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· Fachbeitrag · Altenpflege - Vertrauen und Vorsicht (Teil 2 )

Beschäftigung von Pflegepersonal im Haushalt: Diese Fallkonstellationen sind denkbar

von Ltd. Ministerialrat a. D. Dr. iur. Frank Hennecke

| Altenpflege hat viele Geschäftsmodelle entstehen lassen, deren Seriosität gelegentlich aber auch infrage gestellt wird. Auch legitime Formen gewerblicher Altenpflege geraten schnell in die Gefahr der Illegalität. Bekanntgewordene Fälle, aber auch Bedürfnisse der Praxis geben Anlass, darüber nachzudenken, wie die Sach- und Problemlage im Fall der Beschäftigung von Personen in der Altenpflege aussieht und wie in einem juristischen Konfliktfall geholfen werden kann. Hier die einzelnen Fallkonstellationen: |

1. Dienstvertrag: Einheitliches Merkmal

Leistungen der Altenhilfe sind Dienstleistung für hilfsbedürftige Menschen. Das Spektrum ist breit und reicht von der Haushaltsführung, der Geschäftsbesorgung hin bis zur persönlichen Fürsorge und zu den spezifischen Leistungen der Altenpflege wie Bewegungs- und Ankleidehilfen, Körperpflege, Wundversorgung, Toilettengang, Unterstützung der Nahrungsaufnahme. Wer solche Arbeiten für einen anderen übernimmt, erbringt ihm einen Dienst.

 

Die Dienste werden ausschließlich nach den Wünschen, Vorgaben, Bedürfnissen des Pflegbedürftigen erbracht und belassen der Pflegeperson keinen Freiraum für eigenes Gestalten, auch wenn sie ihre fachliche Qualifikation einbringt, die ihr überhaupt erst die Pflegeleistung ermöglicht. Wird eine solche Arbeit durch Vertrag geregelt, ist dieser Vertrag ein Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB). Dies gilt unabhängig davon, in welcher rechtlichen Verfassung oder in welchem Status sich der Dienstleistende als Vertragspartner befindet. Die verschiedenen Fallkonstellationen der Altenhilfe unterscheiden sich nach dieser rechtlichen Verfassung, nicht nach der Art des Diensts. Insofern ist die Dienstleistung und entsprechend der Dienstvertrag das einheitliche Merkmal aller rechtlich unterscheidbaren Fallkonstellationen der Altenhilfe.

2. Arbeitsverhältnis: Vollzeiteinsatz im Privathaushalt

Ein häufiger Fall der Altenhilfe besteht darin, dass eine Privatperson eine Pflegeperson in Dienst nimmt, die ihr in Vollzeit zur Verfügung steht. Häufig wird diese Pflegeperson auch in den Haushalt der pflegebedürftigen Privatperson aufgenommen. Je nach Situation hat die Hilfs- oder Pflegeperson verschiedene Aufgaben, teils solche der persönlichen Pflege, teils solche der Haushaltsführung, wobei die Arbeiten realistischerweise ineinandergehen. Die Hilfsperson erbringt hierbei Haushaltshilfe und Pflegeleistungen in ständiger Präsenz und in abhängiger Stellung. Die Arbeit richtet sich in Inhalt und Rhythmus nach der Pflegesituation und passt sich dem Tagesablauf und den Vorgaben des Pflegebedürftigen an. Mögen auch Arbeiten wie Haushaltseinrichtungen oder Geschäftsbesorgungen hinzukommen und somit Merkmale des Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrages das eine oder andere Mal erfüllt sein, dominiert trotzdem vom Gesamtbild her die persönliche Dienstleistung, von der anderweitige Arbeiten nur ein untergeordneter und unselbstständiger Teil sind.

 

Erbringt aber eine Person auf diese Weise eine entgeltliche Dienstleistung in Vollzeit, entsteht ein Arbeitsverhältnis. Was die Parteien vereinbaren, ist somit ein Dienstvertrag in Gestalt eines Arbeitsvertrags. Die pflegebedürftige Person ist Arbeitgeber, die Hilfsperson Arbeitnehmer in abhängiger Stellung in einem Privathaushalt.

 

Das Bestehen eines Arbeitsvertrags löst dann die sozialversicherungsrechtlichen Folgen aus. Vornehmlich muss der private Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge nach Maßgabe der von ihm gezahlten Vergütung abführen. Desgleichen gelten die Vorschriften des Arbeitsrechts einschließlich des Mindestlohns. Hinsichtlich einer Arbeitserlaubnis gilt,

  • kommt die Hilfsperson aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, bedarf sie keiner Arbeitserlaubnis.
  • Kommt die Hilfsperson aus einem Drittstaat, ist bei der Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis nach § 39 AuslG einzuholen.

