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  • 16.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123108

    Oberlandesgericht Nürnberg: Beschluss vom 20.06.2012 – 4 W 1065/12

    Beruft sich in einem Rechtsstreit auf Räumung einer Immobilie der Beklagte auf ein vom Kläger bestrittenes vertragliches Nutzungsrecht hinsichtlich 1/3 der Gesamtfläche der Immobilie und verteidigt sich im Übrigen damit, die Restfläche nicht in Besitz zu haben, bemisst sich der Gebührenstreitwert des Rechtsstreits nach dem einjährigen Nutzungsentgelt für 1/3 der Immobilie zuzüglich 2/3 des Verkehrswertes der Immobilie.


    4 W 1065/12

    In Sachen

    M.

    - Kläger und Beschwerdeführer -

    Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte Dr. B. ...

    gegen

    U. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführerin

    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -

    Prozessbevollmächtigter:

    Rechtsanwalt Dr. R. ...

    wegen Räumung u.a.

    hier: Beschwerde

    erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 4. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht Bauer als Einzelrichter am 20.06.2012 folgenden

    Beschluss:
    Tenor:

    1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 14.05.2012 (Az. 11 O 464/11) geändert.

    2. Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 396.665,00 EUR festgesetzt.

    3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
    Gründe

    I. Mit seiner Klageschrift vom 10.11.2011 begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Räumung eines Betriebsgebäudekomplexes und Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz der durch die verspätete Räumung entstehenden Schäden verpflichtet ist.

    Der Verkehrswert des Objekts beträgt 565.000,00 EUR. Eine Teilfläche des Gebäudes war früher an die Beklagte untervermietet. Mit E-Mail vom 22.11.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie derzeit nur 1/3 der Fläche nutzen könne und daher der "monatl. Mietzins" 350,00 EUR + 19% MwSt. betrage. In der Folgezeit überwies die Beklagte dem Kläger in unregelmäßiger Folge einen monatlichen Betrag von 416,50 EUR. Mit Schreiben vom 8.09.2011 (Anl. K2) forderte der Kläger die Beklagte auf, das Betriebsgelände spätestens bis 13.10.2011 zu räumen und gestattete der Beklagten, das Betriebsgebäude bis zum Besitzübergang "zu den vereinbarten Konditionen weiter zu nutzen".

    Die Klagepartei hat in der Klageschrift den Standpunkt eingenommen, dass zwischen den Parteien nie ein Vertragsverhältnis bestanden habe, das die Beklagte zur Nutzung des Gebäudekomplexes berechtigen würde. Die Beklagte sei im Besitz des gesamten Objekts und besitze Schlüssel für das gesamte Betriebsgebäude einschließlich Verwaltungs- und Produktionskomplex.

    Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich darauf berufen, dem Kläger per E-Mail vom 22.112010 mitgeteilt zu haben, dass sie nur ein Drittel der Fläche nutzen könne und hierfür einen monatlichen Mietzins von 350,00 EUR plus 19% MWSt. bezahle. Diesem Schreiben habe der Kläger nicht widersprochen. Es sei daher unrichtig, dass ein Mietvertrag nicht zu Stande gekommen sei. Im Übrigen habe die Beklagte nur einen Teil des Gebäudekomplexes genutzt.

    Im Termin über die Mediationsverhandlung des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 17.04.2012 haben die Parteien sich auf eine Räumung des im Klageantrag beschriebenen Betriebsgebäudekomplexes geeinigt und vereinbart, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

    Mit Beschluss vom 14.05.2012 hat das Landgericht Weiden i.d. OPf. den Streitwert für das Räumungsverlangen auf 565.000,00 EUR und für den Feststellungsantrag auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

    Gegen diesen Streitwertbeschluss hat die Klagepartei mit Schriftsatz vom 21.05.2012 Beschwerde eingelegt und auf ein Schreiben der Rechtsschutzversicherung Bezug genommen, in dem von einem Streitwert von 4.998,00 EUR ausgegangen wird. Bei der Streitwertfestsetzung sei zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte im Prozess jedenfalls hinsichtlich einer Fläche von 1/3 auf einen wirksamen Mietvertrag berufen habe.

    Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.05.2012 die Streitwertbeschwerde für unbegründet erachtet. Abzustellen sei auf den Vortrag in der Klageschrift, in der vom Kläger ein Mietverhältnis bestritten worden ist. Im Übrigen habe auch die Beklagte für 2/3 der Fläche keinen Mietvertrag behauptet.

