen, wenn die Gewährung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 2004, 1559). Dies wurde in der Rechtsprechung bisher namentlich in Fällen angenommen, in denen Eltern ihr Kind gänzlich zurückgelassen und sich nicht mehr um ihr Kind gekümmert hatten (BGH aaO.). Im vorliegenden Fall dagegen hat die Mutter ihre elterliche Verantwortung - wenn auch mit den dargestellten Mängeln - weiter wahrgenommen. Die Antragsgegnerin konnte den Schulabschluss machen. Wohnen, Kleidung usw., auch Windeln für das Kind (Protokoll vom 28.11.2014, S. 3), wurden ihr als Naturalunterhalt gewährt. Sie wurde in der Familie - jedenfalls durch die Großmutter - bei der Erziehung und Pflege ihres Kindes unterstützt. Da die Mutter sich ihrer elterlichen Verantwortung nicht gänzlich entzogen hat, widerspricht es nicht in unerträglicher Weise dem Gerechtigkeitsempfinden, wenn nunmehr die Antragsgegnerin mit einem reduzierten Anteil in die familiäre Pflicht genommen wird zur Deckung des Unterhalts ihrer bedürftig gewordenen Mutter.


Andererseits hält der Senat die vom Amtsgericht - in Übereinstimmung mit dem Antragsteller - vorgenommene Kürzung des Unterhaltsanspruchs um nur 40% für zu gering. Die elterliche Insuffizienz hat die mangelhafte Verarbeitung des traumatischen Geschehens (vgl. im Einzelnen nochmals Gutachten Dr. H. vom ...2004, a. a. O., S. 27) zumindest maßgeblich begünstigt, wenn nicht sogar verursacht. Somit hat die Mutter R. S. erhebliche Mitverantwortung für die schweren psychischen Folgen, wie sie im Gutachten Dr. H. vom ...2004 (a. a. O., S. 28 f.) im Einzelnen dargestellt sind. Dies gebietet eine Kürzung des Unterhaltsanspruchs auf deutlich unter die Hälfte des errechneten Unterhalts.


9) Somit reduziert sich der von der Antragsgegnerin rechnerisch geschuldete Unterhalt von insgesamt 2.766 € auf von der Antragsgegnerin geschuldete 922,00 €.


Da der Antragsteller in diesem Zeitraum in erheblich übersteigendem Umfang Sozialleistungen an R. S. erbracht hat, ist der Unterhaltsanspruch in diesem Umfang gemäß § 94 SGB XII auf ihn übergegangen.


Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Zinsen ist zutreffend (§§ 291, 288 BGB) und mit der Beschwerde nicht angegriffen.


Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG. Die Kostenentscheidung hat der Senat nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten getroffen, was billigem Ermessen entspricht (§ 243 FamFG).


Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG zugelassen im Hinblick auf die - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht geklärten Fragen zur konkreten Berechnungsweise bei der Einschränkung des Anspruchsübergangs nach §§ 94, 105 SGB XII und wegen der aufgeworfenen Detailfragen zur rechtlichen Bewertung der Versäumnisse der Mutter R. S. im Rahmen des § 1611 BGB.

RechtsgebieteBGB, SGB XIIVorschriftenBGB § 1601; BGB § 1602; BGB § 1603; BGB § 1611; SGB XII § 94; SGB XII § 105