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  • 07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238161

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 19.06.2023 – 10 U 24/22

    Zu den Streitwerten von Wiederherstellungs-, Datenberichtigungs-, Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen nach Beitragslöschungen und Accountsperrungen in sozialen Netzwerken.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 19.06.2023


    In dem Rechtsstreit
    [...]
    Prozessbevollmächtigte:
    [...]
    gegen
    [...]
    - Beklagte und Berufungsklägerin/Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    [...]

    wegen Forderung

    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 10. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht [...], den Richter am Oberlandesgericht [...]und den Richter am Oberlandesgericht [...]am 19.06.2023 beschlossen:

    Tenor:

    Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht auf jeweils 14.687,50 Euro festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Gegenstand des vorgenannten Verfahrens waren folgende Anträge des Klägers:

    1.
    Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.

    Nur hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den vorstehenden Klageantrag für zu weitgehend erachten sollte:

    Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den

    - am 07.08.2020 gelöschten Beitrag,
    - am 26.10.2020 gelöschten Beiträge,
    - am 27.10.2020 gelöschten Beiträge,

    - Beitrag, der der am 15.02.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,
    - Beitrag, der der am 06.05.2020 verhängten Sperre zugrunde liegt,

    aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um alle an diesen Tagen erfassten Verstöße zurückgesetzt wird.

    2.
    Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht zustand, den unter Ziff. 7 genannten, am 07.08.2020 gelöschten Beitrag des Klägers auf der Plattform www.facebook.com zu entfernen und gegen den Kläger wegen dieses Beitrags eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen.

    3.
    Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht zustand, gegen den Kläger, ohne die Angabe von Gründen, am 15.02.2020 und 06.05.2020 eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen.

    4.
    Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht zustand, ohne die Angabe von Gründen, am 26.10.2020 und am 27.10.2020 Beiträge des Klägers zu löschen.

    5.
    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über Grund und Anlass der Sperren vom 15.02.2020 und 06.05.2020 zu erteilen.

    6.
    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die am 26.10.2020 und am 27.10.2020 gelöschten Beiträge mitzuteilen und Auskunft über Grund und Anlass der jeweiligen Beitragslöschung zu erteilen.

    7.
    Der Beklagten wird aufgegeben, den am 07.08.2020 gelöschten Beitrag des Klägers:

    "Andreas Wer? Landet jeder Mist eines Vollcovidioten hier zum sich drüber aufregen?"

    wieder freizuschalten.

    8.
    Der Beklagten wird aufgegeben, die am 26.10.2020 und am 27.10.2020 gelöschten Beiträge des Klägers wieder freizuschalten.

    9.
    Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des in Ziff. 7 genannten Textes auf www.facebook.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, falls dieser sich den Kommentar eines Dritten in einer Gruppe bezieht, der der Dritte nicht angehört und in die er keinen Einblick hat. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.

    10.
    Die Beklagte hat es zu unterlassen, den Kläger auf www.facebook.com zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder etwaige Beiträge zu löschen, ohne ihm zugleich in speicherbarer Form den Anlass der Sperrung und die Begründung, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, mitzuteilen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen.

    11.
    Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger auf www.facebook.com zu sperren (insbesondere, ihr die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten), ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen.

    12.
    Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.

    13.
    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperren gem. Ziff. 2 und Ziff. 3 sowie die Beitragslöschungen gem. Ziff. 4 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches.

    14.
    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.

    15.
    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1700,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 150,- € seit dem 07.08.2020, aus 1.500,- € seit dem 15.02.2020 und aus 50,- € seit dem 06.05.2020 zu zahlen.

    16.
    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten

    a)
    für die außergerichtliche Tätigkeit (den Lösch- und Sperrsachverhalt vom 07.08.2020 betreffend) in Höhe von 542,05 €,

    b)
    für die außergerichtliche Tätigkeit in Bezug auf die weiteren Beitragslöschungen und Sperren im Jahre 2020 in Höhe von 542,05 € durch Zahlung an die Kanzlei REPGOW freizustellen.

    II.

    Der Streitwert war für beide Instanzen (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GKG) auf insgesamt 14.687,50 Euro festzusetzen und setzt sich wie folgt zusammen:

    1. Die mit Ziffer 1 begehrte Löschung von Datensätzen über bereits erfolgte Sperrungen war mit 1.250 Euro zu bewerten (vgl.  BGH, Beschluss vom 26.11.2020, III ZR 124/20;  Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20). Der von dem Kläger gestellte Hilfsantrag wirkt nicht streitwerterhöhend, da mit ihm lediglich ein Minus des gestellten Hauptantrags begehrt wird und daher derselbe Gegenstand betroffen ist (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

    2. Der mit Ziffer 2 gestellte Antrag betrifft zum einen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beitragslöschung, die mit (500 Euro abzgl. 20 Prozent =) 400 Euro zu bewerten ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 25.2.2021, III ZR 172/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20). Zum anderen wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer dreitägigen Nutzungssperre begehrt, die ebenfalls mit (500 Euro abzgl. 20 Prozent =) 400 Euro zu bewerten ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20).