3. Arbeitnehmerüberlassung

Es gibt Fälle, in denen nicht ein Arbeitsvertrag zwischen zwei Privatpersonen abgeschlossen wird, sondern in denen ein gewerbliches Unternehmen Personal bereithält, das es dann einer individuellen Nachfrage temporär oder dauerhaft für die Pflege zur Verfügung stellt. Die Pflegekraft arbeitet dann bei der Person, die sie über das Unternehmen bestellt hat. Sie tritt zu ihr vielleicht auch in eine persönliche Beziehung, aber es entsteht kein Vertragsverhältnis. Dieses besteht allein zwischen dem Unternehmen und dem Besteller; die Personen, die die Leistung tatsächlich erbringen, sind lediglich dem Besteller gegenüber Erfüllungsgehilfen des Unternehmens.

 

Eine solche Konstellation kann durchaus sinnvoll sein. Während die Vertragsbeziehung zwischen dem Unternehmen und dem Besteller fortbesteht, kann das Personal ausgetauscht, bei etwaigem Ausfall ersetzt oder auch nur für gewisse, besonders pflegeintensive Zeiten temporär eingesetzt werden. Es entsteht Flexibilität und Versorgungssicherheit, und die pflegebedürftige Person muss nicht die Verantwortung des Arbeitgebers übernehmen. Personale Beziehungen treten demgegenüber zurück.

 

Das Geschäftsmodell gewerblicher Unternehmen, die als Arbeitgeber Personal vorhalten, um es auf Nachfrage anderweitig arbeiten zu lassen, besteht im Angebot von Leiharbeit. Ihr Geschäft ist die Arbeitnehmerüberlassung. Für gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung gilt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Nach diesem Gesetz ist für die Arbeitnehmerüberlassung eine Erlaubnis erforderlich. (§ 1 Abs. 1 AÜG ) Fehlt die Erlaubnis, ist die Arbeitnehmerüberlassung illegal. Die Erlaubnis soll sicherstellen, dass das Unternehmen für seine Arbeitnehmer die arbeits- und sozialrechtlichen Vorgaben einhält. Wohlgemerkt, diese Vorgaben treffen nicht den Besteller von Leistungen der Altenhilfe, sondern das Unternehmen, das das Hilfspersonal vorhält. Der Besteller zahlt lediglich, was ihm das Unternehmen nach Maßgabe seiner arbeits- und sozialrechtlichen Kosten in Rechnung stellt.

 

Liegt das Unternehmen im Inland und lebt der Besteller ebenfalls im Inland, ist nichts weiter zu bedenken. Hat das Unternehmen aber seinen Sitz im Ausland und entsendet es seine Arbeitnehmer von dort aus nach Deutschland, ändert das am Erfordernis der Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nichts, die Arbeitnehmer aber bedürfen der sogenannten A1 - Bescheinigung (Die „A 1 Bescheinigung“ und deren Rechtsfolgen ergeben sich aus der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie der Verordnung (EG) Nr. 987/2009), die von den Behörden des Heimatlands ausgestellt wird und die für die Behörden in Deutschland ausweist, welchen Status die Arbeitnehmer im Ausland haben und dass sie dort sozialversichert sind. Die maßgebliche Wirkung der früheren 101-Bescheinigung der jetzigen A1-Bescheinigung wird in ständiger Rechtsprechung des EuGH und der oberen Bundesgerichte in Deutschland betont (vgl. die grundlegende Entscheidung des EuGH vom 26.1.06 in der Rechtssache Herbosch Kiere, C 2/05).

4. Altenpflege an mehreren Standorten

Altenpflege setzt nicht immer die Dauerpräsenz des Pflegepersonals in der unmittelbaren räumlichen Nähe der zu pflegenden Person voraus. Je nach Grad der Pflegedürftigkeit und auch je nach der Familiensituation genügt oft eine ambulante Versorgung. Eine ambulante Pflege erbringt temporär spezifische Leistungen, die Familienmitglieder oder sonstige Haushaltsangehörige nicht leisten können, während im Übrigen aber die zu pflegende Person der Obhut der Familie oder auch sich selbst überlassen bleiben kann. Für ambulante Leistungen genügt eine zeitliche Absprache oder ein Zeitplan.