    Das Landgericht Weiden i.d. OPf. hat mit Beschluss vom 30.05.2012 der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, für die Streitwertbemessung des Herausgabeanspruches sei der Verkehrswert der Immobilie maßgebend. Die eventuelle Rechtsverteidigung der Beklagten sei unerheblich. Den Streitwert des Klageantrags Ziff. 2. schätzte das Gericht unter Berücksichtigung des Klägervortrags auf 15.000,00 EUR.

    II. 1. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft. Die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG wurde eingehalten. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt die in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG genannte Grenze.

    2. In der Sache führt die Beschwerde zu einer Änderung des festgesetzten Streitwertes auf 396.665,00 EUR. Der Streitwert setzt sich wie folgt zusammen:

    a) Soweit die Parteien im Hauptsacheverfahren um den Bestand eines Mietverhältnisses über 1/3 der Fläche gestritten haben, ist für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes gemäß § 41 Abs.1 GKG insoweit der einjährige Betrag des für die Nutzung der Fläche gezahlten Entgelts maßgebend. Auszugehen ist dabei von dem von der Beklagten gezahlten Entgelt in Höhe von monatlich 416,50 EUR (zur Einbeziehung der Mehrwertsteuer vgl. KG, NZM 2000, 659). Im Schreiben vom 8.09.2011 (Anl. K2) hat sich der Kläger zur Weiternutzung des Gebäudeteils durch die Beklagte bis zum Besitzübergang "zu den vereinbarten Konditionen" einverstanden erklärt.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts ist bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte gegen den Räumungsanspruch hinsichtlich der von ihr genutzten Fläche mit der Einwendung verteidigt, es habe insoweit ein wirksames Mietverhältnis bestanden. Die Frage des Bestehens eines Mietverhältnisses hätte bei streitigem Fortgang des Hauptsacheverfahrens geklärt werden müssen, da ein mietvertragliches Nutzungsrecht zur Unbegründetheit des auf § 985 BGB gestützten Herausgabeanspruches geführt hätte, § 986 Abs.1 S.1 BGB. Bei Herausgabeklagen, deren Begründetheit vom Bestehen eines Miet- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses abhängt, bemisst sich der Gebührenstreitwert nicht gemäß § 48 Abs.1 GKG i.V.m. § 6 S.1 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache, sondern gemäß der spezielleren Norm des § 41 Abs.1 GKG (vgl. Wortlaut des § 48 Abs.1 GKG: "soweit nichts anderes bestimmt ist") nach dem Nutzungsentgelt.

    Diese Auffassung wird auch von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur geteilt (vgl. z.B. OLG Bamberg, Beschl. v. 9.03.1992, JurBüro 1992, 625; Kammergericht, JurBüro 1978, 892; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 3016 "Herausgabe"; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 41 GKG Rn. 5; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Gerichtskostengesetz, § 41 Rn. 13).

    Das von der Beklagten gezahlte und vom Kläger in der Vergangenheit akzeptierte monatliche Nutzungsentgelt betrug 416,50 EUR. Für die Streitwertfestsetzung ist somit der Jahresbetrag i.H.v. 4.998,00 EUR anzusetzen.

    b) Für die restlichen 2/3 der streitgegenständlichen Fläche, deren Herausgabe vom Kläger verlangt wurde, hat sich auch die Beklagte nicht auf ein Nutzungsrecht berufen und sich gegen den Herausgabeanspruch mit der Behauptung verteidigt, diesen Teil der Fläche nicht zu nutzen. Mangels Eingreifens einer spezielleren Streitwertvorschrift verbleibt es insoweit bei der Anwendung von § 48 Abs.1 GKG i.V.m. § 6 S.1 ZPO und der Maßgeblichkeit des Verkehrswertes. Der Verkehrswert des Gesamtgrundstücks beträgt nach unwidersprochenem Vortrag der Klagepartei 565.000,00 EUR. Für den Herausgabeanspruch dieses Grundstücksteils ist daher ein Streitwert von 376.667,00 EUR zugrunde zu legen.

    c) Die Festsetzung eines Streitwertes i.H.v. 15.000,00 EUR für den in der Klageschrift unter Ziffer 2. geltend gemachten Feststellungsanspruch durch das Landgericht begegnet keinen Bedenken und wird von den Parteien auch nicht angegriffen.

    3. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren über die Streitwertbeschwerde gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    RechtsgebieteGKG, ZPO, BGBVorschriften§ 41 Abs. 1 GKG § 48 Abs. 1 GKG § 68 GKG § 6 ZPO § 985 BGB § 986 BGB