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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    Ein rechtskräftiger Teil-Kostenfestsetzungsbeschluss kann nicht mehr abgeändert werden

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | In einem Verfahren sind zugunsten mehrerer Erstattungsgläubiger gesonderte Kostenfestsetzungsbeschlüsse (KFB) möglich. Wird nur ein Beschluss mit der sofortigen Beschwerde angefochten und aufgehoben, stellt sich die Frage, ob die anderen KFB abzuändern sind. Das OLG Bamberg verneint dies selbst dann, wenn sich herausstellt, dass die anderen Festsetzungsbeschlüsse höher hätten ausfallen müssen. |

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger K die vier Beklagten B1 bis B4 als Gesamtschuldner in Anspruch genommen (OLG Bamberg 14.11.22, 4 W 30/22, Abruf-Nr. 232675). Das LG wies die Klage insgesamt ab. Dagegen legte K zunächst umfassend Berufung ein, nahm die Berufung gegenüber B3 aber vor der Berufungsbegründung wieder zurück. Später schlossen K, B1, B2 und B4 einen Vergleich. Von den Kosten des Berufungsverfahrens sollten B1, B2 und B4 als Gesamtschuldner 15 Prozent und der K 85 Prozent tragen; K sollte zudem voll die außergerichtlichen Kosten von B3 übernehmen.

     

    Der gemeinsame Prozessbevollmächtigte P der Beklagten B1 bis B4 meldete deren Gesamtkosten zur Festsetzung an, ohne eine Verteilung auf die einzelnen Beklagten zu erklären. Daher schlug das Gericht jedem Beklagten jeweils ein Viertel zu und in einem ersten KFB (KFB I) wurden drei Viertel der bei P angefallenen Kosten zugunsten von B1, B2 und B4 ausgeglichen und ein Betrag gegen K festgesetzt. In einem zweiten KFB (KFB II) wurde das weitere Viertel zugunsten von B3 festgesetzt. Hiergegen erhob K sofortige Beschwerde und machte geltend, dass für B3 im Berufungsverfahren wegen der Rücknahme der Berufung keine Kosten angefallen seien. P sei insofern nur für B1, B2 und B4 tätig geworden. Da dies zutraf, wurde die Festsetzung des Viertels der Kosten zugunsten von B3 aufgehoben. P und K stritten sich im weiteren Verlauf darüber, ob diese Kosten nun zugunsten von B1, B2 und B4 berücksichtigt und der KFB I abgeändert werden muss. Das OLG erteilte dem aber eine Absage.

     

    Die sofortige Beschwerde ist begründet, da ein KFB in Rechtskraft erwächst (vgl. BGH RVG prof. 11, 166; Zöller/Herget, 34. Aufl., § 104 Rn. 21.74) und nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr abgeändert werden darf. Diese Voraussetzung war hier gegeben. Der KFB I zugunsten von B1, B2 und B4 ist nicht angegriffen worden und war daher rechtskräftig. Eine Änderung zulasten von K im Beschwerdeverfahren, das allein den KFB II betraf, war daher nicht zulässig.

    Relevanz für die Praxis

    Ein KFB darf grundsätzlich nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert werden, da hier wie bei allen Rechtsmitteln das Verschlechterungsverbot gilt. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Anschlussrechtsmittel gemäß § 567 Abs. 3 ZPO eingelegt wird. Dies war hier allerdings nicht der Fall.

     

    Auch eine Berichtigung des KFB I nach § 319 ZPO war nicht möglich. Dies hätte einen Schreibfehler, Rechnungsfehler oder eine sonstige offenbare Unrichtigkeit vorausgesetzt. Ein Tenorierungsfehler ist offenbar unrichtig, wenn eine Divergenz zwischen dem Urteilsausspruch und der vom Gericht beabsichtigten Entscheidung vorliegt und sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt (Zöller/Feskorn, a. a. O., § 319, Rn. 24). Diese Situation lag hier ebenfalls nicht vor. Der zuständige Rechtspfleger hat vielmehr ‒ wenn auch zu Unrecht ‒ einen Kostenerstattungsanspruch des B3 angenommen.

     

    Der gemeinsame Prozessbevollmächtigte P der Beklagten hat zwei gravierende Fehler begangen:

     

    • 1. P hatte zunächst einen (unzulässigen) pauschalen Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Vertritt nämlich ein Anwalt mehrere Streitgenossen, dann muss er im Kostenfestsetzungsantrag konkret angeben, zu wessen Gunsten er welche Kosten anmeldet (OLG Frankfurt AGS 20, 299). Im Fall hier bedeutet dies: P hätte für jeden Beklagten nur ein Viertel der Gesamtkosten anmelden dürfen. Dann wäre hinsichtlich B1, B2 und B4 auch nur über jeweils ein Viertel der Kosten entschieden worden. Die Beklagten hätten später die Differenz zwischen einem Viertel und einem Drittel der Kosten im Weg der Nachfestsetzung geltend machen können.

     

    • 2. Der zweite Fehler lag darin, dass P bei Erlass der KFB nicht erkannt hat, dass zugunsten von B3 ein Viertel der Anwaltskosten zu Unrecht festgesetzt worden war. Dieses Viertel „fehlte“ folglich bei B1, B2 und B4. P hätte also schon gegen den KFB I Beschwerde einlegen und den Kostenfestsetzungsantrag zugunsten B3 zurücknehmen müssen. (Eine Anschlussbeschwerde hätte allerdings nichts bewirkt. Diese wäre nur gegen den KFB II gerichtet und damit nicht geeignet gewesen, den KFB I abzuändern.)

     

    Ein Anwalt, der mehrere Streitgenossen vertritt, sollte bei der Kostenfestsetzung nie unreflektiert pauschal alle Kosten zugunsten aller Streitgenossen anmelden. Mehrere Streitgenossen werden nämlich hinsichtlich der Kostenerstattung nicht Gesamtgläubiger, sondern lediglich Teilgläubiger. Daher ist es wichtig, für jeden Streitgenossen anzugeben, welche Kosten bzw. welchen Anteil an den Gesamtkosten er zur Festsetzung für sich anmeldet.

     

    Beachten Sie | Ergehen ‒ wie hier ‒ in einem Verfahren mehrere KFB, muss der Anwalt sämtliche KFB prüfen und aufeinander abgleichen. Auch wenn die Gesamtsumme letztlich stimmt, kann die Verteilung unzutreffend sein. Dies führt dazu, dass durch eine Beschwerde gegen einen der KFB das Gesamtergebnis nicht mehr stimmt. Besteht ‒ wie hier ‒ eine Wechselwirkung, müssen ggf. von beiden Seiten Rechtsmittel eingelegt werden. Anderenfalls erwächst ein unzutreffender KFB in Rechtskraft und kann nachträglich nicht mehr abgeändert werden. Dies kann dann auch zu Schadenersatzansprüchen gegen den Anwalt führen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2023 | Seite 7 | ID 48830251