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· Fachbeitrag · Krankenversicherung und Kostenerstattung

Auslands-Rentner in Frankreich müssen Selbstbeteiligung zahlen

| Viele Rentner leben im Ausland. Nach Arztbesuchen dort kommt es häufig zu Problemen mit den Krankenkassen. Wer seinen Wohnsitz in Frankreich hat und dort eine Selbstbeteiligung nach stationärer bzw. ambulanter Behandlung zahlen muss, kann diese nicht von der deutschen Krankenkasse erstattet verlangen. Das hat das LSG Baden-Württemberg entschieden (23.4.21, L 4 KR 1627/19, Abruf-Nr. 225187 ). |

 

1. Klägerin erhält neues Hüftgelenk

Die damals 69-jährige Klägerin bezieht eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 2008 hat sie ihren alleinigen Wohnsitz nach eigenen Angaben in Frankreich und ist beim französischen Träger der Krankenversicherung (CPAM) als Migrant eingetragen. Nach einem Sturz daheim habe sie im Juni 2016 notoperiert werden müssen. Dabei wurde ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Hierfür fiel eine Selbstbeteiligung in Höhe von 931,19 EUR an, die von der CPAM nicht erstattet wurde. Der Betrag setzt sich aus prozentualen Eigenanteilen zusammen, zu denen die Klägerin verschiedene Rechnungen vorlegte (u. a. für Krankentransporte, Tagespauschalen im Krankenhaus, Reha-Leistungen, Physiotherapie und Laboruntersuchungen).

 

Die Klägerin verlangte die Erstattung von ihrer deutschen Krankenkasse, die eine Zahlung ablehnte: Die Klägerin erhalte in Frankreich alle Sachleistungen nach EG-Verordnung Nr. 883/2004 von dem für ihren Wohnort zuständigen französischen Träger der Krankenversicherung. Eine Erstattung der Selbstbeteiligung komme nicht in Betracht, denn § 13 Abs. 4 SGB V werde durch französisches Recht verdrängt. Sowohl ihre Klage als auch ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil blieben erfolglos. Die abgelehnte Kostenübernahme der Krankenkasse sei rechtmäßig und verletze die Klägerin auch nicht in ihren Rechten, so das LSG Baden-Württemberg.

 

2. Sachleistungsaushilfe erfolgt nach dem Recht des Wohnmitgliedstaats

Zwar sieht das französische Recht bei Krankheit sachleistungsersetzende Kostenerstattungsansprüche grundsätzlich vor. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind hier aber nicht erfüllt, da es sich um Eigenbeteiligungen handelt. Diese sind nach französischem Recht von den Versicherten selbst zu tragen.

 

MERKE | Die Freizügigkeit in der EU wird nicht durch den Export von nationalen Ansprüchen (hier: von Deutschland nach Frankreich) sichergestellt. Dies geschieht vielmehr, indem Berechtigte in das Sozialleistungssystem des Aufenthaltsorts einbezogen werden (vgl. BSG 30.6.09, B 1 KR 22/08).

 

Ein zusätzlicher Anspruch gegen den Träger des Heimatstaats ergibt sich nur, wenn der Träger hier seine Leistungspflicht in diese Richtung erweitert hat. Wer medizinische Leistungen in einem anderen EU-Staat erhält, befindet sich außerhalb des Geltungsbereichs des SGB V (§ 3 Nr. 2 SGB IV, § 30 Abs. 1 SGB I). Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts, die gem. § 6 SGB IV und § 30 Abs. 2 SGB I unberührt bleiben, ändern hieran nichts.

 

Dass die in Frankreich lebende Klägerin bezüglich der Sachleistungsaushilfe gemäß Art. 24 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dieselben Leistungsansprüche wie eine in Frankreich krankenversicherte Person hat, entspricht vielmehr dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 dieser Verordnung. Danach haben Personen, für die diese Verordnung gilt, grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats. Eine Gebietsgleichstellung im Sinne einer Gleichstellung des Aufenthalts in Frankreich mit einem Aufenthalt in Deutschland gebietet die Verordnung gerade nicht.

 

 

PRAXISTIPP | Übereinstimmend mit der BSG-Rechtsprechung haben Versicherte angesichts der Freizügigkeit in der EU hinzunehmen, dass ihnen im EU-Ausland weder der Form noch dem Inhalt nach identische Ansprüche zustehen wie in Deutschland.

 

Weiterführende Hinweise

  • Im EU-Ausland lebende Rentner bleiben pflichtversichert, SR 18, 39
  • Rentner im Ausland: Diese Steuerfallen lauern, SR 17, 193
  • Arztberichte in fremder Sprache? Übersetzung, bitte ..., SR 20, 59
Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 197 | ID 47641854