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· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

Das Nachbesserungsrecht des Zahnarztes bei Zahnersatz gilt nicht unbegrenzt

von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

| Der Bedarf an Zahnersatz steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Was aber, wenn der Zahnersatz zu Problemen führt und das Vertrauensverhältnis des Patienten zum Zahnarzt zerstört ist? Weil dem Patienten deshalb keine (weitere) Nachbesserung zuzumuten sei, hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Zahnarzt zur Rückzahlung des Festzuschusses für Zahnersatz verurteilt (8.7.20, L 11 KA 84/17, Abruf-Nr. 224256 ). |

1. Keine Nachbesserung wegen Vertrauensverlusts?

Auf den ersten Blick überrascht dieses Urteil, da dem Zahnarzt nach ständiger Rechtsprechung das Recht zusteht, Mängel des Zahnersatzes im Wege der Nachbesserung zu beseitigen. Dieses Recht kann der Patient nicht einfach dadurch aushebeln, dass er angibt, das Vertrauensverhältnis zu dem Zahnarzt sei gestört (vgl. OLG Köln, 17.12.12, 5 U 126/12 sowie LSG Bayern, 24.2.99, L 12 KA 522/97). Bei genauerer Betrachtung wird mit dem Urteil nur das Recht des Zahnarztes auf Nachbesserung präzisiert.

 

Soweit ersichtlich hat erstmals das OLG Düsseldorf am 12.6.86 geurteilt, dass dem Zahnarzt in Bezug auf Zahnersatz ein Nachbesserungsrecht zusteht (8 U 279/84). Der entscheidende Satz in der Urteilsbegründung ist heute noch aktuell:

 

„Da der Zahnarzt die Passgenauigkeit, insbesondere also den einwandfreien und schmerzfreien Sitz von Zahnersatz, nicht immer auf Anhieb herbeiführen kann, müssen ihm, ohne dass der Vorwurf schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens im Sinne des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB erhoben werden könnte, Korrekturen an Zähnen und Zahnersatz gestattet werden, damit eine den Regeln der Zahnmedizin entsprechende Tauglichkeit des einzugliedernden Zahnersatzes herbeigeführt wird.“

 

In zahlreichen weiteren Urteilen wurde diese Rechtsansicht bestätigt:

  • OLG Köln a. a. O. und LSG Bayern a. a. O.
  • Das Bundessozialgericht hat ein Nachbesserungsrecht sogar dann für angemessen gehalten, wenn die Nachbesserung in einer Neuanfertigung besteht (10.5.17, B 6 KA 15/16 R). Ebenso OLG Dresden a. a. O.

 

2. Der aktuelle Fall

Im konkreten Fall ging es um die Rückforderung des Festzuschusses für Teleskopprothesen im Ober- und Unterkiefer. Nach den Feststellungen des eingeschalteten Gutachters wies zumindest ein Teil der Teleskope einen unzureichenden Randschluss auf. Darüber hinaus lagen die Prothesensättel nicht dem jeweiligen Kiefer auf und in einem Fall war sogar eine Primärkrone durchgeschliffen.

 

An sich wären diese Mängel nach der zuvor zitierten Rechtsprechung im Rahmen der Nachbesserung behebbar gewesen ‒ zur Not durch eine zulässige Neuanfertigung, wie es der Gutachter empfohlen hatte. Dieses Recht des Zahnarztes hätte der Patient nach der st. Rspr. auch nicht durch den Verweis auf mangelndes Vertrauen aushebeln können. Hier war es jedoch so, dass der Patient dem Zahnarzt nach der Eingliederung des Zahnersatzes bereits neunmal eine Nachbesserung ermöglicht hatte. Dabei

  • wurden u. a. Zähne umgestellt,
  • der Biss abgesenkt und
  • eine Knirscherschiene eingegliedert.
  • Außerdem wurden wiederholt Druckstellen behandelt.
  • In Bezug auf den Randschluss der Kronen und den Sitz der Prothese auf dem Kiefer unternahm der Zahnarzt nichts und teilte dem Patienten auch nicht mit, dass diesbezüglich Probleme bestehen.

 

Schließlich teilte der Zahnarzt dem Patienten mit, die „Arbeit sei gut, so wie sie sei“. Erst nachdem im später angefertigten Gutachten die o. g. Mängel angegeben wurden, wollte der Zahnarzt im Wege weiterer Nachbesserung auch diese Mängel beheben. Entweder waren ihm diese vorher nicht aufgefallen oder er wollte sie dem Patienten verheimlichen. Man kann verstehen, dass der Patient in einem solchen Falle kein Vertrauen mehr hat. Das LSG Nordrhein-Westfalen formuliert es so: „Wenn der Kläger trotz mehrerer Kontroll- und Nachbesserungstermine nach der Eingliederung Mängel […] nicht erkannt hat, führt das nicht dazu, dass er nach Erstellung eines Gutachtens erneut die Möglichkeit zur Nachbesserung erhielt, sondern erst recht dazu, dass dem Versicherten eine weitere Behandlung unzumutbar war.“

 

Erschwerend kam hinzu, dass die Mitarbeiter des Zahnarztes den Patienten zum Begleichen des Eigenanteils mit der Behauptung gedrängt hatten, dass vor Bezahlung keine Garantie bestehe. Außerdem wurde der Patient immer wieder gemahnt, den Eigenanteil zu bezahlen.

 

FAZIT | E s bleibt dabei, dass der Zahnarzt in Bezug auf Zahnersatz ein Nachbesserungsrecht hat ‒ aber nicht unbegrenzt. Übrigens: Zwischen der Behandlung und der Entscheidung des LSG NRW vergingen fast sechs Jahre …

 

Weiterführender Hinweis

  • Kein Wechsel des Zahnarztes bei ordnungsgemäßer Behandlung: SR 21, 121
Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 159 | ID 47465356