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· Fachbeitrag · Dialyse

Fahrtkosten nur bis zur nächsten Praxis

von Christian Noe B.A., Leipzig

| Krankenkassen müssen Dialysefahrten nur bis zur nächsten Praxis bezahlen. Dies gilt auch, wenn die Kasse zuvor lange Zeit die Kosten zu einer weiter entfernten Einrichtung getragen hat. Ausnahme: Es liegen zwingende medizinische Gründe vor. Der Beitrag sagt, wann dies der Fall sein kann. |

 

Sachverhalt

Der 69-jährige Antragsteller begehrte die Zahlung von Fahrtkosten zur Dialyse. Seine Krankenkasse hatte zunächst die Fahrtkosten vom Wohnort zur Praxis (45 km Fahrstrecke) erstattet. Als sich die Behandlungsfrequenz erhöhte, wollte sie nur noch die Kosten zur nächstgelegenen Dialysepraxis (maximal 23,5 km) übernehmen. Der Antragsteller erhob Klage zum SG. Er verwies darauf, dass § 16 SGB V explizit gestatte, von den Richtlinien abzuweichen. Hierfür legte er einen ärztlichen Bericht vor, nach dem bei ihm Komplikationen bestehen, die eine engmaschige Mitbetreuung durch die Universitätsklinik erforderten. 20 Jahre lang seien die Fahrtkosten auch nie thematisiert worden, ein Wechsel nach so langer Zeit sei unzumutbar. Ferner sei er ein Härtefall, da er die Fahrtkosten finanziell nicht tragen könne. Das SG lehnte den Antrag ab. Der Antragsteller habe nicht ausreichend belegt, dass er die Fahrtkosten nicht zahlen könne. Das LSG Schleswig-Holstein bestätigte die Entscheidung des SG (19.7.17, L 5 KR 99/17 B ER, Abruf-Nr. 196231).

 

Entscheidungsgründe

Krankenkassen müssen Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 S. 1 SGB V ergebenden Betrags in Ausnahmefällen wie der Dialyse übernehmen (§ 60 Abs. 1 S. 3 SGB V, vgl. Grafik). Dies allerdings nur in notwendiger und wirtschaftlicher Höhe und daher bis zur nächstgelegenen Dialysemöglichkeit. Zwingende medizinische Gründe, weshalb hier in der nahen Einrichtung eine gleichwertige Behandlung nicht möglich ist, lagen in diesem Fall nicht vor. Selbst wenn die Kasse über längere Zeit größere Entfernungen bezahlt hat, ist sie verpflichtet, diese bisher rechtswidrige Praxis zeitnah zu beenden (§ 2 Abs. 4 SGB V). Der vom Antragsteller angeführte § 45 SGB X ist nicht anzuwenden. Grund: Die letzte Bewilligung der Krankenbeförderung war zeitlich begrenzt, mithin eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nicht erforderlich.

 

Relevanz für die Praxis

Die Qualität der Dialysebehandlung ist in Deutschland insgesamt auf einem hohen Niveau standardisiert und gleichwertig in allen Zentren sichergestellt. Medizinisch begründete Ausnahmen gibt es nur selten, beispielsweise wenn

  • alle Plätze für Infektionspatienten (z. B. Hepatitis) belegt sind oder

 

  • bestimmte Behandlungsverfahren oder Untersuchungen (z. B. Transplantationsfähigkeit prüfen), die in einem anderen Zentrum begonnen wurden, noch nicht abgeschlossen sind.

 

In derartigen Fällen kann von den Leistungsträgern zeitlich begrenzt eine längere Anfahrt bewilligt werden. Dies sollte der Mandant mit einer ärztlichen Bescheinigung darlegen können.

 

Grundsätzlich gilt auch in anderen Fällen: Sollen Fahrtkosten erstattet werden, ist zwar eine „hohe Behandlungsfrequenz“ notwendig (also wie oft in welchen Abständen behandelt werden muss). Eine genaue Zahl an Behandlungen ist jedoch nicht festgelegt (BSG 13.12.16, B 1 KR 2/16 R). Das BSG sagt beispielsweise auch: Bei einer dauerhaft regelmäßig notwendigen ambulanten Behandlung besteht ein Anspruch auf Fahrtkosten auch, wenn die Therapie (hier: LDL-Apherese-Behandlung bei schwerer Fettstoffwechselerkrankung) nur einmal wöchentlich stattfindet (28.7.08, B 1 KR 27/07 R).

 

 

Beachten Sie | Eine altersbedingte Multimorbidität begründet noch keinen Anspruch darauf, dass Fahrtkosten für eine ambulante Behandlung ausnahmsweise übernommen werden (SG Leipzig 11.4.17, S 8 KR 385/16).

 

Weiterführende Hinweise

  • Thema Fahrtkosten als Mandanteninformation: Zuhörer einladen (vgl. SR 15, 49)
Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 149 | ID 44837922