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· Fachbeitrag · Feststellung des Arbeitnehmerstatus

Klare Regeln sind für beide Vertragsparteien wichtig

von Assessorin jur. Petra Wronewitz, Bonn

| Gerne nutzen Arbeitgeber die Möglichkeit, freie Mitarbeiter einzustellen, weil sie damit flexibel auf Schwankungen beim Auftragsvolumen reagieren können. Es ist nicht die Sache von jedem Mitarbeiter, selbstständig zu arbeiten. Denn der freien Arbeitsgestaltung steht gegenüber, dass man selbst für seine soziale Absicherung, z. B. der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sorgen muss. Um den Status eines Arbeitsverhältnisses ging es in einem Fall, über den das LAG Baden-Württemberg in einer Berufungsverhandlung entscheiden musste (25.3.21, 17 Sa 45/20, Abruf-Nr. 221711 ). |

Sachverhalt

Ein Unternehmen schrieb eine Stelle aus, auf die sich ein Kandidat bewarb. Mit dem Bewerber wurde eine Zusammenarbeit vereinbart. Die Parteien gerieten dann jedoch darüber in Streit, ob ein festes Arbeitsverhältnis bestand oder nicht.

 

Arbeitssituation im Betrieb

Der Mitarbeiter ging von einem festen Arbeitsverhältnis aus. Zu keinem Zeitpunkt sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass er auf selbstständiger Basis für das Unternehmen tätig sein solle. Das ergebe sich besonders daraus, dass er in den Betrieb eingegliedert und in Bezug auf Art, Ort und zeitliche Lage der Arbeit den Weisungen des Arbeitgebers unterworfen sei. Sein Arbeitseinsatz sei aufgrund von Vorgaben des Arbeitgebers erfolgt. Einen Spielraum, selbst zu handeln oder zu entscheiden, habe es nicht gegeben. Darüber hinaus habe er täglich Monteurberichte schreiben und die Unterlagen für die Zeiterfassung führen müssen.

 

Keine Anhaltspunkte für Weisungsgebundenheit?

Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass ein festes Arbeitsverhältnis nicht vorliegen würde. Insgesamt bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter im Rahmen des Vertragsverhältnisses hinsichtlich der Art der Durchführung der Tätigkeit und der zeitlichen Komponenten Weisungen unterlegen hätte, welche über die auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erforderlichen Anweisungen hinausgegangen wären. Vielmehr habe er das Unternehmen glauben lassen, dass er ein Gewerbe angemeldet habe und auf selbstständiger Basis die Stunden abrechne.

 

Kein unterzeichneter Arbeitsvertrag

Ein vorbereiteter Arbeitsvertrag wurde vom Mitarbeiter nicht unterzeichnet. Eine sozialversicherungsrechtliche Anmeldung des Mitarbeiters nahm der Arbeitgeber nicht vor; so kam es zum Streit. Der Mitarbeiter erkrankte und sendete dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu. Der wies diese zurück und erklärte die Zusammenarbeit vorerst für beendet.

 

Die momentane Auftragslage lasse keine weitere Beschäftigung zu. Der Mitarbeiter beharrte darauf, dass ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Der Arbeitgeber behauptete das Gegenteil.

 

Vorsorglich erklärte der Arbeitgeber außerdem die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung, weil der Mitarbeiter ihm eine Selbstständigkeit vorgegaukelt habe. Zudem erklärte er die außerordentliche fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin.

 

Der Mitarbeiter hielt dagegen, dass eine arglistige Täuschung im Hinblick auf die Selbstständigkeit nicht vorliege und somit auch kein wichtiger Grund für eine Kündigung. Die ordentliche Kündigung sei unbegründet, da sie gegen Treu und Glauben verstoße und rechtsmissbräuchlich ausgesprochen worden sei. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sei nicht gegeben. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Mitarbeiters vor dem LAG Baden-Württemberg hatte insoweit Erfolg, als zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis ‒ jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ‒ bestanden hat.

 

MERKE | Maßgeblich sei hierfür die tatsächliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es muss nicht geklärt werden, ob die Parteien schon im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ein festes Arbeitsverhältnis geschlossen haben.

 

Merkmale der Arbeitnehmereigenschaft

Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet, § 611a Abs. 1 S. 1 BGB.

 

Beachten Sie | Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.

 

PRAXISTIPP | Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

 

Mitarbeiter war nicht selbstständig tätig

Das Gericht sah durch die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Arbeit ein Arbeitsverhältnis gegeben. Der Mitarbeiter war vollständig in die betrieblichen Abläufe des Unternehmens integriert.

 

Beachten Sie | Der Arbeitgeber war nicht nach § 123 Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigt, weil der Mitarbeiter ihn nicht arglistig i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB getäuscht hat, indem er ihm ‒ nach der eigenen Behauptung des Arbeitgebers ‒ zutreffend mitteilte, er habe ein Gewerbe angemeldet und könne die Tätigkeit beim Beklagten deshalb auf selbstständiger Basis ausführen.

Relevanz für die Praxis

Es kommt vor, dass der Status eines Mitarbeiters schwierig festzustellen ist. Bei Mitarbeitern etwa, die vorher in einer Festanstellung für das Unternehmen gearbeitet haben und im Altersruhestand nun als freier Mitarbeiter das Unternehmen unterstützen, fällt es mitunter schwer, diese nicht in den alten Arbeitsstrukturen zu belassen.

 

PRAXISTIPP | In jedem Fall sind klare Abstimmungen notwendig. Auch dieser Rechtsstreit hätte vermieden werden können, wenn beide Parteien von Anfang an für eindeutige Verhältnisse gesorgt hätten. Es liegt auch im Interesse des Arbeitgebers, hier Klarheit zu erlangen: Muss er Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, weil sich der freie Mitarbeiter als fester Mitarbeiter entpuppt hat, kann es schnell zu sehr hohen Summen kommen.

 

Nicht immer ist jedoch sicher zu beurteilen, welchen Status der neue Mitarbeiter hat. In dem Fall kann ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden.

 

 

Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 100 | ID 47394578