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· Fachbeitrag · Sozialgerichtsverfahren

Verfahrensdauer kann auch später gerügt werden

| Dauert ein sozialgerichtliches Verfahren unangemessen lange, kann der Kläger entschädigt werden, wenn er die Verfahrensdauer rügt. Muss er dies zwingend schnell tun? Nein, sagt das LSG Niedersachsen-Bremen. Denn eine Frist für die Rüge gibt es nicht. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Klägerin hatte Entschädigung eingeklagt, da sich ihr Verfahren über zwei Jahre hinzog. Das LSG wertete den Entschädigungsanspruch als vorstellbar. Es betonte aber, dass eine Verzögerungsrüge weder wirkungslos ist noch den Entschädigungsanspruch begrenzt, nur weil sie spät erhoben wird (17.3.17, L 10 SF 35/16 EK AS, Abruf-Nr. 193000). § 198 Abs. 3 GVG enthält

  • keine Frist, innerhalb der die Rüge zu erheben ist sowie
  • regelt keine Sanktionen, wenn sie versäumt bzw. verspätet erfolgt. § 198 Abs. 3 S. 2 regelt nur, wann die Rüge frühestens erhoben bzw. frühestens wiederholt werden kann.

 

Relevanz für die Praxis

Eine verspätete Rüge rechtfertigt nicht gleich eine Missbrauchsabsicht. In sozialgerichtlichen Fällen gilt in der Regel eine Bedenk- und Vorbereitungszeit von zwölf Monaten (BSG 12.2.15, B 10 ÜG 1/13 R). Das BSG sagt klar: Je länger es dauert, umso mehr verdichtet sich die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig zu bemühen, das Verfahren zu beschleunigen und zu beenden. Der Kläger kann, muss jedoch nicht zwingend sofort nach zwölf Monaten rügen. Aufgrund von Verzögerungen Dritter (z. B. Gutachter) oder besonderer Umstände (z. B. bei einem Musterprozess oder schwierigem Sachverhalt) verlängert sich die Vorbereitungs- und Bedenkzeit oft. Bei einer Entschädigungsklage hingegen sind gesetzliche Fristen zu beachten.

 

Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 56 | ID 44594610