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  • · Fachbeitrag · Rügeverfahren

    Gebührenfreiheit bei kostenrechtlichem Rügeverfahren

    von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt

    | Der Anwalt der im Rechtsstreit obsiegenden Kläger hatte gegen den vom Gericht festgesetzten Streitwert im eigenen Namen (§ 32 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 68 Abs. 1 GKG) Beschwerde auf Erhöhung des Streitwerts eingelegt. Nachdem das Gericht der Beschwerde nur teilweise stattgab, erhob er Gehörsrüge (§ 69a GKG). Diese wies das Gericht zurück, woraufhin die Justizkasse vom Anwalt 60 EUR (Nr. 1700 KV GKG) für die Gehörsrüge forderte. Dagegen wehrte sich der Anwalt mit Erfolg. Der folgende Beitrag erläutert, warum. |

    1. Kostenrechnung

    Die der Gerichtskostenrechnung zugrunde liegende Gebühr Nr. 1700 KV GKG wird für „Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 321a ZPO, auch i. V. m. § 122a PatG oder § 89a MarkenG, § 71a GWB)“ erhoben, wenn die Rüge voll „verworfen oder zurückgewiesen“ wird.

     

    MERKE | Um eines dieser Rügeverfahren handelte es sich hier aber nicht. Denn das Verfahren nach § 69a GKG, mit dem der Anspruch auf Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht wurde, betraf ein kostenrechtliches Verfahren nach dem GKG. Nr. 1700 VV GKG betrifft dagegen Rügeverfahren in den dort genannten verfahrensrechtlichen Hauptsachen. Folge: Der Kostenansatz war fehlerhaft (§ 19 GKG).

     

    Das Gericht hatte auch nicht den Grundsatz der Kostenfreiheit und des Analogieverbots beachtet: Nach § 1 Abs. 1 S. 1 GKG dürfen Kosten nur „nach diesem Gesetz“ erhoben werden. Folge: Es besteht Kostenfreiheit, soweit das Gesetz nicht eine Kostenregelung trifft. Das betrifft vor allem das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), sodass auch eine analoge Anwendung von Vorschriften des Kostenverzeichnisses ausgeschlossen ist (BGH JurBüro 07, 371).

     

    Da ein Gebührentatbestand für kostenrechtliche Anhörungsrügen im Kostenrecht nicht geregelt ist, vor allem das GKG keine Gebühr für die Gehörsrüge nach § 69a GKG vorsieht, ist das Rügeverfahren gebührenfrei (BayVGH 4.11.14, 11 C 14.1481; BVerwG AGS 10, 194). Nr. 1700 KV GKG ist nicht anzuwenden (LG Saarbrücken AGS 16, 180; OLG Celle MDR 12, 1067; OLG Düsseldorf AGS 10, 194).

     

    Auch liegt keine Gesetzeslücke vor. Denn der Gesetzgeber hat z. B. mit dem 2. KostRModG das bis dahin kostenlose Rügeverfahren in Ehe- und Familiensachen durch Nr. 1800 KV FamGKG ergänzt, die kostenrechtlichen Rügeverfahren aber weiter gebührenfrei gelassen. Folge: Es ist zu unterstellen, dass auch bei Verwerfung oder Zurückweisung einer kostenrechtlichen Anhörungsrüge keine Gerichtsgebühr erhoben werden soll (NK-GK/Thiel, 2. Aufl., § 69a Rn. 21).

    2. Richtiger Rechtsbehelf: Erinnerung

    Der Anwalt ist gegen die Kostenrechnung richtig vorgegangen: Als Kostenschuldner hat er die (unbefristete) Erinnerung (§ 66 Abs. 1 GKG) eingelegt.

     

    MERKE | Der Anwalt (und nicht die von ihm vertretenen Kläger) war hier persönlicher Kostenschuldner der fehlerhaft angesetzten Gerichtsgebühr, da das Rügeverfahren die zugrunde liegende Streitwertbeschwerde betraf, mit der er im eigenen Namen (und eigenem Interesse) die Erhöhung des Streitwerts (weiter) verfolgte.

     

    Über die Erinnerung entschied zunächst der Kostenbeamte (§ 19 Abs. 5 S. 1 GKG, § 28 Abs. 2 S. 1 KostVfg). Dieser half ihr nicht ab und legte sie daraufhin dem Bezirksrevisor, als Vertreter der Staatskasse und zugleich Erinnerungsgegner (FG Hamburg Rpfleger 12, 157), zur evtl. Abhilfe vor (§§ 28 Abs. 2 S. 1, 38 Abs. 2 S. 1 KostVfg). Dieser gab der Erinnerung statt und wies den Kostenbeamten an, die Kostenrechnung zu löschen (§§ 36, 38 Abs. 2 S. 2 KostVfg).

     

    MERKE | Hilft der Bezirksrevisor der Erinnerung nicht ab, muss er sie unverzüglich dem Gericht vorlegen (§ 38 Abs. 2 S. 3 KostVfg). Das Gericht (Einzelrichter) entscheidet dann abschließend (§ 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 S. 1 GKG). Weist die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf oder hat sie grundsätzliche Bedeutung, kann der Einzelrichter die Entscheidung allerdings auch der Kammer oder dem Senat übertragen (§ 66 Abs. 6 S. 2 GKG).

     

    Wird die Erinnerung zurückgewiesen, ist eine Beschwerde dagegen nur möglich, wenn der Beschwerdewert von 200 EUR überschritten wird (§ 66 Abs. 2 S. 1 GKG) oder das Gericht sie zugelassen hat (§ 66 Abs. 2 S. 2 GKG).

     

    Der Anwalt musste keine Kosten für das Erinnerungsverfahren zahlen, weil dieses grundsätzlich gebührenfrei ist (§ 66 Abs. 8 S. 1 GKG).

     

    PRAXISTIPP | Die Kostenfreiheit betrifft nur die Gerichtsgebühren. Auslagen (z. B. für Zustellungen) kann das Gericht also erheben. Allerdings darf es das nur bei erfolgloser Erinnerung (Vorb. 9 Abs. 1 KV GKG).

     

    3. Zwischenzeitliche Mahnung des Gerichts

    Die Entscheidung über die erfolgreiche Erinnerung und Löschung der Kostenrechnung über 60 EUR wurde dem Anwalt formlos mitgeteilt und die Rückzahlung umgehend vorgenommen. Das Gericht hatte ihn aber zwischenzeitlich wegen der noch nicht gezahlten Kostenrechnung angemahnt, eine Mahngebühr von 5 EUR (nach § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 2 JBeitrG i. V. m. § 17, § 4 Abs. 1 und Nr. 1403 KV JVKostG) gefordert und vom Anwalt erhalten.

     

    Beachten Sie | Nach Mitteilung über die Löschung der Kostenrechnung forderte der Anwalt die Justizkasse daher auf, ihm auch die Mahngebühr zu erstatten. Dem kam die Justizkasse umgehend nach. Denn ist der Kostenansatz zu Unrecht erfolgt, ist auch die auf ihn beruhende Mahnung ungerechtfertigt gewesen. Die dafür gezahlte Mahngebühr war daher ebenfalls zu erstatten.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 84 | ID 46403857