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  • · Fachbeitrag · Anwalt in eigener Sache

    Geschädigter Anwalt erhält Kosten der Verkehrsunfallregulierung erstattet

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Reguliert der Rechtsanwalt einen Verkehrsunfallschaden in eigener Sache, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz seiner Kosten entsprechend den Vorschriften des RVG zu. Dies hat das AG Berlin-Mitte entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Im betreffenden Fall hatte der Rechtsanwalt einen fremdverschuldeten Schaden an seinem Kfz selbst mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer reguliert. Hiernach verlangte er Ersatz seiner Kosten und legte dabei eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen aus dem Erledigungswert zugrunde. Der Versicherer verweigerte die Zahlung der Kosten und begründete dies damit, dass ein Rechtsanwalt als Geschädigter keine anwaltliche Hilfe benötige und daher in eigener Sache keinen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten habe. Auf die daraufhin erhobene Klage hat das AG Berlin-Mitte den Haftpflichtversicherer antragsgemäß verurteilt (15.3.23, 28 C 278/22, Abruf-Nr. 237310).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls mit zwei beteiligten Fahrzeugen, insbesondere hinsichtlich der Schadenshöhe, ist in der Regel komplex und keineswegs einfach (BGH AGS 20, 148). Dies wird durch die intensiven und kontroversen Diskussionen in der Rechtsprechung und Lehre zu nahezu jeder Schadensposition bei Fahrzeugschäden deutlich ‒ die uneinheitliche Rechtsprechung in diesem Bereich entwickelt sich weiter.

     

    Oft kommt es zu Streitigkeiten zwischen den Geschädigten und den hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer, sogar bis vor die höchsten Gerichtsinstanzen. Aus diesem Grund kann ein Geschädigter berechtigte Zweifel haben, ob der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne Weiteres ihren Ersatzverpflichtungen nachkommen werden. Selbst wenn der Unfallhergang und die Haftung klar sind, ist der Fall nicht als einfach gelagert anzusehen. Daher ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht ausgeschlossen.

     

    Dem steht auch nicht entgegen, wenn der Kläger die Kosten seiner eigenen Beauftragung als Rechtsanwalt geltend macht. Zwar ist § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO ‒ auf den vorliegenden Fall jedenfalls unmittelbar ‒ nicht anwendbar. Diese Vorschrift regelt den speziellen Fall der Selbstvertretung eines Anwalts im Rechtsstreit nach der ZPO, während es hier um die außergerichtliche Durchsetzung von Ersatzansprüchen geht. Allerdings ist § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und könnte damit einer analogen Anwendung fähig sein (so z. B. AG Nürnberg AnwBl. 71, 59).

     

    Beachten Sie | Auf eine mittelbare oder unmittelbare Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO kommt es letztlich nicht an, weil sich die Ersatzpflicht bereits aus den allgemeinen Grundsätzen der Schadenersatzpflicht nach §§ 249 ff. BGB ergibt.

     

    MERKE | Es gibt keinen rechtlichen Gesichtspunkt, der es vertretbar erscheinen ließe, dass der Geschädigte, der selbst Anwalt ist und seinen Schadensfall selbst bearbeitet, den Einsatz seiner beruflichen Arbeitskraft und Kenntnisse zugunsten des Schädigers kostenlos leisten müsste. Unzweifelhaft könnte er mit der sicheren Folge der Ersatzpflicht einen anderen Anwalt mit der Bearbeitung seines Schadensfalls betrauen. Es ist aber ein gesicherter Grundsatz des Schadenersatzrechts, dass weder die besonderen persönlichen Verhältnisse des zum Ersatz Verpflichteten noch die des Geschädigten einen Anspruch auf Ermäßigung des Schadens begründen. So kann der Geschädigte, der in der Lage ist, sein unfallgeschädigtes Kraftfahrzeug selbst zu reparieren, gleichwohl Ersatz der Kosten verlangen, die erforderlich wären, um die Leistung durch einen Dritten erbringen zu lassen.

     

    Beachten Sie | Das Gericht weist zu Recht darauf hin, dass § 91 Abs. 2 S. 4 ZPO im außergerichtlichen Bereich nicht gilt. Es hat allerdings offen gelassen, woraus sich die Ersatzpflicht letztlich ergibt (ebenso AG Köln AGS 18, 104; AG Münster NJW-RR 11, 760; AG Halle [Westfalen] NJW 10, 3466). Zutreffend dürfte es sein, insoweit auf den Rechtsgedanken des § 1877 Abs. 3 BGB (früher § 1835 Abs. 3 BGB) abzustellen.

     

    Es fällt keine Umsatzsteuer an, da der Anwalt in eigener Sache tätig wird und bei einem sog. Eigenverbrauch (Innengeschäft) keine Umsatzsteuer erhoben wird (BGH NJW-RR 05, 363). Ein Ersatz der Umsatzsteuer scheitert also bereits an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, weil keine Umsatzsteuer anfällt und abgeführt werden muss (zur Frage, inwieweit bei der Eigenregulierung durch einen Anwalt bei der Regulierung eines im Betriebsvermögen stehenden Fahrzeugs keine Umsatzsteuer ersetzt verlangt werden kann, siehe auch RVG prof. 23, 109).

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 185 | ID 49687227