Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238159

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 02.06.2023 – 16 W 27/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 16. Zivilsenat

    02.06.2023


    Tenor

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.04.2023 - Az. 2-03 O 170/23 - abgeändert:

    1. Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, sich wie folgt zu äußern

    (Von der Darstellung des nachfolgenden Bildes wird abgesehen - die Red.)

    wenn dies geschieht wie unter www.(...).de und in der Anlage LHR 10 ersichtlich

    und/oder

    (Von der Darstellung des nachfolgenden Bildes wird abgesehen - die Red.)

    wenn dies geschieht wie unter www.(xxx).de und wie ersichtlich in der Anlage LHR 9.

    2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.

    3. Der Streitwert wird in Abänderung der Festsetzung durch das Landgericht vom 11.04.2023 für das Erlassverfahren und ebenfalls für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

    Gründe

    Die form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig und hat in der Sache Erfolg.

    1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts resultiert aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO (VO (EU)1215/2012) und die örtliche Zuständigkeit aus § 32 ZPO.

    2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts können die Antragsteller die Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung gemäß §§ 1004 Abs. 1, 824 BGB von dem Antragsgegner verlangen. Hiernach hat, wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss.

    a) Die Antragsteller sind anspruchsberechtigt.

    § 824 BGB schützt u.a. juristische Personen (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage 2018, Kap. 5, Rn. 262), wobei - anders als bei Art. 19 Abs. 3 GG - keine Einschränkung auf inländische juristische Personen gegeben ist.

    Die Antragsteller sind auch individuell durch die Äußerung betroffen. Zwar nennt die Äußerung kein konkretes Unternehmen bzw. eine konkrete Firmierung, sondern beschränkt sich auf die Nennung des „X-System Vorname1 Nachname1“. Da beide antragstellenden Unternehmen den Bestandteil „Vorname1“ in ihrer Firmierung haben und zudem beide u.a. den Vertrieb von Produkten in Bezug auf die Distributed-Ledger-Technologie zum Gegenstand haben, erscheint es möglich, dass Personen davon ausgehen, dass sich das hier in Rede stehende Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Antragsteller richtet; zumal der zuvor veröffentlichte Artikel des Antragsgegners gemäß der Anlage LHR 8 vor dem „X-System Vorname1 Nachname1“ warnt und dort auf die Homepage „Vorname1.com“ verweist, welche die Antragstellerin zu 1. nunmehr betreibt (vgl. Anlage LHR 2).

    b) Es handelt sich bei der streitgegenständlichen im Internet behaupteten Äußerung im Schwerpunkt um eine Tatsachenbehauptung, denn ob ein entsprechendes Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stadt1 geführt wird, ist dem Beweis zugänglich.

    c) Dass die streitgegenständliche Aussage wahr ist, hat der glaubhaftmachungsbelastete Antragsgegner nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Der im Beschwerdeverfahren angehörte Antragsgegner hat sich im Rahmen der Anhörung nicht geäußert.

    Der Antragsgegner ist aufgrund der hier gegebenen Glaubhaftmachungslastumkehr gem. § 186 StGB darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet für die Unwahrheit der streitgegenständlichen Äußerung.

    Die Glaubhaftmachungslast für die Unwahrheit einer Behauptung trägt grundsätzlich der Anspruchsteller (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 12, Rn. 138 m.w.N.). Handelt es sich jedoch um eine Äußerung, die - wie hier - eine üble Nachrede nach § 186 StGB darstellt, findet eine Glaubhaftmachungslastumkehr statt, so dass der Äußernde die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen glaubhaftmachen muss (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 12, Rn. 139 m.w.N.).

    Die hier in Rede stehende Äußerung ist geeignet, die Antragsteller in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Denn die Behauptung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kann sich auf den sozialen Geltungsanspruch eines Unternehmens bzw. dessen Geschäftsehre negativ auswirken. Insoweit ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts unbeachtlich, dass ein Unternehmen nicht Gegenstand von Ermittlungen sein kann, sondern nur natürliche Personen Subjekt eines Strafverfahrens sein können. Der juristisch nicht vorgebildete Durchschnittleser wird diese rechtliche Differenzierung in der Regel nicht vornehmen. Selbst dann, wenn er dies tun sollte, wird er die Äußerung so verstehen, dass die verantwortlichen natürlichen Personen bzw. die „Köpfe“ des Unternehmens Subjekt des geführten Ermittlungsverfahrens sind, welches sich auf die Tätigkeit des Unternehmens, nämlich dessen X-System, bezieht.

    d) Die streitgegenständliche Behauptung ist aus vorstehenden Erwägungen auch geeignet, den wirtschaftlichen Ruf der Antragsteller zu gefährden und die Beziehung zu deren Geschäftspartnern zu stören.

    e) Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist von einem zumindest fahrlässigen Handeln des Antragsgegners auszugehen.

    f) Dass ein Haftungsausschluss nach § 824 Abs. 2 BGB greift, hat der Antragsgegner nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

    g) Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH, GRUR 1997, 379, 380 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II). Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch von dem Antragsgegner verweigert wurde. Damit zeigt der Antragsgegner, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH, GRUR 1998, 1045, 1046 - Brennwertkessel).

    3. Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

    4. Die erforderliche Dringlichkeit liegt vor. Der streitgegenständliche Beitrag wurde am 08.02.2023 veröffentlicht und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist am 21.03.2023 - mithin binnen der Regelfrist von 6-Wochen - bei dem Landgericht Frankfurt am Main eingegangen.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

    6. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht zu treffen, weil nach § 574 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 542 Abs. 2 ZPO eine Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht statthaft ist.

    7. Der Streitwert war sowohl für das Erlass- als auch für das Beschwerdeverfahren auf 40.000,00 EUR festzusetzen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO).

    Der Senat geht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Äußerungen in der Presse oder anderen Medien - mit Ausnahme von Prominenten oder besonders spektakulären Fällen, bei denen höhere Beträge in Betracht kommen - je nach Bedeutung und Schwere von einem Gegenstandswert zwischen etwa 5.000,00 EUR und 15.000,00 EUR je selbständiger, inhaltsverschiedener Äußerung aus.

    Das Interesse der Antragsteller an der Beseitigung der streitgegenständlichen Äußerung auf Twitter und auf Instagram ist demnach unter Berücksichtigung der Bedeutung und der Schwere und unter Beachtung des in einstweiligen Verfügungsverfahren üblichen Abschlags von 1/3 in Bezug auf jeden Antragsteller mit 10.000,00 EUR je Äußerung und Medium, also insgesamt mit 40.000,00 EUR zu bemessen.

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 53 As. 1 Nr. 1 GKG; § 3 ZPO