 

Die Nachfrage nach ambulanten Pflegeleistungen wird von Personen erfüllt, die derartige Pflegeleistungen gewerbsmäßig erbringen. Wer ambulante Pflege gewerbsmäßig leistet, ist naturgemäß nicht in den Haushalt der pflegebedürftigen Person aufgenommen und unterliegt daher auch nicht deren ständigen Vorgaben. Wer ambulant pflegt, kommt, begleitet die bedürftige Person ins Bad, kleidet sie an, verabreicht Medikamente, hilft vielleicht bei der mittäglichen Nahrungsaufnahme und geht dann wieder, um zum nächstverabredeten Zeitpunkt wiederzukommen. Diese Leistungen erbringt der Altenpfleger oder die Altenpflegerin mehreren Personen im Laufe des Tages nach einem Zeitplan, der den Arbeitstag füllt; der Pfleger oder die Pflegerin ist in Vollzeit beschäftigt, aber gerade nicht an demselben Arbeitsplatz. Zeitplan und Arbeitsabläufe organisiert er in eigener Verantwortung; seine Pflegeleistung erbringt er nicht nach inhaltlicher Weisung seitens der pflegebedürftigen Person, sondern kraft professioneller Kompetenz.

 

Arbeitet die Pflegeperson allein und auf eigene Rechnung, tritt der Unterschied zur Vollzeit im Haushalt vollends zutage: Besteht in dem einen Fall ein Arbeitsverhältnis, ist bei ambulanter Pflege der Pfleger oder die Pflegerin selbstständig. Selbstständigkeit ist das Merkmal ambulanter Pflege durch private Pflegekräfte. Finden sich mehrere Pflegekräfte zu einem Team zusammen, ändert das nichts.

Selbstständige Pflegekräfte werden sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich auch als Selbstständige behandelt. Eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht nicht, da Pflegepersonen in der Altenpflege im Katalog von § 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI nicht aufgeführt sind (in § 2 S. 1 SGB VI heißt es: „Versicherungspflichtig sind selbstständig tätige ... 2. Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind“).

 

Hat die Pflegeperson ihren Hauptsitz in einem Mitgliedstaat der EU und erbringt sie ihre ambulanten Leistungen grenzüberschreitend, bestimmt das Heimatland über deren sozialversicherungsrechtlichen Status. Dieser Status wird durch die A1-Bescheinigung bestätigt, die von den Behörden des Heimatlands ausgestellt wird. Wird die Selbstständigkeit in dieser Bescheinigung von den ausländischen Behörden bestätigt, gilt dieser Status auch in Deutschland.

5. Unternehmen im Inland/kraft Entsendung aus dem Ausland

Parallel zu gewerblichen Unternehmen, die Vollzeitkräfte in Privathaushalte entsenden, gibt es auch im Bereich der ambulanten Pflege Unternehmen, die Pflegeleistungen anbieten. Vertragspartner der pflegebedürftigen Person sind dann für den Dienstvertrag nicht eine individuelle Pflegeperson, sondern das Unternehmen. Das Unternehmen begründet mit dem Pflegepersonal reguläre Arbeitsverhältnisse und hält somit Kapazitäten für nachgefragte Pflegeleistungen bereit. Stellt das Unternehmen die Pflegepersonen dann zur jeweiligen Pflegeleistung ab, sind diese Altenpfleger unselbstständige Erfüllungsgehilfen des Unternehmens.

 

Auch diese Konstellation mag für die Beteiligten Vorteile bieten. Die Pflegekräfte tragen nicht das Risiko der Selbständigkeit, für die pflegebedürftige Person ist sichere Versorgung, wenn auch nicht immer durch dieselbe Person, gewährleistet.

 

Das Unternehmen muss im Übrigen nicht in jedem Fall gewerbliche Ziele verfolgen. Altenpflege ist Gegenstand auch caritativer, gemeinnütziger oder kirchlicher Einrichtungen (z. B. Deutsches Rotes Kreuz, „Ökumenische Sozialstation e. V.“). Auch solche Einrichtungen halten Personal vor. Freilich müssen auch sie sich finanzieren, auch wenn sie vielleicht ihre Leistungen kostengünstiger anbieten können.

 

Unternehmen der ambulanten Pflege können auch von einem ausländischen Mitgliedstaat der EU her tätig werden und ihr Personal grenzüberschreitend einsetzen. Da das Personal aber an wechselnden Einsatzorten tätig ist und dort nur jeweils ambulant arbeitet, werden keine festen Standortarbeitsplätze begründet und findet keine Arbeitnehmerüberlassung statt. Es handelt sich vielmehr um freie Dienstleistung, die im Europäischen Binnenmarkt keiner weiteren Regulierung unterliegt. Der Status der Pflegekräfte bestimmt sich wiederum nach dem Recht des Sitzlandes und wird in der A1-Bescheinigung ausgewiesen. Die Pflegekräfte sind hiernach in aller Regel unselbstständige Arbeitnehmer des Unternehmens und im Heimatland sozialversichert.

Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 48 | ID 44503964