    3. Der Antrag Ziffer 3 richtet sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer 30-tägigen Nutzungssperre sowie einer 24-stündigen Nutzungssperre. Einen Feststellungsantrag bezüglich einer 30-tägigen Nutzungssperre bewertet der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, mit (2.500 Euro abzgl. 20 Prozent =) 2.000 Euro (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 60/20;  Beschluss vom 25.2.2021, III ZR 172/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20). Der Feststellungsantrag bezüglich einer 24-stündigen Nutzungssperre ist mit (250 Euro abzgl. 20 Prozent=) 200 Euro angemessen bewertet (vgl.  BGH, Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20, zu einer dreitägigen Sperre).

    4. Der Antrag Ziffer 4 richtet sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung von zwei Beiträgen vom 26. und 27.10.2020. Hierfür ist ein Streitwert von (1.000 Euro abzgl. 20 Prozent =) 800 Euro anzusetzen (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20;  Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    5. Der Antrag Ziffer 5 richtet sich auf die Auskunftserteilung über Grund und Anlass der Sperren vom 15.02.2020 und 06.05.2020. Da diesen Kontosperren ein Wert von 2.750 Euro beizumessen (vgl. Ziffer 3) und bei einem Auskunftsanspruch ein Abschlag von mindestens 75 Prozent gegenüber dem Leistungsanspruch zu machen ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20;  Beschluss vom 25.2.2021, III ZR 172/20), ist für die Auskunftsansprüche ein Streitwert von 687,50 Euro anzusetzen.

    6. Der Antrag Ziffer 6 richtet sich auf die Auskunft über Grund und Anlass zweier Beitragslöschungen am 26. und 27.10.2020 sowie die Mitteilung dieser Beiträge. Da den Beitragslöschungen selbst ein Wert von jeweils 500 Euro, insgesamt also 1.000 Euro zuzubilligen ist (vgl. Ziffer 8) und bei einem Auskunftsanspruch - wie ausgeführt - ein Abschlag von mindestens 75 Prozent gegenüber dem Leistungsanspruch zu machen ist, ist für die Auskunftsansprüche ein Streitwert von 250 Euro anzusetzen.

    7. Mit dem Antrag Ziffer 7 wird die Wiederherstellung eines Beitrags angestrebt, wofür ein Streitwert von 500 Euro angemessen ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20;  Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    8. Mit dem Antrag Ziffer 8 wird die Wiederherstellung zweier Beiträge angestrebt, wofür ein Streitwert von 1.000 Euro angemessen ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20;  Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    9. Der Antrag Ziffer 9 ist auf die Unterlassung der erneuten Kontosperrung wegen eines bestimmten Beitrags sowie die Unterlassung dessen Löschung gerichtet. Hierfür ist ein Streitwert von 1.500 Euro anzusetzen (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 60/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    10. Der Antrag Ziffer 10 ist auf die Unterlassung der erneuten Kontensperrung oder von Beitragslöschungen ohne Mitteilung einer Begründung gerichtet. Hierfür ist ebenfalls ein Streitwert von 1.500 Euro anzusetzen (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 60/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    11. Der Antrag Ziffer 11 ist auf die Unterlassung der Kontensperrung ohne vorherige Anhörung gerichtet. Auch hierfür ist ein Streitwert von 1.500 Euro anzusetzen (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 60/20;  Beschluss vom 27.5.2021, III ZR 351/20).

    12. Dem Antrag Ziffer 12 kommt kein eigener Streitwert zu.

    13. Der Antrag Ziffer 13, der auf Auskunftserteilung über den Einsatz beauftragter Unternehmen gerichtet ist, ist mit 500 Euro zu bewerten (vgl.  BGH, Beschluss vom 17.12.2020, III ZR 76/20;  Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20).

    14. Auch der Antrag Ziffer 14, der auf Auskunftserteilung über eine Beteiligung der Bundesregierung gerichtet ist, hat einen Wert von 500 Euro (vgl.  BGH, Beschluss vom 28.1.2021, III ZR 162/20).

    15. Der Zahlungsantrag Ziffer 15 hat einen Wert von 1.700 Euro

    16. Der Antrag Ziffer 16 ist nicht streitwerterhöhend (§ 43 Abs. 1 GKG).

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 43 Abs. 1 GKG; § 45 Abs. 1 S. 3 GKG; § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GKG